Hallo!

Und wieder gibt es eine neue Story von mir, die ich trotz bester Vorsätze noch nicht beendet habe, und dennoch online stelle. Sie wir voraussichtlich ungefähr fünf Kapitel haben, momentan schreibe ich am dritten. Für alle, die kein Französisch können, sei hiermit der Titel übersetzt: „Wenn ich mit dir (weg-)gehe". Ich weiß, dass „partir" „weggehen" heißt und eigentlich „sortir" „ausgehen" bedeutet, aber ich kann den Liedtext nicht ändern und vielleicht könnt ihr es einfach mit „gehen" an sich übersetzen und über den kleinen Übersetzungsfehler hinwegsehen. Danke schön ;o).

Disclaimer: Das gesamte Harry-Potter-Universum gehört Joanne K. Rowling, die Liedzeile „Si je pars avec toi" aus dem Musical „Starmania" gehört Michel Berger und ich verdiene mit dieser Story keinen Cent. Reviews sind allerdings immer willkommen.

Pairing: Lily Evans/James Potter

Summary: Ich hasste ihn. Ich hasste ihn wirklich. Ich konnte es nicht leiden, wie er sich selbstgefällig die Haare zerwuschelte und ich verstand nicht, wie die Mädchen beim Anblick seines unverschämten Grinsens schwach wurden. Dummerweise interessierte ihn meine Abneigung nicht und dummerweise musste ich feststellen, dass es mich störte, von ihm ignoriert zu werden.

Warnungen für Kapitel Fünf: Ähm, ja. James und Lily sind ehrlich zueinander. Sehr, sehr ehrlich. Und manchmal, ich gebe es zu, achten sie dabei nicht so ganz auf ihre Sprache- ab und zu fluchen sie also. Nur, damit ihr gewarnt seid. Ansonsten erfahren wir diesmal Lilys Grund und eigentlich hatte ich vorgehabt, ‚Si je pars avec toi' hiermit zu beenden, aber ich hab das Kapitel etwas früher beendet, weswegen es ca. 400 Wörter kürzer ist als die anderen, und schreibe noch einen sechsten Teil. Ich hoffe, ihr könnt damit leben :). Wen es interessiert: Lilys Grund ist die Fortsetzung aus ‚Si je pars avec toi' in der Liedzeile.

Und nun viel Spaß beim Lesen und ein großes „Entschuldigt bitte" von mir für die lange Wartezeit. Ab einem bestimmten Punkt ging es einfach recht schwer… Vorhin hab ich mich dann hingesetzt und die restlichen zwei Seiten grad so runtergeschrieben :) Manchmal muss man das Geschriebene eben für eine Weile stehen lassen.

Alles Liebe, und Reviewantworten wie immer am Ende,

eure Maia

OoOoOoO

Si je pars avec toi

Kapitel Fünf

Ich starrte Potter an, überfragt und hilflos. „Du hasst es satt, dich zu blamieren?", wiederholte ich fassungslos, „Entschuldige bitte, aber hat dich irgendjemand dazu gezwungen? Du stellst dich mir doch freiwillig jeden Morgen in den Weg, fragst nach einem Date und lässt dich nicht davon unterkriegen, dass ich immer und immer wieder absage." Ich war kurz vor einem Wutausbruch. Potter allerdings offenbar auch, so, wie er mich anfunkelte. „Stell dir vor, selbst ich bekomme es irgendwann mit, wenn ich mich grundlos lächerlich mache!" Er schrie beinahe, ballte die Hände zu Fäusten und ich hatte keine Ahnung, wie ich reagieren sollte. Ich ließ die Schultern sinken, blickte auf den Boden, an Potters nackten Füßen vorbei und murmelte: „Sorry. War wohl keine besonders gute Idee, hierher zu kommen."

Draußen hämmerte jemand gegen die Tür. „Wenn du jetzt gehst, verzeih' ich dir das nie.", brüllte Remus und es war sein Tonfall, der mich daran hinderte, mich einfach umzudrehen und in meinen Schlafsaal zu verschwinden. Remus war niemand, der sich grundlos aufregte und dass er nun, in diesem Moment, so außer sich klang, musste etwas zu bedeuten haben. Er gehörte zu meinen besten Freunden und ich vertraute ihm, auch oder vielleicht sogar gerade weil er ein Marauder war und die Ehrlichkeit von Hogwarts' berühmtesten Unruhestiftern fast schon legendär war. Und Potter wiederum war einer von Remus' engsten Freunden. Wenn man in Hogwarts jemandem vertrauen konnte, dass er nur das Beste seiner Freunde im Sinn hatte, dann war dieser Jemand Remus Lupin. Und ich glaubte ihm jedes Wort, als er mich durch die Tür hindurch anschrie. „Keine Bange.", erwiderte ich daher halblaut und langsam und ließ Potter nicht aus den Augen, „So schnell wird mich Potter jetzt nicht los."

