XVIII.
Die Muskeln in Anakins Hinterteil waren an eine gewisse Unbequemlichkeit gewöhnt. Das Leben eines Piloten war schließlich kein Ponyhof. (Obwohl man sich an besonders anstrengenden Tagen durchaus so fühlen konnte, als wäre man von einer ganzen Herde schlecht gelaunter Ponys in Grund und Boden gestampft worden.) Aber jetzt nach einer schier endlos langen Sitzung auf ungefähr einem Quadratmeter kurzgeschorenem Rasen waren Anakins vier Buchstaben wirklich so verkrampft, dass er kaum noch stillhalten konnte.
Trotzdem riss er sich mannhaft am Riemen und fixierte weiterhin mit äußerster Konzentration einen gelben Gummiball, der vor ihm lag. Doch der dreimal verfluchte Ball rührte sich nicht vom Fleck – nicht einen Millimeter. Er machte auch keine Anstalten, in Flammen aufzugehen oder zu verdampfen oder zu implodieren oder zu zerbröseln oder irgendeine andere halbwegs interessante physikalische Reaktion zu zeigen. Er lag einfach nur da, der Ball. Regungslos. Seit zwei Stunden. Mindestens zwei Stunden! Anakin war ziemlich sicher, dass er schon Badewannen-Enten gesehen hatte, die mehr Leben in sich hatten als dieser idiotische …
„Du machst das ganz falsch!" teilte ein schrilles wichtigtuerisches Stimmchen direkt neben seinem linken Ellbogen mit. „Dabei geht das wirklich ganz leicht. Guck mal. So!"
Der grün-blau gestreifte Gummiball nebenan, den er gerade noch aus dem Augenwinkel wahrnehmen konnte, hüpfte in die Luft, rotierte sanft ein paarmal um seine eigene Achse und plumpste zurück ins Gras, wo er noch zweimal federnd aufschlug, bevor er ausrollte und ebenfalls wieder in Leichenstarre verfiel. „Siehst du? So! Ganz leicht!"
„Alles ist ganz leicht, wenn man es kann", knurrte Anakin. Er war begreiflicherweise nicht in der besten Stimmung für die Ratschläge von kleinen Strebern und anderen Besserwissern.
Doch seine Trainingspartnerin, eine etwa achtjährige Nervensäge mit abstehenden Zöpfen (kupferrot mit rosa Schleifchen!) und vorstehenden Vorderzähnen, kicherte nur. Sie kicherte ziemlich viel. Eigentlich kicherte sie den ganzen Tag lang. Ununterbrochen.
Anakin war kein Kinderfeind, nein, aber seit dem demütigenden Augenblick, in dem eine besonders strenge und unnachgiebige Jedi-Meisterin (eine Togruta namens Schaa-Schliik oder so ähnlich) ihm diese naseweise Göre zugeteilt hatte, spielte er gelegentlich mit dem Gedanken, sich sterilisieren zu lassen. Es war bestimmt ratsam, privaten Heimsuchungen dieser Art gleich einen Riegel vorzuschieben, einen endgültigen Riegel. Das viel besungene Elternglück war seiner Meinung nach sowieso eine eher zwiespältige Angelegenheit. Aber angesichts seiner neuesten Erfahrungen auf dem Gebiet „Umgang mit Minderjährigen" hätte er persönlich lieber eine verwaiste Saarlac-Larve oder eine ähnlich abstoßende Kreatur adoptiert als das Risiko einzugehen, selber einen frechen, vorlauten, penetranten Fratz zu zeugen, der ihm ständig, aber auch wirklich ständig …
Sein Ball sprang plötzlich quer über den Rasen, als hätte ein unsichtbarer Fuß ihn weggekickt ... und für einen atemlosen Augenblick war Anakin hochentzückt … er war begeistert … er hatte so viel POWER! Aber dann …
„Du schummelst! Du schummelst! Er hat geschummelt, Meisterin Shaak Ti, ich habe es ganz deutlich gefühlt!" jubelte das rothaarige kleine Ungeheuer und zielte vor lauter Aufregung gleich mit zwei tintenfleckigen Zeigefingern auf den Missetäter wie mit winzigen blauen Lichtschwertern.
Anakin ignorierte den herzlosen Triumph der jugendlichen Denunziantin mit so viel Würde, wie er nur aufbringen konnte – er war immerhin ERWACHSEN! –, doch die Togruta-Jedi, die soeben irgendwo hinter ihren Schülern praktisch aus dem Nichts aufgetaucht war, gab trotzdem ein missbilligendes Fauchen von sich und klatschte ihm einen ihrer gestreiften Kopftentakel um die Ohren, dass es nur so knallte. Meisterin Schaa-Schliik … äh … Shaak Ti war nicht nur resistent gegen Beschwerden aller Art, sondern hielt offenbar auch nicht viel von antiautoritärer Erziehung.
„Mehr Konzzzentration! Und vor allem sssehr viel mehr Ssselbstbeherrschung, Ssskywalker!" zischte sie und machte ein weiteres Häkchen in die Liste auf ihrem Datapad, was kein gutes Zeichen war, wie Anakin inzwischen wusste.
Denn dieses Häkchen bedeutete, dass er wieder mal Emotionen eingesetzt hatte und Emotionen bei den Trainingseinheiten waren STRENG VERBOTEN (!) – vor allem dann, wenn es sich dabei um NEGATIVE (!) Emotionen handelte, weil man damit praktisch schon mit einem Fuß außerhalb des Jedi-Tempels … nein … aber mitten in der DUNKLEN SEITE DER MACHT (!) stand.
Letzteres passierte Anakin ziemlich oft bei seinen Lektionen und das war auch der Grund dafür, warum Meisterin … Shaak Ti ihn anzischte und Häkchen auf ihrem Datapad machte, während Obi-Wan Kenobi ihm über viel zu vielen Tassen Kräutertee langatmige und weitschweifige Predigten über sein Temperament hielt und die unbedingte Notwendigkeit, es zu zügeln. Scheinbar geschahen nämlich rein aus Versehen alle möglichen schlimmen Dinge, wenn man sich als Jedi mal seinem Frust hingab. Möglicherweise beging man nur einen Akt der mutwilligen Sachbeschädigung. Aber vielleicht brachte man auch rein aus Versehen (!) das Herz von aufdringlichen kleinen Kichererbsen zum Stehen … oder bei ähnlich lästigen Zeitgenossen irgendeine Arterie zum Platzen … oder man machte andere wirklich schlimme Dinge …
Aber das Schlimmste in diesem Augenblick war, dass dieses euphorische Gefühl weg war, dieses allzu kurze Gefühl von überschäumender Energie … von … Macht … Es war wie ein Absturz nach dem ultimativen Höhenflug. Es war wie das verkaterte Aufwachen nach einem mit Spice gewürzten Trip. Anakin war enttäuscht. Er war ziemlich oft enttäuscht in letzter Zeit …
In der Ferne läutete eine Glocke melodisch die Mittagszeit ein und Anakin fand, dass eine Pause angesagt war. Eine lange Pause.
Er stand auf – immerhin etwas schwungvoller als noch vor ein paar Wochen –, reckte und streckte sich ein wenig und verließ den Meditationsgarten durch einen mit Heckenrosen umrankten Bogengang. Er war noch nicht weit gekommen, als eine kleine Figur neben ihm erschien und fröhlich hüpfend mühelos mit ihm Schritt hielt. Die roten Zöpfchen wippten auf und ab. Die grellen rosafarbenen Schleifen flatterten in der milden Brise wie zwei beschwipste Schmetterlinge. Anakin schloss gepeinigt die Augen und fragte sich, warum das Schicksal ausgerechnet ihn zu dieser Folter verdammt hatte.
„Wo gehst du hin?" fragte sein kleiner Quälgeist gebieterisch.
„Telefonieren. Und dann essen. Und nein, du kannst heute nicht mit mir kommen!" brummte Anakin.
„Warum nicht?"
„Weil …" Anakin suchte nach einer wirklich überzeugenden Antwort – sein genereller Wunsch nach Einsamkeit zählte hier grundsätzlich nicht! – und fand auch eine. „Weil du dir erst mal deine schmutzigen kleinen Pfoten waschen musst", sagte er in dem glorreichen Bewusstsein, dass er ein unschlagbar erwachsenes Argument entdeckt hatte.
„Hach!" Das unerträgliche Kind zog einen Flunsch, drehte sich aber fügsam um und hopste in Richtung Erdgeschoss-Waschräume davon.
Anakin atmete auf und stapfte dankbar durch eine riesige Doppeltür in das Innere des Gästewohntrakts, wo er schnell die steile Treppe bis zum dritten Stock erklomm. Als er durch den Flur auf das ihm zugeteilte Zimmer zuging, bemerkte er beifällig, dass das hohe Buntglasfenster, das er erst gestern Abend zertrümmert hatte (rein aus Versehen!), schon wieder repariert war. Auch die Kieselsteine, die heute Morgen noch kreuz und quer über den Boden verstreut gewesen waren, hatte man inzwischen entfernt.
Anakin trat für einen Moment an das neue Fenster heran und spähte auf den Innenhof hinaus. Die im Sonnenlicht glitzernde Fontäne eines Springbrunnens plätscherte und murmelte sanft vor sich hin und auf einem der üppig belaubten Tryalla-Bäume zwitscherte ein Ssungvogel seiner Gefährtin ein zärtliches Liebeslied vor. Sogar der sorgfältig in kleine und große Spiralmuster geharkte Steingarten, der die Bäume umrahmte, schien eine Aura von absolutem Frieden und perfekter Harmonie auszuströmen. Es war wirklich idyllisch da unten.
Und irgendwie war es schwer vorstellbar, ja geradezu unbegreiflich, wie Anakin Skywalker es gestern Abend mitten in dieser malerischen Szenerie geschafft hatte, einen Wutanfall zu produzieren und statt dem einzelnen Kieselstein, den er nur wenige Zentimeter über den Bodenfliesen levitieren sollte, eine ganze Handvoll davon zehn Fuß hoch gegen die Fensterfront im dritten Stock zu pfeffern, was einen spektakulären Hagelschauer aus scharfkantigen bunten Glassplittern und riesigen Scherben nach sich gezogen hatte. Trotzdem fand er die hysterische Reaktion der Padawane, in deren Kreis er geübt hatte, immer noch ziemlich übertrieben: Es war ganz bestimmt nicht nötig gewesen, gleich unter Geschrei in alle vier Himmelsrichtungen auseinanderzustieben wie ein aufgescheuchter Taubenschwarm!
Doch die unerbittliche Meisterin Schaa-Schliik … Shaak Ti (!) hatte wieder gezischt wie eine lecke Gasleitung kurz vor der Explosion und wie wild Häkchen auf ihr Datapad gekritzelt. Und dann war auch noch Meister Mace Windu anmarschiert, ein riesiger, kahlköpfiger Muskelprotz, der aussah wie ein wandelndes Krieger-Denkmal, imposant, aber grimmig wie Gevatter Tod selbst. Und er hatte Anakin wegen allgemeiner Rücksichtslosigkeit gegen die Spielregeln, gegen antike Fenster und gegen seine Mitschüler ausgezankt und ihn schließlich dazu verdonnert, in Zukunft nur noch mit etwas harmloseren Gummibällen zu trainieren und das so lange bis … nun ja … bis er schwarz wurde!
