V.

Ich hätte mich auch krankmelden sollen, dachte PKK 1237 trübsinnig, als er zum fünften Mal in dieser schier endlosen Nacht ein sanftes, aber nachdrückliches Rühren in seinem gequälten Innenleben verspürte. Ich hab mir bestimmt diesen verdammten Virus eingefangen, der den Captain flachgelegt hat. Oder hätte ich die zweite Doppelportion Kamzann doch lieber stehen lassen sollen? Aber das Zeug hat einfach verdammt gut geschmeckt und du weißt ja nie, was für einen grässlichen Kantinenfraß sie dir beim nächsten Mal auf den Teller klatschen – wenn es überhaupt ein nächstes Mal gibt. Jedes Futterfassen kann deine Henkersmahlzeit sein und ich gebe lieber mit vollem Bauch den Löffel ab, soviel steht fest!

Leider waren die Verdauungsorgane von PKK 1237 anderer Meinung, was diesen Punkt anging. Nur wenige Minuten später sah sich der Scout dazu genötigt, erneut dem Ruf der Natur zu folgen, was er auch tat allerdings erst nachdem er sich sehr gründlich davon überzeugt hatte, dass das umliegende Gebüsch garantiert rebellenlos und vor allem ganz und gar sithlordfrei war.

Luke Skywalker, der seit ungefähr einer Viertelstunde in einer Astgabel direkt über dem Kopf des Scouts kauerte und darüber nachsann, wie man sich am besten gefangen nehmen ließ, ohne dabei rein aus Versehen erschossen zu werden, beschloss auf seinem unbequemen Sitzplatz zu verharren, bis sein künftiger Wächter die Verrichtung seines Geschäftes beendet hatte. Höflichkeit war eine der vielen Tugenden, die von einem Jedi in Ehren gehalten werden sollten. Außerdem hielt Luke es in Anbetracht der kitzligen Situation für ratsam, diesen Imperialen da unten nicht noch mehr aus dem Gleichgewicht zu bringen, als er es ohnehin schon war.

Und so kam es, dass PKK 1237 gerade jenen Zustand kontemplativer Gelassenheit erreicht hatte, der sich immer unmittelbar nach der Befriedigung dringender körperlicher Bedürfnisse einstellt, als plötzlich und unerwartet eine ominöse schwarze Gestalt direkt vor seiner Nase aus dem Himmel fiel und laut „Hallooo!" zu ihm sagte.

Luke hatte damit gerechnet, dass sein Auftritt eine kleine Panikattacke hervorrufen würde, aber er war irgendwie doch ein bisschen überrascht, als der Scout bei seinem Anblick ein Quieken von sich gab und vor lauter Schreck hintenüber fiel. Das war nicht unbedingt die imperiale Standardreaktion auf das unvermutete Auftauchen eines Rebellen schon gar nicht, wenn besagter Rebell mit einem durchaus freundlichen Gruß seine friedlichen Absichten kundgetan hatte.

Aber da war nun einmal nichts zu machen und so wartete Luke geduldig (und höflich!), bis PKK 1237, der so hilflos dalag wie eine auf den Rücken gedrehte Schildkröte, sich wieder aufgerappelt hatte. Erst als der Mann hektisch nach seiner Blasterpistole griff, sagte er rasch: „Immer mit der Ruhe! Ich ergebe mich."

Doch das beeindruckte den Scout herzlich wenig. „Keine Bewegung! Waffen hoch und Hände runter! Los, mach schon!" kläffte er aufgeregt.

Luke tat sein Möglichstes, um diesen widersprüchlichen Anweisungen Folge zu leisten, aber leicht war es nicht. Nachdem er betont langsam sein Lichtschwert vor den Füßen des Scouts geparkt hatte, hob er die Arme hoch und versuchte dabei so ungefährlich auszusehen wie nur möglich. Doch der Scout war nicht von seiner vorgespiegelten Harmlosigkeit überzeugt. Sein Blaster zielte immer noch genau auf Lukes Kopf und so standen sie sich eine ganze Weile schweigend gegenüber, jeder in die stumme Betrachtung seines möglicherweise todbringenden Feindes versunken ...