Von draußen kam keine Reaktion und so vermutete ich, dass Remus zufrieden war mit meiner Antwort und es sich weiter mit Black und Peter auf dem Gang gemütlich machte, so gut es eben ging. Potter jedoch verschränkte die Arme vor der Brust und blinzelte mich wütend an. „Ach? So schnell werde ich dich also nicht los?", wiederholte er knurrend meinen Satz und verdrehte die Augen. „Evans, ich denke, du bist betrunken. Oder du hast giftige Zaubertrankdämpfe eingeatmet. Oder beides. So genau will ich es nicht einmal wissen, glaube ich. Jedenfalls bist du eindeutig nicht du selbst und solltest jetzt schleunigst wieder gehen und in dein Bettchen kriechen, oder was auch immer du sonst nachts um diese Uhrzeit für gewöhnlich so tust. Sonst sagen wir beide noch Dinge, die wir später bereuen würden. Also verschwinde." Ich war überrascht, das musste ich zugeben. Potter war noch mehr ein Idiot, als ich vermutet hatte, und das sollte nun wirklich etwas heißen.

Potter hatte wahrscheinlich Glück, dass er leise genug gesprochen hatte, sonst hätte Remus mit Sicherheit wieder gegen die Tür geklopft und uns angeschrieen. Eine traumatische Erfahrung. Remus war eigentlich immer der Ruhige, Gelassene. Und es tat mir Leid, wenn ich ihn aufregte, weil er das nicht verdient hatte. Dazu war er einfach viel zu nett und verlässlich und ein viel zu guter Freund. Und deswegen war ich es ihm schuldig, hier an dieser Stelle zu verharren und Potter zur Vernunft zu bringen oder ihm die Meinung zu sagen und dabei hart an den Schultern zu schütteln. Ich hatte mich noch für keine der beiden Optionen endgültig entschieden… Jede hatte ihre ganz eigenen Reize und, wer wusste das schon, vielleicht gelang es mir ja, sie miteinander zu verbinden und beide anzuwenden. Eigentlich war das die beste Idee, wie ich fand. Und so verschränkte ich ebenfalls die Arme vor meinem Oberkörper und sah Potter von oben herab an.

„Jamesie.", säuselte ich und beobachtete, wie Potters Gesichtsfarbe von Zornesrot zu einem kränklich wirkenden Weißton verblasste. Irgendwie schien es ihm immer Angst zu machen, wenn ich nett zu ihm war. Seltsam. „Jamesie, mal im Ernst: ich bin weder betrunken noch sonst wie berauscht und eigentlich bin ich wirklich nur hierher gekommen, um mit dir zu reden. Anscheinend klingt das ja unglaublich abwegig in deinen Ohren… Tut mir wahnsinnig Leid, aber ich bin nun mal nicht immer das biestige Miststück, das du wohl so gerne in mir siehst." Immerhin hatte ich es nun geschafft, dass Potter wortlos und bass erstaunt vor mir stand und mich einfach nur anstarrte. Innerhalb einer Nacht Black überraschen und Potter schockieren zu können…. Ich hatte nicht einmal gewusst, dass so viel Energie in mir steckte. Langsam lief ich wirklich zur Hochform auf. Und es machte mir erschreckenderweise erstaunlich viel Spaß.

Potter zog beide Augenbrauen in die Höhe und warf mir einen abschätzenden Blick zu, bevor er sich zu einer Antwort herabließ und somit seine Sprache wieder fand. „Ja, schon komisch, dass mich deine Freundlichkeit so überrascht, was? Schließlich sagst du mir nur jeden Tag mindestens einmal, wie nervtötend du mich findest und wie wenig du mich ausstehen kannst. Da ist es natürlich verwunderlich, dass ich dir nicht sofort jedes Wort glaube, wenn du nett zu mir bist, hm? Sag mal, Evans, fällt dir eigentlich nicht auf, was du für einen Drachenmist erzählst?" Ich zuckte zusammen, als seine haselnussbraunen Augen wütend hinter den Brillengläsern aufblitzten. Und gleichzeitig fragte ich mich, wann ich Potters Gesicht jemals so genau betrachtet hatte. Vielleicht damals, in der ersten Klasse, als wir alle neu waren und ich noch nicht geahnt hatte, welcher Lausbub sich hinter diesem Jungen versteckte. Aber in all den Tagen, Wochen, Monaten und Jahren, die gefolgt waren, hatte ich es meistens vermieden, ihn allzu sehr zu beobachten.

