TITEL: The past may sleep - But it NEVER dies
AUTOR: Nici Cavanaugh
TEIL: 2 von ?
FSK: ab 16 (um sicher zu gehen)
GENRE: Allgemein, Drama, Spannung
CHARAKTER(E)/PAAR(E): Annie, Woody, Jordan, Garret und der Rest
SPOILER: 3. Staffel
INHALT: An einem kalten Wintertag werden Annie, Woody und Garret zu einem Tatort gerufen, der ihr Leben nachhaltig verändern wird …
DISCLAIMER: Nichts gehört mir, alles gehört Tim Kring. Ich borge mir die Figuren und Orte nur aus und werde alles ordentlich gewaschen und gebügelt wieder zurückgeben! Nur die Handlung gehört mir…
WARNUNG: Es geht primär um einen Mordfall, in dem auch ein Baby verwickelt ist. Wer damit nicht klar kommt, sollte besser nicht weiterlesen.


Kapitel 1

„Wie geht es ihr?"
„Sie haben ihr eine Spritze gegeben. Sie schläft."

oOo

Das Zimmer war in Kerzenschein getaucht. Die Stereoanlage auf dem Sideboard spielte Al Green, der ab und an von leise geflüsterten Worten oder Stöhnen unterbrochen wurde.
Du bist wunderschön."
Das sagst du jedes Mal." Ein leises Kichern.
Weil es doch stimmt." Er hielt in seiner Bewegung inne und umrahmte ihr Gesicht mit beiden Händen. Mit dem Daumen fuhr er die Konturen ihrer Wangenknochen nach bis er an ihrem Mund halt machte, ihre Lippen sanft spaltete und ihr liebevoll über die Unterlippe strich.
Du machst mich glücklich", flüsterte er, sein Mund nur Millimeter von ihrem entfernt. „Danke."
Sie lächelte, legte eine Hand in seinen Nacken und zog ihn hinunter in einen sanften Kuss. Sie schloss die Augen und ließ sich fallen, versank in dem Gefühl, den Mann, den sie liebte bei sich zu haben und ihn überall spüren zu können.

OoO

Ich muss los. Sie wartet auf mich", sagte er, während er, auf der Bettkante sitzend, sein Hemd zuknöpfte. Sie kniete sich hinter ihn, schlang ihre Arme um seinen Oberkörper und streichelte über seine nackte Brust.
Kannst du nicht bleiben?", fragte sie flüsternd, während ihr Mund eine Spur feuchter Küsse auf seiner rechten Schulter hinterließ, seinen Hals hoch wanderte und schließlich an seinem Ohrläppchen innehielt.
Wir könnten zusammen frühstücken."
Es geht nicht. Das weißt du." Er löste sich aus ihrer Umklammerung, stand auf und griff nach seiner Jacke, die über dem Stuhl hing.
Ich ruf dich an." Er gab ihr einen schnellen Kuss auf die Wange und verschwand.

OoO

Ich kann nicht mehr." Sie saß im Schneidersitz auf dem dunkelblauen Sofa, ein Kissen schützend vor ihrem Bauch. „Ich werde es ihr sagen. Wenn du dich nicht traust, dann mache ich es."
Nein!" Panik lag in seiner Stimme, und sie schauderte. „Das kannst du nicht machen. Es würde sie umbringen."

oOo

„Dr. Macy?", fragte Woody. „Ich muss Schluss machen. Ich glaube, sie wacht auf."
„In Ordnung, Woody. Halten Sie mich auf dem Laufenden."

Annie blinzelte, öffnete die Augen und sah verschwommen, dass Woody sein Handy vom Ohr nahm, es ausschaltete und dann auf den kleinen Tisch in der Ecke legte.

„He. Wie geht es dir?", fragte er lächelnd und kam zu ihrem Bett hinüber. Sie zog die Stirn kraus und sah ihn fragend an.
Was war passiert? Was machte er hier? Und vor allem: Wo war dieses ‚hier'?

