XI.
Leia rechnete jeden Augenblick mit Feindkontakt. Behutsam streckte sie den Kopf vor und spähte um die Ecke, auf alles gefasst, kampfbereit. Aber der niedrige, von einem trüben rötlichen Licht eher verdunkelte als erhellte Korridor, den sie jetzt einsehen konnte, war genauso leer wie der Eingangstunnel, den sie gerade hinter sich gelassen hatte. Keine Wachen, keine Techniker, nicht einmal Droiden – der Bunker machte einen völlig verlassenen Eindruck.
„Wo stecken die denn alle?" wisperte sie.
„Wahrscheinlich genau da, wo wir auch hinmüssen: In der Schaltzentrale. Aber viele werden es sowieso nicht sein, diese Bunkercrews bestehen immer nur aus ein paar Leuten: Ein Kerl, der die ganzen Kontrollmonitore im Auge behält, und eine Handvoll Wichtigtuer, die ihn im Auge behalten." Han riss seine eigenen Augen so weit wie möglich auf und mimte konzentrierte imperiale Wachsamkeit. „Also überhaupt kein Problem für unseren Spezial-Brutal-Trupp mit der Lizenz zum K.O. in null Runden!"
„Witzig. Wirklich witzig", murmelte Leia, die in Anbetracht der Umstände gar nichts witzig fand.
Zwischen ihrem unverbesserlichen Sprücheklopfer und seinem Wookie eingekeilt, den Rest der Rebelleneinheit dicht auf den Fersen, rückte sie weiter vor, bis sie alle an eine Gabelung kamen, von der drei Gänge abzweigten.
„Welche Richtung?"
Han deute mit einem aufreizenden Zwinkern auf eine neongelbe, sorgfältig beschriftete Pfeilmarkierung, die nur eine Handbreite über Leias Kopf deutlich sichtbar an der Wand prangte, und raunte: „Immer schön der Nase nach, Euer Duldsamkeit."
Noch vor wenigen Monaten hätte Leia ihn spätestens jetzt in der Luft zerrissen (nichts brachte sie schneller in Rage als das Talent dieser corellianischen Spottdrossel, immer wieder neue lächerliche Titel für sie zu erfinden!), aber inzwischen wusste sie es besser. Hans Possenreißerei war nichts anderes als seine ganz persönliche Strategie, um die unerträgliche Anspannung aufzulockern, die sie alle fühlten. Also kein Grund zur Aufregung, entschied Leia (tatsächlich mit ungewohnter Duldsamkeit), als sie weitergingen.
Nur ein paar Meter weiter beschrieb der Gang einen scharfen Rechtsknick und endete direkt vor einer Tür, die beinahe genauso massiv aussah wie der Bunkereingang. Erfreulicherweise wies sie statt der codesüchtigen und auch sonst komplikationsträchtigen Schalttafel nur ein ausgesprochen besucherfreundliches Sensorfeld auf.
Chewie hatte es innerhalb von drei Schritten zweimal fertig gebracht, seinen Schädel an einem der niedrigen Deckenträger anzustoßen und war schon deshalb so angriffslustig wie ein gereizter Hornissenschwarm. Er drängte sich ungeduldig an Leia vorbei, schubste Han, der gerade den Öffnungsmechanismus inspizierte, kurzerhand aus dem Weg und verpasste dem Sensorfeld einen Fausthieb mit einer frustgeballten Riesenpranke.
So viel Aggression war einfach zu viel für die empfindliche Elektronik: Die Tür sprang mit einem protestierenden PLONK! auf und Chewie stürmte die feindliche Stellung im Alleingang, aber dafür mit einem markerschütternden Gebrüll, das nicht nur die Bunkermauern zum Erzittern brachte.
Ein paar ziellos abgefeuerte Schüsse, die außer einem harmlosen Funkenregen hier und da keinen nennenswerten Schaden anrichteten, taten ein Übriges: Die Bunkerbesatzung – zwei behelmte Controller, die klugerweise sofort hinter ihren Konsolen auf Tauchstation gingen, und drei erbleichende Offiziere, die mit hastig erhobenen Händen vor dem tobenden haarigen Monster zurückwichen – dachte offensichtlich nicht im Traum daran, die Schaltzentrale zu verteidigen.