Ich hatte rasch gelernt, dass Potter zu denen gehörte, die ihr Herz auf der Zunge trugen und das ziemlich lose. Er sagte, was er dachte, und er dachte, was er wollte. Keine besonders kluge Kombination im Umgang mit diversen Mitschülern oder auch Lehrern, wie wir anderen früh bemerkt hatten. Seine Ehrlichkeit verschaffte ihm Freunde und Feinde, doch meistens auch versteckten Respekt. Und wann immer er zum Direktor geschickt worden war, meistens gemeinsam mit Black, hatte ich hinterher stets den Verdacht gehabt, dass sich Dumbledore im Geheimen über die zahllosen Streiche der Marauder amüsiert hatte. Oder wie sollte man sich sonst die Tatsache erklären, dass Potter in seinem Abschlussjahr Schulsprecher geworden war? Vermutlich hatte sich Dumbledore gedacht, dass ein wenig Spaß noch niemandem geschadet hatte… Würde ihm jedenfalls ähnlich sehen, unserem Direktor. Manchmal denke ich, er hat beinahe den gleichen Sinn für Humor wie Potter und Black.

Potters schmale Lippen verzogen sich zu einem spöttischen Lächeln und mir fiel auf, dass ich ihm noch nicht geantwortet hatte, auch wenn es wohl eher eine rhetorische Frage gewesen war. „Zufällig erzähle ich keinen Drachenmist, Potter.", schnappte ich daher, „Vielleicht ist es dir bisher noch nicht aufgefallen, weil du ein egozentrischer, arroganter Angeber bist, aber ich bin nicht zu allen so wie zu dir. Was unter Umständen daran liegen könnte, dass mich die Anderen besser behandeln als du." Mir war durchaus bewusst, dass meine Stimme vor Ironie und Sarkasmus nur so triefte, doch mir sollte es recht sein. Möglicherweise begriff sogar Potter, was ich damit ausdrücken wollte. Jedenfalls verlor sich sein Lächeln und sein Gesichtsausdruck wechselte wieder von amüsiert zu wütend und betroffen. Er mochte es wohl nicht, wenn ich ihn beschimpfte. Eigentlich mochte ich es im Moment selbst nicht und tat es nur, weil er angefangen hatte. Und ja, ich wusste, dass ich mich wie ein kleines Kind verhielt.

Plötzlich wünschte ich mir, ich würde wieder am Fenster meines eigenen Schlafsaals sitzen, heiße Schokolade mit Zimt und Sahne schlürfen und meinen Plan, ein Gespräch mit Potter zu führen, nochmals überdenken oder besser vorbereiten. Das nächste Mal sollte ich mir Stichwortzettel basteln. Oder gleich eine Rede ausformulieren. Es war wirklich zum Haare raufen… da marschierte man durch das nächtliche Gryffindor, stellte sich mutig den Gefahren, die da lauerten (Viertklässler konnten manchmal ja solche Biester sein), verscheuchte drei Viertel der Marauder aus ihren Betten und ärgerte sich dann mit dem letzten, sturen einen Viertel herum, das sich beharrlich weigerte, ein vernünftiges Gespräch zu führen. Wenn ich diesen einen Satz nicht so sehr hassen würde, würde ich ihn genau jetzt zur Sprache bringen. Da. Ich merkte bereits, wie sich meine Lippen öffneten und ich es sagte. „Lass uns doch wie zwei Erwachsene darüber reden, ja?"

Potter verzog das Gesicht und ich konnte es ihm nicht mal verübeln. Meine Hand schnellte nach oben und legte sich hastig über meinen Mund, während ich geradezu panisch abwechselnd auf den Fußboden und auf die Decke sah. Merlin, ich hatte das gar nicht sagen wollen! Ich sah doch bereits, dass Potter nun noch genervter war als vorher, sollte das überhaupt möglich sein. Lily Evans, Klassenbeste, ehemalige Vertrauensschülerin und derzeitige Schülersprecherin, hatte mal wieder alles ruiniert. Ich würde es wohl niemals schaffen, ein vernünftiges Gespräch mit Potter zu führen, in dem wir unsere… ‚Beziehung' zueinander klären konnten. Ich konnte mit ihm über die Schule reden, über unsere Aufgaben, sogar über Quidditch und über Black- Potter würde zwar immer versuchen, dabei mit mir zu flirten, aber er würde reden und nicht schweigen, so wie in diesem Moment. Und ich würde seine Komplimente ignorieren und mich im Stillen weiterhin fragen, ob dieser Junge überhaupt etwas ernst meinte oder immer nur Witze riss und dennoch… dennoch fehlte mir sein Flirten, seine gute Laune, sein verfluchter, verdammter James-Potter-Charme.