Sie drehte den Kopf und sah sich um.
Sie lag in einem kleinen Zimmer mit weißgetünchten Wänden. Die gegenüberliegende Glasfront war mit schwarzen Rollos verziert, die halb geschlossen waren aber dennoch die Sicht nach draußen freigaben. Menschen in weißen Kitteln liefen geschäftig auf und ab, manche blieben kurz stehen, redeten miteinander und eilten dann weiter.

„Du bist im Boston General", erklärte Woody, der ihren fragenden Blick richtig interpretierte. Er rückte sich einen Stuhl zurecht und nahm Platz.
„Warum?" Annies Stimme war nicht mehr als ein Krächzen. „Was ist passiert?"
Woody griff nach einen Glas Wasser, das auf den Tisch neben ihrem Bett stand und reichte es ihr. Sie richtete sich halb auf, nahm das Glas dankbar entgegen und trank einen Schluck.
„Erinnerst du dich nicht mehr?", fragte er vorsichtig.
Annie schüttelte den Kopf.
„Du hattest einen Schock", sagte Woody und nahm ihr das Glas wieder ab. Gedankenverloren drehte er es in seiner Hand, während er Annie aufmerksam beobachtete.
„Der Arzt meinte, dass es dir besser gehen würde, wenn du wieder aufwachst. Stimmt das? Geht es dir gut?"

Annie dachte einen Moment über diese Frage nach und nickte dann.
„Ja, ich denke schon", sagte sie vorsichtig und lugte unter die Decke. Wie sie vermutet hatte, trug sie nur eines dieser unbequemen, ziemlich freizügigen Krankenhaushemden. Sie schlug die Decke wieder zu und sah Woody fragend an.

„Warum bist du hier?"
Woody hatte das Glas zwischenzeitlich abgestellt, beobachtete Annie aber weiterhin mit wachsamem Blick. Irgendetwas, vielleicht ein Instinkt, sagte ihm, dass sie nicht in Ordnung war; dieser glasige Blick konnte nicht nur von der Beruhigungsspritze herrühren.
„Ich habe mir Sorgen gemacht", sagte er ehrlich und nahm ihre Hand in seine. Sie fühlte sich eiskalt an, und instinktiv begann er sie zwischen seinen Händen zu wärmen.
„Du hast uns ganz schön erschreckt", fuhr er fort. „Mich und Dr. Macy. Er lässt dich übrigens grüßen."
„Danke", sagte Annie, halbherzig lächelnd. „Das ist nicht nötig. Mir geht es wieder gut. Können wir gehen? - Das ist mein Ernst, Woody!", fügte sie auf seinen zweifelnden Blick hinzu. „Könntest du bitte solange raus gehen, bis ich mich angezogen habe?"
Sie zog ihre Hand aus seinem Griff und deutete zur Tür. Seufzend zuckte Woody mit dem Schultern.
„Wenn du meinst."

-o-

„Und sie haben sie einfach so gehen lassen?", fragte Garret, während er damit beschäftigt war, die Leiche von Michelle Quinn zu öffnen. „Ich meine, war das klug?"
Woody nippte an seinem Kaffee und versuchte das zischende Geräusch zu ignorieren, dass aus dem Brustkorb der Toten entwisch.
„Ja, das haben sie", sagte er. „Ich war genauso wenig begeistert davon wie Sie, Doc. Aber Annie kann manchmal genauso stur sein wie Jordan."

„Was ist mit mir?", fragte Jordan, die in diesen Moment durch die Schwingtür in den Autopsiesaal trat. „Was habe ich nun schon wieder falsch gemacht? Warten Sie! Was immer es war, ich bin unschuldig." Sie hob abwehrend die Hände, trat zu den beiden Männern und nahm Woody den Kaffeebecher ab.
„Hm, lecker Kaffee", sagte sie.

„Dieses Mal sind Sie wirklich unschuldig", sagte Garret seufzend. „Aber das Ihnen das nicht zu Kopfe steigt!", mahnte er und drohte ihr seiner erhobenen rechten Hand, die immer noch das Skalpell hielt. „Helfen Sie mir lieber mit der Leiche."
Jordan verdrehte die Augen, trank einen großen Schluck Kaffee und reichte Woody den Becher zurück.