Erst als seine Armmuskeln vor Anspannung zu schmerzen begannen, ohne dass der Imperiale Anstalten machte, irgendetwas zu unternehmen, kam es Luke in den Sinn, dass es an ihm war, die Initiative zu ergreifen. Der Imperiale schien mit der Situation ein klein wenig überfordert zu sein und wenn Luke nicht für immer und ewig in dieser Schachmatt–Position stehen bleiben wollte, dann musste er jetzt langsam etwas unternehmen.

„Ich will zu Lord Vader. Können Sie mich zu ihm bringen?"

Aus irgendeinem nicht nachvollziehbaren Grund versetzte diese Frage den Scout endgültig in einen Zustand der Lähmung.

Luke wartete noch einen Augenblick, dann sagte er: „Wie wäre es, wenn Sie einfach Ihren Vorgesetzten herrufen?"

Doch der Imperiale reagierte ausgesprochen ungnädig auf diesen gutgemeinten Vorschlag. „Schnauze!"

Luke versuchte konstruktiv zu bleiben. „Sie haben doch bestimmt einen Kommunikator dabei, oder?"

„Schnauze!"

Luke überlegte bereits, ob das Schicksal ihm einen üblen Streich gespielt hatte, indem es zugelassen hatte, dass er sich ausgerechnet einem Imperialen ergab, dessen Intelligenzquotient offensichtlich genauso begrenzt war wie sein Wortschatz. Er konnte ja nicht wissen, dass sich PKK 1237 gerade in einer schrecklichen Zwickmühle befand.

Natürlich hatte der Scout einen Kommunikator dabei und natürlich hätte er damit jederzeit einen Vorgesetzten herbeirufen können tatsächlich hätte er das längst tun müssen. Aber es gab da ein kleines Problem ... nein, eigentlich war es ein ziemlich großes Problem. Wenn er seinen Gefangenen nämlich ablieferte, dann kam es wahrscheinlich ziemlich schnell ans Tageslicht, unter welch peinlichen Begleitumständen diese doch eher ungewöhnliche Verhaftung zustande gekommen war und das war gar nicht gut. Es verstieß gegen alle Vorschriften, während der Wache seinen Posten zu verlassen und genau das hatte PKK 1237 heute schon mehrfach getan natürlich nicht aus Pflichtvergessenheit, sondern aus reiner Not, aber wen zum Teufel kümmerte das schon? Und dann war er zwischendurch auch noch von Lord Vader höchstpersönlich buchstäblich auf frischer Tat ertappt worden! (Ein Abenteuer, das PKK 1237 übrigens bald seinen Kameraden und in späteren Jahren noch seinen Kindern und Kindeskindern wieder und wieder in allen farbenprächtigen Einzelheiten schildern würde und jedes Mal würde der sagenhafte Tobsuchtsanfall des Sith noch haarsträubender und die aufrechte Haltung seines Beinahe–Opfers noch mannhafter sein.) Das war schlimm, das war sehr, sehr schlimm der Scout wunderte sich selbst darüber, wie knapp er dem sicheren Tod entronnen war.

Und was jetzt? Konnte er es sich nach diesem furchtbaren Vorfall überhaupt noch leisten, dass irgendjemand von seiner wiederholten Pflichtverletzung erfuhr? Konnte er es etwa zulassen, dass die Sache womöglich Lord Vader selbst zu Ohren kam, was vermutlich spätestens dann der Fall sein würde, wenn er diesem dreimal verdammten Rebellen bei einem Verhör das Fell über die Ohren zog? Würde Lord Vader nicht gleich anschließend ihm das Fell über die Ohren ziehen?

PKK 1237 begann unter seinem Helm zu schwitzen, was sein allgemeines Elend noch verstärkte. „Oh SHIT!" sagte er unglücklich, womit er den Nagel zweifellos auf den Kopf traf.

Luke ging allmählich auf, dass hier ein Dilemma unbekannter Größenordnung vorlag. Außerdem konnte er deutlich fühlen, dass der Aggressionspegel des Imperialen sprunghaft anstieg, von seiner Gewaltbereitschaft ganz zu schweigen. Tatsächlich erwog PKK 1237 in seiner Verzweiflung gerade, auch dem Damoklesschwert, das neuerdings über seinem Haupt schwebte, zu entrinnen, indem er diesen ausgesprochen lästigen freiwilligen Kriegsgefangenen einfach über den Haufen schoss.

