XIII.
Das Frühstück, das ihnen kurz darauf in einem Esszimmer gleich nebenan von einem Servicedroiden serviert wurde, übertraf Lukes kühnste Erwartungen. In seiner Vorstellung speisten höchstens gekrönte Häupter, Millionäre, berühmte Filmstars oder ähnlich exaltierte Leute auf diese verschwenderische Art und Weise. Aber bestimmt nicht jemand, der so spartanisch lebte wie Luke Skywalker oder irgendein x-beliebiger anderer Rebell.
Da gab es eine ganze Batterie von silbernen Thermoskannen, aus denen die aromatischen Düfte von verschiedenen edlen Cofecea- und Teesorten stiegen. Eine schimmernde Reihe von Kristallschalen enthielt alle nur denkbaren Ingredienzien für das ultimative Luxus-Müsli und zwei Körbchen ungefähr jede Sorte Brot, die dem Einfallsreichtum und Ofen eines Bäckers nur entspringen konnte. Früchte in allen Farben und Formen – die meisten davon konnte Luke nicht einmal identifizieren – waren zu einer verlockenden Pyramide aufgehäuft und durchscheinende Karaffen lockten mit frisch gepressten Säften.
Neben diesen gesunden Genüssen fanden sich auch verführerische Kalorienbomben in Form von Kuchen und Konfitüren. Und wer eher das Deftige liebte, auf den wartete eine riesige siedendheißen Wärmeplatte, auf der sich hauchfeine Keramikpfannen stapelten, die mit Eiergerichten, kross gebratenen Würstchen, gebratenen Schinkenscheiben und kleinen goldfarbenen Fischen gefüllt waren. Und noch viele andere Dinge mehr …
Beinahe ehrfürchtig starrte Luke auf die üppig beladene Anrichte: Was hier für eine einzige Mahlzeit aufgefahren wurde, hätte sämtliche Piloten seiner Staffel einen ganzen Tag lang pappsatt und sehr, sehr glücklich gemacht. Und dieser Aufwand nur für zwei Personen! Oder vielleicht sogar nur für eine Person, wenn sein Vater sich so etwas jeden Morgen auftischen ließ ...
„Wow!" sagte Luke, als er sich von dem Anblick erholt hatte. „Ist das die Vader-Spezial-Version oder bekommt hier die ganze Crew so ein Wahnsinnsmenü vorgesetzt?"
Falls ja, kann ich wenigstens ein bisschen verstehen, warum nicht jeder halbwegs menschliche Imp gleich bei seinem allerersten Landurlaub desertiert, setzte er in Gedanken hinzu.
Vielleicht hatte Vader diesen Gedanken aufgefangen, denn er erwiderte prompt: „Im Gegensatz zur Allianz sind wir eben der Meinung, dass man Soldaten gut füttern muss, um sie bei Laune zu halten. Meine Männer müssen nicht jeden Tag auf irgendwelchen geschmacksneutralen Nährstoffkonzentraten herumkauen, nur damit das Imperium eine Handvoll Credits spart. Es gibt bessere Gründe, um eine Meuterei zu riskieren …"
Er lächelte ein wenig, als er Lukes Gesichtsausdruck sah.
„Aber keine Sorge, so verwöhnt werden unsere Besatzungen natürlich auch nicht. Ich fürchte, Gourmetküche wirst du tatsächlich eher in den Offiziersmessen finden als in den Mannschaftskantinen."
„Ha!" sagte Luke in dem befriedigenden Bewusstsein, dass er gerade einen neuen Beweis für die grundsätzliche moralische Überlegenheit der Allianz entdeckt hatte. „Bei uns wird immer alles brüderlich geteilt – unabhängig von Rang und Namen. Überhaupt geht es bei uns viel sozialer zu, viel … na ja … familiärer würde ich sagen. Eine Kommandostruktur haben wir natürlich auch – es geht nun mal nicht ohne – aber so eine in Zement gegossene Hackordnung wie bei euch, wo jeder jedem jederzeit an die Kehle springt, so etwas gibt es bei uns nicht!"
Und das erklärt alles, dachte Vader zynisch, verkniff sich aber einen entsprechenden Kommentar. Stattdessen deutete er auf einen der Stühle: „Setz dich endlich hin und iss."
Doch das war leichter gesagt als getan, wie Luke feststellte. Bis er sich ein paar appetitliche Häppchen aus dieser verwirrenden Vielfalt ausgesucht hatte, war sein erster Hunger bereits verflogen. Und nur ein paar Minuten, nachdem er sich an Vaders Tafel niedergelassen hatte (als Tisch konnte man dieses metallfüßige Monstrum aus mattiertem Glas, das für gut zehn weitere Gäste Platz geboten hätte, nicht mehr bezeichnen!), schob Luke seinen Teller schon wieder von sich.
„Zu schade, aber ich kriege einfach keinen Bissen mehr runter."
„Du hast doch kaum etwas angerührt."
„Ja, aber ich fühle mich trotzdem, als hätte ich gerade einen Rolle Stacheldraht verschluckt."
„Du bist nur nervös. Du bist so angespannt, dass sogar der Imperator in deiner Nähe Kopfschmerzen bekommen würde."
„Wirklich?" fragte Luke mit halbherzigem Interesse. „Kann ich ihm auch ein bisschen mehr verpassen, wenn ich mich so richtig aufrege? Einen Schlaganfall? Einen Herzinfarkt?"
Er grinste müde, um zu zeigen, dass er es nicht ernst meinte. Jedenfalls nicht hundertprozentig ernst.
„Ich wünschte, es wäre so einfach", erwiderte Vader trocken.
„Zu schade", wiederholte Luke. „Was ist mit Gift?" (Dieses Mal meinte er es ernst.)
„Keine Chance. Er analysiert alles höchstpersönlich mit einem topmodernen Scanner, den er immer und überall mit sich herumträgt", sagte Vader.
