XVI.
Auf den ersten Blick sah der unerwartete Besucher keineswegs bemerkenswert aus. Ganz im Gegenteil: Wäre Anakin auf der Straße an ihm vorbeigelaufen, er hätte dem Mann nicht die geringste Beachtung geschenkt. Aber so sah er die unscheinbare Gestalt in ihrem auffällig unauffälligen braunen Kapuzenmantel nur zwei Sekunden lang streng an und verkündete dann resolut: „Wir kaufen nichts!"
Damit war die Sache offensichtlich erledigt – auf Coruscant verschwendete niemand Zeit oder Atem an Hausierer oder ähnlich überflüssige klinkenputzende Lebensformen, wenn es sich irgendwie vermeiden ließ. Anakin presste mit der ganzen Selbstgefälligkeit des Hausherren, der gerade sein Revier und seinen Feierabend erfolgreich gegen einen unerwünschten Eindringling verteidigt hatte, seinen Daumen auf den blauen Kippschalter, aber der diskrete Piepston, mit dem die Tür normalerweise in ihren Rahmen zurückglitt, blieb aus. Anakin kniff die Augen zusammen und unterzog den Schließmechanismus, der noch nie zuvor versagt hatte, einer genaueren Betrachtung, fand aber keinen mechanischen Grund für diese Fehlfunktion. Er drückte noch einmal auf den Schalter, härter jetzt, aber die Tür verharrte eigensinnig in ihrer augenblicklichen Position.
Der Kapuzenmann, der sich ebenfalls nicht von der Stelle gerührt hatte, lächelte ein wenig durch das sorgfältig kurz gestutzte Dickicht aus silbrig meliertem roten Haar, das seinen Mund umwucherte, und sagte milde: „Ich fürchte, hier liegt ein Missverständnis vor, Bürger Skywalker."
Er hatte eine angenehm kultivierte Stimme mit diesem geschliffenen Kernwelt-Akzent, den Anakin inzwischen als typisches Attribut der gebildeten oder ganz allgemein besser gestellten Kreise auf Coruscant erkannte.
Anakin, der gerade frisch aus der Dusche kam und nur ein großes Handtuch um seine Hüften geschlungen hatte, bevor er dem melodischen Dreiklang-Läuten seiner Türglocke gefolgt war, warf einen sehnsüchtigen Blick in den Hausflur, in dem jetzt eigentlich der Lieferjunge vom Poondoori-Imbiss stehen sollte und das mit einer großen Warmhaltebox voller duftender Fastfood-Köstlichkeiten mit so klangvollen Namen wie „Teller der tausend Tafelfreuden" oder „Drei Bissen Glückseligkeit" und ähnlich appetitanregenden Bezeichnungen.
„Ja, das fürchte ich auch", brummte er schließlich.
„Erlauben Sie, dass ich mich vorstelle? Mein Name ist Obi-Wan Kenobi", fuhr der Kapuzenmann fort, ohne Anakins Erlaubnis abzuwarten.
„Ach ja?" sagte Anakin, nur um irgendetwas zu sagen. Doch in Gedanken fügte er hinzu: Wen interessiert das schon?
Er war ein wenig gereizt, denn er konnte ganz deutlich fühlen, wie Wasser aus seinen nassen Haaren sickerte und an seinem Nacken hinunterperlte. Es war ein kalter Tag da draußen und aus dem Flur wehte ein unangenehm kühler Luftzug herein. Anakin fröstelte. Warum um Himmels willen hatte er nicht wenigstens seinen Bademantel angezogen, bevor er an die Tür gerannt war? Wo zum Henker blieb das Essen, das er und Taneela schon vor einer halben Ewigkeit unter viel Gekicher und gegenseitigem Herumgefummel via Holonet bestellt hatten? Und was bei allen Sternen wollte jetzt auch noch dieser wildfremde Kerl, der die Unverschämtheit besaß, um diese Uhrzeit uneingeladen einfach so vor der Tür von hungrigen und auch sonst nicht gerade gastfreundlich gesonnenen Leuten aufzuschlagen?!
Kenobis Lächeln dehnte sich aus und geriet dabei in ernsthafte Gefahr, sich in ein breites Grinsen zu verwandeln.
„Es tut mir unendlich Leid, wenn ich ungelegen kommen sollte, Bürger Skywalker …", sagte er höflich, doch seine durchdringend hellblauen Augen tanzten und glitzerten vor kaum unterdrückter Ironie und Spottlust. Es war, als ob er die Gedanken seines Gegenübers lesen konnte und sich dabei königlich amüsierte.
Und auf einmal beschlich Anakin ein ganz seltsames Gefühl, ein unangenehmes Prickeln irgendwo zwischen seinen Schläfen, das sich wie ein Tropfen flüssiges Metall einen Weg quer durch sein Gehirn und dann abwärts durch seinen Körper zu brennen schien, um schließlich abrupt in seinen Magen hineinzurutschen und dort zu einem winzigen zackigen Eiskristall zu erstarren. Er kannte dieses Gefühl. Es war genau das, was er jedes Mal irgendwo da draußen im Orbit von Coruscant empfand, wenn er völlig relaxt im Pilotensitz seines Jägers hing und ein paar gemütliche Patrouillenrunden drehte, ein unerklärliches Gespür, ein Instinkt … und das nur Sekunden bevor sich der Hyperraum direkt vor ihm öffnete wie ein Drachenschlund und eine Ladung Separatisten-Schiffe ausspie wie einen tödlichen Feuerstrahl ... Es war eine unmissverständliche Warnung …
Er umklammerte den losen Knoten, der das Handtuch um seine Lenden festhielt, lauschte auf das wasserfallartige Rauschen der Dusche im Hintergrund (Taneela, die gerade ihre eigenen Reinigungsrituale durchzog und damit vorläufig in Sicherheit war, weil sie sich grundsätzlich im Bad einschloss!) und dachte dabei ganz automatisch und mit einer gewissen militärischen Kaltblütigkeit an seine Dienstwaffe, einen großen und beruhigend soliden Blaster, der in einem Lederfutteral in einer fest verschlossenen Schreibtischschublade im Schlafzimmer lauerte … so nah und doch so fern, falls es hier und jetzt Ärger geben sollte …
Kenobis helle Augen weiteten sich ein wenig, während seine Brauen ruckartig in die Höhe zuckten – und wieder hatte Anakin den deutlichen Eindruck, dass dieser Mann in seinen Gedanken gelesen hatte wie in einem aufgeschlagenen Buch. Es war unheimlich!