Lieber dieser total beknackte Rebellenbengel als ich ... der ist sowieso schon so gut wie hinüber! Lord Vader wird es nie erfahren – und was er nicht weiß, das macht ihn nicht heiß.

So standen also die Aktien und wer weiß, wie sich das Schicksal der Galaxis weiter entwickelt hätte, wenn Luke nicht ganz spontan auf die Idee verfallen wäre, seine kleine Jedi–Trickkiste aufzumachen (Han im Originalton!) und erneut das auszuprobieren, was ihm in jüngster Vergangenheit schon einmal dabei geholfen hatte, ein unerwartetes Hindernis schmerzlos aus dem Weg zu räumen.

Er sah dem Imperialen zwingend in die Augen – oder zumindest in die getönten Sichtscheiben seines Helmes – und säuselte mit der samtigen Singsangstimme eines Hypnotiseurs, den er vor Jahren bei einer Zirkusshow in Mos Espa bewundert hatte: „Ich werde jetzt sofort meinen Kommunikator nehmen ..."

Der Scout zögerte zwei Herzschläge lang, dann leierte er gehorsam: „Ich werde jetzt sofort meinen Kommunikator nehmen ..."

Luke war selbst beeindruckt von seiner Suggestionskraft und seinem Imitationstalent. „... und meinen Vorgesetzten darüber informieren, dass ich den wichtigsten Rebellen von allen geschnappt habe", intonierte er ganz ohne falsche Bescheidenheit.

„... und meinen Vorgesetzten darüber informieren, dass ... He, was soll der Quatsch?" rief PKK 1237, abrupt aus seinem Trancezustand erwachend. Er beäugte den Rebellen mit neuem Argwohn. „Bist du etwa ein Jedi oder so was in der Art?"

„Irgendwann schon", erwiderte Luke mit einem säuerlichen kleinen Lächeln, das allein seinem leicht voreiligen Selbstvertrauen galt.

PKK 1237 warf einen bestürzten Blick auf den geheimnisvollen Metallzylinder, den der Rebell vor seinen Füßen abgelegt hatte. Erst jetzt begriff er, dass das Ding kein brandneues Handgranaten–Modell war, wie er zuerst angenommen hatte, sondern etwas viel Unheimlicheres. Etwas, das sogar so unheimlich war, dass der Scout sich dazu veranlasst sah, aus dem Stand heraus einen Hechtsprung zu machen, der ihn auf den untersten Ast des nächstbesten Baumes beförderte.

„Wow! Ganz schön sportlich", sagte Luke trocken.

Das gab PKK 1237 den Rest. Er zerrte in Windeseile seinen Kommunikator heraus und drückte auf die Taste, die den Notrufkanal öffnete. Er schrie nur ein einziges Wort, als sein Commander sich endlich meldete, aber das so laut, dass dem armen Mann fast das Trommelfell platzte.

„HIIILFEEE!"


„Was für ein Theater!" Tyrell betastete mürrisch sein Ohr, das nach dem stimmgewaltigen Anruf, mit dem es vor kurzem malträtiert worden war, immer noch ein wenig summte. „Und der ganze Radau nur wegen diesem Jungen?"

Er begutachtete verdrossen den Gefangenen, dem gerade ein Paar Handschellen verpasst wurden. Zwischen den ziemlich kompakt gebauten Sturmtruppensoldaten, die ihn einkreisten, sah der Rebell ungefähr so bedrohlich aus wie ein von Kampfhunden umzingelter Zwergpinscher.

„Der Scout hat gesagt, er ist ein Jedi." Auch Lieutenant Draffco inspizierte die Beute voller Interesse, hielt dabei allerdings den größtmöglichen Sicherheitsabstand ein – man konnte schließlich nie wissen.

„Blödsinn! Also wirklich, langsam drehen die Männer ein bisschen durch. Die brauchen endlich Action – diese ewige Warterei hält man ja im Kopf nicht aus!" Tyrell, der sich ebenfalls nach ein bisschen Action sehnte, obwohl er niemals durchdrehte – oder jedenfalls nicht sehr oft –, wandte sich zum ersten Mal an den Rebellen direkt. „Wo sind die anderen, hm?"