„Dann vielleicht eine klitzekleine Giftschlange in seinem großen imperialen Bett? Ein einziger Biss – und zack! Schon wären wir ihn los. Oder vielleicht etwas noch Kleineres und noch Giftigeres: Ein winziger Käfer … eine Spinne … eine Ameise?"
„Zwecklos. Keine Lebensform überlebt länger als ein paar Sekunden in diesem imperialen Bett – egal wie klein, giftig oder bissig sie auch sein mag."
„Okay. Ich sehe, worauf du hinaus willst. Natürlich würde er jede Lebensform schon lange bemerken, bevor sie überhaupt Gelegenheit dazu hätte, über sein großes imperiales Kopfkissen zu krabbeln. Na schön … Was hältst du von Giftgas?"
Vader, der gerade im Begriff gewesen war, seine Cofeceatasse nachzufüllen, hielt inne und starrte seinen Sohn an. „Wie kommst du nur auf solche Ideen? Und wieso bist du plötzlich so besessen davon, den Imperator zu vergiften?"
„Ach, ich weiß auch nicht. In den Holodramen werden böse tyrannische Herrscher eben meistens vergiftet. Oft sogar von ihren eigenen Ehefrauen. Ich habe mich immer gefragt, woran das liegt", sagte Luke versonnen. „Ich meine, warum lassen sie sich nicht einfach scheiden?"
„Wahrscheinlich deshalb, weil der durchschnittliche böse Tyrann für gewöhnlich die Tendenz hat, seine scheidungswillige Ehefrau einfach umzubringen. Es ist immerhin eine Frage der Ehre, schließlich sind Tyrannen daran gewöhnt, dass jeder vor ihnen kuscht. Eine auf Abwege geratene Ehefrau ist unter diesen Umständen einfach nur peinlich. Außerdem sind Scheidungsprozesse langwierig, teuer und nervtötend.
„Aber bevor du unseren Tyrannen endgültig zum Hauptdarsteller einer drittklassigen Seifenoper degradierst, sollte ich dich vielleicht darauf hinweisen, dass Palpatine nicht einmal eine ganz normale Ehefrau an seiner Seite hat und schon gar keine mordlustige Giftmischerin, die von einem glücklichen Witwendasein in süßer Freiheit träumt. Also vergiss diese Fantasien lieber ganz schnell wieder, Junge. Und merk dir eins für die Zukunft: Ein Vader vergiftet seine Feinde nicht. Ein Vader tötet auf zivilisierte Weise!" dozierte der Sith.
„Erzähl das den Leuten auf Ragnaroc", murmelte Luke, der an die schaurigen Einzelheiten von diversen imperialen Angriffen aus der jüngsten Zeit denken musste. „Oder den Überlebenden von Hadezz. Oder den Orcinen …"
Die Cofeceakanne landete mit einem aggressiven kleinen Knall auf der Tischplatte.
„Krieg ist immer grausam. Und ob du es glaubst oder nicht: Nicht einmal ich kann überall gleichzeitig anwesend sein und jeden einzelnen Einsatz meiner Truppen persönlich überwachen", sagte Vader scharf. „Und wenn wir hier schon von Ethik reden, mein tugendhafter kleiner Jedi: Hast du eigentlich jemals darüber nachgedacht, wie viele Menschen du zusammen mit dem Todesstern in die Luft gejagt hast?"
„Also das war reine Selbstverteidigung!" widersprach Luke.
Tatsächlich war der glanzvolle, aber blutige Start in sein Rebellendasein ein wunder Punkt, auf den er nicht gerne angesprochen wurde. Der Orden, den Leia ihm damals bei ihrer Siegesfeier verliehen hatte, ruhte seit jenem Tag unberührt in einer hübschen kleinen Samtschatulle in einer Reisetasche auf dem Grund seines Spinds. Und jedes Mal, wenn Commander Skywalker von höchster Stelle dazu aufgefordert wurde, bei einem ähnlichen Festakt der Allianz zusammen mit seiner Paradeuniform gefälligst auch seine Medaille zu tragen, fand er irgendeine Ausrede, um es nicht zu tun.
Trotzdem wurde er immer wieder von dem Schatten seiner glorreichen Tat verfolgt. Manchmal wollten die Leute Autogramme von ihm oder sogar noch peinlichere Dinge. Voller Unbehagen erinnerte sich Luke an seine letzte Woche auf der Hoth-Basis. Lieutenant Isidory, ein Pilot aus einer anderen Einheit, hatte ihn um ein persönliches Holovideo gebeten, das er als sehnsüchtig erwartetes Neujahrsgeschenk an seine Geschwister schicken wollte. Die begeisterten jungen Fans des „Helden von Yavin" wünschten sich nicht nur gemeinsame Bilder von besagtem Helden mit ihrem großen Bruder, sondern auch ein paar schneidige Worte des berühmten Luke Skywalker.
Luke hatte sich vor Verlegenheit gewunden und sich schließlich unter dem Vorwand einer dringenden Besprechung mit General Rieekan vor der Aufnahme gedrückt. Doch er hatte Isidory so gut wie versprochen, die Aufnahme später nachzuholen. Aber dazu war es nicht mehr gekommen, denn der junge Pilot war wenige Tage später bei dem imperialen Überfall auf Hoth abgeschossen worden, was Lukes chronisch schlechtem Gewissen prompt einen neuen Highscore verpasst hatte …
„Ich hatte damals gar keine andere Wahl", sagte er hitzig. „Entweder ein paar Tausend fanatische Imperiale..."
„Also das nenne ich eine klassische Untertreibung! Nur zu deiner Information, Junge: Es waren fast eine Million!"
„Entweder ein paar fanatische Imperiale mehr oder weniger oder die ganze Allianz … und danach wahrscheinlich jeder bewohnte Planet der Galaxis!" trumpfte Luke auf.