An diesem Punkt hatte Anakin leichtsinnigerweise versucht, die angespannte Situation durch einen kleinen Witz zu entschärfen: Er hatte Meister Windu mit einem Augenzwinkern bedacht und ihn ganz pfiffig gefragt, wie lange er wohl mit Gummibällen geübt hatte, um seinen gegenwärtigen Ebenholz-Teint zu erreichen. Doch leider entsprach Meister Windus Sinn für Humor ebenfalls der versteinerten Grundhaltung eines Krieger-Denkmals, was übrigens für fast alle Jedi-Meister galt, wie Anakin inzwischen zu seinem Bedauern festgestellt hatte. Bis auf wenige Ausnahmen waren sie ein Haufen von stocksteifen Spaßbremsen, die auf jede noch so milde Provokation, auf jeden Hauch von Frivolität reagierten wie gereizte Salzwasserkrokodile. Ach ja! Es war nicht leicht, es all diesen spießigen … spirituellen Zeitgenossen Recht zu machen …
Mit diesem trüben Gedanken wandte sich Anakin vom Schauplatz seiner vorletzten Niederlage ab und betrat sein Zimmer … oder vielmehr sein Kämmerchen, denn so eng und so spartanisch eingerichtet war dieses bescheidene Quartier, dass sogar sein Schlafzimmer zu Hause daneben wirkte wie die geräumige Suite in einem Grand Hotel. Aber immerhin gab es ein Kom-Modul in der Ecke – das allerdings nur einmal pro Woche benutzt werden durfte, ja, nur ein einziges Mal, so unglaublich das auch war! Mehr Kontakt mit der Außenwelt wurde als überflüssige Ablenkung angesehen, sogar bei Gästen. Es war wirklich wie in einem Kloster hier …
… oder wie in einem Gefängnis! dachte Anakin rebellisch, als er voller Ungeduld seine private Nummer in das abgenutzte Tastenfeld hineinhackte. Aber bis jetzt hatte er sich immerhin brav an alle Spielregeln gehalten – egal, was Meister Windu dazu sagte. Bis jetzt!
Taneelas besorgtes Gesicht erschien auf dem flimmernden kleinen Monitor und hellte sich sofort auf, als sie ihn erspähte.
„Anakin! Endlich! Ich warte und warte …
"
„Da bist du nicht die Einzige", seufzte der schwer geprüfte Jedi-Anwärter. „Du glaubst nicht, was ich hier durchmache..."
Er erging sich in Einzelheiten. Ausführlich. Das dauerte eine ganze Weile, denn sieben Tage Kommunikationssperre waren immerhin sieben Tage ohne die geringste Austauschmöglichkeit mit einer mitfühlenden Seele, also praktisch eine Ewigkeit, in der er herumtrieb wie ein Schiffbrüchiger in einem Ozean aus Einsamkeit …
Als er endlich eine Pause einlegte, wegen der besseren Wirkung auf sein Publikum, aber auch weil er dringend Atem holen musste, warf Taneela hastig ein: „Das ist ja alles gut und schön, Liebling, aber wann kommst du endlich wieder nach Hause? Du bist jetzt schon so lange dort … Fast zehn Wochen…"
Über zwei Monate! Anakin konnte es selbst kaum glauben. Wie unwahrscheinlich schnell doch die Zeit vergangen war, seit er an Kenobis Seite den Jedi-Tempel betreten hatte … ganz arglos und in der naiven Annahme, er würde noch am selben Tag wieder heimgehen. Aber irgendwie war alles ganz anders gekommen. Diese ewigen Übungen, die er hier durchziehen musste … und all die Unterrichtsstunden, an denen er mit den anderen teilnehmen musste … Unter Tests und Prüfungen hatte er sich eigentlich etwas ganz anderes vorgestellt. Medizinische Tests vielleicht. Und eine Art Aufnahmeprüfung oder sowas. Aber nichts, was sich so in die Länge zog. Keine ernsthafte Probezeit…
„Na ja, ich weiß auch nicht", sagte er. „Die Uhren hier ticken eben viel langsamer als bei uns. Diese Jedis haben ein ganz anderes Lebenskonzept als wir. Sie tun einfach so, als gäbe es kein Morgen, als hätte niemand irgendwelche Verpflichtungen … Und wenn wir schon von Verpflichtungen reden: Sag mal, hast du inzwischen General Gryffys erreicht?"
„Ja. Schon." Taneela zögerte sichtlich.
„Und? Was hat er gesagt?" drängte Anakin. „War er wütend, weil ich mich nicht selber bei ihm gemeldet habe?"
„Nein, gar nicht. Ganz im Gegenteil. Er war sehr nett, aber irgendwie auch ein bisschen distanziert. Ich weiß nicht recht, wie ich es dir erklären soll, aber … ich hatte fast den Eindruck, als ob er gar nicht mehr damit rechnet, dass du überhaupt zurückkommst."
Anakin dachte rasch nach. Dass General Gryffys den Starpilot seiner besten Einheit bereits abgeschrieben zu haben schien, war schon ein wenig beunruhigend, aber noch nicht wirklich alarmierend. Anakin war ganz sicher, dass er die Dinge wieder ins Lot bringen konnte, sobald er Gelegenheit fand, persönlich mit seinem obersten Vorgesetzten zu reden. Zur Not musste nächste Woche eben Taneela auf den obligatorischen Anruf verzichten … Oder sollte er dem General einfach einen Besuch abstatten? Bis jetzt hatte ihm immerhin noch niemand verboten, das Gelände des Jedi-Tempels zu verlassen. Bis jetzt…
„Ach, das kriege ich schon wieder hin, wenn ich erst mal weiß, wie es hier weitergeht. Dieser verflixte Jedi-Rat! Wenn sie sich nur endlich entscheiden könnten, ob sie mich nun haben wollen oder nicht", sagte er.
Taneela nutzte die günstige Gelegenheit natürlich sofort zum Nörgeln. „Warum dauert das so lange? Worauf warten die eigentlich noch?"
„Ja, genau. Worauf warten die eigentlich noch?" murmelte Anakin, obwohl er eine ziemlich klare Vorstellung davon hatte, was dem Jedi-Rat Kopfzerbrechen bereiten mochte.
Aber er konnte trotz aller Belehrungen einfach nicht verstehen, warum um eine solche Kleinigkeit wie ein kaputtes Fenster oder ähnliche Bagatellen so viel Tamtam gemacht wurde. Du meine Güte, er war schließlich immer noch ein menschliches Wesen, kein Droide! Musste man als Jedi denn wirklich jede Empfindung sozusagen an der Garderobe abgeben? Und musste man sich wirklich für jeden gefühlsbedingten kleinen Ausrutscher schämen? Das war doch absurd …
„Da ist noch etwas." Taneela zögerte wieder einen Moment lang, aber dann sagte sie betont schnippisch: „Eigentlich wollte ich es dir ja gar nicht erzählen, aber dein Senator hat angerufen. Schon viermal. Und er scheint wirklich wütend auf dich zu sein!"
Anakin war bestürzt. Senator Palpatine! Seinen Mentor hatte er in der allgemeinen Aufregung völlig vergessen. In all den Wochen hatte Anakin nicht einmal von sich hören lassen, nicht ein einziges Wort. Was um Himmels willen mochte der Senator inzwischen nur von ihm denken?
„Oh nein! Er wird glauben, dass ich ihn einfach fallen gelassen habe. Er wird mich für einen undankbaren opportunistischen Mistkerl halten. Er wird …"
„Er wird es überleben, Liebling. Todsicher!" klang es zuckersüß zurück.
„Du hast ja keine Ahnung!" schrie Anakin und schlug vor lauter Frust mit der Faust gegen die Wand.
Prompt fiel das einzige Deko-Objekt seiner Behausung, ein handgeschriebenes und mit zarten Aquarellmalereien verziertes Stück Pergament, von seinem Haken, was seinem schützenden Bilderrahmen gar nicht gut bekam. Doch Anakin kümmerte das deutlich hörbare Klirren nicht, er war mit seiner Unterlassungssünde und ihren möglichen Folgen beschäftigt.
Der Senator würde außer sich sein! Er würde seinen Schützling ebenfalls fallen lassen, er würde nie wieder ein Wort mit ihm reden.
„Das verzeiht er mir nie", sagte er düster.
„Mach nicht gleich wieder eine Tragödie daraus, Anakin. Es ist doch noch gar nichts passiert. Außerdem kann es dir völlig egal sein, was Palpatine von dir denkt. Lass ihn ruhig schmollen. Du hast es doch gar nicht nötig, um ihn herumzuscharwenzeln. Du brauchst ihn nicht. Du hast ihn nie gebraucht. Du bist ein Kriegsheld! Du bist berühmt! Was willst du noch?"
Anakin schüttelte nur den Kopf, sprachlos vor so viel weiblicher Begriffsstutzigkeit. Er wollte so viel mehr als nur das, aber diese Frau würde das nie verstehen ... sie würde ihn niemals wirklich verstehen…
Genau so wenig wie sie verstand, wie wichtig gute Beziehungen auf Coruscant waren. Eigene Leistungen, so hervorragend sie auch sein mochten, waren irgendwie nie genug auf dieser hektischen oberflächlichen Welt. Ohne eine solide Dosis Vitamin B war man hier auf lange Sicht einfach nur ein Niemand, auch wenn man eine Zeitlang von den Medien hofiert und von der Öffentlichkeit bewundert worden war. Das galt für Kriegshelden genauso wie für jeden anderen Star. Der Ruhm würde irgendwann verblassen und die Massen würden sich einen neuen Held der Stunde suchen, den sie auf ein Podest stellen und verehren konnten. Und was dann? Dann brauchte man eben gute Freunde, die einen nicht so einfach vergaßen. Freunde wie Senator Palpatine …
Und was sollte aus Anakin werden, wenn der Senator sich nicht nur von ihm abwandte, sondern sich sogar gegen ihn wandte? Ein so einflussreicher Mann wie Palpatine konnte Himmel und Hölle in Bewegung setzen. Er konnte jedem, der zu ihm gehörte, den Weg in sein ganz privates kleines Paradies ebnen. Und er konnte jeden, der nicht zu ihm gehörte, ruinieren. Einfach so …
Aber vielleicht verstand Taneela doch mehr, als Anakin wahrhaben wollte, denn genau in diesem Augenblick sah sie ihn direkt an, ein wenig spöttisch, ein wenig mitleidig, aber auch ein klein wenig bitter, und sagte leise: „Weißt du, manchmal mache ich mir wirklich Sorgen um dich. Du hast dich so sehr verändert, seit wir hier angekommen sind. Ich erkenne dich kaum wieder …"
„Keine Gardinenpredigt, Neela!" erwiderte Anakin scharf. „Das ist das Letzte, was ich jetzt brauche."
Taneela schluckte sichtlich, schlug aber sofort zurück und das unerwartet hart. „Dann ruf ihn doch an, deinen Busenfreund, bevor du heute Nacht wegen ihm dein Kopfkissen nass weinst", fauchte sie.
"Ich wünschte, das könnte ich. Aber ich kann ja nicht, weil ich gerade meinen einzigen Anruf in dieser Woche wieder mal an dich verschwendet habe!"
Anakin biss sich sofort auf die Unterlippe, als ihm klar wurde, was ihm da gerade herausgerutscht war, aber es war schon zu spät. Etwas in Taneelas sanftem offenen Gesicht rauschte herunter wie das schwere eiserne Fallgatter einer antiken Festungsanlage, wuchtig und endgültig.
„Einen schönen Tag noch, Major Skywalker!" sagte sie eisig und unterbrach die Verbindung.
„Das wollte ich doch gar nicht… Tut mir Leid, Neela!" flüsterte Anakin, aber der Bildschirm blieb schwarz und tot und aus dem Lautsprecher sickerte neben dem unvermeidlichen leisen Rauschen nur noch unnachgiebiges Schweigen.
Einen Moment lang rang er mit der Versuchung, noch einmal anzurufen – zum Teufel mit den Jedis und ihrer kleingeistigen Gängelei! –, aber er wusste nur zu gut, dass Taneela sowieso nicht mehr rangehen würde, das halsstarrige kleine Ding.
