Kapitel 8: Severus IV
Während der nächsten paar Tage erschien Hermione nicht, um mich zum Frühstück zu begleiten. Ich glaube, dafür war ich dankbar, denn es gab mir mehr Zeit zum Nachdenken. Ich war froh, dass sie immer noch ihre Klassen unterrichtete; anscheinend passten sich ihre Schüler gut an. Ich fragte mich, ob ich öffentlich bekanntgeben sollte, was passiert war. Die ganze Schule schien es bereits zu wissen. Als Schulleiter hielt ich keinen Unterricht mehr, daher hatte ich keine Masse von Fragen abzuwenden, aber die anderen Professoren diskutierten dies untereinander – ihre Gedanken, die Gedanken der Schülerschaft … Ich hegte den Verdacht, dass die älteren Schüler mich darauf ansprechen würden, aber sie waren diejenigen, die mich am längsten als Professor gehabt hatten. Das Kriegsende hatte die Sicht des Landes auf mich verändert, aber nicht die der einzelnen Personen. Angesichts dessen, dass ich kaum Schüler dazu ermunterte, mich zu mögen, hatte hatte damit kein Problem. Selbst wenn sie sich trauten, mit mir zu reden, hatten die jüngeren Schüler größtenteils Angst. Die Zweiklässler kannten mich als den Schulleiter aus dem vergangenen Jahr, und die aktuellen Erstklässler hatten einfach keine Ahnung, was sie von mir halten sollten. Ich fragte mich, wie die Schüler in Hermiones Zeit waren.
Ich trat ebenfalls nicht an sie heran und gab ihr Zeit, sich einzugewöhnen. Bei den Mahlzeiten sprachen wir ein wenig miteinander, da sie weiterhin darauf bestand, neben mir zu sitzen. Meistenteils redete sie jedoch mit Minerva. Ich hörte zu; es waren interessante Gespräche. Meistens sprachen sie über die Schule und über die aktuelle Politik; Hermione schien keine Bedenken zu hegen, die Zukunft offenzulegen. Wie sie zum Besten gab, war die Zukunft ein wunderbarer Ort. Ich war immer noch Schulleiter und glücklich darüber, wie sie bemerkte. Minerva war ebenfalls immer noch dort. Einige Professoren hatten gewechselt, aber insgesamt war fast alles beim Alten. Es gab einen neuen Zaubereiminister, im Lauf des Jahrzehnts waren eine Menge Änderungen in der Zaubererwelt gemacht worden, von denen ich den Verdacht hatte, dass Hermione, Potter und Weasley eine große Rolle dabei spielten, obwohl sie das nie direkt so sagte.
Schließlich fasste ich den Entschluss, dass es an der Zeit war, Hermione in die Nachforschungen einzubeziehen. In der Zwischenzeit hatte ich alle meine Bücher und die im Besitz der Schule über Zeitreise gelesen und hatte zu meiner Entrüstung festgestellt, dass keines von ihnen etwas über die Art von Zeitreise enthielt, die Hermione gemacht hatte. Die meisten von ihnen sprachen vom Gebrauch eines Zeitumkehrers und den Ereignissen, die mit dessen Verwendung einhergingen. Einige ältere und obskurere Bücher berichteten von Menschen als Zeitreisenden und erklärten nicht die Magie, die damit zusammenhing, aber ich hegte den Verdacht, dass diese Bücher reine Fiktion waren, obgleich sie als Berichte geschrieben waren. Natürlich waren dies keine Bücher aus meiner persönlichen Bibliothek.
Ich schickte Hermione eine Eule mit einer Mitteilung an sie, an diesem Abend zu mir in mein Büro zu kommen, und bekam von ihr eine zurück, die besagte, dass sie für den Abend schon etwas vorhabe. Sie fragte, ob wir uns vielleicht morgen treffen könnten? Aus der Fassung gebracht, stimmte ich zu. Es war ein Freitag, daher war der nächste Tag ebenfalls gut, und tatsächlich war es vielleicht besser, den ganzen Tag für Diskussion und Recherchen offen zu halten. Aber ich kam nicht umhin, mich zu fragen, was sie vorhatte.
Diesen Abend verbrachte ich stattdessen damit, Tränke zuzubereiten, um die Vorräte der Schule aufzufüllen. Sie waren nicht besonders knapp, aber mir war nach dem methodischen Tun, das Tränke zu brauen war. Die meisten waren relativ simpel, und das gestattete mir, in eine meditative Trance zu fallen. Meine Hände bewegten sich ohne bewusstes Nachdenken, und die Tränke entstanden. Um etwa elf Uhr verließ ich meinen privaten Arbeitsraum, der trotz meines Bürowechsels immer noch in den Kerkern lag, und trat den Rückweg zu meinen Räumlichkeiten an. Ich begegnete einigen Schülern, die noch spät unterwegs waren und von Präfektenbädern oder Gemeinschaftsräumen kamen, die nicht ihre eigenen waren. Da es ein Freitag war, ließ ich sie gehen. Es war nicht so spät … noch nicht.
Als ich an einem Fenster vorbeiging, fiel mein Blick auf eine Person draußen. Jemand schritt schnell über den Rasen Richtung Eingang. Besorgt, wer es war, Schüler oder Professor, änderte ich meine Route in Richtung Eingangshalle. Als ich hineintrat, flogen die Türen auf, und zu meinem Schock stand dort Hermione, in einen Umhang gewickelt. Mit Tränenspuren auf dem Gesicht sah sie mich an und war genauso überrascht, mich zu sehen, wie ich es war, sie zu sehen. Wohin war sie gegangen? Ich hatte erwartet, jemand von den älteren Schülern oder einen anderen Professor spät draußen vorzufinden oder sogar Hermione, aber nicht eine, die offensichtlich geweint hatte.