„Jeder bewohnte Planet der Galaxis – wenn ich das schon höre! Wenn sich deine Rebellenfreunde auf irgendetwas verstehen, dann auf maßlose Übertreibungen."
„Ganz Alderaan mit einem Superlaser zu verdampfen – das nenne ICH eine maßlose Übertreibung!"
„Oh nein, nicht das schon wieder!" stöhnte Vader auf. „Tatsächlich hatte ich mit dieser Sache gar nichts zu tun – absolut gar nichts! Das war Wilhulf Tarkin in Eigenregie – frag deine Prinzessin, wenn du mir nicht glaubst!"
„Ich glaube nicht, dass Leia einen großen Unterschied zwischen dir und einem völlig durchgedrehten Moff sieht, aber ich werde sie bei Gelegenheit fragen."
„Außerdem war Alderaan nicht halb so pazifistisch, wie immer behauptet wird", sagte Vader energisch. „Also gut, Tarkin war wirklich ein Fanatiker UND völlig durchgedreht. Und hättest du ihn nicht rein zufällig zusammen mit dem Todesstern erledigt, dann hätte ich ihn irgendwann aus dem Verkehr ziehen müssen, aber … Großer Sith! Wie selbstgerecht ihr Rebellen doch seid!"
„Genau dasselbe kann man doch auch von euch Imperialen sagen: Selbstgerecht! Und selbstgefällig. Selbstherrlich. Selbstsüchtig. Selbst …"
„Beeindruckend! Geht das jetzt immer so weiter? Hast du ein Wörterbuch auswendig gelernt, nur um mich zu ärgern oder was?"
„Ich finde, es ist höchste Zeit für einen Themawechsel", sagte Luke kühl.
„Gut", erwiderte Vader schroff. „Reden wir über etwas anderes."
Eine spannungsgeladene Pause trat ein. Vader rührte seinen längst erkalteten Cofecea so stürmisch um, als wollte er ihn durch Reibungshitze wieder aufwärmen. Luke beobachtete ihn dabei. Das Schweigen zog sich in die Länge …
„Vorhin hast du gesagt, dass du praktisch nichts von mir weißt. Ich kann mir vorstellen, dass du eine Menge Fragen an mich hast. Warum fängst du nicht einfach mit irgendetwas an?" schlug Vader schließlich vor.
Jetzt starrte Luke intensiv auf seine eigene Tasse, als ob der ebenfalls ausgekühlte türkisfarbene Tee darin die beste erste Frage aller Zeiten inspirierte.
„Nun frag schon, Junge. Irgendetwas wird dir doch wohl einfallen."
„Frauen", platzte Luke heraus.
„Was?!"
„Wir hatten es doch eben von Frauen … Ehefrauen, um genau zu sein. Du hast gesagt, Palpatine hat keine. Das wusste ich natürlich schon. Aber was ist mit dir? Das Privatleben von Lord Vader scheint so etwas wie ein galaxisweites Tabuthema zu sein. Nicht einmal in der Regenbogenpresse findet man auch nur den Hauch eines Gerüchtes über dich..."
Vader dachte an das tragische frühe Ende gewisser aufdringlicher Reporter und Fotografen, die unverfroren oder lebensmüde genug gewesen waren, ihre berufsmäßige Neugier auf sein Privatleben auszudehnen, und versteckte ein Grinsen katzenhafter Zufriedenheit hinter einem weiteren Schluck Cofecea.
"Was ich damit wirklich sagen will: Hast du…? Hattest du je…?" Luke ließ den Satz ausdriften und hypnotisierte erneut seine Teetasse, sichtlich verlegen.
Vader seufzte innerlich. Dieser Junge! Natürlich musste er gleich bei ihrer ersten richtigen Unterhaltung zielsicher das unangenehmste Thema von allen ins Visier nehmen. Er konnte wahrscheinlich gar nicht anders …
„Nein, es gibt keine Lady Vader und es wird auch nie eine geben", sagte er und er sagte es mit Nachdruck, was vor allem daran lag, dass der Imperator in letzter Zeit absurderweise damit begonnen hatte, genau dieses Vakuum in der imperialen Hierarchie zu beklagen.
Laut Palpatine fehlte seinem Imperium angeblich eine Person, die er etwas hochtrabend als „erste Dame des Reiches" bezeichnete, also eine Art weibliches Pendant zu ihm selbst, das bei Hofe und überall sonst den ganzen Glanz seiner Herrschaft angemessen repräsentieren sollte. Und da der Imperator offensichtlich zu sehr in die Jahre gekommen war, um noch nach einer Kaiserin Ausschau zu halten, fiel diese Aufgabe seiner Meinung nach automatisch dem Sith zu, der immerhin sein halb offizieller Thronerbe und außerdem seit seiner vollständigen Genesung wieder „ein Mann in den besten Jahren" war.
Was genau Palpatine damit zum Ausdruck bringen wollte, sprach er natürlich nie laut aus, aber Vader kannte seinen Herrn und Meister und seine Neigung zu Winks mit dem Zaunpfahl nur zu gut und er kam nicht umhin, mit milder Bestürzung die alarmierend schnell wachsende Anzahl an mehr oder weniger blaublütigen Damen zu registrieren, die sich neuerdings im Palast um ihn scharten wie Mynocks um einen defekten Schaltkreis, sobald er in Erscheinung trat, und tatsächlich mit ihm zu flirten versuchten, statt sofort die Flucht zu ergreifen, wie sie es früher vernünftigerweise immer getan hatten.
