SIEBEN

Contentment Inn
Staten Island, New York
Samstag, 6.30 Uhr

Die Sonne schien durch Mulders Zimmerfenster, strahlte ihm in sein verschlafenes Gesicht, als sein Radiowecker ansprang, um ihn zu wecken. Es wurde ein alter Song aus den Siebzigern gespielt, der ihn sofort an seine Schulzeit erinnerte. Unter Stöhnen wandte er sich dem Gerät zu, um es auszuschalten, besann sich dann aber eines Besseren, denn es war wohl klüger, die Musik laufen zu lassen, damit er nicht wieder einschlief. Er versuchte, es leiser zu stellen, drehte aber aus Versehen in die falsche Richtung und saß sofort senkrecht im Bett. Jetzt bestand keine Gefahr mehr, dass er noch einmal einschlafen würde. Fluchend schlug er die Bettdecke zurück und machte sich auf den Weg ins Badezimmer, um zu duschen und sich mit Scully nachher zum Frühstück zu treffen, als er hörte, wie die Badezimmertür in ihrem Zimmer lautstark zugeschlagen wurde. Er konnte sich denken, dass er seine Partnerin durch seine Versuche, das Radio leiser zu stellen, geweckt hatte, und ihr das aufgrund ihres derzeitigen Gesundheitszustandes gar nicht gefallen hatte. Eilig machte er sich fertig und verließ eine halbe Stunde später sein Zimmer.

Der Speisesaal war um diese frühe Zeit noch leer. Eigentlich war die ganze Pension bis auf vier Zimmer leer, denn abgesehen von Scully und Mulder wohnte nur noch eine vierköpfige Familie bei Mrs. Morten. Die zwölfjährigen Zwillinge hatten sich gestern noch bis mitten in die Nacht hinein angeschrieen und sich geprügelt bis der Vater die Geduld verloren und die Streithähne getrennt hatte. Deshalb war Mulder auch noch ein bisschen müde, als er in den Frühstücksraum eintrat, in dem Scully ihn schon erwartete. Sie sah noch schlimmer aus als am letzten Abend und sie schien noch immer keinen Hunger zu haben, denn vor ihr stand eine volle Schale Müsli, die sie jedoch nicht angerührt zu haben schien.

Mulder setzte sich zu ihr an den Tisch, nachdem er sich ein paar Scheiben Toast vom Buffettisch genommen hatte. In diesem Augenblick kam eine strahlende Abby Morten durch die große Schwingtür, die den Frühstücksraum mit der Küche verband.

„Guten Morgen, Mr Mulder, Ms Scully! Haben Sie gut geschlafen? Möchten Sie gerne Rührei zum Frühstück oder Pfannkuchen?"

„Ein Rührei für mich, bitte. Scully?" Er sah sie über den Tisch hinweg an, doch sie schien an einem Rührei oder überhaupt an etwas Essbarem kaum interessiert zu sein. Mrs. Morten hatte die stumme Ablehnung verstanden und war schon wieder in der Küche, um für Mulder die Eier zu bereiten.

„Haben Sie gut geschlafen, Scully?"

„Das schlafen war nicht das Problem, aber dann hat irgend so ein Idiot sein Radio auf volle Lautstärke gedreht. Wenn ich den in die Finger kriege. . ."

„Der arme Kerl. Das war mit Sicherheit eines der Kinder, die hier wohnen. Die haben gestern Abend schon die ganze Zeit Krach gemacht." Er wandte seinen Blick auf seinen Kaffee, damit Scully ihm seine Lüge nicht ansah.

„Was steht für heute auf dem Programm?" fragte Scully, nachdem Abby Mulders Frühstück vor ihm abgestellt hatte.

„Ich wollte eigentlich mal mit dem Nachbarn sprechen, der die Leiche gefunden hat, Daniel O' Brian. Vielleicht hat er ja irgendetwas gesehen oder gehört, was uns Aufschluss auf den Täter geben könnte. Ich verspreche mir zwar nicht all zu viel davon, aber man kann ja nie wissen."

