TITEL:
The past may sleep - But it NEVER dies
AUTOR: Nici Cavanaugh
TEIL: 9 von ?
FSK: ab 16 (um sicher zu gehen)
GENRE: Allgemein,
Drama, Spannung
CHARAKTER(E)/PAAR(E): Annie, Woody, Jordan, Garret
und der Rest
SPOILER: 3. Staffel
INHALT: An einem kalten
Wintertag werden Annie, Woody und Garret zu einem Tatort gerufen, der
ihr Leben nachhaltig verändern wird …
DISCLAIMER: Nichts gehört mir, alles gehört Tim Kring. Ich
borge mir die Figuren und Orte nur aus und werde alles ordentlich
gewaschen und gebügelt wieder zurückgeben! Nur die Handlung
gehört mir. – Wer diese klaut, bekommt Haue!
WARNUNG: Es geht primär um einen Mordfall, in dem auch ein Baby
verwickelt ist. Wer damit nicht klar kommt, sollte besser nicht
weiterlesen.
Kapitel 8
„Vielen Dank, Hoyt!"
Woody blickte erschrocken auf, als man ihn erst so angiftete und ihm
im nächsten Augenblick ein dickes Bündel Papier auf seinen
ohnehin schon überladenen Schreibtisch schmiss.
„Was hast du denn, Annie?", fragte er erstaunt über die
Giftpfeile, die sie ihm mit Blicken zuwarf. Er war von Annie ja schon
einiges gewohnt, aber so hatte er sie noch nie erlebt. Ihr Gesicht
war dunkelrot angelaufen, die Haare hingen ihr wirr ins Gesicht und
sie zitterte vor Zorn.
„Als ob du das nicht wüsstest!", zischte sie. „Das sind
die Adressen von Nigel und meine Aufzeichnungen. Viel Spaß beim
damit." Sie sah ihn ein letztes Mal mit hasserfülltem Blick
an, bevor sie zu ihrem eigenen Schreibtisch ging, sich ihren Mantel
und ihre Tasche schnappte und zur Tür eilte, ohne sich noch
einmal umzusehen.
„Na, Ärger im Paradies?", fragte Seely mit einem süffisanten
Grinsen im Gesicht. „Hast du deiner Partnerin auf die Füße
getreten, Hoyt? Vielleicht sollte ich dir mal ein paar
Nachhilfestunden in Sachen Frauen geben und -"
„Halt die Klappe, Seely!", unterbrach Woody den Kollegen,
schnappte sich den Stapel, den Annie ihm auf den Schreibtisch
geschmissen hatte und suchte sich einen einsamen Ort, um den
fragenden Blicken der anderen Kollegen im Raum zu entkommen und seine
Gedanken zu sortieren. Er hatte absolut keine Ahnung, was mit Annie
los war und was plötzlich in sie gefahren war. Warum war sie so
wütend auf ihn? Was hatte er ihr getan? Und wieso überließ
sie ihm die ganze Arbeit und verschwand einfach?
Seufzend stieß Woody die Tür zu einem der Verhörräume auf und knallte die Blätter auf den Tisch, bevor er im Nebenraum verschwand und sich einen Kaffee holte. Als er sich auf den unbequemen Holzstuhl fallen ließ, wurde ihm erst die Ironie des Schicksaals bewusst; dies war der Raum, in dem er Annie zum ersten Mal begegnet war. Damals war sie es gewesen, die angeblich einen ruhigen Ort für ihre Kaffeepause gesucht hatte.
Damals, vor ein paar Monaten …
Man hatte ihn wie einen Gefangenen in den Raum geführt und ihm
aufgetragen, auf Detective Capra zu warten, während seine
Kollegen sich im Aufenthaltsaum versammelten, um das weitere Vorgehen
im Fall Malden zu besprechen.
Ihn hatte man nicht eingeladen, und Woody hatte auch eine ungefähre
Vorstellung davon, warum es so war; er war es gewesen, der als erster
am Tatort eingetroffen und Max Cavanaugh hatte flüchten lassen;
den Mann, aus dem er bis heute nicht schlau wurde und von dem er nur
wusste, dass er Jordans Vater war, dass er mal ein Kollege von ihm
gewesen war, eine Bar besessen hatte und nun seit Monaten
verschwunden war.