„… aber ich muss unbedingt mit Ihnen reden. Heute noch. Jetzt gleich!" sagte Kenobi und auf einmal hatte seine eben noch so milde Stimme einen neuen Unterton, einen stahlharten befehlsgewohnten Ton, der keinen Widerspruch duldete und jede andere Form von Widerstand unmöglich machte.
Es war die Stimme einer überlegenen … nein … einer turmhoch überlegenen Autorität und Anakin reagierte darauf ganz spontan wie ein junges Pferd, das zum ersten Mal den Schenkeldruck eines Reiters in Kombination mit einem aufmunterndem Gertenhieb fühlte: Er trabte gehorsam (und sehr überrascht von seinem eigenen Gehorsam!) ein paar Schritte vorwärts oder vielmehr rückwärts.
Kenobi folgte ihm mit einem geschmeidigen Satz, der seine Mantelzipfel zum Flattern brachte, über die Schwelle, woraufhin die Wohnungstür, die eben noch unerklärlicherweise gestreikt hatte, sich sofort hinter ihm schloss wie durch Zauberei. Ganz von selbst – einfach so! Und noch bevor der analytische Teil von Anakins Verstand diese absurde Information völlig verarbeitet hatte, kauerte er auch schon irgendwie mitten auf seiner Wohnzimmercouch – er wusste selbst nicht genau, wie er dort gelandet war – und Kenobi saß im Sessel gegenüber, jetzt wieder lächelnd und die Liebenswürdigkeit in Person.
Er sah wirklich ganz harmlos aus, gar nicht wie ein Geiselnehmer mit obskuren magischen Fähigkeiten, aber Anakin blieb trotzdem wachsam, obwohl er sich in diesem heiklen Moment vollkommen darüber im Klaren war, dass er gerade ungefähr genauso hilflos war wie ein Katzenbaby in Tragestarre, das zwischen den Fängen seiner Mutter in ein besseres Versteck abtransportiert wurde. Tatsächlich hatte Kenobis lässige Haltung etwas von einer Katzenmutter, die völlig entspannt mit ihrem versammelten Wurf in einem neuen sicheren Versteck thronte … oder vielleicht doch eher von einer Katze vor dem sprichwörtlichen Sahnetopf … Jedenfalls strahlte er eine Aura von selbstzufriedener Ruhe aus, die Major A. Skywalker (ja, er war schon wieder befördert worden!) als vage beleidigend empfand, weil er selbst in einem ausgesprochen angespannten Zustand auf seiner Couch hockte, immer noch pitschnass und ziemlich gedemütigt.
Immerhin gab es nur eine logische Erklärung für die Sache mit der Tür und den anderen Zaubertrick mit dem Gedankenlesen.
„Sie sind ein Jedi!" sagte Anakin und er sagte es so vorwurfsvoll wie nur möglich. Niemand sollte dem Helden der Republik nachsagen, dass er vor einem Freak mit einer Handvoll billigem Zirkus-Hokuspokus die Nerven verloren hatte. Oder dass er von ihm beeindruckt war … was er war, wenn er ehrlich war … obwohl er das natürlich niemals zugeben würde …
Kenobi lachte (bemerkenswert herzlich übrigens!) und warf endlich seine Kapuze zurück. Seine Haare waren genau wie sein Bart: Eine stachelige rote Bürste, die mit silbernen Strähnen durchzogen war. Er sah über Anakins Schulter hinweg und sagte freundlich: „Sie können jetzt ruhig reinkommen, kleine Dame, ich beiße nicht. Oder jedenfalls nicht sehr oft ..."
Anakin verrenkte sich fast den Hals, aber natürlich konnte er Taneela erst sehen, als sie um die Ecke bog und hereinkam. Sie blieb hinter der Couch stehen, unsicher lächelnd. Sie hatte ihre abendlichen Waschungen beendet, sobald sie die fremde Männerstimme gehört hatte, und sich vorsichtshalber sogar wieder in ein präsentables Alltags-Outfit geworfen. Nun, immerhin stand sie nicht im Nachthemd oder ähnlich peinlich gewandet da…
Miss Clever und Smart! dachte Anakin sarkastisch. Er war ein bisschen neidisch, denn er litt sehr unter der Würdelosigkeit seines halbnackten Zustandes.
„Möchten Sie etwas trinken, Mr. Jedi?" fragte Taneela scheu, womit bewiesen war, dass sie Anakins letzten Satz mitbekommen, aber völlig falsch verstanden hatte. „Ein Glas Wasser … oder eine Tasse Tee vielleicht?"
Anakin runzelte die Stirn und schüttelte andeutungsweise den Kopf, um ihr zu signalisieren, dass derartige Aufmerksamkeiten hier überhaupt nicht angebracht waren. Aber seine Freundin, immer noch imprägniert mit den geheiligten Sitten und Traditionen der Wüstenvolkbewohner, wonach sogar einem unerwünschten Ankömmling zumindest ein lebensspendender Trunk angeboten werden musste, bevor man ihn wieder hinauswarf und seinem Schicksal überließ, ignorierte seine Flegelhaftigkeit einfach. (Was nicht heißen sollte, dass sie ewig ignoriert bleiben würde: Taneela liebte es, sich in ihren Zänkereien über das zu aufzuregen, was sie immer als Anakins neue „Stadtmensch-Allüren" bezeichnete.)