Eine besonders tollkühne junge Schönheit hatte es bei dem letzten Hofball sogar gewagt, ihn zum Tanzen aufzufordern. Vader hatte diesen unerhörten Appell an seine galanten Qualitäten nur mit einem langen Blick und frostigem Schweigen beantwortet, was hoffentlich alle Spekulationen über seine mutmaßliche Salonfähigkeit endgültig ins Nirwana des Hofklatsches befördert hatte. Aber der Zwischenfall hatte ihn doch leicht verstört, wenn er ehrlich mit sich selbst war. Zum Glück war das alberne kleine Ding intelligent genug gewesen, unter ihrem sorgfältigen Makeup plötzlich zu erglühen wie eine fortugiesische Feuerqualle und gleich anschließend einen hastigen Rückzug unter die schützende Fittiche irgendeines ältlichen männlichen Anstandswauwaus anzutreten, aber trotzdem: Vader war nicht amüsiert über seine plötzliche Neueinstufung in die Kategorie „begehrenswerter Single". Doch das schien bis jetzt niemanden ernsthaft zu beunruhigen. Bis jetzt.
Er erwachte abrupt aus seinen Reminiszenzen als sein Sohn jedes Interesse an dem teuren Porzellan ringsum verlor und einen anklagenden Blick auf ihn heftete. „Und was ist mit deiner Mrs. Skywalker? Was ist mit meiner Mutter?"
Und schon geht es los, dachte Vader resigniert.
Aber irgendwann mussten sie ohnehin über diese Frau reden, die Luke Skywalker in die Welt gesetzt und dem armen Jungen während seiner vaterlosen Kindheit zweifellos auch noch den einen oder anderen Floh ins Ohr gesetzt hatte, also warum nicht gleich hier und jetzt? Es hatte keinen Sinn, das Unvermeidliche hinauszuzögern – obwohl Vader viel darum gegeben hätte, wenn er genau dazu in der Lage gewesen wäre, hier und jetzt!
Er beschloss, die heikle Sache so behutsam anzugehen wie nur möglich. Das nicht gerade idyllische Familienleben des ehemaligen Anakin Skywalkers war ein emotionales Minenfeld und jeder zusätzliche Schaden, der hier angerichtet wurde, würde sich an dem künftigen und hoffentlich erfüllteren Familienleben von Darth Vader rächen. Umsicht und Taktgefühl waren jetzt gefragt, möglicherweise sogar ein Hauch von väterlicher Sensibilität. Leider gehörte Taktgefühl nicht unbedingt zu Vaders Stärken und schon gar nicht zu seinen hervorstechenden Charaktereigenschaften. In seiner Position hatte er so etwas auch schon lange nicht mehr nötig. Generell gefiel es ihm sowieso besser, auf den Schwächen anderer Leute herumzutrampeln und das so kraftvoll wie nur möglich – es machte seinen Job so viel einfacher. Und was nun die väterliche Sensibilität anging, so handelte es sich dabei um einen sentimentalen Kraftakt, an den er sich erst noch gewöhnen musste, obwohl er auf diesem Gebiet sogar schon erste Erfahrungen gesammelt hatte. (Man kam nicht umhin, Erfahrungen dieser Art zu sammeln, wenn man einen widerspenstigen jungen Gast zu zähmen hatte.)
„Deine Mutter hat dir doch bestimmt erzählt, dass wir nie verheiratet waren", sagte er betont beiläufig. Nur keine Aggression jetzt. Und um Himmels willen keine Schuldzuweisungen, bevor ich seine Gefühle für Mami ein wenig ausgelotet habe, dachte er.
Doch Luke starrte ihn nur so erstaunt an, als wären ihm plötzlich Fühler aus der Stirn gewachsen.
„Oder etwa nicht?" hakte Vader nach. Großer Sith! Was genau hat dieses Luder ihm eingeflüstert?
„Gar nichts hat sie mir erzählt!" rief Luke. "Ich habe sie ja nie kennengelernt. Von ihr weiß ich sogar noch weniger als von dir. Ich kenne nicht einmal ihren Namen!"
Jetzt war es Vader, der sein Gegenüber wortlos anstarrte.
Ein oder zwei ungemütliche Minuten später – die Temperatur des Esszimmers schien in dieser kurzen Zeitspanne deutlich abzusinken – fragte er beinahe im Flüsterton: „Willst du damit etwa behaupten, dass dieses Weib … äh … deine Mutter dich einfach auf der Türschwelle des Jedi-Tempels ausgesetzt hat wie ein hysterischer Teenager sein Neugeborenes in einer Krankenhaus-Babyklappe? Oder hat sie dich etwa gleich bei Obi-Wan abgeliefert wie einen räudigen Welpen, den niemand haben will?"
„Keine Ahnung. Ich weiß nur, dass Ben mich als Baby nach Tatooine gebracht hat."
„Aber wenn Kenobi dich auf Tatooine aufgezogen hat, wieso hat er dir dann nie von deiner Mutter erzählt? Mir ist schon klar, dass er so verschlossen war wie eine Auster, wenn es um mich ging, aber dass er dir so gar nichts über sie erzählt hat, das geht nun wirklich zu weit. Er war doch wirklich mit Abstand der hinterhältigste Geheimniskrämer, der jemals …"
„Nein, nein", unterbrach Luke. „Du bringst ja alles durcheinander! Ben hat mich doch gar nicht aufgezogen. Tatsächlich habe ich ihn nur ein paar Tage lang wirklich gekannt. Wir …"
Aber nun war es Vader, der seinem Sohn ins Wort fiel.
„Nur ein paar Tage?! Aber ich dachte, er hätte dich von klein auf … Also wo zum Teufel bist du nun eigentlich aufgewachsen?"
Er verstand die Welt nicht mehr. Dafür hatte Luke gerade einen Augenblick der Erleuchtung.