Wir starrten einander gefühlt minutenlang an, beide in Zögern erstarrt, und dann trat ein seltsamer Ausdruck auf Hermiones Gesicht, und sie ging zu mir herüber, dann sackte sie nur wenig von mir entfernt gegen die Mauer und stieß ein langes Seufzen aus, das in einer Art finalem Schniefen endete. Ich war hin- und hergerissen zwischen sie in Ruhe zu lassen und sie zu fragen, was nicht in Ordnung war. Wenn es persönlich war, würde sie wahrscheinlich in Ruhe gelassen werden wollen, aber wenn es etwas anderes war, mochte die Hilfe eines anderen nützlich sein.
„Ich habe Ron besucht", flüsterte sie und sah zur Decke der Eingangshalle. Fast unmerklich versteifte ich mich, jedoch nicht genügend, dass sie es bemerkte. Also war es persönlich. Was in aller Welt sollte sie zum Weinen bringen, weil sie Weasley besucht hatte? Ich war ziemlich sicher, dass ich es nicht wissen wollte, aber wenn dieser Idiot – nun, zugegeben, er hatte dabei geholfen, Voldemort zu besiegen, aber wie auch immer, wenn es ein Problem mit ihm gab … Ich überlegte, ob ich sie zu Madame Pomfrey bringen sollte. Es war zu spät, um wegzugehen. Ich konnte jetzt nicht einfach sagen: „Guten Abend, Hermione, wir sehen uns morgen." Nicht, nachdem sie … begonnen hatte, sich zu erklären.
„Gibt es einen speziellen Grund, weshalb Weasley zu besuchen Sie in Tränen ausbrechen lässt?", fragte ich etwas scharf. Sie zuckte zusammen, und sofort fühlte ich mich schlecht und unbehaglich. Dies war nicht meine starke Seite. Warum hatte ich hierher herunterkommen müssen? Weshalb verhielt sie sich, als sei ich jemand, dem sie sich anvertrauen konnte? Sie hatte gewiss andere Freunde um sich …, unter den Professoren und anderswo. Oder vielleicht hatte sie nicht vorgehabt, sich jemandem anzuvertrauen, und hatte geplant, in ihre Räume zu gehen, als wir aufeinandergetroffen waren. Innerlich verfluchte ich mich selbst und sie ebenfalls. Weshalb brachte sie mich in diese Situation?
„Ich …" Sie holte tief Luft, runzelte die Augenbrauen und sah zu mir hinüber, dann wieder zur Decke und sagte: „Ich habe ihm gesagt, dass ich ihn in der Zukunft nicht heirate."
Sie nahm einen Atemzug, der sich extrem zittrig anhörte, und verstummte dann. Stirnrunzelnd sah ich sie an. Das schien kaum der Tränen wert zu sein. Warum machte sie sich überhaupt die Mühe, ihm das zu sagen? Würde das nicht von selbst passieren? Ihm das so zu sagen, schien ihn eher zu verletzen, als die Dinge auf natürliche Weise geschehen zu lassen. Nicht, dass ich ein Experte in Beziehungsfragen war; Hermione sollte das ebenfalls wissen. Weshalb erklärte sie mir das? Dachte sie, es sei mir wichtig? Oder dass ich sie trösten könne?
„Ich erkenne wenig Grund für Tränen", sagte ich schließlich, und ich fürchte, meine Stimme war dabei ziemlich kalt.
Sie sah zu mir auf, und zu meiner Überraschung sah sie mich fast zornig an … oder frustriert. Woher kam das? Erwartete sie, dass ich etwas Netteres sagte? In der Art von ‚es kommt alles in Ordnung'? Wie konnte sie das von mir erwarten? Ich spürte etwas Ähnliches wie Empörung … und wollte nichts lieber als einfach weggehen.
„Dass es wehtut, ist alles", knurrte sie mich an. „Aber ich habe vermutet, dass ich von dir nicht erwarten sollte, dass du Liebe verstehst." Zu meiner Überraschung schien sie diese Aussage nicht wirklich zu meinen. Nachdem sie es ausgesprochen hatte, sah sie unsicher und frustriert aus und blickte von mir weg. Dann erinnerte ich mich daran, dass Potter, dieser Idiot, in einem eitlen Moment der halben Zaubererwelt meine relative Unschuld erklärt hatte, um Lord Voldemort bei seiner Niederlage zu ärgern. Mit anderen Worten: meinen Grund, ein Spion zu werden. In einem Wort: Lily. Daher verstand ich nach Hermiones Meinung Liebe. Stirnrunzelnd sah ich sie an.
„Miss Granger, ich möchte Sie gerne informieren, dass mein Verständnis von Liebe mich nicht zu einem Born des Wissens und des Trosts für Ihren Gebrauch macht", sagte ich und schaffte es eben, die Worte nicht auszuspeien. Verdammter Potter und sein loses Mundwerk.
„Nun, dann tut es mir leid", sagte sie und hörte sich an, als stünde sie wieder kurz vor den Tränen, und dann drehte sie den Ehering an ihrer linken Hand und rauschte an mir vorbei. Als sie weg war, wurde mir klar, dass ich beinahe zitterte, aber weshalb, war ich nicht sicher. Ich war verunsichert, so viel war klar. Ich holte tief Luft, hoffte, dass sie morgen vernünftiger sein würde, und ging zu meinen Räumen.