Luke setzte sofort die sehr überzeugende Unschuldsmiene auf, an der schon bärbeißige Onkel, aufgebrachte Lehrer, strafzettelsüchtige Verkehrspolizisten und ähnlich grimmig veranlagte Autoritätspersonen gescheitert waren. „Welche anderen?"

Tyrell schnaubte. Dieser Fratz hatte wirklich Nerven! „Nicht mit mir, Junge. Wir wissen ganz genau, dass du nicht alleine bist. Komm schon, wo verstecken sich deine Freunde? Was habt ihr mit unserer Fähre angestellt? Was wollt ihr eigentlich hier? Was willst du eigentlich hier?"

Der Rebell richtete große arglose blaue Augen auf ihn und sagte mit einer Selbstverständlichkeit, als wäre sein Wunsch das Natürlichste von der Welt: „Ich will zu Lord Vader. Sofort."

Das sorgte für eine gewisse Belustigung unter den Soldaten: „Jetzt seht euch den an. Der kann's ja kaum noch erwarten", „Du wirst schon noch zu Lord Vader kommen, Kleiner, schneller, als dir lieb ist" und andere witzige Kommentare mehr.

„Ruhe!" bellte Tyrell. Alles verstummte. „Hör mal, Junge, es wäre wirklich viel besser für dich, wenn du ein bisschen mehr kooperieren würdest. Sag mir, was ich wissen will, und ich sorge dafür, dass du anständig behandelt wirst. Wenn du schön brav bist, lassen wir dich vielleicht irgendwann sogar wieder laufen. Ich glaube nicht, dass du von Lord Vader dasselbe Angebot bekommst."

Luke heftete einen müden Blick auf die weite Himmelskuppel, die immer heller wurde. Die Sterne verblassten bereits in dem fahlen Silberschein des anbrechenden Morgens. Luke hatte einen harten Tag und eine lange, lange Nacht voller Kommunikationsprobleme hinter sich und der nächste Tag, der noch viel härter zu werden versprach, stand schon in den Startlöchern, während er hier festgehalten und noch mehr kostbare Zeit vergeudet wurde. Widerspenstige Schwestern, eigensinnige Freunde, dickköpfige Imperiale – hatte sich denn alles gegen ihn verschworen?

„Und ich glaube, hier liegt ein Missverständnis vor. Lord Vader erwartet mich."

„Ach ja? Dann frage ich mich, warum er nicht ein Wort darüber verloren hat, als ich ihn das letzte Mal gesehen habe."

Gute Frage. Du hättest es mir wirklich ein bisschen leichter machen können, Darth Heimlichtuer, dachte sein Vater ihm diesen Weg mit Absicht nicht geebnet? War das hier ein Test?

Das kantige Gesicht des imperialen Commanders wurde noch ein wenig härter, seine scharfen grauen Augen waren voller Misstrauen. „Na, was ist? Kann es sein, dass Lord Vader gar nichts von seinem kleinen Rendezvous mit dir weiß?"

Konnte es sein? Luke war sich plötzlich gar nicht mehr so sicher, dass er tatsächlich erwartet wurde. Also wenn das alles umsonst war, dann … Er wusste nicht, was er dann tun würde. Lachen? Weinen? Schreien?

Auch Tyrell wusste langsam nicht mehr, was er denken sollte. Man konnte von Lord Vader halten, was man wollte, aber als Kommandant war er die Zuverlässigkeit in Person. Alle seine Befehle waren unmissverständlich klar – wehe dem Pechvogel, der sie zu interpretieren wagte! – und es war noch nie vorgekommen, dass er eine Anweisung einfach vergessen hatte. Tyrell konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass Vader überhaupt jemals irgendetwas vergaß.

Umso mysteriöser war die ganze Angelegenheit hier. Wenn Vader eine Verabredung mit diesem Jungen hatte, warum hatte er dann niemandem etwas davon gesagt? Überläufer hin oder her, es war ein gewaltiges Risiko für diesen Rebellen gewesen, unangekündigt durch einen Wald voller Soldaten zu schleichen, die bereit waren, auf alles zu schießen, was keine imperiale Uniform trug.

Und wenn der Junge einfach log? Wer konnte schon wissen, was in den verdrehten Köpfen dieser Rebellen vor sich ging? Vielleicht war das hier alles nur ein Trick, um Verwirrung zu stiften oder … oder um ein Attentat auf Lord Vader zu verüben!