Kenobi, der offensichtlich hart im Nehmen war, strahlte, als hätte man ihm ein 5-Sterne-Menü angeboten.
„Also Tee wäre jetzt einfach perfekt!" säuselte er. „Ja, eine Tasse Tee bitte, wenn es Ihnen nicht zu viele Umstände macht, meine Liebe. Und vielleicht noch ein Handtuch. Oder vielleicht etwas … Wärmeres?" Sein Blick glitt zu Anakin zurück und wanderte bedeutungsvoll zu dem rutschigen improvisierten Lendenschurz hinunter. „Wir wollen schließlich nicht, dass unser prominenter junger Krieger hier an einer Lungenentzündung stirbt, oder?"
Taneela strahlte zurück und huschte wieder hinaus. Es war nicht zu übersehen, dass der Jedi sofort bei ihr gepunktet hatte. Es war ein Mysterium, wenn man ihre Standardreaktion auf andere fremde Besucher bedachte.
Anakin dagegen verschränkte die Arme über seiner Brust und harrte der Dinge, die da kommen sollten, denn es war klar, dass der Jedi einen bestimmten Plan verfolgte und dass er es damit nicht mehr eilig hatte, jetzt, da er sich erfolgreich in der gestürmten feindlichen Festung eingenistet und sich sogar schon mit den verräterischen Teilen der Bevölkerung gegen die besiegte Besatzung verbündet hatte. (Tee – also wirklich! Ein Glas Leitungswasser wäre in diesem Fall viel angemessener gewesen. Man konnte es auch übertreiben…)
Wenn Kenobi spürte, dass sein widerwilliger Gastgeber schmollte, dann ließ er es sich nicht anmerken. Stattdessen sah er sich in dem Raum um. Vor allem ein Wandteppich, der das ganze Licht einer Stehlampe einfing und in prachtvollen Rot- und Gelbtönen glühte, schien es ihm angetan zu haben.
„Ein schönes Stück. Selbstgemacht?"
„Sehe ich vielleicht so aus, als ob ich in meiner Freizeit Teppiche knüpfe?" gab Anakin feindselig zurück.
Doch der Jedi blieb die Gelassenheit in Person. „Warum nicht? Ein schönes Hobby. Sehr beruhigend", sagte er augenzwinkernd.
Er war zu aufreizend!
Zum Glück kam Taneela schnell zurück und setzte ein für drei Personen gedecktes Tablett auf dem niederen Tischchen ab. Anakin konnte gerade noch sehen, dass sie auch eine Schale mit den von ihm bevorzugten Sisamkrokantplätzchen angeschleppt hatte (Was für eine diabolische Verschwendung! dachte er wehmütig.), bevor sie ihm einen gleichfalls mitgebrachten Trainingsanzug buchstäblich ins Gesicht schleuderte.
„Hör auf, dich wie ein verzogenes Balg aufzuführen, und zieh dich endlich an!" wisperte sie ihm im Vorbeigehen ins Ohr.
Anakin war zu bestürzt, um Einspruch zu erheben. Er flüchtete – natürlich nur aus Gründen der Schicklichkeit! –, in die Küche, wo er sich in Rekordzeit aus seinem Handtuch herauswand, seinen Trainingsanzug überstülpte und seinen Haarschopf mit einem herumliegenden Mikrofaser-Geschirrtuch flüchtig durchrubbelte, bevor er zurückstürmte. Seine Abwesenheit hatte keine drei Minuten in Anspruch genommen, aber er hatte Taneela in dieser kurzen Zeit zweimal lachen hören. Dieser Jedi hatte bei ihr eindeutig einen Stein im Brett … Es war nicht auszudenken …
Er ließ sich neben der schamlosen kleinen Überläuferin auf die Couch fallen und stieß dabei aus Versehen mit seinen großen knochigen Knien gegen den Tisch. Die Teekanne wankte und schwappte über, eine Woge von heißer grüner Flüssigkeit ergoss sich über die Keksschale und der knusprige Sisamkrokanthügel schmolz innerhalb von Sekunden zu einem klebrigen blubbernden braunen Morast zusammen, aus dem undefinierbare Brocken und längliche Reststücke herausragten wie Felsen und tote Baumstümpfe aus einem Sumpfloch. Der Anblick war nicht unbedingt appetitanregend.
„Ach Anakin!" seufzte Taneela, obwohl sie an derartige häusliche Unfälle eigentlich längst gewöhnt war.
Doch Kenobi überreichte ihm souverän wie ein erfahrener Chefkellner die dritte Tasse, die er blitzartig aus der allgemeinen Überschwemmung gerettet hatte, und sagte schmunzelnd: „In einer echten Krise hilft nichts besser als ein guter Schluck Tee."
Später sollte Anakin übrigens herausfinden, dass Obi-Wan Kenobi tatsächlich nur zwei Lösungsansätze für jede Art von Krise kannte: Einen guten Schluck Tee. Oder ein energisch geschwungenes Lichtschwert. Doch diese Erkenntnis lag noch in ferner Zukunft.
Was sich aber jetzt in der Gegenwart mit der Vorsicht eines hungrigen Hais immer näher an seine umkreiste Beute heranschob, lautlos, unsichtbar bis auf eine gelegentlich auftauchende dreieckige Rückenflosse, aber trotzdem allgegenwärtig in seiner Bedrohlichkeit, war der immer noch unbekannte Grund für den Besuch des Jedis.