Nur der einzige anwesende Sturmtruppensoldat traf eine einsame Entscheidung und versuchte es mit einem Gegenangriff, womit er mehr Mut als Urteilsfähigkeit bewies. Chewie machte kurzen Prozess mit dem Unruhestifter: Er schnappte sich den Mann, klemmte ihn sich unter den Arm, wirbelte mit ihm ein paar Mal um seine eigene Achse wie ein Diskuswerfer und schleuderte ihn schließlich mit viel Schwung quer durch den Raum und an die nächst beste Wand – eine grobe, aber wirkungsvolle Verfahrensweise, die nicht nur in den Kunststoffpaneelen der Wand, sondern auch bei allen übrigen Imperialen einen tiefen Eindruck hinterließ.
Als Han endlich hereinsprintete, um der erstbesten grau uniformierten Figur in Reichweite seinen Blaster unter die Nase zu halten und überflüssigerweise zu schreien: „Ganz ruhig! Keiner von euch Schlaubergern rührt sich hier vom Fleck oder ich brenne ihm höchstpersönlich ein Loch in die Mütze, verstanden?", herrschte längst Ruhe. Nach Chewies kleiner Demonstration hätte niemand freiwillig auch nur einen Finger gerührt, zumal seine Laserarmbrust sie alle in Schach hielt.
Han betrachtete den leise vor sich hin stöhnenden Soldaten, der immer noch in der Ecke lag, wo er nach einer handgreiflichen Wookie-Lektion in Sachen Manieren gelandet war, und sagte vorwurfsvoll zu Chewie: „Hast du schon wieder Sturmtruppen-Kegeln gespielt?"
Eine Rechtfertigung blieb dem Wookie erspart, denn jetzt äugte Leia durch die Tür und als sie sah, dass die Situation unter Kontrolle war, scheuchte sie sofort die anderen Rebellen herein.
„Los, los, an die Arbeit! Du auch", fügte sie mit einem strengen Blick auf Han hinzu.
„Immer mit der Ruhe, Süße. Wir sind hier ruckzuck fertig."
Han fing die Sprengkapsel auf, die ihm einer der Rebellensoldaten zuwarf, und klatschte das trügerisch klein und harmlos aussehende Teil gegen einen der Stahlträger, wo es dank seiner magnetischen Haftklammern gehorsam kleben blieb. Er aktivierte mit einem gefühlvollen Daumendruck den Zeitzünder, kontrollierte das Display, auf dem die Sekunden mit alarmierender Schnelligkeit rückwärts tickten, und sagte lässig: „Weißt du, alles im Leben hängt vom richtigen Timing ab …"
Er ignorierte entschlossen die rote Leuchtdiode an seinem Armbandchrono, die warnend zu blinken begonnen hatte, und tätschelte die nächste Sprengladung zärtlich, bevor er sie mitten auf einer der Computerkonsolen platzierte. Der Controller, der direkt dahinter auf allen Vieren am Boden kauerte, sah mit herausquellenden Augen zu ihm auf. Han bedachte ihn mit seinem breitesten Grinsen.
„… und ob du es glaubst oder nicht, Allerhochwürdigste: Mein Timing ist perfekt", fuhr er strahlend fort.
Leia verdrehte angesichts dieser leichtherzigen Prahlerei nur andeutungsweise die Augen, dann drehte sie sich zu den Gefangenen um, die inzwischen ebenfalls mit wachsender Unruhe die Vorbereitungen der Rebellen beobachteten.
„Sie werden den Bunker jetzt gleich zusammen mit uns verlassen", verkündete sie. Sie hielt inne und musterte die fünf ihr zugewandten Gesichter, die alle möglichen Gefühlsregungen zeigten, aber nicht eine Spur von Erleichterung – von Dankbarkeit ganz zu schweigen.
„Danach müssen Sie sich leider noch für ein paar Stunden mit unserer Gesellschaft abfinden. Wir können Sie natürlich nicht gleich wieder laufen lassen, weil Sie dann unsere Position verraten würden. Aber Sie können gehen, sobald wir sicher unser Schiff erreicht haben, das verspreche ich Ihnen."