„Wie zwei Erwachsene..", höhnte er und ich zuckte zusammen. Es gefiel mir nicht, wie seine Stimme nun klang, doch ich hütete mich davor, ihm das mitzuteilen. Es genügte, dass ich mir dieser Tatsache selbst bewusst war. Und ich ahnte, dass Potter mich mit meiner eigenen Dummheit schlagen würde. Selbst Schuld, Pech gehabt, Lily. Du wolltest es ja nicht anders. Potter nutzte seine Chance, natürlich. Wie hätte er einer solchen Gelegenheit auch widerstehen können? „Evans…", machte er betont langsam, „Evans, ich meine mich erinnern zu können, dass es da mal ein Mädchen gab, das mich ständig vor den Kopf stieß. Es hasste mich und jeder wusste davon. Die Jahre vergingen und nichts änderte sich. Das Mädchen wurde älter, reifer, erwachsener, aber der Hass blieb und ich veränderte mich nur wenig. Dann steht das Mädchen auf einmal nachts in meinem Schlafsaal und will mit mir wie mit einem Erwachsenen reden, obwohl es mir oft genug an den Kopf geworfen hat, was für ein dummer, kleiner Junge ich bin. Du bist ohne jeden Zweifel viel klüger, als ich es jemals sein werde, Evans- also, kannst du mir das erklären?"

Seine Augen durchbohrten mich geradezu und ich musste daran denken, dass ich es nicht leiden konnte, wenn man reale Ereignisse wie ein Märchen erzählte, doch ich hielt es für sinnvoller, Potter das nicht zu sagen, um ihn nicht noch mehr zu reizen. Vor allem, weil es mich betroffen machte, was er gesagt hatte. Es stimmte schließlich- ich hatte ihm unzählige Male vorgeworfen, dass man ihm seine 17 Jahre nicht anmerkte und er wohl immer ein frecher, kleiner Junge bleiben würde. Und nun war ich hier und schlug ihm vor, ein Gespräch unter Erwachsenen zu führen. Es war tatsächlich absurd, skurril, grotesk- wie man es auch nennen mochte. Ich zuckte mit den Achseln. „Ich hatte eben Hoffnung.", erklärte ich Potter und wusste im nächsten Augenblick, dass es unhöflich und arrogant auf ihn wirken musste. Ich fürchtete, Potter hatte Recht und ich redete wirklich Drachenmist, Merlin bewahre. Meine Eloquenz ließ mich im Stich und die kalte Wut in meinem Magen verebbte. Ich schrumpfte merklich zusammen und ließ die Schultern sinken. Potter hatte einen Schalter in mir umgelegt und ich hatte noch nicht herausgefunden, was genau er bewirkte.

„Hoffnung hatte ich auch.", hörte ich Potter leise antworten und blinzelte ihn an. Er schien ebenso zusammengesunken zu sein wie ich. Vielleicht waren wir einfach nur beide fertig mit unserem Zorn und hatten keine Kraft mehr, einander noch weiter anzubrüllen und uns gegenseitig Vorwürfe zu machen. „Hoffnung für?", hakte ich nach, obwohl ich mir beinahe sicher war zu wissen, woran er dachte. Aber das zählte nicht wirklich. Ich wollte es hören, weil es dann endgültig war und ich mein Gewissen nie wieder würde beruhigen können. Ich wollte es unbedingt zu Ende führen in dieser Nacht, denn noch länger hielt ich es nicht aus. Jeden Tag Potter zu begegnen, seine Frage zu hören und ihm wutentbrannt zu antworten. Und dann seit Neuestem diese Blicke, die mich direkt durchdrangen und gefangen nahmen. Dieser Tonfall, der in keinster Weise an den Marauder erinnerte, sondern nur an den Erwachsenen, der Potter war, wenn er sich dazu machte und der mir nicht gefiel. Es war so unpassend wie Professor McGonagall bei einer geheimen Quidditchfeier, die bis in die Morgenstunden reichte- man akzeptierte es zwar und vergaß es manchmal, doch man würde sich nie vollkommen daran gewöhnen und beim ersten Anzeichen immer zusammenzucken und erschrecken.