Scully rührte lustlos in ihrem Müsli herum. „Es wäre schön, wenn sie mich dann an der Gerichtsmedizin absetzen könnten. Ich denke, die Auswertung von den gefundenen Haarfasern, von denen ich Ihnen erzählt habe, dürften mittlerweile fertig gestellt sein."

„Schön, vielleicht bringt uns das ja weiter." Mulder schob den letzten Bissen seines Rühreis und deutete kauend auf Scullys Müsli. „Essen Sie das noch? Oder können wir fahren?"

„Nein, von mir aus können wir direkt los."

Schon von weitem erblickte Scully den Schlanken, hochgewachsenen Pathologen Cawlin Weaver. Und unglücklicherweise sah er auch sie. Augenblicklich wendete er sich von seinem Gesprächspartner ab und ging auf sie zu. Auf seinem blassen Gesicht erschien ein breites Lächeln. Er fuhr sich mit der Hand durch sein kurzes blondes Haar.

„Agent Scully, schön Sie zu sehen!" Er hielt ihr seine klamme Hand unter die Nase.

Sie machte Anstalten sie zu ergreifen, doch dann rettete sie sich mit einem Niesen.

„Ich hoffe, das hat nichts mit meiner Gegenwart zu tun", versuchte Weaver zu scherzen.

„Ähm, ja. . . Ich bin eigentlich hier, um mich nach den Ergeb­nis­sen der Faseranalysen zu erkundigen."

„Wir können ja mal nachsehen. Sie müssen sich eigentlich in meinem Büro befinden, aber ich bin selbst gerade erst gekommen, und habe nicht so früh mit der Ehre Ihrer Gegenwart gerechnet."

„Wo ist denn Ihr Büro?"

„Es befindet sich am anderen Ende des Ganges."

Sie spürte plötzlich den Druck seiner großen Hand auf ihrem Rücken, die sie langsam den Flur entlang schob. Sie bemühte sich, diese Berührung zu ertragen und ging schneller, um den Druck zu vermindern.

Das Büro war geschmackvoller eingerichtet, als Scully erwartet hatte. Durch das große Panoramafenster hinter dem riesig wirkenden Schreibtisch aus auf Hochglanz poliertem Mahagoni wurde der Raum heller und freundlicher gestaltet. Der Schreibtisch war penibel aufgeräumt, lediglich eine dunkle Unterlage und ein Foto von sich mit seinen Eltern schmückte die Tischplatte. Auf der linken Seite des Raumes befand sich eine große Schrankwand mit integriertem Bücherregal, in dem eine große Anzahl Fachliteratur stand. In zwei großen Glasvitrinen, die sich rechts und links des Bücherregals erstreckten, waren Mikroskope und Binokkulare zu sehen. Auf der rechten Seite des Büros stand eine elegante, dunkelgrüne Ledercouch mit dazu passendem Tisch, auf dem ein marmorfarbener Aschenbecher und ein farblich abgestimmtes Feuerzeug lagen. Außerdem entdeckte Scully noch einige medizinische Fachzeitschriften. An der Wand über der Couch hingen in goldenen Rahmen seine bisherigen Auszeichnungen und Diplome.

„Nehmen Sie doch auf dem Sofa Platz, Ms Scully! Ich werde dann mal eine andere Mitarbeiterin fragen, ob das Labor sich schon gemeldet hat. Möchten Sie in der Zwischenzeit vielleicht etwas trinken?"

„Nein, danke!"