Ein junger Lieutenant mit raspelkurzen blonden Haaren rümpfte mit einem verächtlichen Schnüffeln seine lange dünne Nase. Er hielt offensichtlich nicht besonders viel von ihren Versprechungen. Leia fand, dass die Undankbarkeit der Gefangenen nur noch von ihrer Unhöflichkeit übertroffen wurde. Nicht dass sie von Imperialen so etwas wie Höflichkeit erwartet hätte …
„Seien Sie vernünftig und niemandem wird etwas geschehen", vollendete sie ihre kleine Ansprache kurz angebunden.
Doch jetzt meldete sich einer der anderen Offiziere zu Wort – entweder war er ein wenig menschlicher oder einfach nur ängstlicher als seine Kollegen.
„Mein Gott, wie viel von dem Zeug wollt ihr hier eigentlich noch verteilen? Wollt ihr halb Endor in die Luft jagen? Sind das Zeitzünder? Auf wie viele Minuten sind die Dinger eingestellt? Schaffen wir das überhaupt noch?" fragte er fahrig.
„Nur keine Panik. Wir sind hier blitzschnell wieder raus", sagte Han, der sich angesprochen fühlte, sonnig.
„Da wäre ich mir nicht so sicher."
Han fuhr herum und starrte ungläubig auf den schimmernden Lauf der Waffe, die auf seine Brust zielte. Der hoch aufgeschossene imperiale Commander, der plötzlich wie aus dem Boden gewachsen hinter ihm stand, lächelte sehr kühl und sehr überlegen und dazu hatte er auch allen Grund: Hinter seiner Schulter drängte sich nämlich bereits eine halbe Schwadron Sturmtruppensoldaten und die andere Hälfte schob sich gerade Mann für Mann aus einer bis jetzt unsichtbaren Luke in einer bewusst dunkel gehaltenen Nische des Kontrollraums heraus, eine schier endlose weiße Schlange, zähflüssig, aber unaufhaltsam wie Zahnpasta, die aus einer schadhaften Tube quoll.
Innerhalb von wenigen Augenblicken waren die völlig überraschten Rebellen eingekreist und entwaffnet. Han sah sehnsüchtig zu der Tür hinüber, aber der einzige Fluchtweg war natürlich längst durch eine lebende Mauer blockiert. Es war aussichtslos …
„Schach und matt", sagte der imperiale Commander und nahm Han in aller Ruhe den Blaster aus der Hand. „Nach allem, was man so von Ihnen hört, sind Sie ein verflucht guter Spieler, Solo. Sind Sie auch ein guter Verlierer?"
Er quittierte Hans verbissenes Schweigen mit einem Achselzucken und sah sich nach seinen Soldaten um, die bereits eifrig damit beschäftigt waren, die von den Rebellen angebrachten Sprengladungen einzusammeln, nachdem sie sie mit einem einzigen vorsichtigen Knopfdruck mühelos entschärft hatten.
Hätte ich doch nur auf Madine gehört und einen Universalzünder mit Totmannschaltung verwendet, dachte Han. Dann hätte ich jetzt eine niedliche kleine Fernbedienung in der Jackentasche und die ganze Zeit meinen Finger auf dem großen roten Knopf. Ich müsste einfach nur loslassen – und BUMM!
