TITEL: The past may sleep - But it NEVER dies
AUTOR: Nici Cavanaugh
TEIL: 10 von ?
FSK: ab 16 (um sicher zu gehen)
GENRE: Allgemein, Drama, Spannung
CHARAKTER(E)/PAAR(E): Annie, Woody, Jordan, Garret und der Rest
SPOILER: 3. Staffel
INHALT: An einem kalten Wintertag werden Annie, Woody und Garret zu einem Tatort gerufen, der ihr Leben nachhaltig verändern wird …
DISCLAIMER: Nichts gehört mir, alles gehört Tim Kring. Ich borge mir die Figuren und Orte nur aus und werde alles ordentlich gewaschen und gebügelt wieder zurückgeben! Nur die Handlung gehört mir.
WARNUNG: Es geht primär um einen Mordfall, in dem auch ein Baby verwickelt ist. Wer damit nicht klar kommt, sollte besser nicht weiterlesen.
BEMERKUNG: Ich weiß, es hat länger gedauert, als normal, aber ich hatte irgendwie Probleme mit dem Schreiben generell und mit dieser Geschichte. Aber ich schreibe im Moment schon fleißig am nächsten (und wahrscheinlich letzten) Kapitel. Also habt Geduld mit mir :)
Kapitel 9
Sie wusste nicht, was es zu bereden gab, doch sein Blick signalisierte ihr, dass es ihm ernst war und er nicht eher gehen würde, bis sie die Tür geöffnet und ihn hereingebeten hatte.
Seufzend trat sie einen Schritt beiseite, zog den Bademantel noch ein wenig enger zu und öffnete die Tür weiter, damit Max eintreten konnte.
„Danke, Annie", sagte Max erleichtert, trat an ihr vorbei und blieb unsicher im Flur stehen. Annie schloss in aller Seelenruhe die Tür und überlegte, was sie als Nächstes tun sollte und wie sie auf das, was auch immer nun folgen würde, reagieren sollte. Ihn hineinzubeten war ein Fehler gewesen, das hatte sie schon erkannt, noch bevor er überhaupt einen Fuß auf ihren blaugrauen Teppich gesetzt hatte. Doch nun war es zu spät. Ihr blieb nur noch die Chance, das Beste aus der Sache zu machen und stark zu sein. Oder die Polizei zu rufen und ihn gewaltsam aus der Wohnung zu schaffen – wenn es denn sein musste.
Annie atmete noch einmal tief durch und drehte sich dann zu ihm um. „Was willst du?", fragte sie, während sie die Arme vor der Brust verschränkte und ihn mit einem gefühllosen Blick fixierte.
Sie bot ihm keinen Platz an, sie bat ihn nicht, ins Wohnzimmer zu gehen, und Max schien langsam zu akzeptieren, dass er nicht erwünscht war. Er blickte sich unsicher um und lehnte sich schließlich gegen den Türrahmen zum Wohnzimmer hin.
„Ich wollte dich sehen", sagte er nach kurzem Zögern. „Und ich möchte wissen, warum du einfach so weggegangen bist aus New York, ohne dich noch einmal zu melden. Ich habe dich wirklich vermisst."
„Ach ja?", fragte Annie schnippisch. „Hast du das wirklich? Habe ich nichts von gemerkt."
„Annie, ich -"
„Lass gut sein, Max." Annie schnitt ihm mit einer unwirschen Handbewegung das Wort ab. „Ich bin es leid. Ich habe genug Lügen und Versprechungen gehört. Lass mich einfach in Frieden und geh." Sie wusste, dass ihre Anschuldigungen unfair waren, hatte sie doch dafür gesorgt, dass Max sie nicht finden oder kontaktieren konnte. Doch sie war so wütend auf ihn, dass ihr das im Moment vollkommen egal und nebensächlich war. Sollte er doch ein schlechtes Gewissen haben und von diesem aufgefressen werden. Sie störte es nicht. Nicht wirklich …
Max sah sie einen Moment lang schweigend an, als versuchte er zu ergründen, ob es ihr ernst war. Sie erwiderte seinen Blick ohne Probleme und versuchte hinter einem finsteren Gesichtsausdruck das zu verbergen, was wirklich in ihr vorging. In Wahrheit wollte sie nicht, dass er wieder ging. Sie hatte ihn ebenfalls vermisst und alle Gefühle und Gedanken an ihn lange Zeit unterdrückt und zu vergessen versucht. Bisher war ihr das gut gelungen, doch nun, nachdem die Familie Quinn ohne Verwarnung wie durch einen Orkan wieder in ihr Leben geweht war, fiel es ihr von Sekunde zu Sekunde schwerer.