Er sitzt alleine an dem viel zu großen Tisch in dem viel zu
kleinen Raum und starrt nachdenklich auf die blank geputzte
Tischplatte. Als die Tür geöffnet wird und eine junge Frau
mit blonden Haaren den Raum betritt, blickt Woody auf. Er hat diese
Frau noch nie zuvor gesehen, aber aus irgendeinem Grund ist sie ihm
auf Anhieb sympathisch.
„Oh, Verzeihung", sag sie, schon wieder halb im Gehen. „Ähm,
ich dachte der Raum wäre leer. Ich hab nur einen ruhigen Ort
gesucht für meine Kaffeepause."
Sie sieht Woody aus dunklen
Augen neugierig an.
„Es ist sehr ruhig hier drin", erwidert Woody, der plötzlich
den Drang verspürt, diese Frau zum Bleiben zu überreden.
„Wirklich? Und Sie möchten nicht lieber allein sein?",
fragt sie, immer noch unschlüssig, ob sie gehen oder bleiben
soll.
„Nein. Nein, ehrlich gesagt, Sie würden mich von mir selbst
erlösen", gibt Woody offen zu und ist im selben Moment über
sich selber erstaunt, dass er diese Worte überhaupt
ausgesprochen hat.
„Ja?", fragt sie und schließt die
Tür hinter sich. „ Wieso das?"
Ja, wieso eigentlich, denkt Woody. Doch bevor er es überhaupt
richtig bemerkt, sprudeln die nächsten Worte schon aus ihm
heraus.
"Ich kriege Panik allein in kleinen
Räumen. Ein Kindheitstrauma. Ich war mit meinem Bruder beim
Eisangeln und er hat mich in einen Schuppen eingeschlossen." Er
sieht seine Besucherin mit einem schwachen Grinsen im Gesicht an und
deutet dann auf den freien Stuhl neben sich. „Bitte, setzen Sie
sich."
Woody kann sich ein Grinsen nicht verkneifen, als er an das zurückdachte, was dann folgte. Annie hatte ihn auf Strich und Faden hereingelegt. Sie hatte es auf diese wundersame Art und Weise – wie nur sie sie beherrscht – geschafft, ihn auszufragen und an Informationen zu kommen, ohne dass er es überhaupt bemerkt hatte oder Verdacht hätte schöpfen können.
„Die Detectives haben den Aufenthaltsraum
in Beschlag genommen", sagt sie, während sie sich hinsetzt und
die Kaffeetasse des Boston PD auf dem Tisch abstellt. „Eine
Besprechung wegen des Captain Malden Falls." Sie deutet mit dem
Kugelschreiber in der Hand fragend auf seine Dienstmarke. „Aber,
ich nehme an, Sie werden dort erwartet", meint sie vorsichtig.
„Ich wurde nicht eingeladen."
„Wieso nicht? Sie sind doch Detective,
oder?" Sie sieht ihn fragend an, während sie mit dem
Kugelschreiber spielt.
„Ja ja, ich war im Fall Malden als erster
am Tatort." Er weiß nicht, warum er es ihr erzählt, aber
er verspürt das drängende Bedürfnis, sich jemandem
anzuvertrauen. Zu lange schon trägt er die Geschehnisse mit sich
herum und langsam beginnen sie ihn von innen heraus aufzufressen.
„Wirklich?", fragt sie, ehrlich
interessiert.
„Ähm …" Ihr Interesse
verunsichert Woody plötzlich und er beschließt, schnell
das Thema zu wechseln. "Ich warte hier auf einen gewissen Detective
Capra. Kennen Sie ihn?"
Sie schüttelte den Kopf. „Ich bin neu
hier. - Verzeihung, wie unhöflich. Ich bin Anne." Sie reicht
ihm die Hand. Er schüttelt sie, stellt sich selber vor und wird
direkt wieder in ihr Frage und Antwortspiel hineingezogen –
solange, bis es ihm dämmert und er sie böse ansieht.
„Oh, Mann! Oh nein, das war aber eine
ziemlich linke Nummer, sich auf diese Art vorzustellen, Detective
Capra."
Sie grinst. „Sollte ich meinen Nachnamen
nicht erwähnt haben?"
Er bewunderte Annie noch heute für ihre Gabe und ärgerte
sich gleichzeitig darüber, dass er so leichtgläubig gewesen
war.
Schmunzelnd schüttelte er den Kopf und trank einen Schluck
Kaffee, bevor er den Stapel Blätter und Akten zu sich heranzog,
um sich für die nächsten Stunden in ihnen zu vergraben.