Nun ja … vielleicht war es unter diesen Umständen auch besser, wenn er die Angelegenheit später wieder bereinigte. Ein extragroßer Strauß alderaanische Sternlilien und ein Kuss für die widerspenstige Liebste… Vielleicht noch irgendein hübsches Schmuckstück als Versöhnungsgeschenk? Egal wie, irgendwann würde er das hier wieder geradebiegen. Auch die Sache mit Senator Palpatine. Nur nicht gerade heute, denn …
„… heute ist irgendwie nicht mein Tag", seufzte er und legte ebenfalls auf.
In einer Mischung aus Selbstmitleid, Reue und allgemeiner Verdrossenheit entschied er sich zu einem Akt der Kasteiung. Ja, er würde Buße tun wie ein richtiger echter Mönch ... Jedi ... Mönch!
Wie auch immer: Er würde ohne Mittagessen in den Meditationsgarten zurückkehren und dort so lange diesen idiotischen Gummiball bearbeiten, bis er vor purer Erschöpfung ohnmächtig ins Gras sank. Er würde es ihnen allen zeigen, Taneela, den Jedis und dem Rest dieses unfairen Universums, ja!
Mürrisch, aber entschlossen verließ er sein Zimmer und trabte die Treppe hinunter und wieder hinaus ins Freie. Aus dem Haupttrakt wehten verführerische Duftfahnen, aber Anakin ignorierte die Verlockungen der Kantinenausdünstungen und marschierte auf die Rosenhecken zu, die den Meditationsgarten abschirmten.
Doch er kam nie dort an, weil drei inzwischen wohlbekannte Gestalten plötzlich zwischen den Hecken auftauchten und ihm den Weg abschnitten, indem sie sich direkt vor ihm aufpflanzten wie ein lebendes Verkehrshindernis, aufgereiht nach ihrer individuellen Körpergröße, so dass sie aussahen wie ein paar schlecht sortierte Orgelpfeifen. Da war zunächst Mace Windu, zurzeit Nummer drei auf der Liste von Leuten, die Anakin als seine persönliche Nemesis betrachtete. Er überragte jeden anderen im Orden um Haupteslänge und sogar Anakin um ein paar Zentimeter. Neben ihm standen Obi-Wan Kenobi (Durchschnittsmaße, aber beeindruckend dank seiner salbungsvollen Aura) und dann noch der winzige Meister Yoda höchstpersönlich, der ungeachtet seiner ziemlich kauzigen koboldhaften Erscheinung die ganze Würde seines erhabenen Amtes und seines legendären Alters ausstrahlte.
In Anakin allerdings löste der drollige Anblick des froschgrünen spitzohrigen Miniatur-Großmeisters immer noch eine flüchtige und sehr unangemessene Regung der Heiterkeit aus, besonders dann, wenn er so unerwartet damit konfrontiert wurde. Er verneigte sich hastig und besonders tief, nicht unbedingt, um seinen Respekt zu bezeugen, aber um seine zuckenden Mundwinkel zu verstecken.
„Na endlich! Wir haben dich schon überall gesucht, Skywalker", sagte Meister Windu und runzelte die Stirn, was er grundsätzlich tat, wenn er es mit Anakin zu tun hatte.
Anakin verfiel sofort wieder in seinen Selbstverteidigungsmodus, was er grundsätzlich tat, wenn er es mit Mace Windu zu tun hatte.
„Ich war nur kurz in meinem Zimmer", sagte er vorwurfsvoll und fragte sich gleichzeitig, ob der grimmige Jedimeister tatsächlich nur dafür eine Rechtfertigung erwartete oder gleich für Anakins ganze Existenz.
"Ja, ja, ist ja gut", brummelte Windu.
Kenobi bedachte seinen erlauchten Kollegen mit einem kurzen Blick, wandte sich aber dann Anakin zu. „Und jetzt, da wir dich hier gefunden haben, können wir dir endlich die frohe Botschaft verkünden", sagte er strahlend (und natürlich salbungsvoll!).
"Wenn das überhaupt eine frohe Botschaft ist...", murmelte Windu vor sich hin.
Obi-Wan schoss einen weiteren Blick in seine Richtung, ein Blick, der jetzt immerhin einen Hauch von gänzlich unjedimäßiger Irritation verriet, bevor er seine Aufmerksamkeit erneut auf den jüngsten Mann in der Runde richtete.
"Anakin, der Rat hat beschlossen, dich in den Orden aufzunehmen", sagte er feierlich.
"Trotz gewisser Bedenken von gewissen Ratsmitgliedern", sagte Windu. (Es bestand kein Zweifel daran, aus welchem Mund diese Bedenken gekommen waren.)
Anakin starrte die Jedi-Meister an, einen nach dem anderen. Er betrachtete den kaltschnäuzigen schwarzen Monolithen in seiner weiten wallenden Kutte, die man ohne Weiteres als Fallschirm hätte verwenden können. Er sah Kenobi an, der jetzt breit und sehr jovial lächelte. Er senkte seinen Blick hinunter auf Meister Yoda, der mit völlig ausdrucksloser Miene links von Kenobis Kniescheiben kauerte.
Fixiert von diesen drei Augenpaaren, die abweisend, leutselig und enigmatisch zurückstarrten, wusste Anakin beim besten Willen nicht, wie er reagieren sollte. Obwohl er die Entscheidung des Jedi-Rates so sehr herbeigesehnt hatte, fühlte er sich jetzt seltsamerweise ein klein wenig überrumpelt.
"Ah ... Das ist schön", sagte er schließlich etwas lahm.
Kenobi zog eine Braue hoch, leicht beunruhigt von diesem Mangel an Begeisterung.
"Das ist eine große Ehre für dich, Anakin."
"Eine Ehre, die du dir allerdings auch verdienen musst, Padawan Skywalker", betonte Mace Windu.
Yoda sagte gar nichts. Aber die schwerlidrigen grünen Augen in seinem weisen, mit tiefen Falten durchzogenen Schildkrötengesicht ruhten nachdenklich auf Anakins Antlitz und lasen jede Regung von seinen Zügen ab. Oder aus unsichtbaren, tiefer gelegenen Regionen.
"Und was genau bedeutet das jetzt für mich?" fragte Anakin.
"Dass ein neues und sehr viel besseres Leben für dich anfängt, was denn sonst?" schnaubte Windu.
"Was in erster Linie heißt, dass du hier bei uns im Tempel bleiben und dich auf deine Ausbildung konzentrieren wirst", ergänzte Obi-Wan. "Du hast schon so viel Zeit verloren, Anakin... Wir müssen jetzt wirklich zusehen, dass wir dich so schnell wie möglich auf den Stand eines normalen Jedis in deinem Alter bringen. Deshalb wirst du auch von morgen an nicht mehr mit den Kindern lernen. Du bekommst Privatunterricht. Ich werde dein Tutor sein, aber wir alle werden dich so gut unterstützen, wie wir nur können."
Meister Windu gab noch ein Schnauben von sich, was mehr über seine Bereitschaft zur Unterstützung aussagte, als der frischgebackene Padawan wissen wollte.
„Wie auch immer, ich bin ganz sicher, dass du bald große Fortschritte machen wirst, Anakin." In Kenobis Stimme lag jetzt eine gewisse Schärfe. Es war klar, dass er die ablehnende Haltung seines Kollegen nicht gerade hilfreich fand. „Du wirst uns noch alle überraschen."
Er lächelte gewinnend, aber Windu sah noch skeptischer drein, wenn das überhaupt möglich war. Er war offenbar kein Freund von Überraschungen. Yoda dagegen hüllte sich weiterhin in Schweigen, ließ Anakin aber nicht eine Sekunde aus den Augen.
Anakin fühlte sich inzwischen eher ernüchtert als enthusiastisch, wenn er ehrlich mit sich selbst war. "Und was ist mit meinem Job?"
"Was für eine Frage! Den musst du natürlich aufgeben. Sofort!" rief Windu.
Also doch! dachte Anakin. Kein Wunder, dass General Gryffysmich praktisch schon abgehakt hat...
"Aber ich bin aktiver Frontoffizier!" protestierte er. "Ich kann doch nicht einfach..."
"Doch, kannst du. Musst du sogar, wenn das hier irgendeinen Sinn haben soll", unterbrach Mace Windu. Er schien Anakins Einwand als persönliche Beleidigung aufzufassen.
Obi-Wan hob beschwichtigend die Hände, eine Geste, die eindeutig mehr als nur ein erregtes Gemüt besänftigen sollte.
"Wir meinen es nur gut mit dir, Anakin", sagte er freundlich. "Niemand kann auf die Dauer ein Doppelleben führen. Irgendwann bleibt zumindest die eine Hälfte auf der Strecke. Meistens sogar beide Hälften...
Gerade in den nächsten Monaten wirst du wirklich deine ganze Zeit und Energie für dein Training brauchen. Da kannst du nicht jeden Tag zwischen einer Kaserne und dem Jedi-Tempel hin und her gondeln."
Anakin öffnete gerade den Mund zu einem weiteren Einspruch, als Yoda sich endlich zu Wort meldete.
"Auch im Gegensatz zu unserer Philosophie das würde stehen. Keine gewöhnlichen Soldaten wir Jedis sind, Padawan", dozierte er.
Es dauerte einen Moment, bis Anakin diese etwas verschwurbelte Mitteilung geistig in eine verständliche Sprache übersetzt hatte. (Als Kenobi ihm erzählt hatte, dass Meister Yoda einer extrem langlebigen Spezies angehörte und inzwischen rund neunhundert Jahre alt war, hatte er es kaum glauben können. Man stelle sich vor: Schon fast ein Jahrtausend auf dem Buckel und immer noch der Satzbau eines Randwelt-Kindes, das im ersten Schuljahr Basic lernte! Doch vielleicht war ja ein Jedi-Großmeister erhaben über die Tyrannei von Syntax und Grammatik. Vor allem dann, wenn er schon ein bisschen morsch im Dachgebälk war...) Trotzdem verwirrte ihn die Kernaussage.
"Aber ich dachte, Jedi-Ritter wären Krieger."
"Nein!"
"Ja! Von einem gewissen Standpunkt aus..."
"Ha! Das Bedürfnis nach Heldentaten und Abenteuern eines Jedis nicht würdig ist, mein junger Padawan!"
"Aber ... wozu dann das ganze Duell-Dingsda mit den Lichtschwertern?"
Anakins Blick glitt unwillkürlich über die deutlich sichtbare zylinderförmige Beule unter jeder Kutte, die den Knauf der berühmten Jediwaffe verriet. (Ja, sogar der Kobold war mit einem dieser eleganten, aber sehr effektiven Mordinstrumente ausgerüstet, Philosophie hin oder her, und Anakin hatte mit eigenen Augen gesehen, dass auch die anderen Kobolde hier schon mit Übungsschwertern herumfuchtelten, kaum dass sie dem Windelalter entwachsen waren. Also wenn das keine Heuchelei war …)
"Leider können auch wir es nicht immer vermeiden, in gewalttätige Auseinandersetzungen hineingezogen zu werden", sagte Kenobi mit einem kleinen Seufzer. "Man muss jederzeit auf alles gefasst und entsprechend vorbereitet sein. Sogar auf einer scheinbar völlig friedlichen diplomatischen Mission kann man plötzlich in lebensgefährliche Situationen kommen. Mein eigener Lehrer..." Er ließ den Satz in der Luft hängen und sah plötzlich ein wenig niedergeschlagen drein, offenbar wurde er von unerfreulichen Erinnerungen heimgesucht.
"Nur zur Verteidigung der Jedi kämpft", erläuterte Meister Yoda. "Aber niemals er angreift."