„Was soll ich tun?", fragte sie.
„Nehmen Sie sich die Gewebeprobe dort drüben und bringen Sie sie zu Nigel", sagte Garret, ohne aufzublicken. „Er soll die DNS ermitteln. Dann gehen Sie zu Bug und fragen ihn, wie weit er mit dem Säugling ist." Er blickte auf. „Und bevor sie fragen: Nein, Sie sind nicht der neue Laufbursche. Und jetzt los!"
„Zu Befehl, Herr General!" Jordan salutierte, schnappte sich dann den Becher mit der Gewebeprobe und raunte Woody ein „General Walcott scheint sich einen Nachfolger heranzuzüchten" zu.

Woody blickte Jordan grinsend nach. Als ihm jedoch Garrets stechender Blick bewusst wurde, verschwand sein Grinsen und er sah unschuldig zu dem Chefpathologen.
„Was immer Sie auf den Lippen hatten, schlucken Sie es runter!", murmelte Garret und wandte sich wieder der Leiche zu. Mit geübten Handgriffen, trennte er die einzelnen Organe ab und legte sie zum Wiegen auf die Waage.
„Was haben Sie inzwischen über die Tote heraus gefunden?", fragte er, während er nach etwas griff, das für Woody aussah, wie die Leber.
„Sie heißt Michelle Quinn, 36 Jahre alt, wohnhaft in New York, verheiratet mit einem Maximilian Jonathan Quinn, Anwalt." Er blickte von seinem Notizbuch auf. „Wir haben den Mann noch nicht erreichen können, arbeiten aber dran. Was haben Sie?"

„Wie es aussieht, wurde sie hinterrücks mit einem stumpfen Gegenstand erschlagen", sagte Garret und winkte Woody näher heran. Er schob die braunen Haare etwas auseinander. „Sehen Sie hier? Der Schlag hat die Schädeldecke zertrümmert." Er deutete auf die Röntgenbilder im Schaukasten. „Der Angriff muss überraschend für sie gewesen sein. Nichts deutet darauf hin, dass sie sich verteidigt hat. Hat Detective Capra mittlerweile gesagt, woher Sie die Tote kannte?"

Woody schüttelte den Kopf.
„Nein, kein Wort", sagte er. „Der Arzt hat mir das Versprechen abgenommen, den Fall nicht zu erwähnen, bis sie von selbst damit anfängt. Und das hat sie bisher nicht."
Garret nickte verstehend.
„Und wo ist sie jetzt?"
„Ich habe sie nach Hause gefahren und ihr befohlen, sich auszuruhen. Ich wollte später noch einmal zu ihr fahren."

-o-

Annie hatte sich, nachdem Woody sie nach Hause gefahren hatte, wirklich ausgeruht. Sie hatte sich ein Buch geschnappt und es sich auf dem Sofa gemütlich gemacht.
Entgegen der Behauptung, dass sie wirklich keine Ahnung hatte, was passiert war, wusste sie sehr wohl Bescheid. Auf der Rückfahrt zu ihrem Apartment, war alles plötzlich wieder da gewesen; die Fahrt zum Tatort, die vielen Spuren im Schnee, die Tote. Zu erschrocken über den Anblick der toten Frau im Schnee, hatte sie keinen klaren Gedanken mehr fassen können, und das nächste, an das sie sich erinnern konnte, war, dass sie im Krankenhaus wieder aufgewacht war.

Seufzend klappte sie das Buch zu und legte es auf den Glastisch, bevor sie aufstand und in die Küche ging, um sich einen Kräutertee zu kochen. Sie entschied sich für eine Kamille/Fenchelmischung und lehnte sich gegen den Herd, während sie darauf wartete, dass das Wasser kochte.

Wie seltsam das Leben doch manchmal sein kann, dachte sie. Vor ein paar Stunden noch, hatte sie gedacht, ihre Feiertagsdepression besiegt zu haben, hatte sich auf einen ruhigen Arbeitstag gefreut, an dem sie endlich ein paar Akten abschließen konnte, und ehe sie sich versah, war sie wieder in den Alptraum zurückkatapultiert worden, dem sie endgültig zu entfliehen gehofft hatte.

