TITEL: The past may sleep - But it NEVER dies
AUTOR: Nici Cavanaugh
TEIL: 8 von ?
FSK: ab 16 (um sicher zu gehen)
GENRE: Allgemein, Drama, Spannung
CHARAKTER(E)/PAAR(E): Annie, Woody, Jordan, Garret und der Rest
SPOILER: 3. Staffel
INHALT: An einem kalten Wintertag werden Annie, Woody und Garret zu einem Tatort gerufen, der ihr Leben nachhaltig verändern wird …
DISCLAIMER: Nichts gehört mir, alles gehört Tim Kring. Ich borge mir die Figuren und Orte nur aus und werde alles ordentlich gewaschen und gebügelt wieder zurückgeben! Nur die Handlung gehört mir.
WARNUNG: Es geht primär um einen Mordfall, in dem auch ein Baby verwickelt ist. Wer damit nicht klar kommt, sollte besser nicht weiterlesen.


Kapitel 7

Das Klingeln des Telefons riss Jordan aus ihrem Halbschlaf. Draußen begann es schon dunkel zu werden, und ein Blick auf die Uhr bestätigte ihr, dass es schon fast sechs Uhr abends war. Sie blinzelte erneut, unterdrückte ein Gähnen und griff nach dem Hörer.„Dr. Cavanaugh?" Emmys Stimme drang wie durch Watte an ihr Ohr. „Det. Capra ist da."„Danke, Emmy!", sagte Jordan. „Sag ihr, ich bin auf dem Weg."

Nachdem sie mit Nigel die Ergebnisse durchgegangen war, hatte Jordan versucht, Woody anzurufen, damit er herkam und sich ansah, was Nigel herausgefunden hatte. Leider war nur Woodys Mailbox rangegangen und sie hatte kurz entschlossen Annie angerufen; schließlich war diese ja ebenfalls an den Ermittlungen beteiligt.

Jordan schnappte sich die Unterlagen und verließ ihr Büro. Auf dem Weg zum Empfang machte sie einen kurzen Abstecher in die Teeküche und ging dann mit zwei vollen Tassen Kaffee in der einen Hand und der Akte in der anderen Hand gut gelaunt den Flur entlang.

Vor dem Konferenzraum sah sie Lily und öffnete den Mund, um die Freundin zu grüßen, doch als Lily sie sah, legte sie sich schnell einen Finger auf den Mund und bedeutete Jordan, ruhig zu sein.
Stirnrunzelnd, beschleunigte Jordan ihre Schritte und fluchte leise auf, als eine der Tassen überschwappte und heißer Kaffee sich auf ihre Hand ergoß.
„Verflucht!", murmelte sie und stellte die Tassen auf einen leeren Autopsiewagen, der an der Wand geparkt war. „Was gibt es denn, Lily? Hast du ein Gespenst gesehen."

Lily schüttelte stumm den Kopf und deutete mit einem Kopfnicken zu der nur angelehnten Tür des Konferenzraumes.

„Annie, warum willst du mir denn nicht zuhören?"
Jordan hörte die Stimme eines ihr fremden Mannes, die einen mehr als flehenden Unterton hatte.

„Das habe ich dir doch gerade gesagt, Max. Lass mich in Ruhe!" Annies Stimme wurde von einem Stuhlrücken und
anschließenden leisen Schritten begleitet.
„Ja, das hast du, aber ich verstehe es trotzdem nicht. Ich meine, wie kannst du denn alles vergessen und -"
„Ich habe nichts vergessen. Ich möchte nur nicht, dass alles wieder von vorne losgeht. Verstehst du das denn nicht?"
Schweigen.
„Bitte, lass mich einfach in Ruhe!" Annies Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, und Jordan hatte Mühe, die Worte überhaupt zu verstehen. „Ich kann und will nicht mehr."
„Aber, Annie, es wird alles anders werden. Ich verspreche es dir. Ich bin frei."
„Du hast mir schon zu viel versprochen, Max. Lass mich einfach in Ruhe!"