"Was nicht heißen soll, dass wir niemals in Kriege verwickelt werden, so bedauerlich das auch ist." Obi-Wan bedauerte das wirklich, es war ihm anzusehen. "Tatsächlich ist es gerade jetzt durchaus möglich, dass Kanzler Valorum sich bald an uns wendet und uns um Hilfe gegen die Separatisten bittet. In diesem Fall müsstest du vielleicht sogar kurzfristig wieder mit deinem Geschwader in den Kampf ziehen, Anakin. Natürlich wäre das nur vorübergehend..."
"Aber das wird nur dann geschehen, wenn der Kanzler uns ausdrücklich dazu autorisiert, uns der Armee anzuschließen, was er grundsätzlich nur tun kann, wenn der Senat mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit dafür stimmt – was bei diesem streitsüchtigen Verein doch eher unwahrscheinlich ist", sagte Mace Windu, der sich im verschlungenen Gewebe der republikanischen Alltagspolitik mit nachtwandlerischer Sicherheit zu bewegen schien wie eine Spinne in ihrem Netz. (Oder wie Senator Palpatine.)
Anakin fand dieses Labyrinth an Regeln und Ausnahmen und seinen eigenen Platz darin ziemlich unübersichtlich und ging deshalb lieber zum nächsten Problem über. (Und was für ein Problem!)
"Was ist mit meiner Frau? Soll sie zu mir hierher ziehen oder kann ich weiter mit ihr in unserer Wohnung leben? Und falls ja, wie oft kann ich sie dann überhaupt sehen?"
Eine entschieden unbehagliche Pause trat ein. Dann sagte Meister Windu barsch: "Streng genommen ist sie doch gar nicht deine Frau, oder? Soviel ich weiß, bist du nicht einmal mit ihr verheiratet."
Anakin errötete bis über beide Ohren. Das Thema Heirat war ihm unangenehm, zumal es zu den häufigsten Streitpunkten zwischen ihm und Taneela zählte. Sie wollte ihn schon lange unbedingt vor irgendeinen Altar zerren oder zumindest vor einen Standesbeamten, aber er hatte immer einen guten Grund gefunden, um den offiziellen Akt mit Brief und Siegel für die Ewigkeit noch eine Weile hinauszuschieben. Erst war es das Geld gewesen. (Du willst doch bestimmt eine schöne Hochzeitsfeier haben, aber solche Ausgaben können wir uns im Moment leider noch nicht leisten, Liebling). Dann seine Arbeit. (Ich bin momentan so im Stress, mein Herz, und du doch auch. Es ist einfach nicht der richtige Zeitpunkt für uns.) Und dann natürlich der Krieg. (Ich könnte jederzeit sterben, es kann mich jeden Tag erwischen ... vielleicht werde ich morgen schon abgeschossen. Und ich will dich nicht als ewig trauernde Witwe zurückzulassen. Nein, du sollst frei und ungebunden sein – egal, was mit mir passiert.)
Und zum Schluss: Lass uns damit noch eine Weile warten, Neela-Schätzchen. Nur noch ein paar Monate, dann reden wir noch mal darüber... Vielleicht nächstes Jahr?
Aber wenn sie ihn auf ein Datum festzunageln versuchte oder gar anfing, von Brautkleidern, Restaurantbuchungen, Junggesellen-Abschiedspartys und Hochzeitstorten zu reden, beschwor er unweigerlich mit beredten Worten die Tristesse einer klassischen Tatooiner Ehehölle herauf: Dieses unentwirrbare Geflecht aus Eintönigkeit, schlecht klimatisierten Schlafzimmern und dem endlosen Gezänk über den rätselhaften Schwund in der monatlichen Haushaltsbilanz oder darüber, wer für die jährliche Steuererklärung zuständig war, über vergessene Geburtstage und andere romantische Vernachlässigungen, über die unvereinbaren männlichen und weiblichen Favoriten im abendlichen Holo-TV-Programm oder über die schon wieder fällige Reparatur der chronisch verstopften Recyclinganlage und der ewig tropfenden Wasserhähne in der Küchenspüle. Zusammengefasst: dieser Alptraum an liebestötendem Stumpfsinn, in dem ihre unglückseligen Eltern dank ihrer altmodischen kleinbürgerlichen Vorstellungen und ihrer generellen Fantasielosigkeit bis zu ihrem Lebensende gefangen sein würden, dem sie beide aber zum Glück gerade noch entkommen waren.
Sollten sie sich jetzt etwa der Gefahr ausliefern, auch in diesem Käfig zu enden? Und das alles nur für eine Urkunde mit einem Stempel? Brauchte ein modernes dynamisches junges Paar … brauchte die wahre Liebe überhaupt eine Urkunde? Oder einen Stempel? Nein!
An diesem Punkt der Diskussion gab Neela für gewöhnlich auf, den Göttern sei Dank …
"Aber wir wollen heiraten … bald", behauptete Anakin, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken.
Meister Yoda keckerte wie ein ausgelassenes Eichhörnchen, was seine Art war zu lachen, dann hieb er den knorrigen Gehstock, auf den er die Bürde seines Alters stützte, auf Anakins Ellbogen, was vermutlich der höchste Punkt war, den er ohne Machteinsatz erreichen konnte.
"Willst du gar nicht, ha!"
Auf diese demütigende Weise entlarvt, blieb Anakin natürlich gar nichts anderes übrig, als auf seiner Flunkerei zu beharren. Es war eine Frage der Ehre.
"Aber sie ist meine … also sie ist die Liebe meines Lebens. Und wir werden heiraten. Bald!" sagte er trotzig.
"Es gibt Regeln, Padawan..."
"Ungeschriebene Regeln! Das ist nicht gerade in Granit gemeißelt", warf Kenobi hastig dazwischen.
"Trotzdem sollten wir uns daran halten, Obi-Wan. Zu unserem eigenen Schutz, wenn dir schon unsere Prinzipien völlig egal sind." Mace Windu sah aus der Höhe seiner unüberwindlichen und sehr überlegenen Prinzipienreiterei auf den widerspenstigen Neuzugang hinunter und sagte streng: "Ein echter Jedi sollte überhaupt keine intensiven emotionalen Beziehungen zu einer Frau oder zu irgendjemandem sonst haben. Im günstigsten Fall lenken ihn solche Bindungen nur von seinen Pflichten ab. Im schlimmsten Fall machen sie ihn verwundbar für … nicht wünschenswerte Gefühlsaufwallungen."
Anakin schob eigensinnig sein Kinn vor. "Ich werde mich auf gar keinen Fall von meiner Frau ...meiner Verlobten trennen!"
„Ich denke, wir können in diesem besonderen Fall eine Ausnahme machen", sagte Kenobi begütigend.
„Nein, können wir nicht!" Windus Gesicht sah jetzt beinahe so aus als wäre er selbst eine in Granit gemeißelte Regel.
Und Anakin war wieder mal enttäuscht, um es gelinde auszudrücken. (Tatsächlich war er zornig, wollte das aber nicht einmal sich selbst eingestehen.) Es war genauso, wie Neela … nein, wie er selbst es vorausgesehen hatte. Diese Jedis erwarteten tatsächlich von ihm, dass er alles aufgab, sein Mädchen, seinen Job, sein ganzes Sein...
Er sollte alles wegwerfen, was ihm wirklich etwas bedeutete, alles, wofür er so hart gearbeitet hatte, alles, wofür er gekämpft hatte. Und wozu? Für die zweifelhafte Ehre, dem Jedi-Orden beitreten zu dürfen wie einem elitären Club, der von seinen handverlesenen Mitgliedern völlige Unterwerfung und andere Unmöglichkeiten erwartete.
Aber war das Dasein eines Jedis denn wirklich so erstrebenswert? Als Soldat war Anakin natürlich daran gewöhnt, dass sein Tag durch Regeln und Vorschriften bestimmt wurde. Aber sogar ein Soldat hatte irgendwann Schichtende, Freiwache, Feierabend, Urlaub, wie auch immer man es nennen mochte. Und dann konnte er tun und lassen, was er wollte. Ein Soldat hatte nach Dienstschluss immer noch ein Leben, und zwar ein Privatleben. Und was hatten die Jedis? Eigentlich nur Pflichten und Verantwortungen und sonst gar nichts, soweit Anakin das bis jetzt beurteilen konnte.
Natürlich hatten sie „DIE MACHT"!
Aber war diese so verführerische, doch geradezu fanatisch gehütete und durch und durch regulierte und reglementierte Macht, die man sowieso nie so einsetzen durfte, wie man es für richtig hielt, war sie wirklich all diese Entbehrungen und Opfer wert?
Anakin dachte an seine Misserfolge, an all die Fehlschläge und Frustrationen der letzten Wochen, und er begriff plötzlich, dass er sich in einem Traum verfangen hatte wie ein Taurücken in einem gut getarnten Tusken-Schleppnetz, ein Traum, aus dem er jetzt ziemlich unsanft wachgerüttelt wurde. Er konnte förmlich sehen, wie die fantastischen, aber eher vagen Luftschlösser, die er für sich gebaut hatte, seit der silberzüngige Kenobi ihn mit verlockenden Zukunftsaussichten eingewickelt hatte, unter Donnergepolter und wirbelnden Wolken aus Mörtelstaub in sich zusammenbrachen. Zurück blieb nur ein bitterer Nachgeschmack in seinem Mund. Und der stürmische Wunsch, den Rückwärtsgang einzulegen und zu fliehen, bevor er endgültig in dieser Sackgasse strandete...
Anakin fasste einen der schnellen Entschlüsse, für die er inzwischen berühmt (und auch berüchtigt) war.
„Nein danke!" sagte er so energisch, als würde er das mit Wucherzinsen versehene und entsprechend ruinöse Kreditangebot eines skrupellosen Bankers ablehnen, der ihn eindeutig über den Tisch ziehen wollte. „Das ist nichts für mich. Gar nichts!"
Das allgemeine Schweigen, das seinen Worten folgte, war so tief und so absolut, dass das schrille Zirpen eines Ganglikäfers irgendwo auf dem Rasen in die spannungsgeladene Stille hineinklang wie ein Alarmschrei.
„Tja, das war's dann wohl. Ich hole jetzt besser gleich meine Sachen und verschwinde von hier", fuhr Anakin fort. „Tut mir Leid, dass es nicht mit uns geklappt hat", fügte er aus purer Höflichkeit hinzu, obwohl es ihm ganz und gar nicht Leid tat. Nicht wirklich. Aber wozu einen noch größeren Flurschaden hinterlassen?
Auch darauf gab es keine Antwort, aber Anakin war ohnehin der Meinung, dass in brenzligen Situationen gar keine Antwort oft die beste Antwort war. Oder jedenfalls die schmerzloseste. (Diese Lektion hatte er von seinem Vater gelernt. Und von Taneela.)
„Also dann... Man sieht sich bestimmt mal wieder – oder auch nicht!" sagte er leichthin, als würde er sich von einem völlig missglückten Date verabschieden.
Und schon machte er die militärisch-schneidige Auf-dem-Absatz-Kehrtwende, die auch später noch zu seinen Markenzeichen gehören würde (wirkungsvoll verstärkt durch einen dekorativ flatternden schwarzen Umhang), und ging auf und davon.
Das heißt, er versuchte auf und davon zu gehen, aber tatsächlich war er nur etwa vier Schritte weit gekommen, als Obi-Wan ihm nachrief:
„Anakin Skywalker! Du kannst jetzt nicht einfach so weggehen. Jetzt nicht mehr..."
Das brachte den strategischen Rückzug von Major A. Skywalker zum Stillstand, aber wie! Man konnte beinahe seine Bremsen quietschen hören.
„WAS?!" fauchte er noch während er herumwirbelte.