„Wenn es das ist, was du möchtest, dann entschuldige bitte, dass ich hergekommen bin", sagte er leise, sah sie verletzt an und ging an ihr vorbei zur Tür. Bevor er diese jedoch öffnen konnte, fuhr Annie herum und griff nach seinem Arm.
-o-
Woody stieß die Glastür des Paradise's End auf und ließ Jordan den Vortritt, bevor er zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage das schäbige Motel betrat. Wie schon bei seinem ersten Besuch, war die Empfangstheke auch heute verlassen, doch dieses Mal schien kein Fernseher im Hinterzimmer zu laufen. Es war mucksmäuschenstill und das ganze Gebäude wirkte verlassen.
„Ganz schön unheimlich", flüsterte Jordan. „Wohnt hier überhaupt noch jemand?"
Woody zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Aber wir werden es sicher herausfinden."
Er trat an die Theke und drückte auf die silberne Klingel, die immer noch am selben Platz stand.
Noch bevor der Klang, der an den Wänden widerzuhallen schien, ganz verflogen war, regte sich etwas im Hinterzimmer. Ein älterer Mann um die fünfzig, bekleidet mit einer braunen Latzhose und Holzfällerhemd erschien im Türrahmen, bückte sich etwas, um sich den Kopf nicht anzustoßen und sah Woody neugierig aus dunklen Augen an.
„Was kann ich für Sie tun?", fragte er. „Brauchen Sie ein Zimmer? Hab noch eins frei. Wird euch beiden gefallen." Er grinste und entblößte dabei eine Reihe gelber Zähne, bei deren Anblick Woody angewidert das Gesicht verzog.
„Nein, danke", sagte er schnell. „Wir brauchen kein Zimmer. Wir -"
„Wir würden uns ihre Zimmer aber trotzdem gerne mal ansehen, Mr.-"
„Murray", sagte er. „Benjamin T. Murray. Mir gehört der Laden hier. Hab ihn von meinem Vater geerbt. Von ihm habe ich auch das T. Er hieß Theodore …"
„Ja, schön, Mr. Murray", unterbrach Woody ihn und zog seine Dienstmarke aus der Tasche. „Ich bin Det. Hoyt. Wie meine Kollegin schon gesagt hat, würden wir gerne ihre Zimmer sehen."
„Ach, Sie sind das", sagte Murray. Er nahm Woodys Marke und warf einen langen Blick darauf, bevor er sie ihm zurückgab.
„Sie waren schon mal hier, oder?", fragte er. „Bernie hat's mir erzählt. Allerdings hat er was von einer blonden Schnecke gesagt." Er blickte zu Jordan und zog die Stirn kraus.
„Sind Sie jetzt enttäuscht?", fragte Jordan mit zuckersüßer Stimme. „Dann tut es mir Leid. Ich bin weder blond noch eine Schnecke. Also, können wir die Zimmer sehen?"
Murrays überraschter Blick wanderte zu Woody und er zuckte schließlich mit den Schultern. „Wenn Sie wollen. Dann kommen sie mit."
Jordan grinste Woody an und lief dann hinter Murray her, der hinter der Theke hervor gekommen war und sie links den Gang entlang führte.
„Ihr Neffe hat Ihnen sicher auch erzählt, warum wir hier waren?", fragte Woody, während er neben Murray herlief.
„Hat er", antwortete Murray. „Diese tote Frau. Hab's in der Zeitung gelesen." Sein Tonfall klang schon fast zu gleichgültig, und das nervöse Flackern in seinen Augen verriet, dass der Mann mehr wusste, als er bereit war, zuzugeben. Jetzt musste ihm jemand nur noch die richtigen Fragen stellen und ihm ein paar Dinge in Aussicht stellen, die ihn von selber reden ließen.
„Ja, genau", antwortete Woody. Er zog das Bild von Michelle Quinn aus der Tasche und hielt es Murray unter die Nase, als er gerade die Tür zu Zimmer 7 aufschließen wollte. „Wir haben Grund zu der Annahme, dass Mrs Quinn hier übernachtet hat. Oder sie war zumindest hier. Erinnern Sie sich?"
„Murray nahm Woody das Bild ab und studierte es eingehend. Dann gab er es Woody zurück.
„Ich bin mir nicht sicher", sagte er, obwohl seine Augen etwas ganz anderes sagten. Er hatte die Frau auf dem Bild erkannt und für einen kurzen Moment seine Maske fallengelassen. Pure Angst hatte in seinen Augen geflackert, bevor die Kühle und Gleichgültigkeit zurückgekehrt waren.