Im Gegensatz zu Taneela, die mit Kenobi locker über das Wetter und ähnlich triviale Themen plauderte wie mit einem uralten Bekannten, saß Anakin wie auf glühenden Kohlen und brachte kaum ein Wort heraus. Doch er musste warten, bis der Jedi seinen ganzen Charme versprüht und seine Tasse zum dritten Mal geleert hatte, dann war es endlich so weit.
„Aber so reizend diese Zusammenkunft und unsere Unterhaltung auch ist, meine lieben neuen jungen Freunde, es ist wohl höchste Zeit, dass ich Ihnen erkläre, warum ich hier bin."
„Ja, genau. Was wollen Sie eigentlich von uns?" schnappte Anakin, der die Spannung nicht länger aushielt.
Unter dem Tisch bohrte Taneela sehr langsam den bemerkenswert spitzen Stöckelabsatz ihres linken Schuhs in den großen Zeh seines rechten Fußes, um ihn erneut auf sein unmögliches Benehmen aufmerksam zu machen, aber Anakin zog entschlossen sowohl seine malträtierten als auch seine bisher verschonten Gliedmaßen aus der Reichweite aller potenziellen weiblichen Folterwerkzeuge und würdigte sie keines Blickes. Er war zu beschäftigt damit, den Jedi niederzustarren.
Doch Kenobi lächelte nur, scheinbar völlig unberührt von grimmigen Mienen und schlechten Manieren. „Ich bin Ihretwegen hier, Bürger Skywalker. Ich will Sie."
„Also wenn es um eine von diesen Wohltätigkeitsveranstaltungen geht … Anakin ist zurzeit leider ziemlich ausgebucht, Mr. Jedi. Aber wir können trotzdem mal in seinem Terminkalender nachsehen, wenn es eine wirklich wichtige Angelegenheit ist", sagte Taneela hilfsbereit. Sie hörte sich an wie der gut gedrillte Manager eines reklamesüchtigen Rockstars, dessen ganzes Privatleben von Auftritten bei Charity-Bällen und Besuchen in Kinderkrankenhäusern aufgesogen wurde.
Anakin sagte gar nichts. Er starrte Kenobi nur an, vorläufig zu verblüfft, um sich zu äußern. Doch irgendwo in seinem Kopf machte irgendetwas „Klick" und auf einmal sah er den Jedi mit anderen Augen an. Mit ganz anderen Augen …
Taneela sprang auf, plötzlich nervös, weil niemand sich rührte oder einen Kommentar zu ihrem großzügigen Angebot abgab. „Ich hole deinen Organizer, Liebling", sagte sie zu Anakin und eilte hinaus.
Kenobi sah ihr nach und da war eine Spur von Mitleid in seinen hellblauen Augen – und von Spekulation. „Sie hat keine Ahnung, wer oder was ich bin, nicht wahr?"
„Wir kommen von Tatooine! Was wissen wir dort schon von den Jedis? Höchstens ein paar Bruchstücke von Legenden und Märchen – und manchmal nicht mal das", sagte Anakin bitter. „Leute wie Sie verirren sich nicht gerade oft in unsere Gegend."
Kenobi zögerte einen Augenblick lang, bevor er auf die offene Anklage antwortete.
„Wir hatten es schon immer besonders schwer mit den Welten in den Randsystemen", erwiderte er schließlich. „Sie sind so weit weg und meistens werden sie seit Generationen von irgendwelchen kriminellen Syndikaten oder ähnlich brutalen Organisationen beherrscht. Deshalb sind die Eingeborenen dort auch so extrem misstrauisch.
Außerdem sind sie aufgrund ihrer schlechten Schulbildung oft geradezu besessen von einem besonders fanatischen Aberglauben, was die Fähigkeiten und Möglichkeiten, aber vor allem auch die Absichten von uns Jedis angeht. Wir sind in der Vergangenheit deswegen schon oft angefeindet worden und haben dadurch große Verluste erlitten. Sehr große Verluste und so völlig sinnlos … Unsere Zahl ist begrenzt und wir müssen uns genau überlegen, wo und wie wir unsere Kräfte am besten einsetzen. Und so bedauerlich das auch ist: Unter diesen Umständen ist es weder einfach noch ratsam, Kontakt mit Randwelt-Völkern herzustellen oder mit ihnen in Kontakt zu bleiben."
„Ja, natürlich! Ich kann mir gut vorstellen, dass die meisten Eingeborenen bei uns ziemlich empfindlich reagieren würden, wenn irgendwelche Kernwelt-Typen in Kapuzenumhängen auftauchen und versuchen würden, ihnen ihre Kinder zu stehlen – fanatischer Aberglauben hin, schlechte Schulbildung her", sagte Anakin schroff.
„Sehen Sie? Sogar Sie haben Vorurteile. Es ist genau diese Art von engstirniger Intoleranz, die uns immer wieder unsere Arbeit erschwert oder sogar völlig unmöglich macht", gab Kenobi zurück. Er legte eine kurze Pause ein, bevor er mit Würde fortfuhr: „Wir stehlen keine Kinder. Wir bieten lediglich möglichst vielen jungen Leuten die Möglichkeit, ihre angeborenen, aber nur rudimentär vorhandenen Talente in einer sicheren Umgebung und unter der Aufsicht von Experten in aller Ruhe zu entdecken, weiter zu entwickeln und schließlich zum Wohl der Allgemeinheit einzusetzen – und je jünger sie sind, wenn wir sie finden, desto leichter fällt ihnen dieser Lernprozess. Und es ist nun mal eine traurige Tatsache, dass die Eltern auf den Kernwelten in Bezug auf die Fürsorgepflicht und die Trainingsmöglichkeiten des Jedi-Ordens viel offener und aufgeschlossener sind als Randwelt-Familien."
„Aber das auch nur deshalb, weil der Jedi-Orden seit Generationen die Kernwelt-Völker einer systematischen Gehirnwäsche unterzieht", knurrte Anakin. Er legte großen Wert darauf, immer das letzte Wort zu behalten.