Potters Lippen verzogen sich zu diesem kleinen, bitteren Lächeln, das er für meinen Geschmack ein wenig zu oft aufsetzte in der letzten Zeit. Wo war das berühmte Potter-Grinsen abgeblieben, das die ganzen Erst- bis Viertklässlerinnen zum Kichern brachte und die meisten älteren Mädchen zum Erröten? Früher hatte es mich zur Weißglut getrieben. Im Moment vermisste ich es. Verrückte, auf den Kopf gestellte Welt. Ich konnte nicht fassen, dass ich Potters Grinsen hinterher trauerte. Allerdings wüsste ich niemanden, der sich nicht ebenfalls das Grinsen wünschen würde, wenn er das Lächeln zu Gesicht bekam. „Spiel nicht das unwissende, unschuldige Mädchen, Evans. Das passt nicht zu unserer Schülersprecherin, die sich selbst immer so gut verteidigen kann und vor niemandem zurückschreckt. Du weißt doch längst, wovon ich spreche- warum willst du es also noch einmal hören? Um mich zu quälen? Gratulation. Ich kenne niemanden, der mich öfter durch die Hölle hat gehen lassen als du." Merlin. Er sprach das so offen aus, dass ich keinen Zweifel daran hatte, dass es stimmte. Und ich fühlte mich wie der furchtbarste Mensch auf Erden.

Potter gab mir keine Chance, ihn zu unterbrechen, denn er redete sofort weiter. „Jetzt kennst du bereits die Hälfte von allem, Evans. Den einen Teil meiner Wahrheit. Die Tatsache, dass ich unter deiner Ablehnung litt. Darunter, wie du mich behandelt und was du gesagt hast. Jeden Tag, wenn ich aufgestanden bin, hab ich beschlossen, dich nach einem Date zu fragen. Jeden Tag hab ich's getan. Jeden Tag hab ich mir die obligatorische Abfuhr eingeholt. Und jeden Tag hab ich gelacht und bin ins Bett gegangen mit dem Entschluss, es am nächsten Tag wieder zu versuchen. Ich weiß nicht mehr, wie lange das schon so geht. Und ich vermute, du weißt es noch weniger. Es war irgendwann zwischen dem fünften und sechsten Schuljahr, denke ich. Die Ferien waren vorbei, wir waren wieder in Hogwarts und du hattest die Haare offen und standest draußen auf den Ländereien und dein Umhang umwehte dich und die Sonne glitzerte in deinen Haaren und ich… ich weiß nicht mehr, was ich dachte. Vermutlich dachte ich gar nichts, weil ich viel zu überrascht war von deinem Anblick. Und jetzt, Evans, entscheide dich, ob du den zweiten Teil meiner Wahrheit auch hören willst."

Er sah mich an und ich wusste, er meinte es ernst. Wenn ich ‚Nein' sagte, würde er schweigen und ich würde es niemals mehr erfahren. Ich könnte mich nicht entschuldigen, weil ich seinen Schlafsaal nach einem ‚Nein' verlassen müsste und ihm nie wieder in die Augen schauen könnte. Und wenn ich ‚Ja' sagte, würde ich alles über ihn erfahren und dann würde ich ihn nicht länger hassen können. Er könnte mir nicht einmal mehr gleichgültig sein. Dann wären wir miteinander verwoben und alles, was ich wegen Potter aufgebaut hatte, würde zerspringen und ich müsste versuchen, mein Leben neu zu ordnen. Aber ein ‚Ja' bedeutete auch, dass er mir vertraute und bereit war, sich meinem Spott auszuliefern. Ich würde davon wohl keinen Gebrauch machen, denn mein schlechtes Gewissen würde mich erdrücken, doch die Gefahr bestand und er begab sich freiwillig in ihre Hand. Ich zitterte leicht. Potter meinte es wirklich ernst. Und so nickte ich ihm langsam zu. Heute Nacht würden wir es ein für alle Mal beenden. Auch, wenn das bedeutete, dass er mir sein Herz öffnete und ich ihm endlich Antworten zugestand, auf die er bereits so lange wartete.

Potter erwiderte das Nicken und zupfte an seinem schwarzen Shirt herum, bevor er zu einer Erwiderung ansetzte. Mein Gehirn registrierte seine Gesten automatisch und ich merkte, wie nervös ich Potter machte. Den großen Marauder James Potter. Und ich bekam Gänsehaut, als ich spürte, wie nervös ich selbst war. Potters Gefühle übertrugen sich auf mich und meine Finger krallten sich in den weichen Stoff meines Bademantels, während ich den Jungen vor mir anstarrte und darauf wartete, seine Wahrheit zu hören. Er tat es tatsächlich. Er offenbarte mir alles und nahm es auf sich, dass er sich unter Umständen vollkommen lächerlich machte. Das hatte er auch früher schon öfters getan, jedoch niemals so entschlossen. Und ich konnte nicht anders, als seinen verdammten, leichtsinnigen Mut zu bewundern.