„Sie sind sich nicht sicher?", fragte Woody nach. „Also kann es sein, dass sie hier war?"
Murray zuckte mit den Schultern. „Kann sein, kann aber auch nicht sein. Hier kommen laufend Leute. Ein ständiges Kommen und Gehen. Wollen Sie jetzt das Zimmer sehen?"
Woody tauschte einen viel sagenden Blick mit Jordan, die genau dasselbe zu denken schien, wie er auch. Er konnte sich kaum vorstellen, dass das Hotel zu den Top-Adressen der Stadt gehörte, und eine Frau wie Michelle Quinn wäre zwischen der Kundschaft, die sich die Preiskategorie dieses Motel gerade noch leisten konnten oder wollten, auf jeden Fall aufgefallen.
„Schließen Sie bitte auf", bat Woody und deutete auf die Tür.
Murray steckte mit zittrigen Händen den Schlüssel ins Schloss, drehte ihn herum und drückte die Türklinge nach unten, die quietschend nachgab.
Das Zimmer hinter der Tür war dunkel und muffig. Während Jordan sich ein paar Latexhandschuhe überstreifte, ging Murray zu dem einzigen kleinen Fenster und zog die Rollladen hoch, die den Blick auf einen dunklen, hässlichen Innenhof freigaben.
„Ich weiß ja nichts, was Sie suchen, aber bitte." Er zuckte mit den Schultern und sah nervös zu Jordan, die vor dem Bett in die Hocke gegangen war und mit einer kleinen Nagelschere ein paar Fasern aus dem gelben Teppich schnitt, sie in eine kleine Tüte packte und sorgfältig verschloss.
„Wir nehmen nur ein paar Muster von diesem schönen Teppich, Mr. Murray", erklärte Jordan. „Sie haben doch hoffentlich nichts dagegen."
„Nee, hab ich nicht", antwortete Murray zwar zögernd und nervös, aber er hatte ihnen die Zustimmung gegeben. Und das war es, was zählte, falls sie diese Beweisstücke später vor Gericht vorbringen wollten.
-o-
„Hat Nigel schon alles vorbereitet?", fragte Woody bereits zum zehnten Mal, als sie aus dem Fahrstuhl der Gerichtsmedizin stiegen.
„Ja, das hat er, Woody", antwortete Jordan geduldig. „Das habe ich dir doch schon hundertmal gesagt. Als ich ihn vorhin angerufen habe, hat er versprochen, gleich alles stehen und liegen zu lassen, um sich um die Fasern zu kümmern." Sie sprach dabei in einem Tonfall, den man normalerweise nur anwendet, wenn man einem kleinen Kind geduldig erklärte, dass es keine Monster unter dem Bett gibt und es doch endlich einschlafen soll.
Sie hatten Nigel noch bevor sie das Motel ganz verlassen hatten angerufen und ihm mitgeteilt, dass sie auf dem Weg waren. Sie waren sich beide einig gewesen, dass dieser Murray irgendetwas zu verbergen hatte und diese Teppichfasern auf jeden Fall etwas damit zu tun hatten; wenn es nicht ein Mord war, den Murray verschwieg, dann kannte er zumindest Michelle Quinn oder wusste etwas über die Umstände, durch die diese zu Tode gekommen waren.
„Ich will das nur so schnell wie möglich analysiert haben", erklärte Woody – ebenfalls nicht zum ersten Mal. „Wenn die Fasern übereinstimmen, dann kann ich vielleicht heute noch einen Durchsuchungsbeschluss bekommen. Je eher desto besser, bevor dieser Murray noch wichtige Beweise verschwinden lässt."
„Keine Angst, Cowboy." Jordan klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter. „Wir bekommen das schon hin. Darin sind wir doch Meister, oder?"
„Dein Wort in Gottes Ohr", murmelte Woody seufzend und stieß dabei die Tür zum Labor auf, wo Nigel schon ungeduldig auf sie wartete.
-o-
Annie öffnete vorsichtig die Augen und blinzelte in das helle Sonnenlicht, das durch einen Schlitz zwischen den zugezogenen Gardinen hindurch ins Zimmer schien und sie in der Nase kitzelte. Sie gähnte hinter vorgehaltener Hand und versuchte, die Decke beiseite zu schlagen, um aufzustehen, stieß jedoch auf unerwarteten Widerstand, dem leises Gemurmel folgte.