Sie machte es sich auf dem Sofa bequem, während Dr. Weaver sich seinem Telefon zuwandte und mit gedämpfter Stimme mit einer Mitarbeiterin namens Heather sprach. Sie machte sich nicht die Mühe, genauer zuzuhören, da sie schon nach den ersten drei Worten sicher war, dass Dr. Weaver seine Gesprächspartnerin auf eine gemeinsam verbrachte Nacht ansprach. Innerlich stöhnte Scully auf. Konnte dieser Typ seine anzüglichen Bemerkungen dem weiblichen Geschlecht gegenüber denn keine fünf Minuten vergessen? Er hielt sich wohl für so unwiderstehlich, dass er seine blasse Erscheinung völlig überschätzte. Ihr war es unbegreiflich, was eine Frau an so einem gekünstelten Machogehabe interessant finden konnte. Doch nach der Einrichtung seines Büros zu urteilen, hatte Dr. Weaver das nötige Kleingeld, um einem wasserstoffblonden Liebchen namens Heather den Kopf zu verdrehen. Jetzt wandte Scully sich einer der Fachzeitschriften zu, da es nicht den Anschein machte, als wolle Dr. Weaver sein Gespräch in absehbarer Zeit beenden. Doch als sie sich in einen Artikel über Gefäßchirurgie vertiefen wollte, dröhnte seine schrille Stimme vom Schreibtisch zu ihr hinüber.

„Die Ergebnisse aus dem Labor sind schon da, doch man hat versäumt sie mir auf den Platz zu legen. Ich laufe schnell zum Empfang und hole die Unterlagen. Wenn Sie hier bleiben, bin ich auch gleich wieder da." Er ließ ein Grinsen über sein Gesicht huschen, das genauso unecht aussah, wie seine obere Zahnreihe.

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Als Mulder am Craving Building ankam fing es an zu schneien. Er mochte den Verkehr in New York schon bei gutem Wetter nicht, aber bei Schnee und Glatteis war es kaum auszuhalten. Der Agent erreichte den Parkplatz jedoch unbeschadet und traf dort augenblicklich auf Detective Ross. Dieser stand unter einem Regenschirm und unterhielt sich angeregt mit einem Mann, den Mulder als Todd McAllister wieder erkannte. Er hasste diesen Teil seiner Arbeit, denn er hatte schon zu viele Zusammenstöße mit Angehörigen von Mordopfern, die nicht daran dachten, wie schwer eine Ermittlung oftmals sein konnte. Sie waren so mit ihrem eigenen Schmerz beschäftigt und oft auch von Selbstvorwürfen und Schuldgefühlen besessen, dass sie ihren Schmerz an den ermittelnden Beamten abreagierten, indem sie Vorwürfe über die langsamen Fortschritte der Ermittlungen laut werden ließen. Als Agent oder Polizist musste man dann die nerven behalten und daran denken, dass die Person es in 99 der Fälle gar nicht so meinte. Er musste sich immer vor Augen führen, dass s für die Angehörigen einfacher war, anderen Vorwürfe zu machen, als sich dem eigenen Schmerz zu stellen.

Mulder stieg aus und gesellte sich zu Ross und Mr McAllister. Detective Ross schien froh über sein Erscheinen zu sein.

„Guten Morgen, Agent Mulder! Ich habe gerade mit Mr McAllister über den Stand der Ermittlungen gesprochen, vielleicht können Sie ihm ja seine Frage bezüglich des Täters beantworten."

„Tut mir leid, Mr McAllister, aber wir haben noch keine Hinweise auf den Täter. Meine Partnerin ist gerade damit beschäftigt, unsere bisherigen Ergebnisse der Untersuchung auszuwerten. Vielleicht können wir Ihnen schon danach schon mehr sagen. Es kann jedoch sein, dass wir noch ein bisschen länger für die Ermittlungen brauchen, also rechnen Sie nicht zu schnell mit einem Ergebnis."

„Ich bin sicher, dass Sie alles tun, was in Ihrer Macht steht, um den Mörder meiner Sandra zu fassen. Wenn ich Ihnen irgendwie helfen kann, stehe ich Ihnen jederzeit zur Verfügung." Er sagte nichts mehr, sondern wandte sich von den Beamten ab, als er merkte, dass sich die Tränen schon wieder ihren Weg bahnten.

Mulder und Ross sahen dem Mann noch einen Augenblick nach, bevor der Detective sich entschuldigend zu Mulder umdrehte.

„Es tut mir leid, aber der Kerl hat mich schon seit einer viertel Stunde genervt und einfach nicht locker gelassen. Er wollte unbedingt von Ihnen oder Agent Scully erfahren, ob ich ihm eventuell etwas verschweige." Er machte eine kurze Pause und sah zu dem eindrucksvollen Gebäude hinüber. „Was wollen Sie eigentlich hier? Möchten Sie sich noch einmal den Keller ansehen?"