Ein Stuhl wurde über den Boden geschoben und prallte leise gegen etwas, das offensichtlich der Tisch war. Ein
kratzendes Geräusch, als ob etwas Metallisches über Holz gezogen wurde und anschließende Schritte, die näher kamen, ließen Lily und Jordan erschrocken ein paar Schritte zurückweichen.

Beide Frauen wandten sich ab und betrachteten interessiert ein paar Bilder an der Wand, die von der letzten Weihnachtsfeier stammten. Lily zeigte gerade grinsend auf ein Bild, das Nigel und Bug im Elfenkostüm zeigte, während Woody – ein Rentiergeweih auf dem Kopf – hinter ihnen stand und versuchte, ihnen die grünen Mützen zu klauen, als die Tür des Konferenzraumes aufgestoßen wurde und Schritte auf dem Gang widerhallten.
Jordan und Lily fuhren herum.

„Det. Capra!", sagte Jordan. „Ich wollte gerade zu Ihnen."
„Hallo, Dr. Cavanaugh!" Annie zwang sich ein müdes Lächeln ab und trat näher. Sie wirkte zerstreut und noch blasser als sonst, und Jordan wurde klar, dass Woody doch nicht übertrieben hatte, als er ihr von seiner Sorge um die Kollegin erzählt hatte.
„Sie hatten mich angerufen, weil Sie etwas für mich haben?", fragte Annie.
Jordan nickte. „Ja, das habe ich – vielmehr Nigel, aber das soll er ihnen selber sagen." Jordan grinste, als Annie genervt die Augen verdrehte. „Keine Angst, ich werde dafür sorgen, dass er sich kurz fasst."
„Das wäre ja mal was neues", murmelte Annie, grinste aber jetzt auch. Sie zeigte auf die Kaffeetasse in Jordans Hand. „Meinen Sie, dass ich so etwas auch bekommen könnte?"
„Klar", antwortete Jordan und griff nach der zweiten Tasse. „Habe schon für alles gesorgt."
„Sie sind ein Schatz, Jordan!", sagte Annie, während die dankend die warme Tasse entgegennahm.
„Ja, ich weiß." Jordan grinste Annie frech an und winkte Lily mit einem Augenzwinkern zum Abschied zu.

-o-

Lily war auf dem Weg zur Toilette, als sie von Emmy aufgehalten wurde.
„Lily? Da ist ein Mr. Quinn, der seine Frau sehen möchte. Kannst du das übernehmen?"
„Ja, kein Problem", sagte Lily. „Ich gehe nur noch schnell für kleine Pathologinnen und dann habe ich Zeit. Wo finde ich ihn denn?"
„Er wartet in Konferenzraum 1."
Interessant, dachte Lily, während sie die Tür zur Toilette aufstieß und sich die Hände wusch. Der mysteriöse Ehemann von Michelle Quinn ist also hier und will seine Frau sehen … – Oder will er eher zu Annie Capra, fragte sie sich, während sie ihr Gesicht kritisch im Spiegel betrachtete, eine widerspenstige Haarsträhne hinters Ohr klemmte und sich den Rock glatt strich.

-o-

„Und das ganze hilft uns jetzt weil …?" Annie blickte fragend von Nigel zu Jordan und wieder zurück zu dem Briten. Sie hatte bisher nur Bahnhof verstanden, an Nigels Enthusiasmus aber erkannt, dass es eine bahn brechende Erkenntnis sein musste, die sie gerade mitgeteilt bekommen hatte.
„Aber Det. Capra", meinte Nigel genervt. „Haben Sie denn nicht zugehört? Soll ich noch einmal von vorne beginnen?"
„Nein, nein!", sagte Annie schnell und hob abwehrend die linke Hand. „Das ist nicht nötig. Ich habe zugehört, aber ich verstehe es noch nicht." Sie ließ sich auf einen der freien Drehstühle fallen und trank einen Schluck Kaffee, bevor sie fortfuhr. „Sie haben also ein paar Teppichfasern in der Plastiktüte mit dem -" Sie brach ab und schluckte. Obwohl sie das Baby nie gesehen hatte und auch keine persönliche Beziehung zu ihm hatte – doch eigentlich hatte sie das schon, gab es aber nicht zu -, hatte sie Probleme darüber zu sprechen.