Nein, Han Solo war kein guter Verlierer, der Geschmack der Niederlage füllte seinen Mund mit Bitterkeit. Doch dann sah er zu Leia hinüber, die mitten in einer ganzen Traube von Sturmtruppensoldaten eingekesselt war wie eine Bienenkönigin von einem Drohnenschwarm, ihr Gesicht weiß und starr und so leblos wie eine durchscheinende Maske aus hauchdünnem Alabaster. Und plötzlich wusste er, dass es völlig belanglos war, dass er aus reinem Widerspruchsgeist nicht auf Madines ewige Besserwisserei gehört hatte, denn er hätte es ohnehin niemals über sich gebracht, den roten Knopf loszulassen – nicht so lange auch Leia im Zentrum der Explosion stand. Die Liebe seines Lebens zusammen mit den Imperialen in einem verzweifelten Selbstmordanschlag zu töten, nein, das hätte er einfach nicht fertig gebracht – nicht einmal für den Sieg von zehn Rebellionen…
Das ist es also, was die Liebe uns antut, dachte Han verwundert, als er zusammen mit den übrigen Rebellen aus dem Kontrollraum heraus und durch die engen Korridore ins Freie getrieben wurde. Sie verändert uns. Sie lässt uns alles vergessen, was uns wichtig ist: Wer wir sind, woher wir kommen, wohin wir gehen, was wir eigentlich wollen … Am Ende können wir nur noch an den einzigen Menschen denken, der unserem Leben einen Sinn gibt und alles andere ist so egal …
Er fragte sich, ob Leia dasselbe empfand, seine Prinzessin, der es früher leichter gefallen war, ganze Kolonnen von Flüchtlingen zu umarmen als den einen Mann, der sich durch ihren Schutzwall aus leidenschaftlicher Selbstverleugnung hindurch gegraben hatte …
Doch Leias Gedanken rotierten nur mit der Unerbittlichkeit eines Mahlsteins um die eine Frage, die die ganze zum Himmel schreiende Ungerechtigkeit der letzten vierundzwanzig Stunden in einem einzigen Wort zusammenfasste: WARUM?!
Es war wie ein Alptraum. Sie konnte einfach nicht glauben, dass es wirklich geschah. Die Gänge im Bunker, die Lichtung vor dem Eingang, noch vor wenigen Minuten wie ausgestorben, wimmelten inzwischen nur so von Imperialen. Es waren Hunderte, es waren ganze Bataillone: Weißgepanzerte Soldaten und schwarzgepanzerte, Offiziere in Grau und Olivgrün, die meisten von ihnen zu Fuß, einige wenige auf Speederbikes, aber jeder einzelne bis an die Zähne bewaffnet und sichtlich in der Stimmung, zumindest diesem Teil der Rebellion höchstpersönlich den Gnadenstoß zu versetzen.
Im Hintergrund ragten fünf AT–ATs in den Himmel wie ein Rudel von hungrigen Urzeitungeheuern; ihre Geschütztürme waren auf das jetzt ziemlich kläglich und verloren wirkende Allianz–Team ausgerichtet – Kanonen, die auf Spatzen schossen. Zwischen den Laufpylonen der Gehkolosse drängten sich zehn AT–STs wie wesentlich kleinere, aber deshalb nicht weniger blutdürstige Jungtiere. Aus den Einstiegsluken dieser zweibeinigen Panzer beobachteten neugierige Piloten die Szenerie, während Scharfschützen aus den Schießscharten spähten, jederzeit feuerbereit.
Es war unfassbar, wie viele Männer und Maschinen auf dieser kleinen Lichtung zusammengepfercht worden waren, nur um eine Handvoll vergleichsweise schlecht ausgerüstete Rebellen einzufangen oder ihnen am besten gleich den Garaus zu machen. Es war der klassische imperiale Overkill. Es wäre schmeichelhaft gewesen, wenn es nicht so entsetzlich gewesen wäre …
Leia hielt nach Galen Ausschau, aber wenn der Major ebenfalls gefangen genommen worden war, dann hatte man ihn bereits weggeschafft. Doch auch wenn es ihm gelungen sein sollte, in der gesichtslosen Masse des Feindes unterzutauchen, befand er sich in einer ausgesprochen prekären Lage: Als vermeintlicher Sturmtruppensoldat konnte Galen nichts für seine Freunde tun, ohne seine Tarnung sofort auffliegen zu lassen. Darüber hinaus bestand jeden Augenblick die Gefahr, dass er in dem sorgfältig kontrollierten Mikrokosmos des imperialen Militärs als Fremdkörper entlarvt wurde. Es musste ihn nur irgendjemand ansprechen, der den Soldaten, dessen Uniform sie gestohlen hatten, persönlich kannte (irgendein unmittelbarer Vorgesetzter vielleicht oder – noch schlimmer! – einer seiner Kasernenkameraden) und es war aus und vorbei.