Einen winzigen Moment lang hoffte er sogar, die scheinbar undurchdringliche abgeklärte Fassade des Jedis endlich durchbrochen zu haben, doch dann lachte Kenobi und warf in einer spielerisch gemeinten Geste der Unterwerfung die Hände in die Luft.
„Wie wäre es mit einem Waffenstillstand, Anakin? Sonst diskutieren wir noch die ganze Nacht über die Ethik unserer Nachwuchspolitik oder über unsere generelle Eignung als Erzieher, obwohl es in Ihrem Fall doch gar nicht um ein Kind geht. Es geht um Sie und Ihre rudimentären Talente. Und Sie sind immerhin erwachsen – obwohl man es manchmal nicht ganz glauben möchte ..."
Anakin, zutiefst beleidigt, sank gegen die Rückenlehne der Couch, sortierte seine langen Beine und schlug sie schließlich übereinander in dem krampfhaften Versuch, eine genauso lässige Pose einzunehmen wie der Jedi. Dieses Manöver – das den Tisch erneut in Bewegung versetzte und dem Tablett ein warnendes Klirren entlockte – sollte ihm eigentlich nur genug Zeit geben, um eine vernichtend bissige Antwort auszubrüten, aber er war abgelenkt. Hatte Kenobi ihn tatsächlich gerade mit seinem Vornamen angesprochen?! Ach, er war wirklich dreist, dieser Jedi … nein … mehr als nur dreist. Eigentlich war er unverschämt!
„Ich gönne mir noch ein Tässchen, falls Sie es nicht zu unverschämt finden. Es wäre ja nun wirklich eine diabolische Verschwendung, wenn dieser aromatische Aufguss ganz kalt wird", sagte Kenobi und blinzelte Anakin verschwörerisch zu, während er nach der Teekanne griff.
Anakin schnappte nach Luft, was teilweise an den Worten des Jedis lag und teilweise an der Tatsache, dass er nicht mit den Händen nach der Teekanne griff!
Er beobachtete gebannt, wie das dickbauchige Keramikgefäß von der Tischplatte hochschwebte, sich mit der schwerelosen Grazie einer Ballerina in der Luft nach vorne neigte und den Rest seiner flüssigen Last in Kenobis Tasse hineinplätschern ließ, bevor es nach einem anmutigen Sinkflug mit einem dezenten KLINK! wieder auf dem Tablett landete.
Doch alles, was er herausbrachte, war ein heiseres: „Können Sie alle meine Gedanken lesen? Und alle wortwörtlich?!"
„Nicht alle", teilte Kenobi zwischen zwei genüsslichen Schlucken mit. „Normalerweise greife ich nur die allgemeine Stimmung meines Gesprächspartners auf. Aber wenn jemand so kristallklare Bilder sendet … jemand, der auch über die Macht verfügt … Dann allerdings …"
Er brachte seinen Satz nicht zu Ende, aber das war auch gar nicht mehr nötig.
„Die Macht!" sagte Anakin und er sagte es beinahe ehrfürchtig.
Es war das erste Mal in seinem Leben, dass er dieses Wort laut aussprach, ein Wort, das er bisher nur in einem völlig anderen Kontext gekannt hatte. Macht … das war etwas, was bis jetzt immer nur anderen vergönnt gewesen war, irgendwelchen hochgestellten Persönlichkeiten, an die kein gewöhnlicher Sterblicher jemals herankam, mochte er auch noch so erfolgreich sein, ein erfolgreicher Pilot zum Beispiel …
Macht bedeutete so faszinierende Dinge wie öffentliches Ansehen, aber auch persönliche Stärke. Und damit untrennbar verbunden waren Begriffe wie Einfluss … Befehlsgewalt … und in letzter Konsequenz irgendeine Form von Herrschaft …
Aber was der Jedi meinte, wenn er diesen Ausdruck verwendete, das war etwas ganz anderes, eine Art Paralleluniversum, in dem das Unmögliche möglich wurde, in dem die Magie aus Märchen und Legenden zum Leben erwachte als wäre es das Natürlichste von der Welt.
Anakin dachte an all die Unmöglichkeiten, die in den letzten dreißig Minuten direkt vor seinen Augen möglich geworden waren – und das mit der größten Selbstverständlichkeit! – und irgendwo tief in ihm ballte sich alles zusammen in einem exquisiten Gefühl der Erregung, fast schon der Ekstase, eine Empfindung, die er bis jetzt nur in Taneelas Armen erlebt hatte …
All diese Zaubertricks, der ganze Zirkushokuspokus der Jedis … so viele ungeahnte Fähigkeiten … und so viele Möglichkeiten, sie einzusetzen, wenn man sie erst mal beherrschte …
„Die Macht …" wiederholte er im Flüsterton. Er lauschte dem Klang des Wortes nach. Er fand, dass es gut klang …
Und Obi-Wan Kenobi, Jedi-Meister, Lehrer, Seelenjäger und im Notfall sogar Verführer, wenn es sein musste, beobachtete diesen außergewöhnlich begabten, aber noch so unausgegorenen großen Jungen, der sein Schüler und Schützling werden sollte, mit kühl kalkulierenden Augen über den Rand seiner Teetasse hinweg und wusste, dass er gewonnen hatte. Der Köder, den er ausgeworfen hatte (Ein unwiderstehlicher Köder für dich, mein Kleiner! dachte er nicht ohne Zynismus.), war geschluckt worden. Er hatte den Fisch jetzt an der Angel, einen sehr widerspenstigen, einen sehr schlüpfrigen Fisch, wenn seine Vorahnungen ihn nicht betrogen. (Und das taten sie nie!) Aber trotzdem immer noch ein lohnender Fang für den Orden – wenn alles gut ging. Der Rat würde mit dem Ergebnis dieses Anwerbungsgesprächs zufrieden sein. Oder auch nicht, wenn es schief ging …
„Und Sie meinen wirklich, ich kann das auch lernen? Dieses ganze … Jedi-Zeug? Obwohl ich kein Kind mehr bin?" fragte Anakin ein wenig unsicher.