Kenobi sah hilfesuchend zu den beiden anderen Jedi-Meistern hinüber, aber Yoda senkte nur betrübt seine ausgesprochen ausdrucksvollen Ohren auf Halbmast und Windu schüttelte den Kopf und sagte: „Nein, Obi-Wan. Du hast ihn hierher gebracht. Erklär du es ihm."
"Was soll er mir erklären?" fragte Anakin aggressiv. Ach, es tat so gut, endlich mal wieder ganz offen aggressiv zu sein nach diesen endlos langen zweieinhalb Monaten, in denen er sein Temperament gezügelt oder unterdrückt oder sogar regelrecht vergewaltigt hatte und damit seine wahre Natur verleugnet hatte, während er sozusagen auf den Zehenspitzen herumgeschlichen war wie der sprichwörtliche zahme Wookie in einer Glasbläserei.
Kenobi näherte sich ihm so vorsichtig als wäre er selbst besagter Wookie und sein fluchtbereiter Padawan noch viel zerbrechlicher als Glas.
„Anakin, es gibt da etwas, was du noch nicht weißt", sagte er ruhig.
Anakin stemmte seine Hände in die Hüften und musterte ihn mit stummer Verachtung, still aber unbestreitbar bedrohlich, eine Pose, die in einigen Jahren den entnervten Untergebenen eines gewissen Sith-Lords signalisieren würde, dass sie sich gerade auf hauchdünnem Eis bewegten.
„Vielleicht hätte ich dir das schon früher erzählen sollen, aber ich dachte, es ist ja noch gar nicht spruchreif, solange wir nicht einmal einschätzen können, wie es um deine Fähigkeiten bestellt ist. Aber jetzt, wo wir das geklärt haben ..."
Kenobi hielt einen Moment lang inne, dann sagte er: „Nach allem, was du hier inzwischen erfahren hast, Anakin, ist dir doch sicher klar, was passieren würde, wenn ein Jedi oder irgendein anderer Machtnutzer seine Fähigkeiten nicht beherrschen kann."
„Oder sie nicht beherrschen will", warf Windu aus dem Hintergrund ein. (Er musste trotz allem seinen Senf dazugeben, der Wichtigtuer!)
Doch Kenobi ignorierte ihn dieses Mal. „So jemand wäre eine unkalkulierbare Gefahr für sich selbst und für andere. Und wenn es wirklich hart auf hart käme, könnte er tatsächlich sogar zum Risiko für die öffentliche Sicherheit werden. Das können wir natürlich nicht zulassen. Aus diesem Grund hat der Jedi-Orden schon vor Jahrhunderten eine immer noch gültige Vereinbarung mit der Regierung getroffen. Wer über ein Machtpotenzial verfügt, das über ein extrem niedriges und damit harmloses Level hinausgeht, muss sich dem Orden anschließen ... oder zumindest unter seiner Kontrolle bleiben … oder aber die Konsequenzen tragen, wenn er beides verweigert.
Tatsächlich gibt es sogar ein Gesetz, das diese Sonderfälle regelt. Du wirst nie davon gehört haben, denn das alles unterliegt einer Verschwiegenheitsklausel und das ist auch gut so. Es ist weder in unserem Interesse noch im Interesse der Republik, dass diese Angelegenheit an die große Glocke gehängt wird. Die meisten Leute würden es einfach nicht verstehen und nur unnötig in Panik geraten."
In Panik geraten …
Anakin hatte das deutliche Gefühl, dass ihm gerade der Boden unter den Füßen weggezogen worden war. Noch hing er regungslos in der Luft, als wäre die Zeit stehengeblieben und damit alle Gesetze der Physik aufgehoben, aber jeden Augenblick würde die Schwerkraft ihn wieder einholen und er würde fallen, in einen endlos tiefen pechschwarzen Abgrund hineinstürzen. Er war in Panik!
„Was für eine Kontrolle? Was für Konsequenzen?" fragte er heiser. Ihm war, als wären sein Mund und seine Kehle mit Asche gefüllt, als würde er langsam ersticken. Er konnte kaum sprechen.
„Es gibt da Medikamente, Psychopharmaka, die den Zugriff auf die Macht dämpfen oder sogar völlig unterbinden, wenn die Dosis hoch genug ist", sagte Kenobi leise.
Drogen! Sie wollten ihn unter Drogen setzen! Er würde nie wieder fliegen können …
„Leider haben diese Mittel immer sehr starke Nebenwirkungen. Ich habe Fälle gesehen… wirklich tragische Fälle... Die Betroffenen waren gar nicht mehr sie selbst. Sie waren nur noch ein Schatten von dem, was sie einmal waren, eine Karikatur von dem, was sie hätten sein können. Ich denke, du verstehst, was ich meine, Anakin."
Ja, Anakin verstand es nur allzu gut. Nicht mehr fliegen? Er würde gar nichts mehr machen können, absolut gar nichts! Er würde ein Zombie sein … vielleicht sogar völlig katatonisch ... lebendes Gemüse, das in einer Ecke hockte und vor sich hin dämmerte ... womöglich auch noch vor sich hin sabberte … vielleicht sogar allen Körperfunktionen hilflos ausgeliefert war!
Dann lieber tot! dachte er fiebrig. Aber vielleicht gab es ja doch noch eine Alternative zum rituellen Selbstmord …
„Und wenn ich mich weigere, dieses Zeug zu nehmen? Was dann?"
„Dann werden sie dich einsperren, Skywalker", erwiderte Windu hart. „Sie werden dich irgendwo in irgendeinem Hochsicherheitstrakt einlagern, wo du niemandem mehr Ärger machen kannst. Und dann werden sie wahrscheinlich den Schlüssel zu deiner Zelle verlieren – mit Absicht."
„Mace! Also wirklich!" stöhnte Kenobi. „Muss das sein?"
„Ja, es muss! Er muss wissen, was ihm blüht, bevor er hier einen Zwergenaufstand macht oder wegläuft oder auf andere schräge Ideen kommt. Es hat keinen Sinn, noch länger um den heißen Brei herumzureden, Obi-Wan. Es ist, wie es ist. Er muss sich damit abfinden, ob er will oder nicht."
Anakin fühlte eine kalte Wut in sich aufbranden, die stärker war als alles, was er bis dahin jemals in dieser Richtung empfunden hatte. Es war wie ein Tsunami, eine zerstörerische Riesenwelle mit einer Gischtkrone aus blinder Rachsucht. Die Arglist, die schiere Hinterhältigkeit, mit der diese Intriganten ihn in die Falle gelockt hatten …
Ja genau! Eine Falle und was für eine! So heimtückisch wie Treibsand... Er würde nie wieder herauskommen … Er würde darin untergehen und sterben...
Oder vielleicht doch nicht?
In diesem sinkenden Augenblick fiel ihm der einzige Mann ein, dem er jetzt noch vertrauen konnte. Der einzige Mann weit und breit, der möglicherweise sogar mächtig genug war, um ihm zu helfen, auch wenn er nicht über „DIE MACHT" verfügte: Sheev Palpatine!
„Beruhige dich, Anakin. Das ist doch nicht das Ende der Welt – ganz im Gegenteil. Es wird sich alles bald einrenken, du wirst sehen. Es wird dir schon noch bei uns gefallen, wenn du dich erst mal richtig angepasst ... äh … eingewöhnt hast. Und wir werden auch eine Lösung für dich und deine … Verlobte finden, das verspreche ich dir. Alles wird gut", sagte Kenobi in seinem väterlichsten Tonfall.
Lügner! dachte Anakin wild. Verlogener Bastard!Das ist alles nur deine Schuld. Aber das zahle ich dir eines Tages noch heim …
„Was für ein Theater", murmelte Windu.
„Zu alt er ist! Gleich von Anfang an gesagt habe ich dir das, Obi-Wan, ja? Zu alt und zu sehr an seine Freiheit, an die Welt da draußen gewöhnt", sagte Yoda.
Euch allen zahle ich das heim. Eines Tages …
Anakin wirbelte erneut herum und ging einfach. Er würde nie so tief sinken, hier für irgendetwas um Erlaubnis zu bitten, soviel stand fest.
„Padawan Skywalker!" donnerte Windu, fassungslos über soviel Sturheit und Flegelhaftigkeit.
„Wo willst du denn hin?" rief Kenobi besorgt.
„Keine Angst. Ich laufe schon nicht weg. Ich besuche nur einen Freund. Den einzigen echten Freund, den ich habe", erwiderte Anakin, ohne dem Kerkermeister-Trio auch nur einen Blick über die Schulter zu gönnen. „Das darf ich ja wohl noch… Oder bin ich jetzt schon ein Gefangener?"
„Nein, natürlich nicht. Geh ruhig, Anakin."
„Obi-Wan!" zischte Windu, der seinen Ohren nicht traute. „Wenn du ihm das durchgehen lässt..."
„Es ist sein gutes Recht", sagte Kenobi mit einer Spur von Resignation. „Und wir wollen es doch nicht noch schlimmer machen als es jetzt schon ist, oder?"
"Viel Zorn in ihm ist", seufzte Yoda.
"Eine richtige Dramaqueen in ihm ist", murrte Mace Windu in bewusster Nachahmung des alten Großmeisters.
Das war das Letzte, was Anakin hörte, als er steifbeinig davon stakste.
Er wusste nie wirklich zu sagen, wie er danach in den Manarai-Bezirk gekommen war, wo die Reichen und Schönen von Coruscant wohnten. Er erinnerte sich nur noch vage an eine völlig chaotische Taxi-Fahrt mit einem sehr cholerischen Twilek, der durch die Gegend raste wie ein Mynock unter Spiceeinfluss und aus unerfindlichen Gründen einen ununterbrochenen Schwall von Beleidigungen aus seinem heruntergekurbelten Fenster hinaus kreischte, wortgewaltige Schmähungen, die an die hirnbefreiten übrigen Verkehrsteilnehmer, an zu Folterwerkzeugen umprogrammierte Ampelanlagen, an rücksichtslose Polizeistreifen und an verschiedene verdammungswürdige Gottheiten gerichtet waren.
Als Anakin endlich wieder aus dem mit Graffiti verzierten Gefährt klettern durfte, das soeben nach einem absolut wahnwitzigen Tauchmanöver durch fünf Ebenen aus hysterisch hupenden Vehikeln auf dem Flugdeck von Senator Palpatines vornehmer Villa gelandet war, fühlte er sich ziemlich benommen und sogar ein bisschen wackelig auf den Beinen. Er schrieb seinen angegriffenen Zustand dem Schock zu, den er kurz zuvor erlitten hatte. (Aber er verabscheute es grundsätzlich, wenn er nicht selbst am Steuer saß. Seiner Meinung nach war er nämlich mit Abstand der einzige Pilot, dem wahnwitzige Flugmanöver aller Art zustanden.)
Und dass der Senator gerade im Begriff war, zusammen mit einer größeren Gruppe elegant gekleideter Personen in eine riesige Schwebelimousine zu steigen, munterte ihn auch nicht unbedingt auf. Offenbar erfolgte sein Besuch in einem ausgesprochen ungünstigen Moment. Ausgerechnet heute! So ein Pech...
Trotzdem ging er auf Palpatine zu und sprach ihn an.
„Guten Abend, Exzellenz."
Der Senator drehte sich um und machte große, erstaunte Augen als er seinen unerwarteten Gast entdeckte.
„Na so was! Wenn das nicht unser Major Skywalker ist. Schon lange nicht mehr gesehen, wie?"
Obwohl Palpatines Stimme völlig neutral blieb, befürchtete Anakin sofort, dass der Senator ihm immer noch grollte.