Auf jeden Fall war die Wahrscheinlichkeit, dass der Major entkommen war oder noch entkommen würde, verschwindend gering. Immer vorausgesetzt, dass er überhaupt noch am Leben war …
Aber sprach nicht alles dafür, dass Galen tot war? Warum hatte er nicht einmal versucht, sie zu warnen? Von dem Überfallkommando in der Bunkerzentrale hatte er natürlich nichts mitbekommen. Doch waren all die Imperialen hier draußen wirklich so schnell angerückt, dass dem Major keine Zeit mehr geblieben war, Alarm zu schlagen? Hatte ihn vielleicht einer der Scharfschützen aus dem Hinterhalt erschossen? War er hier ganz alleine in dem Bewusstsein gestorben, dass er versagt hatte, so wie sie alle versagt hatten?
Was mochte aus diesem netten Jungen (Brix oder Blix?!) und den beiden Ewoks geworden sein? Und wohin hatte es eigentlich 3PO und R2-D2 verschlagen?
Genau in diesem Augenblick rief eine wohlbekannte affektierte Stimme unsicher: „Hallo? Hallo da unten! Suchen Sie vielleicht nach mir?"
Leia blieb unwillkürlich stehen und reckte den Hals, um die undeutliche goldschimmernde Gestalt, die gerade steifbeinig durch das Unterholz jenseits der Lichtung stakste, besser sehen zu können.
Ihr Wächter missverstand ihr plötzlich erwachtes Interesse oder wollte es missverstehen, jedenfalls versetzte er Leia einen harten Schlag zwischen die Schulterblätter und knurrte: „Beweg dich, du halbe Portion, oder ich mach dir Beine!"
Von einem baumlangen, vor trainierter Muskelkraft nur so strotzenden Rohling durch die Gegend geschubst zu werden, war immer eine demütigende Erfahrung, besonders wenn man selbst mit einer Statur geschlagen war, die von höflichen Zeitgenossen als „grazil" und von weniger höflichen als „winzig" bezeichnet wurde. Aber wenn man dabei auch noch die Hände im Nacken verschränkt hatte, was beim Laufen ohnehin schon eine äußerst unbequeme Zwangshaltung war, dann war diese Erfahrung nicht nur demütigend, sondern buchstäblich niederschmetternd. Leia verlor das Gleichgewicht und fiel der Länge nach hin und dabei spielte es ausnahmsweise einmal keine Rolle, dass ihre Länge nicht besonders eindrucksvoll war.
Als sie sich wieder aufgerappelt und den Schaden gesichtet hatte (ein zerrissenes Hosenbein plus ein zerschundenes Knie), war sie schon dazu entschlossen, diesem imperialen Flegel zu zeigen, was sogar eine halbe Portion mit bloßen Händen ausrichten konnte, wenn es sein musste. Aber dazu sollte es nicht mehr kommen, denn der Flegel verzierte inzwischen seltsamerweise ebenfalls die Landschaft, was möglicherweise an dem langschäftigen buntgefiederten Pfeil lag, der schräg aus seinem Hals herausragte wie ein exotischer Blitzableiter.
Die EWOKS! dachte Leia, zwischen Verblüffung und neu aufkeimender Hoffnung hin und her gerissen. Ein Katalog von Möglichkeiten rollte vor ihrem geistigem Auge ab, eine phantastischer als die andere ...
Sie sah sich verstohlen um. Noch schien niemand den Vorfall bemerkt zu haben. Es war viel zu schnell über die Bühne gegangen und vollkommen lautlos. Und alle Blicke ruhten jetzt wie hypnotisiert auf 3PO, der sich ungefähr so leise und unauffällig wie ein wütender Gamorreaner durch das dornenreiche Gestrüpp kämpfte und dabei unaufhörlich vor sich hin zeterte.
„Ach du meine Güte! Dieses grässliche Grünzeug … Jetzt sieh mich doch nur mal an, R2: Zerkratzt von oben bis unten … meine Politur ist ja völlig hin … Was wird Master Luke dazu sagen? Oje, oje! Ich habe es ja gleich gewusst: Dieser Mond ist noch mein Untergang – und du auch, du schäbiger rostiger kleiner Mülleimer auf Rädern! Man sollte dich wirklich verschrotten. Du machst nur Ärger. Und immer bringst du mich in Schwierigkeiten. Womit habe ich das nur verdient?