„Nun … das kommt ganz darauf an", sagte Kenobi ausweichend.
Anakin war sofort wieder voller Argwohn. „Worauf kommt es an?"
Der Jedi unterdrückte nur mit Mühe einen Seufzer. Er war wirklich extrem ungeduldig, dieser Junge. Das konnte noch zum Problem werden. Oder zum ersten von sehr vielen Problemen.
„Nicht jeder Jedi hat dieselben Fertigkeiten, Anakin. Es hängt alles von der Größenordnung Ihres Talentes ab. Wir müssen das natürlich erst mal gründlich untersuchen. Es gibt gewisse Tests, Übungen … Prüfungen, wenn man es so ausdrücken will …"
„Wann? Wo? Wie?" klang es kategorisch zurück.
Kenobi zupfte an seinem Bart, halb amüsiert, halb irritiert. „Wie wäre es mit morgen Mittag im Jedi-Tempel? Und was den Rest angeht: Lassen Sie sich einfach überraschen."
„Morgen Mittag?!" Anakin lachte ungläubig, obwohl die ungestüme, neugierige Seite von ihm frohlockte und praktisch schon in den Startlöchern stand. „Das kann nicht Ihr Ernst sein! Ich habe Dienst. Ich habe Verpflichtungen. Ich kann nicht einfach wegbleiben. Ich muss zuerst Urlaub beantragen und …"
„Nein, müssen Sie nicht. Das hier ist wichtig, junger Mann. Viel wichtiger als ein bisschen Soldat spielen und im All herumballern."
Ein bisschen Soldat spielen! Im All herumballern! Anakin war einfach sprachlos angesichts dieser nonchalanten Entwertung eines Berufs, der zu seiner Bestimmung, ja schon fast zu seiner Existenzberechtigung geworden war.
Der Jedi merkte natürlich sofort, dass er wieder eine Grenze überschritten hatte und sagte betont leichthin: „Ruhig Blut, Anakin. Auch bei uns wird letzten Endes nur mit Wasser gekocht. Aber eines kann ich Ihnen jetzt schon sagen: Morgen beginnt ein ganz neuer Lebensabschnitt für Sie. Sie werden den ersten Schritt in eine größere Welt machen." Hoffentlich, fügte er stumm hinzu.
„Aber meine Vorgesetzten …", stammelte der frisch gebackene Jedi-Anwärter.
„… sind bereits informiert und geben Ihnen ihren Segen. Keine Sorge, Anakin. Das alles ist schon längst geklärt worden. Der Jedi-Orden kümmert sich immer rechtzeitig um diese ganzen banalen Formalitäten. Der Orden kümmert sich überhaupt um alles und um uns alle wie … nun ja … wie ein Vater."
Kenobi hielt inne, ein wenig erstaunt über den definitiv finsteren Ausdruck, der über das Gesicht seines künftigen Padawans glitt.
„Keine Sorge", sagte er noch einmal mit Nachdruck. „Es wird für alles gesorgt – auch für materielle Bedürfnisse jeder Art … oder ähnlich weltliche Belange. Aber über all diese Dinge werden wir uns später noch ausführlicher unterhalten. Jetzt muss ich leider gehen … Wie schnell doch die Zeit vergeht …"
Er erhob sich mit weit mehr Schwung aus seinem niedrigen Sessel, als man von einem Mann seines Alters erwartet hätte, und tigerte mit elastischen Schritten hinaus. Es bestand kein Zweifel daran, dass sich irgendwo unter den meterlangen Stoffbahnen dieses absurden Mantels solide und gut trainierte Muskeln befanden. Anakin hievte seine große Gestalt etwas schwerfälliger von der Couch – obwohl er selber fit wie ein Turnschuh und in der Blüte seiner Jugend war – und tappte barfuß und wortlos hinter dem Jedi her. Er war ziemlich verwirrt und das nicht nur von dem plötzlichen Abschied des Besuchers.
Kenobi öffnete sich selbst die Tür mit einer eleganten winkenden Handbewegung und stand schon wieder draußen im Hausflur, als Taneela aus dem Schlafzimmer auftauchte wie ein Komparse, der sein Stichwort verpasst hatte, den endlich gefundenen Organizer gegen ihre Brust gepresst wie ein Schutzschild.
„Oh … Mr. Jedi …", begann sie sichtlich enttäuscht, als sie sah, dass der Gast bereits im Aufbruch begriffen war.
„Äh … Bürger Kenobi …", sagte Anakin im gleichen Augenblick.
„Meister Kenobi", korrigierte der Jedi leichthin. „Wenn schon, denn schon, wie der Dichter sagt. Wir sehen uns morgen um vierzehn Uhr am Tempel, Anakin. Auf Wiedersehen, meine Liebe!"
Er produzierte eine schnelle, scharfe Klappmesser-Verbeugung und verschwand in dem sich öffnenden Lift, bevor irgendjemand seinen Gruß erwidern konnte. Der grell uniformierte und wie ein Lastesel bepackte Teenager, der gerade noch an Kenobi vorbei aus dem Aufzug herausgestolpert kam, bevor die Türflügel wieder zuschnappten, ließ seine schwere Tasche fallen und fluchte sehr laut und ziemlich vulgär, bis er den männlichen Teil seiner leicht verstört wirkenden Kundschaft entdeckte.