Mit dem Mut der Verzweiflung sagte er: „Es tut mir Leid, Sie zu stören, aber haben Sie vielleicht einen Augenblick Zeit für mich, Exzellenz?"
„Leider nicht. Ich bin gerade dabei, mit diesen charmanten Leuten hier in die Oper zu gehen. Sie geben dort heute Abend den Feuersee. Eine brandneue Inszenierung und Thullia Milanno singt beide Hauptrollen, den großen und den kleinen Phönix. So eine Sensation darf ich nicht verpassen", erwiderte der Senator. „Dass Sie gerade jetzt kommen müssen. Ausgerechnet heute! So ein Pech..."
Anakin war kein Opern-Enthusiast und in seiner gegenwärtigen Gemütsverfassung wäre es ihm sogar völlig egal gewesen, wenn Madame Milanno, eine galaxisweit verehrte Sopranistin, auf offener Bühne in Flammen aufgegangen wäre. Ja, es lag mit Sicherheit an seinem verstörten Zustand, dass ihm gar nicht wirklich auffiel, dass Palpatine gerade laut ausgesprochen hatte, was er nur Sekunden zuvor gedacht hatte. Wortwörtlich.
Wenn Vader später an diesen bedeutenden Wendepunkt in seinem Leben zurückdachte, dann wunderte er sich immer wieder darüber, wie haarsträubend naiv sein früheres Selbst gewesen war. Wäre Anakin damals etwas cleverer oder vielleicht auch nur etwas wachsamer gewesen, dann hätte er sofort gemerkt, dass Palpatine gerade den ersten Kniff aus Kenobis Trickkiste ausgepackt und zum Besten gegeben hatte, was immerhin gewisse Schlussfolgerungen erlaubt hätte.
Aber so stand er einfach nur mit hängenden Armen da und sah den Senator an wie ein verwaister Welpe, der von hartherzigen Besitzern bei strömendem Regen auf der Straße ausgesetzt worden war, und dieser Blick blieb nicht ohne Wirkung …
Palpatine nahm seinen Besucher näher in Augenschein und rief: „Aber Sie sehen ja schrecklich aus, mein Junge! Sie sind ja weiß wie ein Bettlaken. Ist etwas passiert?"
„Ja, Exzellenz", sagte Anakin matt. „Diese Jedis … Sie hatten vollkommen Recht. Man kann denen nicht über den Weg trauen. Die haben mich reingelegt, richtiggehend reingelegt. Und jetzt bin ich in Schwierigkeiten … in großen Schwierigkeiten."
„Genau das habe ich befürchtet. Oh, wie ich es hasse, immer Recht zu haben!" sagte der Senator mit Nachdruck, aber da war ein winziger Schimmer von Genugtuung in seinen grauen Augen. Offenbar hasste er es nicht wirklich, wenn er Recht behielt.
„Ich muss unbedingt mit Ihnen reden … wenn es Ihnen nicht zu ungelegen kommt."
„Aber keineswegs", erklärte Palpatine mit einer wegwerfenden Handbewegung. „Die Milanno kann ich auch noch am Wochenende bei der Matinee sehen. Premieren sind sowieso eine Heimsuchung. Das ganze Haus ist hoffnungslos überfüllt mit neureichen Parvenüs und anderen vulgären Kunstbanausen, die sich nur sehen lassen, damit niemand merkt, wie neureich und vulgär sie sind. Darauf kann ich gut verzichten."
„Ich will mich aber wirklich nicht aufdrängen, Exzellenz..."
„Ach was!" Der Senator fegte Anakins Befangenheit mit einer weiteren wedelnden Geste weg und wandte sich dann an sein Gefolge, das bereits mit wachsender Ungeduld in seinem Wagen wartete. „Meine lieben Freunde!" säuselte er. „Ich kann Sie jetzt leider doch nicht begleiten. Hier ist ein Notfall, der meine ganze Aufmerksamkeit erfordert. Natürlich steht Ihnen meine Loge trotzdem zur Verfügung. Genießen Sie die Aufführung und das fabelhafte Catering, das Sie alle in der Pause erwartet."
Ein Chor aus bedauernden Zwischenrufen erhob sich in der Limousine. Ein paar der Insassen sandten abschätzende oder offen feindselige Blicke in die Richtung des Notfalls, der ihnen gerade den Abend verdorben hatte, VIP-Loge hin, VIP-Catering her. Doch Palpatine schenkte ihnen keinerlei Beachtung.
„Kommen Sie mit, mein armer Junge. Sie sehen so aus, als könnten Sie einen ordentlichen Drink vertragen. Na, nun kommen Sie schon!"
Anakin trottete gehorsam hinter ihm her und fand sich kurz darauf in einem großen plüschigen Sessel im Arbeitszimmer des Senators wieder, ein ziemlich volles Glas mit irgendeinem alkoholischen Getränk in der Hand.
„Runter damit!" kommandierte Palpatine und nippte an seinem eigenen Glas, das eine vergleichsweise bescheidene Menge der gleichen goldbraunen Flüssigkeit enthielt.
Anakin leerte sein Glas auf einen Zug. Danach fühlte er sich tatsächlich ein klein wenig besser.
„So!" sagte der Senator, der sich hinter seinen Schreibtisch gesetzt hatte um anzudeuten, dass nach der Bewirtung von Anakin und der Wiederbelebung seiner Lebensgeister der ernsthafte Teil der Unterhaltung begann. „Und jetzt erzählen Sie mir haargenau, was geschehen ist."
Und Anakin schüttete sein Herz aus – ausgiebig! Dabei geriet er zunehmend wieder in Wut. Seine Stimme wurde lauter und lauter, die letzten Sätze brüllte er. (Es war ein Glück, dass der Senator in weiser Voraussicht sofort die Audio-Abschirmung seines Büros aktiviert hatte, sonst hätte man das Geschrei bis auf den Flur hinaus gehört.)
Palpatine lauschte, ohne ihn zu unterbrechen, seine Ellbogen auf der schimmernden Marmorplatte seines Schreibtisches aufgestützt und seine Fingerspitzen zusammengepresst, was bei ihm ein Zeichen von intensiver Konzentration war, wie Anakin inzwischen wusste.
„So ist das also", sagte er, als sein Gast fertig war. „Ich kann nicht sagen, dass ich überrascht bin. Das Ganze ist so typisch für die Jedis. Vielleicht hätte ich Sie doch schon vorher warnen sollen."
Anakin kam nie auf die Idee, den Senator zu fragen, warum er es dann nicht einfach getan hatte. (Er war zu aufgeregt, um sich auch noch mit solchen unwichtigen Kleinigkeiten abzugeben. Erst der Sithlord in ihm sollte sich gelegentlich fragen, ob Palpatine ihn damals mit voller Absicht in das offene Messer hatte rennen lassen, um ihn danach umso leichter auf seine Seite zu ziehen.)
Was nun den Senator anging, so kam er auch nie auf die Idee, sein diskretes Schweigen zu erklären. (Sogar der Imperator ließ diesen Aspekt ihrer gemeinsamen Vergangenheit lieber ruhen, obwohl er normalerweise ganz gerne ein wenig stichelte, wenn er in der entsprechenden Laune war. Aber es gab einige Themen, bei denen auch er es vorzog, die schlafenden Hunde nicht zu wecken.)
„Schlimm, wirklich schlimm. Und was haben Sie jetzt vor?"
Anakin fiel aus allen Wolken. Mit dieser Frage hatte er nicht gerechnet. Eigentlich war er hierher gekommen, um sich von Palpatine darüber beraten zu lassen, was jetzt zu tun war. Er hatte erwartet, dass ihm sofort tatkräftige Unterstützung angeboten wurde, am besten so eine Art Patentlösung für die ganze Misere. Jetzt aber sah er, dass der Senator Eigeninitiative von ihm erwartete. Er dachte angestrengt nach. Was konnte er in dieser verfahrenen Angelegenheit überhaupt noch tun?
„Ich ... glaube, ich brauche jetzt einen Anwalt", sagte er zögernd. „Einen guten Anwalt. Den besten, den ich anheuern kann. Ich … werde die Regierung verklagen."
„Ah ja? Weswegen?"
Anakin fühlte sich jetzt wirklich etwas überfordert. Immerhin hatte er sich noch nie mit juristischen Spitzfindigkeiten herumschlagen müssen. Zum Glück war Taneela Fan einer täglich gesendeten Realityshow, in der angeblich echte Kriminalfälle vor einem Fake-Gericht verhandelt wurden. (Einige Kanäle des Holo-TVs erfüllten tatsächlich immer noch ihren Bildungsauftrag gegenüber der Bevölkerung – jedenfalls behaupteten sie das.)
Natürlich waren Anakins Einblicke in diese ziemlich reißerisch aufgemachte Parallelwelt der Justiz eher sparsam gesät, weil er persönlich die aktuellen Nachrichten bevorzugte und im Anschluss daran möglichst episch angehauchte Kriegsfilme, in denen kantige und komplizierte Männer verlustreiche Siege erkämpften und fast immer den Heldentod starben, wenn sie nicht gerade in letzter Sekunde von aufopferungsbereiten Kameraden gerettet wurden. Daher jagte er der Liebe seines Lebens meistens sofort die Fernbedienung ab, sobald er sich abends auf die gemeinsame Couch warf.
Aber manchmal zeigte Neela ihre Krallen (buchstäblich – Anakin hatte meistens irgendwo ein paar halbverheilte Kratzer zum Beweis) und dann musste er es hinnehmen, sich eine Viertelstunde lang (oder auch etwas länger) die absurden Plädoyers von geschniegelten Pseudo-Strafverteidigern anzuhören, danach die höhnischen Repliken von leicht erregbaren Pseudo-Staatsanwälten und zum Schluss die überraschend harschen Urteile von Pseudo-Richterinnen, die alle so aussahen, als kämen sie direkt aus einer Model-Agentur. (Was sie wahrscheinlich auch taten.)
Aus diesem Grund war er immerhin nicht völlig unbedarft, was das Thema Rechtsprechung anging, und seine Erkenntnisse aus zweiter oder vielmehr dritter Hand erwiesen sich jetzt als erstaunlich fruchtbar, wie er feststellte.
„Wegen… wegen Diskriminierung... Nötigung... Freiheitsberaubung… vorsätzlicher Körperverletzung... und seelischer Grausamkeit!" sprudelte er schließlich heraus.
Senator Palpatine lachte. Er hatte ein sympathisches Lachen, das offen und herzlich wirkte (solange man ihm dabei nicht in die Augen sah, die immer eiskalt blieben). Es hatte nicht die geringste Ähnlichkeit mit dem krächzenden manischen Gekicher, das er in rund zwanzig Jahren absondern würde, sobald ihn etwas amüsierte.
„Eines muss man Ihnen lassen, mein lieber Junge: Sie haben wirklich Kampfgeist. Den werden Sie auch brauchen..."
„Glauben Sie, dass ich eine Chance habe, Exzellenz?" fragte Anakin hoffnungsvoll.
Doch die Antwort des Senators fiel niederschmetternd aus.
„Nein. Nicht die geringste. Sogar wenn Sie einen Anwalt finden, der mutig genug ist, sich auf so etwas einzulassen, werden Sie auf jeden Fall scheitern. Man wird Ihre Klage einfach abweisen."
Anakin war erschüttert. „Warum?"
„Weil das hier ein wirklich heißes Eisen ist. Es wäre ein absoluter Präzedenzfall, der unsere ach so demokratischen Grundsätze total in Frage stellen würde – von der angeblichen Harmlosigkeit der Jedis ganz zu schweigen! Es würde zweifellos trotz der Verschwiegenheitsklausel irgendwie durchsickern und einen riesigen Presserummel auslösen, einen Skandal, der die ganze Republik in ihren Grundfesten erschüttern könnte. Deshalb wird man es niemals zulassen, dass diese Sache vor Gericht geht. Es wird nie zu einem Prozess kommen. Aber Ihnen wird man so schnell wie möglich den Mund stopfen, mein armer Junge. Sie können hier nur verlieren und das haushoch."