„Mein Gott, du hast keine Ahnung, nicht wahr? Und ich dachte immer, euer genialer ISB kriegt einfach alles raus und du weißt inzwischen jede Kleinigkeit über mich: Meine Schulnoten, meine Schuhgröße, meine Lieblingszahnpasta…"
Vaders Unheil verkündender Gesichtsausdruck besagte ganz deutlich, dass verschiedene nicht ganz so geniale Mitarbeiter des imperialen Geheimdienstes ziemlich bald in eine akute Erklärungsnot geraten würden. Und gleich anschließend in eine akute Atemnot – und das garantiert nicht wegen fehlender Erkenntnisse über Luke Skywalkers bevorzugte Zahnpastamarke!
Er richtete seinen Zeigefinger auf seinen Sohn wie eine Blastermündung und sagte mit absoluter Autorität: „Ich will alles wissen, was es da zu wissen gibt, Junge. Sofort!"
Doch Luke, der die Machtsuggestion hinter diesem Befehl so deutlich sehen konnte wie einen Blasterstrahl, lehnte sich mit aufreizender Lässigkeit in seinem bequemen Lehnstuhl zurück und verschränkte die Arme über der Brust.
„Oh nein", sagte er. „Erst bist du an der Reihe. Also: Was kannst du mir über Mutter erzählen?"
Vader unterdrückte nur mit Mühe eine etwas aggressivere Machtdemonstration. Es war einfach zu irritierend, wie dieser Junge sich seinen Wünschen widersetzte. Aber manchmal lag buchstäblich in der Ruhe die Kraft. Nicht immer, aber immerhin …
„Ihr Name ist Taneela Whitesun", sagte er gepresst.
„Whitesun? Aber das war der Mädchenname von Tante Beru!" rief Luke. „Sie müssen also irgendwie miteinander verwandt sein. Sind sie vielleicht Schwestern? Cousinen?"
„WER IST TANTE BERU?!"
Luke stieß einen demonstrativ geduldigen kleinen Seufzer aus. Aber im Grunde war es nur fair, wenn Vader auf einem gegenseitigen Informationsaustausch bestand. Anstrengend vielleicht, aber fair.
„Tante Beru und Onkel Owen. Owen und Beru Lars. Das sind die Leute, bei denen ich aufgewachsen bin. Ein paar Stunden Fahrt nördlich von Anchorhead. Ziemlich weit weg von Mos Eisley und dem Rest der Zivilisation. Klingelt es jetzt irgendwo?"
Vader dachte angestrengt nach, aber es war fast ein Vierteljahrhundert her, seit er sich zum letzten Mal ernsthaft mit Tatooine und seiner hoffnungslos banalen Bevölkerung beschäftigt hatte. Er selbst hatte als Junge in der Nähe von Mos Espa gewohnt, also auf der anderen Halbkugel von Tatooine. Neelas Leute und die Skywalkers waren Nachbarn gewesen – oder jedenfalls das, was auf den meilenweit voneinander entfernt liegenden Feuchtfarmen von Tatooine als Nachbarn bezeichnet wurde. Aber an eine Beru Whitesun konnte er sich beim besten Willen nicht erinnern. Vielleicht war die Familie Whitesun über ganz Tatooine verstreut. Vielleicht aber auch nicht.
Auf jeden Fall hatte Neela ihm gegenüber niemals eine Frau namens Beru erwähnt, was auch kein Wunder war. Ihre Beziehungen zu ihrer Verwandtschaft waren immer äußerst flüchtiger Natur gewesen – und dasselbe konnte man auch von Anakin Skywalker sagen. Sie beide waren nur durch extrem oberflächliche Wurzeln mit dem glühenden Wüstensand unter dem gnadenlosen Gleißen von Tatooines Doppelstern verbunden gewesen. Das hatte damals zu ihren wenigen Gemeinsamkeiten gehört. Das und ihr starkes Verlagen, der unerträglichen Enge ihrer kleinen Welt zu entkommen. Und tatsächlich hatten sie in den kurzen Jahren ihrer Beziehung kaum jemals von den Angehörigen gesprochen, die sie auf Tatooine zurückgelassen hatten. Dieses Kapitel war für sie beide abgeschlossen gewesen.
Schon aus diesem Grund war die bloße Vorstellung, dass Luke seine ganze Jugend bei einer Cousine oder einer ähnlich entfernten Verwandten von Neela verbracht haben sollte, einfach nur schockierend.
„Ich kann dazu leider gar nichts sagen, außer dass es mir unbegreiflich ist, wie du überhaupt bei diesen Leuten landen konntest. Ich kann mir nicht vorstellen, dass deine Mutter damit einverstanden war", behauptete Vader.
Aber so sicher war er sich gar nicht, was diesen Punkt anging. War es nicht gerade Neelas Abneigung gegen die Whitesuns und Tatooine generell, was diese trostlose Staubkugel und ihre geradezu lächerlich perspektivlosen Bewohner zu einem idealen Versteck für ihren Sohn machten? Das galt sogar in verstärktem Maße für ihn selbst. Niemals wäre Anakin Skywalker … nein, DARTH VADER! … auf die Idee verfallen, ausgerechnet dort nach seinem verschollenen Nachwuchs zu suchen.
Wirklich clever, Obi-Wan! dachte Vader grimmig.
„Ich kann dazu genauso wenig sagen, außer dass Onkel Owen Ben verabscheut hat und ihn jahrelang nicht mal in meine Nähe lassen wollte", teilte Luke mit.
Oder vielleicht doch nicht so clever? Es muss den alten Wichtigtuer fast umgebracht haben, dass irgendein sturer hinterwäldlerischer Bauernlümmel ihn von seinem kostbaren Schützling ferngehalten hat …
„Tante Beru dagegen hatte wohl eher Angst vor Ben. Oder eher vor dir", fuhr Luke fort.
Und dazu hatte diese Person auch allen Grund!
Vader stellte sich unwillkürlich vor, wie er auf der Suche nach seinem verschleppten Stammhalter über Tatooine hinwegfegte wie ein Racheengel, die Furien imperialer Gerechtigkeit (oder vielmehr imperialen Zorns) auf seinen Fersen, während sich auf einer gewissen Farm irgendwo im Nirgendwo ein allgemeines Heulen und Zähneklappern erhob … Der Gedanke hatte etwas ungemein Befriedigendes.