„Nein, vielmehr wollte ich den Nachbarn, der die Frau gefunden hat, befragen. Vielleicht kann er uns ja etwas sagen, was uns weiterhilft. Sie können mir doch mit Sicherheit sagen, in welchem Apartment Daniel O'Brian wohnt."

„Der Mann wohnt mit seiner Frau in 4 B. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass er viel zu sagen hat. Meine Leute haben ihn schon befragt, nachdem er die Leiche gefunden hat und dabei ist nichts herausgekommen. Was versprechen Sie sich also von diesem Zeugen?"

„Eigentlich verspreche ich mir wirklich nicht sehr viel von ihm, aber man kann ja nie wissen." Mulder war schon auf dem Weg zum Haus, während er sich von Detective Ross verabschiedete.

Sobald Mulder die gläserne Haustür des Wolkenkratzers erreicht hatte, wurde sie ihm schon von Frank Morgan geöffnet. Der Portier betrachtete kritisch den Ausweis, den Mulder ihm automatisch unter die Nase gehalten hatte. Mit unruhigen grauen Augen folgte sein Blick dem Agenten, als dieser den Aufzug ansteuerte.

Die Aufzugtüren glitten im vierten Stock auf und Mulder begab sich zu dem Apartment mit der Nummer B. Mit langen Schritten durchquerte er den dunklen Flur, bis er direkt vor der Wohnungstür stand. Mulder klopfte an die Holztür, woraufhin er in der Wohnung ein leises Poltern vernahm, aber niemand öffnete ihm die Tür. Erst nach einem weiteren Klopfen rief jemand aus dem Inneren, dass er sofort kommen werde.

Er wartete noch weitere fünf Minuten bis die Tür von Daniel O'Brian geöffnet wurde. Er war ein großer, schlanker Mann Mitte dreißig mit sehr dunklen Haaren, die zu einem korrekten Kurzhaarschnitt frisiert. Er sah aus wie der typische Vertreter.

„Mr O'Brian? Mein Name ist Fox Mulder, ich bin vom FBI." Er zog seinen Ausweis aus der Innentasche seines Mantels und hielt ihn dem Mann vor die Nase.

„Wie kann ich Ihnen helfen, Agent Mulder?"

„Ich möchte Ihnen ein paar Fragen bezüglich des Mordes an Sandra McAllister stellen."

„Wollen Sie nicht erstmal reinkommen?" Er machte eine Geste, die Mulder bedeuten sollte, einzutreten.

Er führte den Agenten einen langen Flur entlang ins Wohnzimmer. Es war ein angenehmer, heller Raum, der überwiegend in hellen Grün- und Blautönen gehalten war. An der linken Seite war eine kleine bequem aussehende Couchgarnitur mit Rundecke zu sehen vor der ein kleiner runder Tisch stand. Außerdem boten noch zwei grüne Sessel weitere Sitzgelegenheiten. Hinter den Sesseln befand sich ein großer Schrank, in dem ein Fernsehgerät stand. Die rechte Seite des Raumes erinnerte Mulder an die Bibliothek seines Vaters. In einem großen Kirschbaumschrank befanden sich Massen an Büchern, die schon einen ziemlich abgegriffenen Eindruck machten. Vor dem Schrank standen zwei kleine Sessel aus blauem Wildleder, die in Verbindung mit der großen Stehlampe eine optimale Leseecke bildeten, über der Stereoanlage in der rechten Ecke des Raumes hingen zahlreiche Familienfotos an der Wand.

Sie machten es sich auf dem grünen Sofa bequem, und Mulder merkte sofort, dass der erste Eindruck getäuscht hatte. Die Couch war ganz und gar nicht bequem sondern vielmehr hart wie eine Holzbank.

„Eigentlich habe ich der Polizei ja schon alles gesagt, was ich weiß. Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, dass ich Ihnen noch etwas anderes erzählen könnte."

„Erzählen Sie mir trotzdem noch mal genau, wann und wie sie die Leiche gefunden haben", forderte Mulder ihn auf.