Anakin brachte kein Wort mehr heraus. Ihm war, als hätte man ihm bereits den Mund gestopft.
„Nur der Senat könnte dieses Gesetz kippen. Aber dazu müsste es einen offiziellen Antrag geben, eine formelle Eingabe, die natürlich genauso abgebügelt werden würde wie eine Klage. Nein, was Sie jetzt wirklich brauchen würden, das wäre jemand in der Exekutive, der so hoch sitzt, dass er für Sie und nur für Sie allein eine einmalige Ausnahmeregelung herausschlagen könnte."
Anakin verzog den Mund, als hätte er in eine besonders saure Sitrella-Frucht gebissen. Das Wort Ausnahmeregelung erinnerte ihn unweigerlich an die leeren Versprechungen von Kenobi, diesem Betrüger.
„Leider kann in diesem speziellen Fall nur der Kanzler höchstpersönlich so eine Ausnahme genehmigen. Es müsste also jemand direkt zu Valorum gehen und ihn darum bitten."
Anakin sah ihn flehend an, aber Palpatine schüttelte den Kopf.
„Ich kann Ihnen hier leider gar nicht helfen, junger Skywalker. Der Kanzler und ich stehen in ganz verschiedenen politischen Lagern, die inzwischen so weit auseinander gedriftet sind, dass an eine Einigung überhaupt nicht mehr zu denken ist, nicht einmal an Kooperation. Wir hatten deswegen schon den einen oder anderen Grabenkampf und die Fronten sind verhärtet, um es milde auszudrücken. Valorum würde weder für mich noch für meine Schützlinge auch nur einen Finger rühren. Im Gegenteil, er würde uns eher schaden, wenn er könnte. Deshalb kann ich auch keinen meiner … nun ja, nennen wir sie mal Mitstreiter ... vorschicken, damit er das für mich erledigt. Valorum weiß nur zu genau, wer zu mir gehört. Jede Einmischung von meiner Seite würde also nur dazu führen, dass Sie postwendend da landen, wo Sie auf keinen Fall hinwollen."
„Und wenn ich einfach selber zu Valorum gehe? Schließlich bin ich nicht irgendjemand. Der Kanzler kennt mich – nur flüchtig, aber immerhin. Wir sind uns schon ein paarmal über den Weg gelaufen – bei der letzten Siegesfeier zum Beispiel – und er hat sogar ein paar Worte mit mir gewechselt. Vielleicht würde er es ja für mich tun, wenn ich ihn persönlich darum bitte … wenn ich ihm erkläre, dass ich kein Jedi werden will, dass ich lieber weiter als Pilot meinen Dienst versehen will … Das muss er doch einsehen", meinte Anakin.
„Also das bezweifle ich", erwiderte Palpatine. „Sie vergessen das Ansehen, das die Jedis bei Leuten wie Valorum genießen. Er würde nie etwas tun, was den Orden brüskieren könnte. Er wird sich eher auf den Standpunkt stellen, dass Sie sich glücklich schätzen sollten, dazu gehören zu dürfen. Nein, von dieser Seite her können Sie kein Verständnis erwarten."
„Dann bin ich verloren", sagte Anakin düster. „Die machen einen Sklaven aus mir! Komplett mit Ketten und einem Chip in meinem Kopf, der explodiert, sobald ich einen Schritt zu viel mache."
„Nicht so schnell! Es gibt vielleicht noch eine andere Möglichkeit diese Ketten zu sprengen, ohne dass dabei Ihr Kopf ebenfalls in die Luft fliegt. Aber das würde viel Zeit und noch mehr Geduld erfordern. Können Sie geduldig sein, mein Junge?"
„Ich weiß nicht. Kommt drauf an, würde ich sagen. Was für eine Möglichkeit?"
Palpatine stand auf und kam hinter seinem Schreibtisch hervor. Er ging zu Anakin hinüber und setzte sich in den Sessel, der ihm genau gegenüber stand. Er beugte sich ein wenig vor und sagte so gedämpft, als würde er Wanzen in seinen wertvollen Wandteppichen befürchten: „Was wäre, wenn wir einen neuen Kanzler hätten? Einen Kanzler, der Ihnen gewogen ist und Sie im Handumdrehen von diesem Joch befreien würde?"
„Das wäre natürlich die optimale Lösung", gab Anakin zu. „Aber ich sehe nicht, wie das funktionieren soll. Valorum ist praktisch schon ewig im Amt und die neue Legislaturperiode hat doch gerade erst angefangen. Die nächsten Wahlen sind noch Jahre entfernt und ich fürchte..."
„Wer redet denn hier von Wahlen?" sagte der Senator scharf. „Es gibt auch noch andere Mittel und Wege, um einen Kanzler loszuwerden, der sein Verfallsdatum sowieso schon längst überschritten hat."
Anakin schluckte. „Exzellenz", stammelte er. „Wollen Sie damit etwa andeuten...?"
„Ich deute hier gar nichts an!" erwiderte Palpatine frostig. „Ich spreche nur von einem wohlverdienten Misstrauensvotum, das Valorum dazu zwingen würde, entweder freiwillig zurückzutreten oder dabei zuzusehen, wie er aus seinem Amt und aus seiner Residenz rausgekickt wird – eine öffentliche Erniedrigung, die er sich bestimmt lieber ersparen würde."
Er legte eine Kunstpause ein und betrachtete seinen Gesprächspartner, bevor er etwas milder fortfuhr: „Reden wir doch einmal ganz offen miteinander, mein Junge. Valorum ist ein Schwächling – jeder weiß das. Tatsächlich hat der Mann überhaupt kein Rückgrat – man fragt sich wirklich, wie er es überhaupt schafft, aufrecht zu gehen. Und sein politischer Weitblick entspricht ungefähr der Sehkraft einer nachtblinden Eule.
Es ist kein Wunder, dass die Separatisten uns seit Jahren auf der Nase herumtanzen. Hätten wir einen starken fähigen Kanzler, der nicht zu feige ist, auch harte unpopuläre Entscheidungen zu treffen, wäre es niemals zu diesem Krieg gekommen. Die Separatisten hätten es einfach nicht gewagt, die Republik anzugreifen. Der Krieg, in dem wir uns jetzt befinden, ist also die unvermeidliche Folge einer ganzen Reihe von katastrophalen Fehlern, die die gegenwärtige Regierung gemacht hat und weiterhin macht.
Sie wissen doch selbst am besten, junger Skywalker, dass es gerade jetzt dringend nötig wäre, neue Truppen auszuheben. Auch müssten wir mal wieder ordentlich aufrüsten. Doch bei der Misswirtschaft, die hier seit Jahrzehnten getrieben wird, ist natürlich nie genug Geld da für die wirklich wichtigen Dinge. Aber Hilfsprojekte hier und Finanzspritzen da ... Jede rückständige Welt, deren Gouverneur den Mund weit genug aufreißt, bekommt die Credits von allen Seiten reingestopft. Und jede Hinterwäldler-Kolonie irgendwo im Nirgendwo hängt an unserer Staatskasse wie ein verhungernder Vampir an einem Beutel Blutplasma.
Allein da gehen schon Milliarden drauf, aber ich könnte Ihnen noch tausend Beispiele mehr dafür nennen, wofür unsere Steuergelder verschwendet werden...
Schulspeisung für arme kleine Kinder, deren Eltern lieber den ganzen Tag auf der faulen Haut liegen, statt sich mal ihrer Verantwortung zu stellen! Immer mehr Unterstützung für all die Schmarotzer in den Slums, die einfach nicht für ihren Lebensunterhalt arbeiten wollen! Kostenlose medizinische Behandlungen und Renten für jeden Hypochonder, der von Arzt zu Arzt rennt und sich mit ihren Attesten ein flottes Leben macht … Und was noch alles!
Aber dieser ganzen verkalkten Liberalen-Riege im Senat mit ihrem wachsweichen Pazifismus und ihrem ewigen Gejammer von sozialer Gerechtigkeit ist das immer noch nicht genug. Ich sage Ihnen, wenn es um Reformen geht, sind die Liberalen ein einziger Bremsklotz!
Und der Rest ist auch nicht viel besser. Eine Bande von duckmäuserischen Jasagern, die sich schon aus Gewohnheit oder einfach aus purer Trägheit immer der Mehrheit anschließen.
Natürlich versuchen wir in der Opposition alles, um den Staatsbankrott und den völligen Untergang zu verhindern, aber unter diesen Umständen können wir nicht viel mehr machen, als selber zu bremsen, wo es nur geht. Wir sind sozusagen die Notbremse...
Aber so kommen wir nicht weiter. Wir stagnieren, wir treten auf der Stelle. Nichts ändert sich, alles bleibt, wie es ist. Und deshalb ist es wirklich höchste Zeit für einen Wechsel an der Spitze. Wir brauchen jemanden, der Mumm hat, jemanden, der auch mal mit der Faust auf den Tisch schlägt, jemanden, der nicht davor zurückscheut, den ganzen Senat mit der Peitsche vorwärtszutreiben, wenn es sein muss. Wir brauchen jemanden wie … mich."
Anakin war perplex und fasziniert zugleich von Palpatines Rede. Vieles von dem, was der Senator sagte, schlug bei ihm genau die richtige Saite an, weil es ein Echo seiner eigenen Gedanken war. Es lag wirklich vieles im Argen in der angeblich so großartigen Republik, vor allem, was die militärischen Belange anging. Er lauschte dem Klang von Palpatines Worten nach und er fand, dass es gut klang ...
„Ja, junger Skywalker, jetzt ist die Katze aus dem Sack. Ich will Kanzler werden, das ist mein Ziel. Und ich werde das eines Tages auch erreichen, denn ich werde alles tun, was dafür notwendig ist. Und wenn es erst mal so weit ist, dann werde ich gründlich aufräumen. Hier auf Coruscant und auf jeder anderen Welt, die zur Republik gehört – oder in Zukunft zu ihr gehören wird. Denn mit den Separatisten und ihrem ganzen Unsinn von Selbständigkeit und Unabhängigkeit mache ich als allererstes Schluss, sobald ich die Zügel in der Hand habe...
Und dann … wer weiß, was dann alles möglich ist", sagte Palpatine träumerisch. „Eine Republik ist wirklich nicht die beste Regierungsform, das sehen wir hier doch jeden Tag. Nein, ich könnte mir auch etwas anderes vorstellen. Etwas ganz anderes. Etwas … Effizienteres."
Anakin wurde plötzlich ein wenig mulmig zumute, was möglicherweise auch damit zu tun hatte, dass er gerade eine nicht unerhebliche Menge corellianischen Brandy oder sonstwas auf nüchternen Magen getrunken hatte. Oder war es … etwas ganz anderes?
Als Offizier hatte er immerhin einen Eid auf die Verfassung abgelegt. Er hatte geschworen, der Republik nach bestem Wissen und Gewissen zu dienen und sie gegen alle äußeren und ja, auch gegen alle inneren Feinde zu verteidigen. Was der Senator da von sich gab, hörte sich zwar sehr plausibel an, aber es roch auch verdächtig nach dem, was jemand wie General Gryffys als Anstiftung zur Meuterei bezeichnet hätte. Es roch nach Verschwörung. Nach Hochverrat …
Andererseits versagte die Republik wirklich auf jedem nur denkbaren Gebiet – besonders bei den Randwelten. Hilfsprojekte? Finanzspritzen? Von so etwas hatten die Bewohner von Tatooine jedenfalls noch nie gehört und Anakin hätte seine Hand dafür ins Feuer gelegt, dass ihre Nachbarn in den nächstgelegenen Sternsystemen auch nichts davon wussten. In dieser Ecke der Galaxis gab es überhaupt keine staatlichen Wohlfahrtsmaßnahmen. Entweder man sorgte selbst für soziale Gerechtigkeit, indem man sich sein Leben lang abrackerte, oder man verhungerte mit Kind und Kegel, so einfach war das.