Annie erstarrte. Langsam, als hätte sie Angst vor dem, was sie tief in ihrem Inneren schon wusste und ihre Augen gleich sehen würden, drehte sie sich herum und schloss gleich darauf leise stöhnend die Augen. Während ihr Kopf ins Kissen zurücksank und sie sich ein tiefes Loch im Boden wünschte, das sie auf der Stelle verschlang und am Besten nie wieder ausspukte, fiel ihr ganz allmählich wieder ein, was am Vorabend passiert war und was zu diesem Zustand hier geführt hatte.
Sie hatte Max ziehen lassen wollen, damit er für immer aus ihrem Leben verschwand und sie nie wieder an ihn denken musste. Doch dann … sie wusste auch nicht mehr genau, was es gewesen war und wieso sie diesem plötzlich da gewesenen Instinkt gefolgt war und Max zurückgehalten hatte. Sie hatte es nicht gewollt und es schon in dem Moment bitter bereut, als er sich zu ihr umgedreht und sie fragend mit diesen unverschämt blauen Augen angesehen hatte, bei denen sie damals schon immer schwach geworden war.
Annie hatte seine Hand genommen und ihn ins Wohnzimmer geführt, wo sie sich aufs Sofa gesetzt und einfach nur geredet hatten. Max hatte von New York und ihren alten Bekannten und Freunden erzählt und Annie hatte ihm von Boston und ihrem neuen Leben berichtet. Michelle, das Baby und Annies Umstände, unter denen sie New York verlassen hatte, hatten sie beide sorgfältig gemieden.
Irgendwann – Annie wusste nicht mehr genau wann und wie es passiert war – war Max neben ihr gewesen, hatte vorsichtig ihre Hand berührt, war mit seinen Fingern ihren Arm hinaufgewandert und hatte mit seinen Berührungen kleine Stromstöße durch Annies Körper gejagt. Zunächst hatte Annie sich verkrampft, aber nur kurz, bevor sie sich von ihm in den Arm ziehen ließ. Seine Küsse waren sanft gewesen, vorsichtig, abtastend, so als ob er Angst davor hatte, dass sie ihn abweisen würde. Doch schon nach dem ersten Kuss war für Annie klar gewesen, dass sie ihn alles andere als abweisen würde. Sie hatte ihre Arme um seinen Nacken geschlungen, war auf seinen Schoss gerutscht und hatte sich wieder wie damals in New York gefühlt, als die Welt noch für sie in Ordnung gewesen war.
Wie und wann sie dann schließlich im Schlafzimmer gelandet waren, wusste Annie nicht mehr genau, aber was zählte das denn auch noch? Es war doch sowieso zu spät. Der Fehler war gemacht und sie konnte ihn nicht mehr rückgängig machen.
Langsam und vorsichtig rutschte Annie aus dem Bett, sammelte auf dem Weg hinaus ihre Kleidung auf, die überall auf dem Boden verstreut lag und schloss dann leise die Schlafzimmertür. Sie hoffte, dass sie Max nicht geweckt hatte und ging in die Küche, um sich einen Kaffee zu machen. Sie brauchte jetzt einfach einen Moment für sich, um nachzudenken und zu überlegen, wie sie am einfachsten wieder aus der Sache herauskam.
Sie hatte mit Max geschlafen, mit dem Mann, der sie monatelang belogen und hingehalten hatte, der ihr falsche Versprechungen gemacht und sie schließlich in die Flucht getrieben hatte. Das alleine wäre schon ein unverzeihlicher Fehler gewesen, für den Annie sich hätte ohrfeigen können. Doch dazu kam noch, dass Max ein Tatverdächtiger in einem Mordfall war, den sie bearbeitete – okay, bearbeitet hatte, bis Marquette sie beurlaubt hatte, was aber eigentlich keinen Unterschied machte. Sie war Polizistin, sie durfte sich einfach mit keinem Verdächtigen einlassen – egal ob es ihr Fall war oder nicht. Und egal wie gut er aussah und wie gut er küssen konnte.
Annie rannte ein warmer Schauer über den Rücken, als sie daran dachte, wie gut sich Max' Küsse angefühlt hatten und wo er sie überall berührt und geküsst hatte. Er kannte noch jede empfindliche Stelle ihres Körpers und wusste, wo er sie wie berühren musste, um ihr den Verstand zu rauben.
Er hatte nichts vergessen oder verlernt ...
Nur das kalte Wasser der überlaufenden Kaffeekanne rettete Annie davor, sofort wieder ins Schlafzimmer zurückzukehren und zu Max zurück ins Bett zu kriechen, und sie drehte nervös und mit zittrigen Händen den Wasserhahn zu.
Über sich selbst den Kopf schüttelnd, füllte sie das Wasser in die Kaffeemaschine und wollte gerade nach dem Kaffeepulver greifen, als es an der Tür klopfte.
-TBC-