„Ich bin gestern schon früh morgens runter in die Waschküche, um eine Maschine weiße Wäsche zu waschen. Ich wollte meine Frau nicht wecken, sie ist nämlich schwanger, müssen Sie wissen, und der Arzt hat ihr gesagt, sie soll sich schonen. Ich ging also nach unten, und irgendwie war es schon komisch, dass die Tür zur Waschküche halb offen stand, normalerweise wird sie nämlich immer zugemacht, das steht so in der Hausordnung, aber an diesem Morgen war sie es eben nicht. Vorsichtig spähe ich also durch den halboffenen Spalt. . ." Er machte eine Pause, da ihn die Erinne­rung sichtlich mitnahm. „Na ja, da lag sie dann. Ihr Gesicht war blutüberströmt und ihr Körper schrecklich entstellt. Im ersten Augenblick konnte ich mich überhaupt nicht rühren, ich stand einfach nur da und starrte die leblose Frau an, die ich noch am Tag zuvor gesprochen habe. Es war entsetzlich. Dann bin ich so schnell ich konnte wieder nach oben und habe die Polizei angerufen."

„Um wie viel Uhr sind Sie denn morgens runter in die Waschküche?" hakte Mulder nach.

„Das muss so gegen halb acht gewesen sein, so genau weiß ich es aber nicht mehr, immerhin war es ein Feiertag und da achtet man ja nicht so sehr auf die Zeit."

„Haben Sie die Tote irgendwie angefasst, um festzustellen, ob sie wirklich tot war? Wir haben nämlich Haarfasern gefunden, die nicht vom Opfer stammten." Er wartete auf die Reaktion Daniel O'Brians, doch tatsächlich ging er nicht davon aus, dass die Haarfasern zu diesem Mann gehörten – sie glichen eher einem Tier, sie würden zu dem Fußabdruck passen, den sie gefunden hatten.

„Nein, ich bin nicht mal auf zwei Meter an sie herangekommen, ich war viel zu er­schrocken, um mich ihr nähern zu können."

„Hier steht, Sie haben die Polizei erst um halb neun benachrichtigt. Was haben Sie denn in der Zwischenzeit getan?"

„Ich habe doch schon gesagt, dass ich nicht genau weiß, wann ich runter in den Keller gegangen bin. Ich weiß auch nicht genau, wie lange ich unten war. Es ging alles wie in Trance an mir vorbei."

„Ist Ihnen sonst irgendetwas an der Leiche oder in der näheren Umgebung aufge­fallen?"

„Nein, tut mir leid. Ich befürchte, ich bin Ihnen keine große Hilfe."

„Das macht doch nichts, Mr O'Brian, ich kann mir vorstellen, dass es für Sie ein traumatisches Erlebnis war." Mulder stand auf und zog seinen Mantel zurecht. „Wenn ich noch Fragen habe, werde ich mich bei Ihnen melden, sofern Ihnen das recht ist. Entschuldigen Sie bitte, dass ich Ihnen Unannehmlichkeiten bereitet habe."

„Ich bitte Sie, ich wünschte, ich hätte mehr für Sie tun können."

Auch Daniel O'Brian stand auf und geleitete den FBI-Agenten zurück zur Wohnungs­tür.

„Wenn mir noch irgend etwas einfällt, werde ich mich melden", versprach O'Brian.

Mulder bedankte sich und zog die Tür hinter sich zu.

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Scully wartete schon eine geschlagene halbe Stunde darauf, dass Cawlin Weaver zurückkam. Langsam begann sie sich zu fragen, was er da oben trieb, womöglich hatte er Heather gefunden und darüber hinaus hatte er sie, Scully, völlig vergessen. Sie lehnte sich auf dem gemütlichen Sofa zurück und schloss die Augen. Da hörte sie auch schon große, schwungvolle Schritte auf dem Flur. Dann ging auch schon die Tür auf und Dr. Weaver stand unvermittelt im Raum.