Oh nein, jetzt habe ich mich auch noch verheddert … R2–D2!!! Wirst du wohl endlich kommen und mir helfen, du virenverseuchte Fehlkonstruktion?!"
„Holt sofort diesen Droiden da raus!" schrie der imperiale Commander, der den Einsatz leitete.
Eine halbe Kompanie stürzte sich auf das Gebüsch, aufmerksam beobachtet von allen anderen. Niemand achtete darauf, was hinter seinem Rücken vor sich ging. Niemand achtete auf Leia.
Jetzt oder nie! dachte sie. Sie ging neben dem toten Sturmtruppensoldaten in die Hocke und griff hastig nach seinem Blastergewehr, das neben ihm auf dem lehmigen Boden lag. Es war ein Standardmodell, wie man es häufig bei der imperialen Infanterie fand, ein schwerer kurzläufiger Karabiner, der bei Maximalleistung auf kurze Entfernungen eine eindrucksvolle Feuerkraft entwickelte. Eigentlich war er viel zu groß und zu unhandlich für Leia. Trotzdem fühlte sich der klobige Hartplastikgriff in ihrer Hand gut an. Wirklich gut.
Langsam stand sie wieder auf. Ganz vorsichtig! ermahnte sie sich selbst, als sie ihr erstes Ziel anvisierte, den wandelnden Kleiderschrank, der Han bewachte.
3POs Lamento hatte inzwischen einen neuen Höhepunkt erreicht. „R2, ich muss schon sagen: Das war sogar für deine Verhältnisse eine wirklich alberne Idee. Was habe ich nur verbrochen, dass mich das Schicksal ausgerechnet an einen hoffnungslos veralteten Astromech mit dem intellektuellen Niveau einer Türklingel gekettet hat?
Oh nein! Da kommen sie auch schon anmarschiert … Bitte nicht gleich wieder schießen, meine Herren – ich ergebe mich!"
Doch als der erste Imperiale nach dem Droiden griff, erwachte das Gebüsch rings um 3PO plötzlich zum Leben. Scharen von Ewoks, mit ihren gescheckten und getigerten Pelzen in dem dichten Unterholz besser getarnt als der raffinierteste Camouflagespezialist, sprangen auf wie ein Mann und fielen sofort mit Knüppeln und Steinäxten über die Soldaten her.
Aus den undurchdringlichen Tiefen des Waldes ertönte ein helles Hornsignal, dem ein vielstimmiger jubelnder Kriegsschrei antwortete. Im nächsten Augenblick war das Schwirren vieler gleichzeitig losgelassener Bogensehnen zu hören. Und schon ging über der Lichtung ein Pfeilregen nieder, dicht wie ein Gewitterschauer.
Leia riss ihren Karabiner hoch und schoss auf Hans Wächter. Als der Mann zusammenbrach, schrie irgendwo hinter ihr eine elektronisch verzerrte Stimme, die vage nach Galen klang, dass sie gefälligst in Deckung gehen sollte oder wollte sie vielleicht von diesen verrückten Ewoks mit Pfeilen gespickt werden bis sie aussah wie ein Nadelkissen?
Doch Leia hatte jetzt nur noch Augen und Ohren für ihren geliebten Schmuggler, der die allgemeine Verwirrung sofort nutzte und dem blonden Lieutenant, der zufällig neben ihm stand, kurz entschlossen seinen Ellbogen ins Gesicht rammte. Noch ein Kniestoß in die empfindsamste Stelle der männlichen Anatomie und der Lieutenant kippte um wie ein gefällter Baum – was ihm auch niemand verdenken konnte. Han krähte seinen Triumph hinaus und eröffnete unter einem Schwall von corellianischen Flüchen mit der erbeuteten Waffe seines Gegners das Feuer.
Und dann brach die Hölle los …
*
Fortsetzung folgt ...
© 2009 by Nangijala