„Der erste Teil meiner Wahrheit besteht darin, dass ich verletzt war. Gekränkter Stolz, wirst du sagen. Männliches Ego, das es nicht verkraftet hat, dass ein Mädchen ein Rendez-vous abgelehnt hat. Stimmt. Irgendwo. Irgendwo auf der Oberfläche hast du Recht damit, aber darunter steckt alles andere und keiner bekommt es zu Gesicht, außer mir und denen, die mit mir leiden, wenn es hart auf hart kommt. Peter weiß es und Remus weiß es und Sirius weiß es und jeder von ihnen schweigt, weil ich sie darum gebeten habe. Weil ich Remus' Optimismus nicht länger ertragen habe, wenn er mir Hoffnung machen wollte. Aber genug davon… der zweite Teil ist einfach und simpel, doch du wirst ihn nicht verstehen und ich werde ihn nicht erklären können, denn ich bin es leid, mich rechtfertigen zu müssen, wenn mir niemand glaubt."

Ich hob die rechte Hand und Potter verstummte. „Du willst mir sagen, dass jedes Wort wahr ist, wenn du davon redest, wie gern du dich mit mir verabreden möchtest." Ich hielt für einen Moment den Atem an, bevor ich hinzufügte: „Hab ich Recht?" Er sah mich an und drehte den Kopf, als er nickte. Schweigend stand ich vor ihm und konnte mir nicht recht erklären, weswegen ich die Vermutungen meiner Freundinnen ausgesprochen hatte. Ich wusste nicht einmal, warum ich mich an sie erinnert hatte, waren sie mir doch so unsinnig vorgekommen. Ich hatte nur das Gefühl gehabt, es könnte richtig sein, ihm zu helfen, wenn er seine Seele vor mir bloßlegte und es mir offen ließ, was ich mit ihr anstellte. Und es klickte in meinem Kopf, als sich meine Lippen öffneten und mir meine Gedanken einfach entwischten. Die Gedanken, die ich ihm hatte mitteilen wollen, die Antwort, nach der er gefragt hatte und die er verdiente. Der Grund, warum ich ihm stets absagte, wenn er um ein Rendez-vous bat.

„Ich hab' Angst, dass ich vergesse, wer ich bin, wenn ich mich auf ein Date mit dir einlasse." Meine Stimme klang gepresst und hastig, selbst in meinen eigenen Ohren, und sie durchschnitt die Stille, die sich bleiernschwer über den Raum gesenkt hatte. Ich biss mir nervös auf die Lippe und schaute überallhin nur nicht in Potters Richtung, weil ich nicht sehen wollte, was sich in seinem Gesicht abspielte, welcher Ausdruck in seinen Augen lag und wie sich seine Lippen bewegten, ohne tatsächlich etwas zu sagen. Und so sprach ich weiter, denn mir erschien alles besser, als zu hören, was Potter von meinem Geständnis hielt. „Ich weiß, das klingt unsinnig, aber so hab' ich mich eben gefühlt. Ich hatte schon so oft gehört, wie Mädchen über dich redeten, von dir schwärmten und ab und zu passierte es auch, dass eines dieser Mädchen ein Date mit dir hatte und ihren Freundinnen davon berichtete. Ich kannte niemanden von ihnen und doch schien es mir, als wären sie alle gleich. Und ich dachte, so will ich nie werden. Ich hatte Angst, dass ich meine Persönlichkeit verliere, wenn ich mich in die Liste derer einreihe, die mit James Potter ausgegangen sind."

Drachenmist, schoss es mir durch den Kopf. Alles, was ich sagte, stimmte, und doch hatte ich das Gefühl, es nicht richtig erklären zu können. Potter würde mir niemals glauben. Er würde es als dämliche Ausrede empfinden und wäre stocksauer auf mich, was wiederum zur Folge hätte, dass auch Remus stocksauer auf mich wäre, weil ich die Chance verbockt hätte, mein mieses Verhältnis zu seinem besten Freund ins Positive zu ändern oder wenigstens gerade zu rücken. Immerhin sagte ich die Wahrheit, beim Barte von Merlin! Kämpferisch hob ich den Kopf, blinzelte ein paar Mal und traute mich dann endlich, Potter einen Blick zuzuwerfen. Gefühlte zwei Sekunden später hatte ich das dumpfe Gefühl, dass ich es besser unterlassen hätte. In meinem Kopf drehte sich alles und ich hatte das Gefühl, ins Bodenlose zu fallen, obwohl ich die hölzernen Dielen unter meinen Füßen nur allzu deutlich spürte.

Potter sah nämlich einfach nur zurück. Ohne Spott, ohne Wut, ohne Gehässigkeit im Blick. Er zwinkerte nicht einmal und seine Augen waren verblüffend klar hinter den Brillengläsern. Und ich schluckte schwer und überlegte, wie lange es her war, dass mich Potter so angesehen hatte. Es musste eine Weile zurückliegen, wie ich mir eingestand, denn ich war bei meinen Antworten bezüglich eines Dates nie sonderlich zimperlich mit ihm umgegangen. Eher direkt und forsch und auf dem schmalen Grat zwischen ehrlich und gemein. Und es verwirrte mich, dass er mir nun nichts entgegensetzte. „Ähm… Potter?", versuchte ich zögernd, ihn zum Sprechen zu ermuntern, jedoch ohne Erfolg. Ich gab mir einen Ruck. „James? Hast du überhaupt gehört, was ich gerade gesagt habe?" Meine Stimme schraubte sich nach oben und endete in einem schrillen, fast hysterisch zu nennenden Tonfall. Merlin, ich schrak vor mir selbst zurück.