Tyrells Hände schossen vor und packten den Möchtegern–Deserteur oder vielleicht auch Möchtegern–Meuchelmörder sehr fest am Kragen seines in Tarnfarben gehaltenen Capes. „Egal, was du vorhast, Junge, du solltest noch einmal gut darüber nachdenken, bevor es zu spät ist!" knurrte er.

Luke gab durch ein diskretes Hüsteln zu erkennen, dass ihm gerade ein ganz klein wenig die Luft abgeschnürt wurde. „Ich fürchte, das ist es schon."

Tyrell ließ den Rebellen nur widerstrebend los, obwohl die Misshandlung von Gefangenen eigentlich gegen seine Prinzipien verstieß. Er tröstete sich damit, dass die ganze Sache ab jetzt sowieso nicht mehr in seinen Händen lag. „Na schön, Junge, wie du willst. Dann verfrachten wir dich jetzt am besten zu Lord Vader – ja, jetzt sofort. Dann werden wir ja sehen, was passiert. Aber eines sage ich dir: Wer oder was auch immer du bist, Lord Vader wird schon mit dir fertig!"

Dieses Gefühl hatte Luke leider auch …

Tyrell brachte seine Sturmtruppensoldaten mit einem ungeduldigen Fingerschnippen wieder auf Trab. „Schafft den Burschen an Bord. Lasst ihn nicht aus den Augen", rief er hinter ihnen her, als sie abmarschierten. „Und durchsucht ihn noch einmal – gründlich! Wenn sich nachher herausstellen sollte, dass ihr irgendetwas übersehen habt, einen Miniblaster, ein Messer, eine Giftnadel oder sonst was, dann hänge ich euch Mutanten irgendwo da draußen an euren Daumen auf – und zwar direkt vor einer Höhle voller hungriger Tharks! Habe ich mich klar ausgedrückt, ihr Tränentiere?"

Er hatte sich klar genug ausgedrückt, das merkte Luke schon an der recht unsanften Art und Weise, in der die Soldaten ihn zu dem AT–AT hinüberzerrten, mit dem sie gekommen waren.

Als die Männer ihn mit unnötigem Kraftaufwand die steile Einstiegsrampe hinaufschleiften, hob Luke den Kopf und pfiff leise durch die Zähne. Er war immer wieder überwältigt von der schieren Größe dieser Kombination aus Truppentransporter und Panzer. Der Spitzname „Gehkoloss" passte wirklich gut zu dieser erstaunlichen Maschine, die sich auf säulenartigen Beinen majestätisch wie ein metallener Dinosaurier hoch über sie erhob und trotz ihrer scheinbaren Unbeholfenheit für den Einsatz in jedem nur denkbaren Gelände geeignet war. Eines musste man den Imperialen lassen: Sie verstanden sich darauf, imposante Waffen zu bauen.

Gleich darauf wurde Luke in eine große Passagierkabine hineingeschubst, die auch die einzige zu sein schien, über die der AT–AT verfügte, denn die beiden Offiziere nahmen sofort auf den beiden vordersten Polstersitzen Platz, während ihr Gefangener tatsächlich einer zweiten und sehr viel eingehenderen Durchsuchung unterzogen wurde. Die Sturmtruppensoldaten waren wirklich sehr, sehr gründlich und sehr, sehr grob. Luke wusste nicht, was Tharks waren oder ob dieser Commander Tyrell wirklich dazu fähig war, irgendjemanden an seinen Daumen aufhängen zu lassen, aber die Soldaten wussten es dafür umso besser, das war nicht zu übersehen.

Tyrell besaß trotz seines barschen Auftretens immerhin den Anstand, während der ganzen Operation starr geradeaus zu blicken, aber der junge Lieutenant mit dem Bürstenhaarschnitt drehte sich auf seinem Sitz halb um und sah zu. Er schien vor allem die etwas demütigenderen Details sehr unterhaltsam zu finden.

Als die unerfreuliche Prozedur endlich überstanden war und Luke sich wieder anziehen durfte, hörte er, wie der Lieutenant leicht enttäuscht fragte: „Wollen wir ihn denn unterwegs gar nicht verhören? Nicht mal ein ganz kleines bisschen?"