Er hob schnell die Tasche wieder auf, grinste entwaffnend mit gefletschten Zähnen und rief mit gutturaler Stimme: „Poondoori-Imbiss! Entschuldigung für lange Wartezeit, Mann. Koch hat extra Packung süßsauer marinierte Spulwürmer und Tüte mit gegrillten Tzikklarven dazugelegt, alles gratis, alles superfrisch! Alles okey-dokey, Chef?"
Anakin, immer noch in einem Zustand der Benommenheit, nahm einen erdrutschgefährdeten Berg aus leicht fettigen Pappschachteln entgegen und drückte schweigend seinen Creditchip in den bereit gehaltenen Scanner. Der Lieferjunge schielte trübsinnig auf die allzu exakte Endsumme im Display – Anakin belohnte mangelhaften Kundenservice grundsätzlich nie mit Trinkgeld! – und zog achselzuckend auf und davon, wobei er etwas Unfreundliches über undankbare Geizhälse vor sich hin murrte, die ruhig an einer Enddarmnekrose eingehen konnten, wenn es nach ihm ging.
„Was um Himmels willen ist hier eigentlich los?" fragte Taneela.
Anakin setzte die Einzelteile ihres ziemlich verspätet gelieferten Abendessens auf einem schmalen Konsolentisch ab, sah seine Freundin an und sagte: „Er will einen Jedi aus mir machen."
Taneelas Unterkiefer klappte herunter. „Er will dich adoptieren?! Geht ihr deswegen morgen zu diesem Tempel?"
Anakin seufzte, aber obwohl er inzwischen das Gefühl hatte, vor lauter Nahrungsentzug bald in ein Stadium akuter Unterzuckerung zu verfallen, blieb ihm nichts anderes übrig, als sich wieder in seinem Wohnzimmer niederzulassen und dort alles wiederzukäuen, was Taneela verpasst hatte und was ihm ganz allgemein zum Thema Jedis einfiel. Das meiste davon war übrigens reine Fantasie, aber da die Liebe seines Lebens von erfrischender Unwissenheit war, was den Jedi-Orden anging, störte sich niemand daran. Doch während er redete, lebte er sich bereits in seine neue Rolle ein (Ha! Was für ein Kampfpilot Major A. Skywalker erst sein würde, wenn er gleichzeitig auch noch ein Jedi war!), und er geriet dabei zunehmend in Euphorie, was vielleicht aber auch nur an einer hungerbedingten Serotoninausschüttung lag.
Taneela allerdings war gar nicht so erfreut über diese Wendung – tatsächlich war sie es, die Anakin darauf aufmerksam machte, dass einige von Kenobis eher kryptischen Bemerkungen gewisse Schlussfolgerungen erlaubten. Und dass diese Schlussfolgerungen einen seltsamen Nachgeschmack hinterließen …
„Was meint er eigentlich damit, dass deine Vorgesetzten schon informiert sind? Wer hat sie informiert und was genau ist ihnen dabei gesagt worden? Wie haben diese Jedis dich überhaupt aufgespürt, Anakin?"
„Keine Ahnung. Ist das denn so wichtig?"
Anakin war ein bisschen gekränkt, weil die Frau seines Herzens überhaupt nicht zu begreifen schien, wie glorreich seine kriegerische Laufbahn verlaufen würde, wenn er erst gelernt hatte, feindliche Raumjäger zu manipulieren wie … na ja … wie fliegende Teekannen!
Aber Taneela war noch lange nicht fertig mit ihren Einwänden und ihren Vermutungen. „Jedi-Orden ... Tempel … Und dann auch noch diese Sache mit den armen kleinen Kindern, die sie überall einsammeln … Für mich hört sich das an wie eine Sekte, die in einem Kloster haust. Vielleicht haben sie sogar so etwas wie ein Keuschheits-Gelübde … deshalb brauchen sie dann natürlich auch die Kinder anderer Leute ... Oh, Liebling! Was ist, wenn sie einen Mönch aus dir machen wollen?"
Anakin lachte nur. Ein Mönch! Er! Schon die Vorstellung war einfach nur grotesk. Er zog Taneela auf seinen Schoß und flüsterte ihr ins Ohr: „Für dich breche ich sämtliche Gelübde! Jeden Tag!"
„Nein, im Ernst, Liebling: Für mich klingt das irgendwie so, als würden diese Jedis von dir erwarten, dass du alles stehen und liegen lässt und dich ihnen anschließt. Ich meine: Aufopferung. Totale Hingabe an sie und ihr Jedi-Dingsda."
Bei so vielen krausen femininen Gedankensprüngen kam Anakin einfach nicht mehr mit. Außerdem stiegen ihm die ganze Zeit über verführerische Essensdüfte in die Nase und entwickelten dabei eine geradezu hypnotische Anziehungskraft.
„Wie kommst du denn darauf?" fragte er zerstreut und äugte voller Verlangen zu der Ecke hinüber, wo er die Poondoori-Päckchen aufgestapelt hatte.
Taneela umfasste sein Gesicht mit beiden Händen und drehte seinen Kopf zu sich, so dass er sie wieder ansehen musste. Sie konnte so beharrlich sein wie der Laserbohrer eines Zahnarztes, wenn ihr ein Thema wichtig genug war.
„Er hat gesagt, sie werden für deine materiellen Bedürfnisse sorgen. Das bedeutet, sie wollen dir Geld geben, oder nicht? Aber wozu brauchst du ihr Geld, wenn du dir schon als Pilot praktisch eine goldene Nase verdienst? Nein, ich glaube, sie wollen, dass du deinen Job aufgibst … dass du alles aufgibst … alles, was dir etwas bedeutet ..."