-o-
Sie war auf direktem Wege nach Hause gefahren. Als sie die Wohnungstür aufschloss und den Schlüssel achtlos auf die kleine Kommode fallen ließ, wunderte sie sich, dass sie überhaupt heil angekommen war. Ihre ganze Wut hatte sich während der Fahrt in ihrem rechten Fuß gestaut, und dieser hatte das Gaspedal bis zum Anschlag hinuntergedrückt. Hupend und schimpfend hatte sie sich durch die abflauende Rushhour geschlängelt, bis sie den Wagen schließlich mit quietschenden Reifen vor ihrer Haustür zum Stehen gebracht hatte.
Den neugierigen Blick ihres Nachbarn – ein netter älterer Mann
namens Kosak, der gerade mit seinem kleinen Dackel spazieren gehen
wollte – ignorierend, war sie nach oben gestürmt und stand nun
schwer atmend mit den Rücken gegen die Wohnungstür gelehnt
da und versuchte, ihre Gedanken zu sortieren.
Was um alles in der Welt war eigentlich in den letzten Tagen
passiert? Was hatte sie verbrochen, dass das neue Jahr so beschissen
hatte anfangen müssen? War das nun die gerechte Strafe dafür,
dass sie sich in der Vergangenheit auf das Abenteuer „Geliebte"
eingelassen hatte?
Falls ja, dann zahlte das Schicksal es ihr gerade doppelt und
dreifach heim.
Sie ließ sich langsam an der Tür hinunterrutschen zog die
Knie fest an den Oberkörper, um ihr Gesicht in den Armen zu
verbergen.
Sie hatte das alles nicht verdient. Alles, was sie tun wollte, war
doch nur ihren Job erledigen, Polizistin sein und so ein bisschen
mehr Gerechtigkeit in diese Welt zu bringen. Mehr nicht.
War das zuviel verlangt? Scheinbar ja …
Und wie sollte sie Gerechtigkeit in diese Welt bringen, wenn sie
selbst so ungerecht behandelt wurde?
Sie dachte an das Gespräch mit ihrem Chef zurück, während die Tränen langsam die Ärmel ihrer Bluse durchtränkten.
Als sie am Morgen im PD angekommen war, war ihr Blick direkt auf den gelben Zettel, der an ihrem Monitor gehangen hatte, gefallen.
Kommen Sie sofort zu mir! Marquette.
Annie hatte den Zettel abgerissen und sich erst einmal hingesetzt.
Wie vermutlich jeder arbeitende Mensch ging sie ihrem Chef nach
Möglichkeit aus dem Weg und war froh, wenn sie sein Büro
nicht betreten musste.
Sie hatte nichts gegen John T. Marquette. Er war eigentlich ein
ziemlich umgänglicher und netter Mensch, aber er war nun auch
mal ein Chef und als solcher zwar gerecht, aber auch streng. Er
hasste es, wenn man ihn überging oder anlog.
Annie hatte weder das eine noch das andere getan und doch hatte sie
dieses überaus mulmige Gefühl in der Magengegend gehabt,
als sie an die Tür des Chefbüros geklopft und nach einem
knappen „Herein" eingetreten war.
Marquette hatte hinter seinem mit Akten überladenen Schreibtisch
gesessen und sie angestarrt. Mit einem kurzen Nicken hatte er ihr den
unbequemen, harten Besucherstuhl vor seinem Schreibtisch angeboten
und sich, nachdem Annie Platz genommen hatte, in seinem schwarzen
Chefsessel zurückgelehnt, die Arme vor der Brust verschränkt
und sie mit seinen dunklen Augen stumm fixiert. Sie wusste nicht, ob
nur Sekunden oder Stunden vergangen waren, bis er endlich die Stille
durchbrochen und zu sprechen begonnen hatte, doch es kam ihr
unendlich lang vor.
„Geben Sie den Quinnfall an Hoyt ab, Capra", hatte er gesagt.
Annie hatte sich erschrocken aufgesetzt und ihn fragend angesehen.
„Warum?"
„Weil ich Ihr Vorgesetzter bin und es entschieden habe." Seine
Stimme war so unendlich kalt gewesen, dass es Annie auch jetzt noch
fröstelte, als sie daran zurückdachte.
Sie hatte ein paar Mal den Mund aufgemacht, um etwas zu sagen, doch
kein Wort war über ihre Lippen gekommen. Fassungslos hatten sie
erleben müssen, wie sich die Gedanken in ihrem Kopf
überschlugen.