Wenigstens nickte Potter nun. „Ja. Hab ich. Lily." Seine Stimme war leise und tonlos und meine Nervosität steigerte sich, weil ich Potter nicht entnehmen konnte, was er dachte und fühlte. Ich wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, als er rief „Ihr könnt wieder reinkommen!" und die Restmarauder ihren Schlafsaal zurückeroberten. „Merlin sei Dank, er lebt noch…", hörte ich Black murmeln, während Remus' Gedanken wohl eher in Richtung ‚Merlin sei Dank, sie leben beide noch!' gingen, wenn ich seinen Gesichtsausdruck richtig interpretierte. Er blinzelte, ebenso wie Peter, fragend erst mich an, dann James und schloss sachte die Tür. Sirius war damit beschäftigt, Potter abzutasten und ein amüsiertes, spöttisches Lächeln bemächtigte sich meiner Lippen. Irgendwie waren die Jungs ja wirklich süß. Black schien tatsächlich zu glauben, ich hätte seinem kostbaren James etwas getan. Da sollte noch mal jemand sagen, vor Mädchen müsse man keine Angst haben.

Remus war der Erste, der seine Neugier unter Beweis stellte. „Alles okay?", wollte er wissen und wirkte eher besorgt als wirklich gespannt darauf, was zwischen Potter und mir vorgefallen war, während er, Sirius und Peter draußen auf dem Gang gewesen waren und Merlin-weiß-was getan hatten. Ich überlegte und feilte an der korrekten Formulierung, als Potter bereits nickte. „Alles geklärt.", behauptete er und wich meinem verwirrten Blick aus. Also, das wäre bestimmt nicht meine Antwort gewesen. Gut, wir hatten einander so einiges eingestanden, aber ich fand trotzdem, dass noch reichlich viel offen stand. Beispielsweise hatte ich nicht die geringste Idee, wie Potter und ich nun zueinander standen und wir uns dem jeweils anderen gegenüber verhalten sollten. Oder ob er mich wieder fragen würde. Und was ich erwidern würde. Wie der Alltag aussehen würde. Merlin, ich hatte noch gut tausend Fragen im Kopf und der Idiot faselte etwas von ‚Alles geklärt!'. Ja, meine Wut begann gerade wieder zu köcheln, nachdem ich sie hatte abkühlen lassen.

„Fein.", fauchte ich dementsprechend, zornig auf Potter und zornig auf mich selbst, dass ich ganz offensichtlich nicht das Bedürfnis verspürte, diesen verdammten Schlafsaal sofort und freudig zu verlassen. „Fein. Dann wünsche ich den werten Herren noch eine geruhsame Nacht und wir sehen uns morgen!", zischte ich den verwirrt aussehenden Jungs zu, nickte in die Runde, darum bemüht, meine angeknackste Würde nicht vollends zu Bruch gehen zu lassen und rauschte mit wehendem Morgenmantel von dannen. Am liebsten hätte ich die Tür hinter mir zugeworfen, aber mein Verstand schaltete sich gerade noch rechtzeitig ein, um mich daran zu erinnern, dass ich womöglich das halbe Haus aufwecken würde. Machte sich nicht besonders gut, wenn die Schulsprecherin nachts durch Gryffindor geisterte, dem Jungenschlafsaal einen Besuch abstattete und hinterher dafür sorgte, dass die meisten ihrer Mitschüler am nächsten Morgen unausgeschlafen waren, weil sie mitten in der Nacht durch einen lauten, unschönen Türknall geweckt worden waren. Nein, das käme bei Professor McGonagall wohl wirklich nicht besonders gut an.

„Alles geklärt- na klar! Danke für die aufschlussreichen, vergangenen fünf Minuten, Mister Potter!", schimpfte ich halblaut vor mich hin, während ich die Stufen hinunterstapfte. „Ist ja wunderbar, dass ich nun genau weiß, woran ich bin, weil zwischen uns ja alles geklärt ist!", knurrte ich regelrecht und riss mir das Haarband aus den Haaren, um sie auszuschütteln und mit den Händen hindurchzugleiten. „Was denkt sich dieser verfluchte Idiot eigentlich? Schüttet mir sein Herz aus, lässt mich direkt in seine Seele blicken, hört sich an, was ich ihm zu sagen habe, indem ich ihm meine Seele ebenfalls offenbare und dann? Dann ruft er seine Freunde herein und kriegt den Mund nicht mehr auf! Kann man so was überhaupt fassen?" Ich hörte mich vermutlich an wie eine verrückt gewordene, verbitterte, alte Fluchhexe, aber im Moment war mir das schlichtweg egal.