Daraufhin bedachte Tyrell seinen jüngeren Kollegen mit einem so giftigen Blick und einem so schroff herausgefauchten „Nein, wollen wir style type"italic"nicht/style!", dass Luke ihm die entwürdigende Behandlung beinahe verzieh. Beinahe …

Der AT–AT hatte sich mittlerweile in Bewegung gesetzt. Luke, jetzt an die Armlehne seines eigenen Sitzes gefesselt, aber trotz dieser Sicherheitsvorkehrung immer noch im Brennpunkt der allgemeinen Aufmerksamkeit, nutzte die Gelegenheit für eine kleine Meditation. Das war zwar nicht ganz so erholsam wie Schlaf, hatte aber doch eine halbwegs erfrischende Wirkung auf ihn.

Als er die Augen wieder öffnete, zischte ihm einer der Sturmtruppensoldaten gehässig zu: „Na, haben wir unser Nickerchen schon beendet? An deiner Stelle würde ich jetzt lieber hellwach bleiben, Kleiner – wäre doch wirklich Pech, wenn du noch einen hässlichen Unfall hast, bevor Lord Vader dich so richtig in die Mangel nimmt!"

Angesichts der feindseligen Stimmung ringsum verzichtete Luke lieber auf eine passende Antwort. Außerdem hielt er es für sinnlos, seine Kräfte in einer ebenso überflüssigen wie unbedeutenden Konfrontation zu vergeuden. Aber den Rest der kurzen Reise verbrachte er in tief schürfenden Betrachtungen über das Seelenleben des Durchschnittssoldaten und den ausgesprochen negativen Einfluss, den imperiale Offiziere durch Beleidigungen und Drohungen auf den Gemütszustand ihrer Untergebenen ausübten.

Luke musste in diesem Zusammenhang unwillkürlich an General Madine denken, der eine beklagenswert lange und fruchtbare Karriere in der imperialen Armee hinter sich gebracht hatte, bevor er nach einem plötzlichen Sinneswandel praktisch von einem Tag auf den anderen die Fronten gewechselt hatte. Madine war zweifellos ein hervorragender Offizier, er war ein brillanter Stratege und beinahe beängstigend kompetent in allen organisatorischen Angelegenheiten. Leia, Mon Mothma und Admiral Ackbar, der Calamari-Kommandant der Rebellen-Flotte, hielten große Stücke auf ihn, aber die anderen Mitglieder des Oberkommandos waren nicht ganz so begeistert von Madine, der trotz all seiner Verdienste ein ziemlich schwer verdaulicher Brocken war, was von Zeit zu Zeit durchaus für Zündstoff sorgte.

Die Allianz war trotz vieler kampferprobter Jahre immer noch ein paramilitärischer Verband, alles war sehr improvisiert und manchmal sogar ein bisschen chaotisch. Geldmangel war ein ständiges Problem, die ganze Ausrüstung war grundsätzlich aus zweiter oder sogar dritter Hand und nichts funktionierte ganz so, wie es sollte.

Mit der Einstellung der Leute verhielt es sich ungefähr genauso: Die meisten von ihnen waren Zivilisten aus allen nur denkbaren Berufen und sozialen Schichten gewesen, bevor sie sich unter dem Banner der Allianz versammelt hatten. Jetzt waren sie Rebellen und natürlich waren sie mit Leib und Seele bei der Sache, aber herumkommandieren ließen sie sich trotzdem nicht besonders gerne. Sie schätzten es, wenn man locker mit ihnen umging und hier und da ein Auge zudrückte. Auf Drill und Drängelei dagegen reagierten viele bei allem Enthusiasmus für Freiheit und Gerechtigkeit empfindlich. Sie sahen sich als Freiwillige, die jeden Tag ihr Leben im Kampf gegen das Imperium riskierten und das auch noch praktisch umsonst. Natürlich bezahlte die Allianz ihre Leute auch, aber die Beträge waren so geringfügig, dass es sich dabei eher um eine gut gemeinte Geste handelte als um einen richtigen Sold.