Zum Glück kam ihr Jordan zu Hilfe.
„Die Teppichfasern haben wir aus dem Blut herausfiltern können", erklärte Jordan. „Das hat in uns den Verdacht geweckt, dass das Baby auf dem Boden gelegen hatte. Und wenn wir diesen Ort finden können, dann haben wir vielleicht auch den Tatort gefunden. Also hat Nigel die Fasern untersucht – was ihn nebenbei fast den ganzen Tag gekostet hat …"
„Und das liegt nicht an meiner Unfähigkeit, wie ich betonen möchte", unterbrach Nigel sie, „sondern nur an meinen umfangreichen Tests und -"
„Ja, ja. Schon gut", sagte Annie schnell. „Ich habe verstanden, Nigel. Sie haben also die Fasern analysiert und herausgefunden, dass es sich um Synthetikfasern handelt – wie ungefähr 95 aller Teppiche auch."
„Ja, genau!", sagte Nigel geheimnisvoll. „Teppichfasern in der Farbe R155035-G, allgemein auch als gelb bekannt. Aber das ist ja noch nicht alles." Er nahm grinsend ein Gerät von der Ablage seines Schreibtisches und drückte ein paar Knöpfe, woraufhin ungefähr dreihundert kleine Lämpchen auf dem Monitor vor ihnen aufleuchteten. Die Lämpchen waren über halb Boston verstreut und hatten mit etwas Phantasie die Form eines fünfzackigen Sterns.
„Was ist das?", fragte Annie und bereute es im nächsten Moment schon wieder gefragt zu haben, als Nigel sich erst räusperte und dann aufrichtete.
„Das, meine Liebe, sind die Kunden von Quick-Clean", erklärte er. „Die Firma hat ihren Sitz in Roxbury und reinigt
Teppiche."
„Ach so", murmelte Annie, die immer noch nicht verstand. Sie blickte Hilfe suchend zu Jordan, die jedoch nur mit den
Schultern zuckte und grinste.
Quick-Clean verwendet ein selbstentwickeltes und patentiertes Spezial-Reinigungsmittel für -"
„Synthetikfasern", beendete Annie den Satz.
„Genau", sagte Nigel grinsend und sah sie erwartungsvoll an.
„Ja, und?", fragte Annie nach einer Weile, als sie endlich verstanden hatte, dass sie am Zug war. „Inwieweit hilft uns das? Das sind ungefähr 300 Kunden. Sollen wir die alle abklappern?"
„Um genau zu sein, sind es 324 Kunden in Boston und noch mal gut 1000 in ganz New England."
„Viel zu viele, um jeden einzeln aufzusuchen", stöhnte Annie. Sie sah sich schon in den nächsten Tagen im Wagen sitzen und einen Laden nach dem nächsten abzufahren, nur um immer wieder dieselben Fragen zu stellen und dieselben enttäuschenden Antworten zu bekommen.
„Ich habe mich in die Datenbank der Firma eingeloggt und eine Kundenliste ausgedruckt", sagte Nigel und reichte ihr einen Stapel Papiere. „Vielleicht hilft es Ihnen ja weiter."

Annie blickte stöhnend auf die Ausdrucke, zwang sich aber zu einem dankbaren Lächeln. „Ja, das wird es bestimmt", sagte sie. „Vielen Dank, Nigel."
Sie stand auf, trank ihre Tasse leer und verabschiedete sich von den beiden Pathologen. Sie musste Woody erreichen. Alleine konnte sie das unmöglich schaffen.

-o-

Als sie auf den Gang hinaustrat und am Konferenzraum vorbeikam, wurde dort gerade die Tür geöffnet.
„Auf Wiedersehen, Mr. Quinn", sagte Lily freundlich. „Es tut mir Leid, dass ich Ihnen keine positiveren Nachrichten geben konnte, aber wir tun unser Bestes und melden uns bei Ihnen."
„Das ist sehr nett von Ihnen, Ms Lebowski", sagte Max und reichte Lily die Hand. Als sein Blick auf Annie fiel, erstarrte er kurz, fing sich aber schnell wieder.
„He Annie", sagte er. „Du bist ja immer noch da. Hast du auf mich gewartet? Komm, wir gehen was essen und reden."
„Ich will nichts essen - und reden schon gar nicht. Lass mich in Ruhe!" Annie versuchte sich an Max vorbeizudrängen, doch dieser griff nach ihrem Arm und hielt sie zurück. „Warte doch!"