„Warum?" fragte Luke.
„Warum was?" fragte Vader zerstreut zurück.
„Warum hätte Mutter nicht damit einverstanden sein sollen?"
„Ach! Nun ja … sie hielt nicht gerade viel von Tatooine. Oder von den Leuten dort", sagte Vader.
Lukes Gesicht wurde lang und länger.
„Was natürlich nicht bedeuten soll, dass sie dich dort einfach abgeladen und im Stich gelassen hätte", sagte Vader hastig, obwohl er völlig im Dunkeln tappte, was die wahre Motivation seiner Verflossenen anging.
Denn Neela hätte tatsächlich durchaus einen guten Grund dafür gehabt, Luke einfach irgendwo abzuladen und ihn im Stich zu lassen. Manche Mütter machten so etwas mit ihren Kindern. Mit unerwünschten Kindern zum Beispiel … Oder mit Kindern, die auf unerwünschte Art und Weise empfangen worden waren …
Aber dies war kaum der richtige Augenblick, um Luke damit zu konfrontieren, dass er seine Existenz aller Wahrscheinlichkeit nach der letzten Nacht verdankte, die seine Eltern miteinander verbracht hatten … Eine Nacht, die sogar sein Vater über viele Jahre hinweg völlig verdrängt hatte … Eine Nacht, die insbesondere seiner Mutter in äußerst unangenehmer Erinnerung verblieben sein musste…
Nein, manche Dinge musste der Junge wirklich nicht wissen. Ihre Vater-Sohn-Beziehung war auch so schon kompliziert genug...
Aber trotzdem war Neelas Verhalten im Großen und Ganzen ein Rätsel für Vader. Ein Rätsel, das er so schnell wie möglich zu lösen gedachte …
„Erzähl mir mehr von deinem Leben mit den Whitesuns", forderte er.
„Lars", korrigierte Luke. „Nach Berus Heirat mit Onkel Owen hieß sie Lars. Und von anderen Whitesuns war bei uns nie die Rede. Ich glaube nicht, dass es damals überhaupt noch irgendwelche Angehörigen gab – nicht einmal auf Onkel Owens Seite. Und über uns drei gibt es auch nicht viel zu erzählen. Wir haben eben so vor uns hin gelebt … wie Farmer auf Tatooine eben so leben … Du kommst doch selber von dort. Du musst doch am besten wissen, wie es da so ist."
Vader nahm die Anspielung auf seine verleugnete Skywalker-Persona widerspruchslos hin, was nicht oft der Fall war. Er nickte seinem Sohn in stummem Einverständnis zu. Natürlich erinnerte er sich an das öde ereignislose Leben auf Tatooine, ein Leben, das genug Mauern und Zäune enthielt, um einen ehrgeizigen begabten jungen Mann wie Anakin … oder Luke Skywalker … fast in den Wahnsinn zu treiben.
Ja, er erinnerte sich nur allzu gut daran. Diese sengende Hitze, der allgegenwärtige Sand, die tödliche Langeweile, die Hoffnungslosigkeit, sobald einem klar wurde, dass man auf einem Planeten lebte, der nicht mehr war als ein Furunkel auf dem Hintern der Galaxis ...
Auf Tatooine lebte man nicht einmal vor sich hin, man vegetierte dort nur vor sich hin! All das konnte einen jungen Menschen erst zur Verzweiflung treiben und dann zu Verzweiflungstaten wie zum Beispiel eine Hals-über-Kopf-Flucht nach Coruscant obwohl man nur eine Handvoll Credits in der Tasche hatte, aber dafür jede Menge Luftschlösser im Kopf. Bei Anakin Skywalker war es zumindest so gewesen. Und bei Taneela Whitesun auch…
„Was ist eigentlich aus diesen Lars-Leuten geworden?" fragte er schließlich, nur um irgendetwas zu sagen.
Doch jetzt war plötzlich Luke so verschlossen wie eine Auster. Er stand auf und ging zu dem durchgehenden Panoramafenster hinüber, das die ganze Steuerbordwand von Vaders Quartier beherrschte. Und dort stand er nun. Stand einfach da und starrte in die glitzernden Sterne hinaus, in finsteres Schweigen gehüllt. Eine eindrucksvolle Pose, wenn man ein zwei Meter großer Sith-Lord in Maske und wallendem Umhang war. Aber nicht ganz so eindrucksvoll, wenn man eigentlich nur ein Junge war und auch danach aussah …
Vader betrachtete seinen Ableger mit wachsender Ungeduld. Er wollte Antworten haben und das schnell. Es war zum Auswachsen mit diesem Jungen! Musste man ihm wirklich jede noch so kleine Auskunft aus der Nase ziehen wie einem widerborstigen Rebell bei einem Verhör?
„Vertrauen gegen Vertrauen, Luke. Wenn du von mir erwartest, dass ich meine ganze Biographie vor dir ausbreite, dann erwarte ich dasselbe auch von dir. Also, was ist jetzt mit diesen Lars-Leuten? Sind sie wütend auf dich, weil du deinen eigenen Weg gegangen bist? Das wäre ja so typisch …"
Denn nach Vaders eigenen Erfahrungen mit lästiger Verwandtschaft konnte sich die ältere Generation einfach unmöglich aufführen, sobald sie begriff, dass die jüngere Generation gewillt und auch wild entschlossen war, von längst ausgetretenen Pfaden so weit wie nur möglich abzuweichen …
Sein Sohn, der ihm unhöflicherweise immer noch den Rücken zukehrte, schüttelte langsam den Kopf.
„Nein, sie sind nicht wütend. Sie sind tot."