Meine Füße trugen mich in den Gemeinschaftsraum zurück, wo soeben das Feuer seine letzten Atemzüge tat, bevor es jeden Augenblick erlischen würde. Die Glut brannte feuerrot in meinen Augen und ich wandte den Blick nicht ab, weil es mich ablenkte, weil ich mir einreden konnte, dass die grelle Farbe mich zum Blinzeln brachte und dass daher der Drang kam, mich hinzusetzen und mir die Tränen wegzuwischen, die nur vom Feuer herrühren konnten und von sonst nichts. Leider war ich noch nie sonderlich gut darin gewesen, mir etwas Abwegiges einzureden. Dazu war ich wahrscheinlich zu klug, vermutete ich. Jedenfalls war ich mir im Klaren darüber, dass ich fast heulte, weil es mich fertig machte, dass ich noch immer nicht wusste, was los war mit James und mir. Diese gesamte Situation zehrte an meinen Kräften und es hatte mich verwirrt… sogar verunsichert, dass Potter sein Versprechen offenbar hielt und mich nicht mehr nach einem Rendez-vous fragte, sobald er meinen wahren, ehrlichen Grund kannte.

Ich war immer davon ausgegangen, dass er nie nachgeben würde, egal, was war. Dass er immer und immer wieder versuchen würde, mich zu einem „Ja" zu überreden, ganz gleich, auf welche Art und Weise es geschah. Dass ein James Potter nicht aufgab. Dass ihm etwas an mir lag und er daher nicht eher die Hoffnung verlieren würde, bis ich eingewilligt hatte, ihn zu treffen. Nun hatte ich also, was ich mir schon so lange gewünscht hatte. Ich hatte meine Ruhe vor Potter. Er würde mir niemals mehr auf die Nerven gehen. Er würde meinen Wunsch respektieren und mich von nun an ignorieren und wie eine normale Klassenkameradin behandeln. Ich hatte, was ich gewollt hatte. Warum, verdammt, machte es mich dann nicht glücklich?

OoOoOoO

Ein großes Danke schön an alle Leser und Reviewschreiber:

Flauschfuechsin: Vielen lieben Dank für dein Review! Und es tut mir ehrlich Leid, dass es doch wieder so lange gedauert hat… Ich hoffe, dir hat dieses Kapitel auch gefallen.

Moony-Paddy-Prongs: Ja, ich weiß, es war ein wenig fies, genau da aufzuhören, aber dafür gab es ja in diesem Kapitel zahlreiche Erklärungen. Ist doch ein Ausgleich, hm:)

Sophie: Leider ist es zwischen den Beiden nur etwas besser geworden und noch nicht vollständig wieder gut, doch schließlich gibt es noch einen sechsten Teil. Und wir wissen ja alle, dass die zwei später mal heiraten und Harry kriegen- das kann ich nicht umschreiben und von daher steht das Happy Ending ja eh fest :)

Leaky: Du musst ja grad was sagen, mit deinen vielen, bösen Kapitelenden bei S&S, hm:) Da hast du den Rest des Gesprächs. Ich bin gespannt, was du nun sagst.

Anso: Danke schön für die lieben Komplimente! Ich freu mich, wenn's dir gefällt und hoffe, dass du auch diesmal wieder Spaß hattest beim Lesen.

Leana: Das ehrt mich natürlich, dass du ‚Si je pars avec toi' dem Schlafen vorgezogen hast. Tut mir Leid, dass ich euch habe warten lassen mit dem nächsten Teil, aber ich hoffe, es hat sich ein wenig gelohnt…

HexenLady: Das nächste Mal geht's hoffentlich wirklich schneller…

Mondfee: Danke schön für das liebe Review (bzw. beide, um mich ans Updaten zu erinnern )! Voraussichtlich kommt nun, nach Teil Fünf, nur noch ein Kapitel, aber vielleicht überlege ich es mir ja auch noch einmal anders und schreib weiter :)

Lilkins: Auch dir vielen, lieben Dank für die zwei Reviews, ich hab' euch hier bestimmt nicht vergessen, aber ich kam einfach eine ganze Weile nicht weiter an dieser einen Stelle… Nya. Ich hoffe, du magst das Ergebnis.

Moon: Bitte schön, nun weißt du es ;)

Indigo111: Doch, natürlich mach ich weiter :)