Auch die Versorgung ließ oft zu wünschen übrig: Das medizinische Equipment reichte grundsätzlich nie ganz aus und wenn es den Imperialen gelungen war, einen einzelnen Frachterkonvoi abzufangen oder sogar eine ganze Nachschublinie stillzulegen, dann bestanden die Mahlzeiten auf einem Rebellenstützpunkt über Wochen hinweg nur aus Proteinriegeln, Vitamintabletten und ähnlich gaumenfeindlichen Notrationen. Wenn das der Fall war, dann erreichte die Moral der Leute wenigstens kurzfristig einen Tiefpunkt und unter diesen Umständen war es wahrhaftig kein Wunder, dass sie nicht gerade vor Freude den nicht vorhandenen Teppich durchtanzten, wenn jemand wie Madine auftauchte und heftig an den Zügeln zerrte.

Denn Madine, der jede Form von Chaos als persönlichen Affront betrachtete, kam, sah, schlug die Hände über dem Kopf zusammen vor Entsetzen über den vermeintlichen Schlendrian und versuchte sofort, alles und jeden auf Zack zu bringen. Er war ein Perfektionist und unbestreitbar ein großes Talent, wenn es darum ging, kleinste Fehler aufzuspüren. Aber seine Intoleranz gegen jede noch so harmlose Schlamperei, seine Strenge und seine Distanziertheit machten ihn unbeliebt bei seinen Untergebenen und seine kühle, immer ein wenig herablassende Art sorgte bei seinen Kollegen im Oberkommando oft genug für gesträubtes Gefieder. Er war in jeder Hinsicht das genaue Gegenteil von General Riiekan, der jedermanns Liebling war, besonders dann, wenn wieder mal Notrationen angesagt waren.

Riiekan, ein leidenschaftlicher Liebhaber von Katzen, Kammermusik, Schlagballspielen und Schokolade in allen Variationen, verstand sich darauf, die vielen gänzlich verschiedenen Leute unter seinem Kommando mit leichter Hand zu führen. Auch er sorgte dafür, dass die Allianz in einem Stück blieb, aber er tat es auf seine Weise. Er versuchte es mit Menschlichkeit und hatte Erfolg damit – im Gegensatz zu Madine.

Naturgemäß kamen die beiden Männer überhaupt nicht miteinander aus – sie verkörperten zwei Gegenpole, wie sie extremer kaum sein konnten. Luke hatte bei mehr als einer Gelegenheit miterlebt, wie sich Madine, blass vor eisigem Zorn, über diesen „disziplinlosen Sauhaufen" ereiferte, in den er Ordnung hineinbringen wollte und musste, während sich Riiekan, rot vor ungezügelter Rage, über diesen „sturen imperialen Kommisskopf" aufregte. Bei diesen Streitereien waren alle anderen Anwesenden immer sehr dankbar für Mon Mothmas diplomatische Qualitäten, denn sie schaffte es regelmäßig mit einer hochgezogenen Augenbraue und einem kühlen „Aber, aber, meine Herren!" die Kampfhähne wieder auseinander zu treiben, bevor es zu Handgreiflichkeiten kam. Auch wenn es um Entscheidungen ging, lenkte Mon Mothma das zerbrechliche Schiffchen der Allianz stets mit großem Geschick zwischen den Klippen von zwei konträren Anschauungen dahin, ohne dabei je zu stranden. Sie wog einfach die Vor- und Nachteile von beiden Standpunkten gegeneinander ab und zog so im Endeffekt den größtmöglichen Nutzen aus Madines und Rieekans kombinierten Fähigkeiten, ohne jemals ihre Neutralität zu verlieren.

Das war bewundernswert, aber was Luke anging, so hielt er es eindeutig mit Riiekans Methode. Eine solide Dosis Verständnis und Mitgefühl konnte nie schaden und der auf Vertrauen basierende Respekt, den man sich damit erwarb, war seiner Meinung nach wertvoller und beständiger als alle Disziplin der Welt. Es war so bezeichnend für Madine, dass er das einfach nicht einsehen konnte. Es war so bezeichnend für alle Imperialen ...

Luke wurde aus seinen Gedanken gerissen, als ein leichter Ruck durch den AT–AT ging, gefolgt von einem hallenden metallischen Dröhnen. Einen Augenblick später öffnete sich am anderen Ende der Passagierkabine eine runde Luke, die offenbar in das Cockpit des AT-ATs führte. Eine behelmte Gestalt kletterte heraus, salutierte zackig vor Tyrell und schnarrte: „Andockmanöver ausgeführt, Sir."