„Oh!" sagte Vader gedehnt. „Wie bedauerlich. Ein Gleiter-Unfall?"
„Nein", klang es abweisend zurück.
„Ein Tusken-Überfall?"
„Nein!"
Vader kam ein ebenso außergewöhnlicher wie anregender Gedanke. „Oder hat Obi-Wan sie aus dem Weg geräumt, weil sie ihm den Kontakt mit dir verboten haben?"
Luke wirbelte zu ihm herum, jetzt sichtlich entflammt.
„NEIN!" fauchte er. „Natürlich nicht! So etwas Schreckliches hätte er niemals tun können. Warum auch?"
Doch Vader urteilte ganz nüchtern, dass seine Theorie eigentlich ziemlich nahe liegend war. An Kenobis Stelle hätte er nicht eine Sekunde lang gezögert, jeden zu töten, der sich zwischen ihn und einen viel versprechenden Schüler … nein, sogar den letzten Padawan überhaupt stellte.
Und was Darth Vader persönlich anging, so hätte er natürlich ohne Weiteres halb Tatooine ausgerottet, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken, wenn das der einzige Weg gewesen wäre, um an seinen Sohn heranzukommen. Aber auch das brauchte Luke nicht unbedingt zu wissen …
„Warum, warum. Darum!" sagte er achselzuckend. „Auch wenn du es nicht wahrhaben willst: Kenobi war kein Heiliger, obwohl er immer gerne so getan hat als wäre er einer. Sogar die Jedis kannten das Sprichwort: Der Zweck heiligt die Mittel. Sie waren alle keine Heiligen, Luke. Höchstens Säulenheilige. Aber darin waren sie zugegebenermaßen unübertroffen …
Und jetzt rück endlich damit heraus: Was ist passiert? Und wie hat sich Obi-Wan doch noch als allwissender Mentor bei dir etabliert?"
Luke funkelte ihn an.
„Also gut, wenn du es unbedingt hören willst … Ben hat mich mitgenommen, nachdem eine Horde Sturmtruppensoldaten über meine Familie hergefallen war. Ja, es waren deine Soldaten, die Onkel Owen und Tante Beru aus dem Weg geräumt haben. Einfach so! Und völlig grundlos noch dazu. Wenn sie nämlich nur eine Stunde gewartet hätten, nur eine einzige verdammte Stunde, dann hätten sie sich die Droiden einfach nehmen und wieder verschwinden können. Keiner von uns hätte sie daran gehindert … Aber sie hatten wohl den Befehl, jeden umzubringen, der auch nur einen Blick auf eure kostbaren Pläne geworfen haben könnte …"
Und Vader sah ganz unerwartet ein weiteres Puzzlestück auf seinen Platz fallen.
„Die Droiden von der Tantive? Und diese Farmer, die sie sich einfach gekrallt haben – das waren deine Leute?" fragte er ungläubig.
„Ja. Und wir haben uns diese Droiden nicht einfach gekrallt, Mylord!" erwiderte Luke ärgerlich. „Wir haben sie als gesetzestreue Bürger ganz legal mit unserem hart verdienten Geld ein paar genauso hart arbeitenden Jawas abgekauft und das war unser gutes Recht."
Er atmete tief durch, aber sein Vater erhob glücklicherweise keinen Einspruch gegen die nicht ganz so astreine Legalität dieses erfolgreichen Geschäftsabschlusses. Nichts, was aus den Tiefen eines Jawa-Sandkriechers kam, war jemals wirklich ganz und gar legal. Aber als eingeborener Tatooiner sah man über so kleine Schönheitsfehler wie ungeklärte Besitzverhältnisse und den leisen Geruch nach Hehlerei mit heißer Ware großzügig hinweg.
„Dabei wollte Onkel Owen R2 und 3PO nicht einmal haben", sagte Luke bitter. „Ich musste ihn dazu überreden. Hätte ich das nur nicht getan … Aber ich konnte ja schließlich nicht wissen, dass zusammen mit einem harmlosen Astromech und einem plappersüchtigen Protokoll-Droiden unser Todesurteil in die Garage rollt … Niemand konnte das wissen, oder? Niemand ... Nicht einmal Ben hat es gewusst …", flüsterte er vor sich hin.
Doch Vader war jetzt selber zu aufgeregt, um auf die deutlichen Anzeichen eines typischen Survivorkomplexes zu reagieren. Dass die Droiden mit den gestohlenen Todesstern-Plänen damals nicht einfach irgendwo in Tatooines Einöde verschwunden waren, sondern ausgerechnet auf der Farm aufgetaucht waren, auf der sein eigener Sohn gelebt hatte, das war ein zu großer Zufall, als dass Vader nicht sofort seine ungeheuerliche Tragweite erkannt hätte
Und wenn er erst bedachte, welche Auswirkungen dieser angebliche Zufall auf ihrer aller Zukunft gehabt hatte oder beinahe gehabt hätte … Schließlich hatte er selbst dem Einsatzkommando, das nach den Droiden suchen sollte, den ausdrücklichen Befehl gegeben, keine Spuren zu hinterlassen … Es war unfassbar …
Luke kehrte zu seinem Sitzplatz zurück und trank noch einen Schluck Tee, denn was er als nächstes aussprechen musste, ließ seine Kehle jetzt schon trocken werden.
„R2 hat sich gleich in der ersten Nacht aus dem Staub gemacht, um nach Ben zu suchen. Er sollte ihm wohl eure Pläne bringen, aber das wusste ich zu der Zeit natürlich auch nicht. Ich bin morgens nur losgefahren, um R2 wieder einzufangen. Und nur deshalb war ich nicht zu Hause, als euer Killerkommando angerückt ist."
Vader schwieg. Er zog es aus begreiflichen Gründen vor, kein Wort über diese vertrackte Angelegenheit zu verlieren. Doch die Geheimnisse, die sein Sohn besser niemals erfuhr, begannen sich vor seinem geistigen Auge bereits aufzustapeln wie Null–Grav–Frachtcontainer im Laderaum der Executor.