Mit der dampfenden Tasse in der Hand ging sie zurück ins Wohnzimmer und schaltete den Fernseher ein. Unkonzentriert zappte sie durch die Kanäle und nippte an ihrem Tee. Bei einem Basketballspiel blieb sie schließlich hängen und verfolgte die Bilder auf der Mattscheibe, ohne recht zu wissen, wer gegen wen spielte und warum.

Irgendwann schlief sie ein.

oOo

Sie stellte den großen Strauß weißer Rosen auf ihren Schreibtisch und roch daran. Sie dachte an den wunderschönen Abend, die aufregende Nacht … und das Alleinsein am Morgen. Wieder war er bei ihr gewesen, mit ihr zusammen eingeschlafen, und wieder war sie alleine aufgewacht.
Es tut mir Leid. Musste los.'
Als es an der Tür klopfte und diese ohne eine Antwort abzuwarten, geöffnet wurde, ließ sie den kleinen Zettel mit der Nachricht schnell in ihrer Hosentasche verschwinden.
Wow, schöne Blumen! Hat da jemand einen heimlichen Verehrer?"
So in der Art", sagte sie ausweichend. „Willst du was bestimmtes, Susan?"

OoO

Leise Klaviermusik im Hintergrund. Kerzenschein. Eine dunkle Nische in einem Restaurant in Downtown.
Ich muss für ein paar Tage die Stadt verlassen", sagte er.
Warum das? Ich dachte, wir wollten am Wochenende nach Rhode Island fahren?" Sie versuchte erst gar nicht, ihre Enttäuschung zu verbergen. „Wir haben das seit Monaten geplant. Ich habe mir extra frei genommen und -"
Es geht aber nicht. Vielleicht nächste Woche." Er versuchte nach ihrer Hand zu greifen, die sie jedoch weg zog und unter dem Tisch verschwinden ließ.
Nächste Woche muss ich arbeiten."

oOo

„NEIN!"
Woody legte ein Ohr an die Tür und lauschte.
„Ich will nicht mehr! Mach, dass es aufhört. Ich kann nicht mehr. Ich will nicht mehr. Ich…"
„ANNIE! Mach auf!" Woody hämmerte gegen die Tür und ignorierte dabei, dass es schon fast Mitternacht war und die Nachbarn vielleicht schlafen wollten.
Keine Antwort.

oOo

Es war später Abend, sie wollte gerade schlafen gehen, als es an der Tür klopfte. Dreimal kurz, zweimal lang – ihr Geheimzeichen.
Sie schlüpfte in ihren Bademantel und lief zur Tür. Empfangen wurde sie von einem großen Strauß Sommerblumen.
Darf ich reinkommen?"
Natürlich!" Sie öffnete die Tür und ließ ihn rein. „Schön, dass du da bist. Wie war die Geschäftsreise?"
Ach, wie das nun mal so ist. Langweilig und lästig."

OoO

Sie wachte auf, weil sie durstig war und tapste barfuss in die Küche. Während sie ein Glas Wasser trank, hob sie die braune Jacke auf, die zu Boden gefallen war. Sie wollte sie gerade auf den Stuhl legen, als eine Visitenkarte hinausfiel.
Unschlüssig blickte sie die weiße Karte an, bevor die Neugier siegte. Sie bückte sich, hob die Karte auf und erstarrte.
Wir danken Ihnen für Ihren Aufenthalt und hoffen, dass Sie und Ihre Frau uns bald wieder beehren werden.' Der Name eines Hotels in Hampshire stand auf der Vorderseite und das Datum vom letzten Wochenende.

oOo

Woody schmiss sich gegen die Tür, zweimal, bis das Schloss schließlich nachgab und die Tür aufsprang.

Die Wohnung war dunkel, nur in einem Zimmer flackerte helles Licht, das von einem Fernseher auszugehen schien. Langsam tastend ging Woody vorwärts, betrat das Wohnzimmer und fand Annie auf dem Sofa liegend vor.

Sie schien zu schlafen, wimmerte aber leise.
Er trat zu ihr, ging in die Knie und strich ihr sanft eine Haarsträhne aus dem schweißnassen Gesicht.
„Annie?", sagte er leise. „Annie, wach auf. Ich bin's, Woody."


-TBC-