„Sie sind zu sehr emotional in den Fall involviert. Nehmen Sie sich
ein paar Tage frei und entspannen Sie sich." Seine Worte hatten
sich wie ein Faustschlag in ihrem Magen angefühlt, und obwohl
der letzte Teil wie eine Empfehlung geklungen hatte, hatte sie
gewusst, dass es keine gewesen war. Marquette war es ernst gewesen,
das hatte sie in seinen Augen sehen können, die sie starr
angeblickt und nach der kleinsten Schwäche bei ihr gesucht
hatten.
Darauf kannst du lange warten, hatte
Annie gedacht. Sie hatte es als Frau sowieso schon schwer genug in
diesem Männerberuf und sich von Natur aus eine harte Schale
zugelegt, um ihren Kollegen möglichst wenig Angriffsfläche
zugeben. Bisher war sie damit immer gut gefahren – und ein
Marquette würde es nicht ändern.
Sie hatte schweigend genickt und war dann aufgestanden. Ohne sich noch einmal umzudrehen, war sie zur Tür gegangen und hatte sein Büro verlassen. Erst, als die Milchglastür hinter ihr ins Schloss gefallen war und sie wieder im lärmenden und mittlerweile fast vollbesetzten Großraumbüro gestanden hatte, hatte die Anspannung nachgelassen und sich in blinde Wut verwandelt.
Ihr Blick war auf Woody gefallen und plötzlich war ihr klar
geworden, dass nur er es gewesen sein konnte, der Marquette empfohlen
hatte, ihr, Annie, den Fall abzunehmen. Nur er wusste, dass sie
wirklich persönlich in den Fall involviert war.
Blind vor Wut war sie zu ihrem Schreibtisch gegangen, hatte Nigels
Liste und sämtliche Akten und Aufzeichnungen genommen, die sie
zu dem Fall angefertigt hatte, und sie Woody auf dem Schreibtisch
geknallt, bevor sie Marquettes Wunsch nachgekommen und ihren Urlaub
angetreten hatte.
Wütend wischte Annie sich ihren Tränen weg, stand auf und sah sich unschlüssig in ihrer Wohnung um, die ihr mit einem Male so trostlos und leer erschien. Sie hatte bisher nicht viel in ihre Einrichtung investiert; zum einen, weil ihr die Zeit gefehlt hatte, etwas zu kaufen und zum anderen, weil sie bisher keinen großen Sinn darin gesehen hatte, eine Wohnung teuer einzurichten, in der sie sich sowieso nur ein paar Stunden am Tag aufhielt.
Sie betrat die Küche, öffnete den Kühlschrank und nahm die angebrochene Packung Milch heraus. Dann ging sie zum Wasserkocher und setzte Teewasser auf. Sie entschied sich für einen Earl Grey und wartete, auf der Anrichte sitzend, darauf, dass der Tee durchgezogen war. Danach ging sie ins Wohnzimmer, schaltete den Fernseher ein und ließ sich von diversen Talkshows berieseln. Diese stumpfsinnige Art der Freizeitgestaltung lag ihr zwar normalerweise nicht, aber ihr fehlte einfach der Elan, um sich anders zu beschäftigen – und nebenbei ging die Zeit auch schnell rum.
-o-
Kurz nach Mittag hatte Woody sowohl mit
Marquette gesprochen, ungefähr hundertmal versucht, Annie zu
erreichen und schließlich ohne sie ein Team von ungefähr
zwanzig Polizisten aufgestellt, die mit einem Bild von Michelle Quinn
ausgestattet, die Kunden von Quick-Clean abklapperten.
Eine wirklich heiße Spur nannte Woody diese Liste zwar nicht,
aber es war das einzige, was sie momentan hatten. Er hatte Maximilian
Quinn überprüft und ein paar Kollegen zur seiner Jagdhütte
nach Maine geschickt. Wie es aussah, sprach Quinn die Wahrheit und er
war tatsächlich dort gewesen. Das bedeutete zwar nicht
zwangsläufig, dass er seine Frau nicht umgebracht hatte, doch
ohne tatkräftige Beweise oder Zeugen konnte Woody nichts anderes
machen, als ihn weiterhin auf freiem Fuß zu lassen, mit der
Bitte, die Stadt vorerst nicht zu verlassen.