„Gleich nachdem ich R2 gefunden hatte, hat ein besonders schlecht gelaunter Tusk versucht mich umzubringen, aber dann ist Ben aufgetaucht und hat mich gerettet. Als Ben und ich herausgefunden hatten, was R2 da irgendwo in seinen Datenspeichern durch die Gegend schleppte, wollte ich eigentlich nur noch heim und die ganze Sache so schnell wie möglich wieder vergessen.
Aber dafür war es natürlich schon viel zu spät ... das war mir spätestens dann klar, als wir auch noch einen ganzen Stapel toter Jawas entdeckt haben – genau die Jawas, die uns die Droiden verkauft hatten. Und als ich endlich zu Hause angekommen bin, da war alles schon vorbei.
Wahrscheinlich habe ich deine Sturmtruppen sogar nur um ein paar Minuten verpasst. Ich hatte Glück. Tante Beru und Onkel Owen nicht …"
Vader war zutiefst betroffen, als er sich ausmalte, was unweigerlich geschehen wäre, wenn sein Sohn früher nach Hause gekommen oder an diesem Morgen gar nicht erst weggegangen wäre.
„Und du glaubst nicht an Schicksal, du törichter Junge!" sagte er leise. „Wenn das kein Beweis dafür ist, dass es so etwas wie Bestimmung gibt, was dann?"
Luke ging nicht auf diese Herausforderung ein, was vielleicht auch besser so war.
„Danach mussten wir uns natürlich alle aus dem Staub machen, Ben, die Droiden und ich. Wir mussten so schnell wie möglich runter von Tatooine – es wimmelte inzwischen ja nur so von Soldaten und alle waren hinter R2 und 3PO her. Ich frage mich heute noch, wie wir es überhaupt bis nach Mos Eisley geschafft haben.
Na ja, dort haben wir dann Han aufgegabelt. Und er hat uns mit der Millenium Falcon nach Alderaan gebracht … oder zu dem, was von Alderaan noch übrig war. Der Rest ist Geschichte…
Du siehst also, ich hatte eigentlich nur ein paar Tage mit Ben. Das war nicht gerade viel Zeit, um von ihm zu lernen – oder um meinen ganzen Stammbaum plus Familienhistorie aus ihm herauszuholen.
So, jetzt kennst du meine Biographie, wenn auch nur die Kurzversion. Zufrieden?"
Vader überdachte dieses Wort. Zufrieden? Nein, er würde niemals wirklich zufrieden sein, wenn er bedachte, was er alles verpasst hatte. Die ganze Kindheit und Jugend seines Sohnes war ihm entgangen. Ließ sich das je wieder aufholen? Wahrscheinlich nicht.
Trotzdem hatte er das Gefühl, dass er wenigstens zu den Bruchstücken, die er gerade erfahren hatte, irgendwie Stellung nehmen musste.
„Das mit diesem Lars-Paar tut mir Leid, Junge", brummte er nach einer Weile. „Sie waren bestimmt anständige Leute und haben auf ihre bescheidene Weise gut für dich gesorgt. Sie hätten ein besseres Ende verdient."
Oder ein noch schlimmeres Ende, wenn Vader nur früher von Lukes Existenz erfahren hätte – und von den Menschen, die ihm seinen Sohn absichtlich vorenthalten hatten! Es fiel ihm schwer, Mitgefühl für das verblichene Ehepaar zu heucheln. Aber was tat man als Vater nicht alles für den Seelenfrieden seines Kindes …
„Ja, das hätten sie. Ihr Tod war so sinnlos und so furchtbar. Niemand sollte so sterben müssen", sagte Luke ernst.
„Ich habe doch gesagt, dass es mir Leid tut, oder nicht?" entgegnete Vader gereizt.
„So etwas kann man nicht einfach mit einem ‚Tut mir Leid, Junge' abhaken. Nicht, wenn so etwas jederzeit und überall wieder geschehen kann", erwiderte Luke aufgebracht. „Ich verstehe einfach nicht, wie du es zulassen kannst, dass deine Soldaten über unschuldige und völlig wehrlose Menschen herfallen wie ein Raubtierrudel. Das ist so was von barbarisch!"
„Ich habe es dir vorhin schon einmal gesagt: Krieg ist immer grausam! Also hör auf zu jammern und hilf mir lieber dabei, die Ursachen für diesen Krieg zu beseitigen. Dann werden solche Dinge nie wieder vorkommen."
„Wenn ich dir das nur glauben könnte", murmelte Luke.
„Und überhaupt: Meine Soldaten sind nicht barbarisch! Nur sehr gründlich. Und vielleicht neigen sie dazu, ihre Befehle ein klein wenig zu wörtlich zu nehmen ..."
Vor allem meine Befehle – und wer kann ihnen das verdenken, fügte Vader in Gedanken hinzu.
„Bitte jetzt keinen Lobgesang auf Sturmtruppen oder ich muss mich wahrscheinlich mitten auf deinen Tisch übergeben!" teilte sein empfindsamer Sohn mit.
„Da wir das bestimmt beide lieber vermeiden würden, schlage ich jetzt einen Themawechsel vor – nur so zur Abwechslung", sagte Vader.
„Nein. Wir sind noch nicht fertig, noch lange nicht." Luke beugte sich ein wenig vor und fixierte den Mann auf der anderen Seite des Tischs mit einem kalten Blick. „Wo ist Mutter? Und was hast du mit ihr angestellt, bevor sie dir weggelaufen ist?"
Fortsetzung folgt …
Sorry, aber ich musste dieses Kapitel erst überarbeiten, weil ich nie wirklich zufrieden damit war. Dafür geht es bald weiter im Text. Nangijala