Lily sah die beiden stumm an und verstand die Welt nicht mehr. Dass es Quinn gewesen war, mit dem Capra vorhin gestritten hatte, war ihr in dem Moment klar geworden, als sie von Emmy erfahren hatte, wer im Konferenzraum wartete. Doch warum die beiden Streit hatten und woher sie sich kannten, war ihr ein Rätsel geblieben.

„Lass mich in Ruhe, Max! Ich will dich nicht mehr sehen. Du hast mir alles kaputt gemacht und wirst es auch weiterhin tun. Also, lass mich in Frieden!" Annie spuckte ihm die letzten Worte fast entgegen, riss sich los und stürmte an ihm vorbei in Richtung Fahrstuhl.

Weder sie noch Lily noch Maximilian Quinn bemerkten in diesem Moment die dunkelhaarige Frau am anderen Ende des Ganges, die neben Garret stand und sich mit einem Lächeln von ihm verabschiedete.
„Ich gehe davon aus, dass du dich darum kümmern wirst, Garret", sagte sie, während ihr Blick an Garret vorbei, den Gang entlang gerichtet war. „Der Fall ist wichtig für uns und sollte so schnell wie möglich geklärt werden. Der Prozess ist in zwei Wochen."
„Ich werde mein Bestes tun", antwortete Garret kühl. „So wie immer."
„Das wollte ich hören." Renee schenkte Garret ein eiskaltes Lächeln und ging dann an ihn vorbei, den Gang entlang. Sie nickte Lily kurz zu, verheimlichte ihr dabei nicht, dass sie ihr am Liebsten die Pest an den Hals gewünscht hätte und sah den dunkelhaarigen Mann, der immer noch in die Richtung blickte, in der Capra verschwunden war, einen Moment länger an als nötig gewesen wäre.

Während sie die Durchgangstür zum Eingangsbereich aufstieß, hörte sie Lilys Stimme: „Auf Wiedersehen, Mr. Quinn."

-o-

Wütend knallte Annie die Tür ihres Wagens zu.
Wie hatte er es nur wagen können, sie anzuflehen, zu ihm zurückzukehren? Und das in aller Öffentlichkeit – etwas, was sie sich vor Jahren gewünscht hätte; dass er zu ihr stand, dass er sich in der Öffentlichkeit mit ihr zeigte, sie seinen Freunden vorstellte – und nicht, dass sie sich nur ab und an heimlich in einem abgelegenen Cafe trafen und ansonsten nur bei ihr in der Wohnung.
Und ausgerechnet jetzt, wo seine Frau tot war, wo ihm nichts mehr im Weg stand, jetzt, wo niemand mehr da war, dem er Rechenschaft ablegen musste, warum er bis spät in die Nacht unterwegs war, da wollte er wieder mit ihr zusammen sein? Nach alledem, was er ihr angetan hatte?
Annie wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und startete den Wagen, bevor sie wütend die Tiefgarage des Instituts verließ und nach Hause fuhr.

-o-

Auf einem überladenen Schreibtisch in Downtown klingelte das Telefon. Ein schwitzender, übergewichtiger Mann mit Halbglatze ließ seufzend eine Akte fallen und griff zum Hörer.
„Marquette hier." Er lauschte der Stimme am anderen Ende der Leitung, während er sich mit einem grün karierten Taschentuch den Schweiß von der Stirn wischte. Was er zu hören bekam, war mehr als ungeheuerlich.
„Ich werde mich darum kümmern", sagte er. „Gleich morgen früh."


-TBC-

Sorry, dass es dieses Mal etwas länger gedauert hat, aber ich hatte ein bisschen Stress mit meiner Muse (und habe ihn immer noch…)