Sein Haar war zerzaust und seine Lippen gerötet. Scully war sicher, dass er Heather gefunden hatte. Er warf ihr einen verwirrten Blick zu, der vermuten ließ, er habe vergessen, dass die Agentin in seinem Büro wartete. Doch er hatte sich schnell weder gesammelt.

„Ich habe Ihre Ergebnisse hier!" erklärte er mit einem breiten Grinsen, als verdiene er ob dieser bemerkenswerten Leistung eine Auszeichnung. „Ich hoffe, es hilft Ihnen in Ihrer Ermittlung weiter. Ich habe zwar schon einen Blick hinein geworfen, aber ich habe nichts gefunden, was auf einen möglichen Täter hinweisen könnte. Sie müssen wissen, dass ich auf der Uni einen Kurs in Kriminalistik belegt hatte, und deshalb nicht ganz ahnungslos in diesem Gebiet bin. Also falls sie Hilfe brauchen, können Sie mich jederzeit kontaktieren." Er blickte von oben auf Scully herab, die ihm in diesem Augenblick liebend gern ihre Smith&Wesson an die Schläfe gehalten, um zu sehen, ob er dann noch so einen tollen Spruch auf Lager hatte.

„Ich danke Ihnen, dass Sie mir die Ergebnisse so zügig gebracht haben. Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen, mein Partner kann mich jeden Moment abholen, und ich möchte das hier so schnell wie möglich durchgehen. Auf Wiedersehen, Dr. Weaver." Sie wartete keine Antwort ab, sondern drehte sich sofort um und verließ das Büro.

Als sie den langen schummrigen Gang entlang lief, hörte sie schon nach wenigen Metern, dass Dr. Weaver ihr folgte. Damit es nicht den Anschein hatte, als laufe sie vor ihm weg, beschleunigte sie ihr Tempo nicht. Sie war erleichtert, als sie Mulder am anderen Ende des Ganges auf sie zukommen sah. Als er sah, dass sie sich ihm näherte, blieb er stehen und wartete, bis sie ihn erreicht hatte.

„Hallo, Scully, na, wie war's? Haben Sie sich nett mit Dr. Weaver unterhalten?" Er grinste sie an, erhielt aber außer einem bösen Blick keine Anerkennung.

„Was haben Sie bei Mr O'Brian herausbekommen? Konnte er Ihnen noch etwas sagen, was wir noch sowieso schon wissen?"

„Nein, er konnte mir eigentlich nicht besonders viel sagen, außer dass er einer der wenigen verheirateten Männer ist, die auch mal bei der Hausarbeit helfen, wenn es ihrer Frau nicht besonders geht. Abgesehen davon hat er genau das wiederholt, was auch im Polizeibericht steht."

„Na ja, eigentlich haben wir uns ja auch vorher schon nicht viel von dieser Befragung versprochen, oder?"

„Ja, Sie haben Recht. Und was ist mit Ihnen, haben die Ergebnisse der Faseranalyse etwas eingebracht?" Mulder wies mit seiner Hand auf den braunen Umschlag, den Scully gerade in ihrer Handtasche verstaute.

„Um ehrlich zu sein, hatte ich noch gar keine Gelegenheit, mir dieses Material anzusehen, da ich ewig darauf warten musste, bis dieser Dr. Weaver endlich damit rausrückte. Der glaubt doch wirklich, wir hätten seine Hilfe nötig, um diesen Fall zu lösen."

Sie gingen gemeinsam zum Wagen, um ins Contentment Inn zurück zu fahren. Während Mulder den Ford mit immer größer werdender Sicherheit durch den New Yorker Verkehr führte, blätterte Scully die Unterlagen durch, die sie von Dr. Weaver erhalten hatte.

„Na ja, eines ist schon mal sicher. Diese Haarfasern, die wir an der Leiche gefunden haben, stammen eindeutig nicht vom Opfer. Zwar bringt uns das im Moment noch nicht besonders weit, aber es ist immerhin besser als nichts."

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Und weil es so lange kein Update gab, kommt das zweite Kapitel direkt hinterher. Wer Zeit und Lust hat, kann mir gerne einen Kommentar zukommen lassen. Lg, N.Snape