Tyrell stand sofort auf. „In Ordnung, Pilot, wegtreten." Er drehte sich zu seinen Soldaten um. „Du da, mach den Jungen los. Du und du und ihr zwei da drüben, ihr kommt mit mir. Die anderen bleiben hier."

„Und was ist mit mir?" schmollte Draffco, der sich übergangen fühlte.

„Sie tragen die Verantwortung, so lange ich weg bin – das können Sie ja so gut", schnappte Tyrell. Er griff nach Lukes Lichtschwert, das er in Verwahrung genommen hatte, und klemmte es sich unter den Arm wie einen Regenschirm – eine Fahrlässigkeit, die den Besitzer schmerzlich zusammenzucken ließ.

Luke war gerade im Begriff, Tyrell davor zu warnen, dass er Gefahr lief, sich bei einer unbedachten Bewegung mit einer achtzig Zentimeter langen Laserklinge zu durchbohren, als sein Lieblingswächter ihm einen harten Stoß in den Rücken gab und ihn ankeifte: „Vorwärts, du dreckiger Rebell! Worauf wartest du noch – brauchst du eine schriftliche Einladung?"

Luke brauchte eine ganze Menge Dinge – unter anderem etwas mehr Zuversicht –, aber eine schriftliche Einladung stand nicht auf seiner Wunschliste. Er verkniff sich alle Warnungen und sonstigen Kommentare und ließ sich von seinen Wachhunden hinaustreiben.

Er hatte erwartet (oder im Hinblick auf den angedrohten Unfall eher befürchtet), dass der Ausstieg über dieselbe abschüssige Rampe stattfinden würde, die ihn in den AT-AT hineingeführt hatte. Aber stattdessen traten sie jetzt durch eine Schleuse in einen schmalen Laufgang, dessen Boden aus Stahlträgern bestand, während Decke und Wände durch Panzerglasscheiben gebildet wurden. Durch dieses Rundumfenster hatte man einen fantastischen Panoramablick auf den allgegenwärtigen Wald, der sich wie eine in tausend Grüntönen schattierte Woge aufzubäumen schien, nur um machtlos an die Eckpunkte der imperialen Basis zu branden wie gegen einen unsichtbaren Wellenbrecher. Schräg über ihnen türmte sich eine Landeplattform auf, im Hintergrund schraubte sich die Kuppel des Schutzschildgenerators wie ein gewaltiger Parabolspiegel in den errötenden Himmel hinein.

Luke starrte auf den Generator, von dessen Zerstörung so viele Leben abhingen. In wenigen Stunden würden Han und Leia mit ihrem Einsatzteam hier anrücken – nur Minuten, bevor alle Schiffe der Allianz aus dem Hyperraum sprangen, um sich sofort in einen Großangriff auf den Todesstern zu stürzen. Luke war sich von Anfang an darüber im Klaren gewesen, wie knapp, wie waghalsig ihr Zeitplan war. Aber erst jetzt begriff er wirklich, wie selbstmörderisch er war. Er konnte seinen Blick nicht von dieser gigantischen, nach hinten gekippten Schüssel lösen, bis sich plötzlich ein Feuerbogen über ihren Rand schob und ihn blendete. Er kniff die Augen zusammen vor dem unerträglichen Gleißen der aufgehenden Sonne.

Irgendwo unmittelbar neben ihm sagte die Stimme von Tyrell: „Das ist der Rebell, der sich uns ergeben hat, Mylord."

Luke spielte mit dem Gedanken, seine selbst auferlegte Blindheit wenigstens noch für ein paar kostbare Sekunden aufrechtzuerhalten, ungefähr wie ein Kind, das sich die Augen zuhielt („Wenn ich ihn nicht sehe, dann sieht er mich auch nicht!"), aber das rhythmische Zischen der Atemzüge, die jetzt überdeutlich zu hören waren, bedrängte ihn, gönnte ihm keine Gnadenfrist. Er blinzelte zwischen halbgeschlossenen Wimpern hindurch und sah nichts als Schwärze. Er hob die Lider und sein Herz tat einen kleinen Sprung – direkt vor ihm, keine zwei Schritte entfernt, stand Vader ...

Fortsetzung folgt …

© 2008 Nangijala