Seinen Job aufgeben?! Schon der bloße Gedanke war so beunruhigend, dass Anakin sofort den Drang verspürte, etwas mehr über diese Jedis und ihre Lebensweise zu erfahren und zwar aus einer möglichst gut informierten, aber trotzdem unabhängigen Quelle, deren persönliches Wohlwollen für ihn selbst über jeden Zweifel erhaben war. Es gab nur einen Menschen auf dieser großen, weiten Welt, auf den diese Beschreibung zutraf …
Anakin setzte seine Liebste unzeremoniell auf dem Teppich ab, stand auf und sagte: „Ich muss den Senator anrufen. Fang doch schon mal mit dem Essen an."
Doch Taneela zog einen Flunsch wie immer, wenn von Sheev Palpatine die Rede war, und murmelte aufsässig: „Du und dein heißgeliebter Senator! Als ob er dein Kindermädchen wäre … oder deine Mutter. Vielleicht sollte er dich adoptieren!"
Anakin überhörte diese spitzen Bemerkungen einfach und wandte sich ihrer Kom-Einheit zu. Aber noch während die Wahlwiederholung die tatsächlich sehr oft benutzte Verbindung zu dem streng geheimen Privatanschluss des Senators herstellte (und Anakin wie immer in der Genugtuung schwelgte, dass er zu den wenigen Auserwählten gehörte, die diese Geheimnummer kennen und benutzen durften!), überlegte er, warum Taneela so angriffslustig reagierte, wenn es um diesen freundlichen, gefälligen und durch und durch sympathischen Mann ging, der über die letzten Monate hinweg zu einem echten Mentor für ihn geworden war. Taneela musste wohl an einer besonders kindischen Art von Eifersucht leiden, entschied Anakin.
Seltsamerweise reagierte der sonst immer so liebenswürdige Senator bemerkenswert kühl, als er sich endlich meldete und über den Grund von Anakins Anruf informiert wurde. Vielleicht lag das an der mittlerweile doch recht vorgerückten Stunde. Vielleicht aber auch nicht … Auf jeden Fall hatte Anakin den vagen Eindruck, dass Senator Palpatine über irgendetwas verärgert war. Es mochte an einer fehlerhaften Bildschirmeinstellung liegen, aber eine flüchtige Sekunde lang schienen die tiefliegenden schiefergrauen Augen seines Gönners in einem kalten schwefelgelben Feuer aufzulodern wie die Blitze eines nächtlichen Sommergewitters …
„… und deshalb wollte ich zuerst Ihre Meinung zu dem Ganzen hören, Exzellenz", sagte Anakin befangen, denn inzwischen kam er sich selber ein wenig lächerlich vor. (Dass Taneela im Hintergrund im Schneidersitz auf dem Boden hockte und ihn neckte, indem sie einen Löffel als Katapult benutzte, um ihn mit mittlerweile leicht verschrumpelten Tzikklarven zu bombardieren, trug auch nicht gerade zu einem Gefühl männlicher Seelengröße bei!)
„Meine Meinung? Aber was zählen schon die egozentrischen Ansichten und Einsichten eines bedeutungslosen alten Mannes, junger Skywalker?" sagte Palpatine. (Und es konnte natürlich an der Überempfindlichkeit der Lautsprecher oder der Soundkarte liegen, dass alle S- und Z-Laute in dieser Antwort zischten wie zornige Giftschlangen …)
„Aber Ihre Meinung bedeutet mir sehr viel, Exzellenz", sagte Anakin beinahe flehend und hielt Taneela mit einem warnend erhobenen Zeigefinger gerade noch davon ab, die Flexibilität einer Serviergabel an den schlaffen Spulwürmern zu testen. Taneela streckte ihm die Zunge raus, ließ die süßsauer marinierten Extrahappen aber dann doch lieber in ihrem Mund verschwinden, statt sie quer durch das Wohnzimmer zu schießen.
Der Senator setzt ein Lächeln auf, das Taneela gehässigerweise immer als „sein abgefeimtes Politiker-Feixen" bezeichnete, und senkte für einen Moment die Lider, bevor er sein Protegé wieder direkt ansah.
„Natürlich bin ich jederzeit dazu bereit, Sie bezüglich Ihrer Laufbahn zu beraten, mein lieber Junge", erwiderte er, jetzt wieder seidenglatt und ganz ohne aggressive Zischlaute. „Ich fühle mich Ihnen verpflichtet, gerade weil Sie noch so jung und unerfahren sind. Und schon aus diesem Grund muss ich hier eine deutliche Warnung aussprechen. Die Jedis sind … nun ja … vielleicht nicht ganz das, was sie zu sein scheinen." Er ließ den Satz gründlich einwirken, bevor er fortfuhr: „Es würde mir außerordentlich Leid tun, wenn man tatsächlich gewisse Talente bei Ihnen entdecken sollte. Außerordentlich!"
Anakin fiel aus allen Wolken angesichts dieser subtilen, aber unzweideutigen Beileidsbekundung. „Warum?" fragte er.
„Nein, nein! Lassen Sie uns lieber erst darüber reden, wenn diese unangenehme Angelegenheit geklärt ist. Ich möchte Sie ja nicht unnötig in Panik versetzen. Am besten kommen Sie direkt zu mir, wenn Ihre … Experimente im Jedi-Tempel beendet sind. Bis dann, junger Skywalker!"
Und damit legte der Senator einfach auf und Anakin war genauso schlau wie vorher. Fast genauso schlau.
„Er mag die Jedis nicht besonders, so viel steht fest", teilte er mit.
„Wen außer dir mag dieser steifstieselige alte Sack überhaupt?" fragte seine zauberhafte Geliebte scharfzüngig zurück.
Über diesen Punkt mussten sie natürlich erst wieder eine Weile streiten und so kam es, dass es schon fast drei Uhr morgens war, als sie endlich erschöpft ins Bett fielen. Anakin aber tat in dieser Nacht kein Auge mehr zu. Es mochte an seiner ungewissen Zukunft liegen … oder an dem allzu späten Genuss der tausend Tafelfreuden …