Wütend schmiss Woody das Handy in die
Ablage neben dem Lenkrad und kassierte dafür einen irritierten
Blick von Jordan. Er hatte sie vor ein paar Minuten im Institut
abgeholt, um mit ihr noch einmal zum Paradise's End zu
fahren. Das Motel gehörte ebenfalls zum Kundenstamm von Quick
Clean, und Woody hoffte, dieses Mal den Besitzer anzutreffen und die
Zimmer sehen zu können. Vielleicht hatten sie ja Glück …
„Was ist los?", fragte Jordan. Sie hatte sich halb in ihrem Sitz
herumgedreht und blickte Woody mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Hat
man dir was in den Kaffee getan oder hast du deine gute Laune heute
Morgen im Bett vergessen?"
„Haha, sehr witzig", meinte Woody gereizt. „Weder das eine noch
das andere. Dafür hatte ich eine ziemlich unangenehme Begegnung
mit einem blonden Giftzahn."
„Walcott ist doch nicht blond", sagte Jordan grinsend. „Oder
färbt sie sich neuerdings die Haare? Ich hatte sie eigentlich
eher mit braunen Haaren in Erinnerung."
Woody schüttelte den Kopf. „Ich meine Annie. Sie war ziemlich
wütend auf mich heute morgen und ich weiß nicht warum."
Als er an einer roten Ampel anhalten musste, drehte er sich zu Jordan
und erzählte er von Annie spektakulären Auftritt und ihrem
plötzlichen Verschwinden.
„Und was sagt Marquette dazu?", fragte Jordan, nachdem Woody
geendet hatte.
„Sie hat sich aus persönlichen Gründen ein paar Tage frei
genommen", antwortete Woody.
„Einfach so? Mitten in einem Fall?", fragte
Jordan weiter und schüttelte den Kopf. „Ich finde, dass ihr
das so gar nicht ähnlich sieht."
„Da haben wir etwas gemeinsam, Jordan", murmelte Woody und
richtete den Blick wieder nachdenklich nach vorne auf die Straße.
-o-
Als es an der Tür läutete, schreckte Annie hoch und öffnete
die Augen. Orientierungslos und zitternd vor Kälte blickte sie
sich um. Erst nach und nach wurden die Konturen ihrer
Badezimmereinrichtung klarer, bis ihr schließlich wieder
einfiel, wo sie war.
Sie hatte, nachdem sie dem Fernsehprogramm überdrüssig
geworden war, beschlossen, ein heißes Bad zu nehmen und musste
darüber eingeschlafen sein – und wie es schien, schon seit
längerer Zeit. Durch die Milchglasscheibe sah sie, dass es schon
zu dämmern begann und das Wasser, in dem sie lag, war eiskalt.
Sie musste Stunden hier gelegen haben. Wenn sie Glück hatte,
bekam sie nur einen Schnupfen – wenn sie Pech hatte, fiel sie
länger aus.
Als ob das jemanden stören würde, dachte sie, während sie sich den schmerzenden Nacken rieb. Sie war doch sowieso überflüssig geworden; niemand wollte mehr mit ihr zusammenarbeiten oder etwas mit ihr zu tun haben. Warum sollte sie sich also Gedanken darüber machen, ob sie sich krankmelden musste oder nicht.
Wahrscheinlich würde es Marquette nur recht sein …
Das erneute Klingeln, ließ Annie ruckartig hochfahren. Das
Wasser schwappte über und landete, leise klatschend auf dem
Boden.
„Verflucht!", murmelte sie und angelte nach ihrem Badetuch. „Ich
komme gleich!", rief sie lauter, während sie aus der Wanne
stieg und nach ihrem babyblauen Lieblingsbademantel griff, der an
einem Metallhaken neben der Tür hing und schon so alt war, dass
die Säume der Ärmel schon ganz ausgefranst waren. Doch es
störte Annie nicht.
Auf nackten Füßen tapste sie zur Tür, schob die
Sicherungskette beiseite und öffnete die Tür. Hätte
sie vorher einen Blick durch den Spion geworfen, hätte sie
vermutlich kehrt gemacht und so getan, als wäre sie nicht da
gewesen. Doch die Chance hatte sie vertan.
Sie schluckte schwer und zog den Bademantel, in dem sie sich
plötzlich sehr nackt und schutzlos vorkam, fester um ihren
Körper.
„Was willst du hier?", fragte sie leise und verstummte, aus
Angst, dass ihre Stimme ganz versagte.
„Darf ich reinkommen?", fragte er. „Wir müssen reden."
-TBC-
Sorry für den Cliffhanger und dafür, dass es doch wieder so lange gedauert hat… Ich war irgendwie in den letzten Wochen nicht so in Stimmung (und hatte auch nicht so viel Zeit zum Schreiben).
Bekomme ich trotzdem ein Review?