Aber eine Regierung, die zuließ, dass nur manche Welten in den gut gefüllten Steuertopf greifen durften, während andere leer ausgingen, war von Grund auf ungerecht. Und eine Regierung, die zuließ, dass unschuldige junge Männer behandelt wurden wie Schwerverbrecher, nur weil sie rein zufällig mit gewissen esoterischen Gaben geboren worden waren, war mehr als nur ungerecht. Sie war selber verbrecherisch! Und sie hatte es wirklich nicht verdient, dass man sie verteidigte oder womöglich sogar bei ihrer Verteidigung starb.
Vielleicht hatte der Senator ja auch in diesem Punkt Recht. Vielleicht war es tatsächlich an der Zeit für eine andere ... für eine effizientere Form der Regierung.
Palpatine schien Anakins Gedankengänge irgendwie von seiner Nasenspitze abzulesen, denn er lächelte jetzt, gütig und ein wenig gönnerhaft.
„Aber vor so einemgroßen und kühnen Schritt müssten wir natürlich zuerst die Jedis ausschalten, denn sie wären in diesem Fall der größte Bremsklotz von allen", sagte er seidenglatt. „Und hier würden Sie ins Spiel kommen, mein Junge."
„Ich?!" Anakin war etwas konsterniert.
„Natürlich Sie! Wer sonst? Ich … Meine Partei und ich … Wir halten schon lange Ausschau nach einem Kandidaten wie Ihnen."
Anakin wurde ein wenig misstrauisch. „Was meinen Sie damit?"
„Ich meine jemanden, der mit seiner Situation unzufrieden ist … oder der nicht dazu bereit ist, sich von völlig lebensfremden und geradezu unmenschlichen religiösen Doktrinen versklaven zu lassen", korrigierte der Senator hastig, als Anakins Miene sich verfinsterte.
„Und warum?"
„Weil wir jemanden brauchen, der uns etwas mehr Einblick in die interne Struktur des Ordens verschafft und uns über seine Vorgehensweise informiert. Mit anderen Worten: Sie könnten die Jedis ganz allgemein im Auge behalten und mich über alles, was im Tempel oder sonstwo vor sich geht, auf dem Laufenden halten."
„Aber warum?"
Palpatines onkelhaftes Lächeln erlosch plötzlich und sein Mund verwandelte sich in einen dünnen Strich, als er in einem Anfall von Missbilligung die Lippen zusammenkniff. Anakin begriff, dass er zu viele Fragen stellte.
„Verzeihen Sie, Exzellenz. Ich wollte nicht..."
„Schon gut. Es ist ganz normal, dass Sie neugierig sind. Außerdem ist Neugier ein Zeichen von Intelligenz." Der Senator überlegte einen Moment lang, dann sagte er: „Sehen Sie, junger Skywalker, der Jedi-Orden und die Republik haben eine geradezu symbiotische Beziehung zueinander… ungefähr wie Ameisen und Blattläuse, wenn Sie verstehen, was ich damit meine."
Anakin verstand es nicht ganz – auf Tatooine gab es keine Blattläuse, was angesichts der nur spärlichen Vegetation dort ein wahrer Segen war. Aber er nickte vorsichtshalber, um Palpatine nicht noch mehr zu provozieren. (Im Stillen nahm er sich allerdings vor, so schnell wie möglich im Holo-Net etwas über die Insektenwelt von Coruscant zu lesen. Oder vielleicht besser über die von Naboo, denn das war die Heimatwelt des Senators.)
„In einer Symbiose kann die eine Spezies nicht ohne die andere leben … oder jedenfalls nicht besonders gut. Sie brauchen sich gegenseitig, sie sind voneinander abhängig. Wenn also irgendeine Bedrohung auftaucht … sagen wir mal ein Überfall durch Schlupfwespen … wird die etwas stärkere und kampflustigere Art alles tun, um ihren schwächeren wehrlosen Partner zu retten, damit ihre Zweckgemeinschaft erhalten bleibt.
Der Jedi-Orden ist so etwas wie ein Ameisenhaufen, der seine Blattlauskolonie um jeden Preis schützen würde. Deshalb werden wir ihn leider zerstören müssen. Das ist hart, das ist traurig, aber das Ökosystem wird es überleben. Es wird im Handumdrehen neue Blattläuse produzieren und andere bessere Ameisen, die sich wieder um sie kümmern. Und schon geht alles wieder seinen Gang … nur viel besser als zuvor. Denn das ist der Sinn und Zweck von Evolution: Was schwach, fehlerhaft und nutzlos ist, das stirbt unweigerlich aus. Und wird prompt durch etwas ersetzt, das stark, perfekt und nützlich ist. Wenn wir also am Ende die Jedis auslöschen und die Republik vernichten, dann folgen wir praktisch nur einem Naturgesetz!"
Der Senator erhob sich erneut und baute sich vor Anakins Sessel auf. Er war eher klein von Statur und niemand hätte ihn eine Augenweide genannt. Immerhin war er schon ein etwas älterer Herr mit etlichen Falten und einem Doppelkinnansatz, der einen großen Bruder in seiner Hüftgegend hatte, einen gut gepolsterten Rettungsring, den nicht einmal der Kummerbund seines tadellos geschnittenen Abendanzuges völlig verschwinden lassen konnte. (Taneela war der Meinung, dass er sich nur deshalb meistens in fließende und sehr figurumspielende Roben aus prunkvollen Brokatstoffen oder farbenprächtigen Samten hüllte. Im übrigen waren die erlesenen Materialien von Palpatines Garderobe das Einzige an ihm, was vor ihren kritischen Augen Gnade fand.)
Aber er hatte trotzdem das gewisse Etwas an sich, das die Blicke geradezu magnetisch anzog, wenn er einen Raum betrat, eine natürliche Autorität und eine dazu passende Adlernase, eine subtile Ausstrahlung von einer verschleierten inneren Größe, die für gewöhnlich hinter seiner adretten, weltmännischen, liebenswürdigen Diplomatenfassade versteckt war wie ein vor Laserkanonen starrender Raumkreuzer hinter seinem Tarnschild. Dass er immer noch mit einem vollen Haarschopf gesegnet war, eine silbrig schimmernde, leicht gewellte Angelegenheit, die er in einem kleidsamen Bogen aus der Stirn gekämmt trug, verstärkte nur den allgemeinen Eindruck von gepflegtem Reichtum und aristokratischer Respektabilität. Er war der ideale Mann, um vor einem Publikum zu stehen und es mit wortgewandten Reden zu umgarnen. Er war der geborene Politiker und genauso sah er auch aus. Und er war sich dessen bewusst …
„Stellen Sie sich nur vor, wie es sein wird, wenn wir diese Hindernisse erst mal aus dem Weg geräumt haben. Stellen Sie sich nur vor, was wir danach erreichen können, wir alle zusammen. Frieden, Ordnung und Wohlstand – zumindest für die, die es auch verdienen. Es wird eine neue Ära sein, eine neue Welt, eine neue Galaxis … Wir werden Geschichte schreiben. Und Sie könnten ein Teil davon sein, junger Skywalker, ein wichtiger Teil", sagte er in einem beschwörenden Flüsterton.
„Ich biete Ihnen hier die einmalige Gelegenheit zu einem wirklich außergewöhnlichen, einem wirklich bedeutsamen Leben. Sie können unter meiner Fittiche eine Karriere machen, die Ihre kühnsten Träume weit übertreffen wird, eine Karriere, die Ihnen nicht nur äußerlichen Ruhm bringt, sondern auch Ihre innersten und geheimsten Wünsche erfüllt – was auch immer diese sein mögen.
Und alles, was Sie dafür tun müssen, ist, die letzten Fesseln abzuschütteln, die Sie noch an Ihre Vergangenheit binden. Familie, Herkunft, veraltete Gesellschaftsstrukturen, drittklassige Moralbegriffe, antiquierte Dogmen, religiöser Schnickschnack – das alles ist ohne jede Bedeutung. Das alles zählt nicht für Männer wie uns ... Männer der Tat … Männer mit einer Bestimmung..."
Darth Vader würde eines Tages mit einer soliden Portion Zynismus zurückblicken und erkennen, dass er einer sorgfältig ausgefeilten und durch viel Routine glatt polierten Rekrutierungsrede des schlauen alten Fuchses aufgesessen war – es war alles einfach nur imperiale Propaganda in Reinkultur.
Doch Anakin Skywalker war wie verzaubert. Ihm war, als hätte das Schicksal persönlich zu ihm gesprochen.
„Und? Sind Sie dabei oder nicht?" Palpatine sah ihn erwartungsvoll an.
Und Anakin zauderte nicht. Nicht eine Sekunde lang. (Wer konnte schon dem Schicksal einen Korb geben?)
„Ich bin dabei!" sagte er und er war es wirklich. Zu hundert Prozent.
Der Senator strahlte auf wie ein Scheinwerfer. „Ausgezeichnet! Ach, was rede ich denn da? Großartig! Wundervoll! Ich wusste gleich, dass Sie der Richtige sind, mein lieber Junge. Ich wusste, dass ich auf Sie zählen kann."
Diese Vorschusslorbeeren schmeckten ausgesprochen süß in Anakins Mund – was gerade jetzt, nachdem die Jedis ihn abgefertigt hatten wie einen aufmüpfigen Teenager, eine echte Wohltat war.
„Was genau soll ich jetzt machen?" fragte er eifrig.
„Ganz einfach: Kehren Sie in den Tempel zurück. Erklären Sie Kenobi und den anderen, dass Sie gründlich nachgedacht haben und dass Sie zur Vernunft gekommen sind. Sagen Sie ihnen, dass Sie jetzt dazu bereit sind, ein braver kleiner Jedi zu werden. Man wird erleichtert sein, dass Sie so einsichtig sind, und Sie mit einem zärtlichen kleinen Klaps auf den Hintern ins Bettchen schicken." Palpatine lachte. Er schien diese Vorstellung wirklich komisch zu finden.
Anakin verdrehte die Augen, er fand das weniger lustig.
„Ich weiß nicht, ob man mir das wirklich abkaufen wird", wandte er ein. „Kenobi fällt vielleicht darauf rein, aber Windu bestimmt nicht. Er hat etwas gegen mich, er wird mir nicht so schnell über den Weg trauen. Und Yoda wird mich sicher sofort durchschauen."
„Aber nein. Zerbrechen Sie sich darüber nicht unnötig den Kopf. Die Jedis sind so selbstgefällig, dass sie auf alles reinfallen. Glauben Sie mir, junger Skywalker, ich habe meine Erfahrungen mit diesem blasierten Verein. Die meisten von ihnen sind so arrogant, so absolut von sich und ihrer Unfehlbarkeit überzeugt, dass ein halbwegs cleveres Kind sie an der Nase herumführen könnte."
Das entsprach nun nicht gerade Anakins Einschätzung der Jedi-Meister. Ganz im Gegenteil. Er fragte sich sofort, was für Erfahrungen der Senator gesammelt haben mochte und bei welcher Gelegenheit, aber er hielt es für klüger, hier nicht nachzuhaken. Vielleicht würde Palpatine es ihm eines Tages ja freiwillig erzählen.
„Na gut. Und wie geht es dann weiter?"
„Sie spielen einfach mit – oder Sie tun jedenfalls so als ob. Machen Sie Ihre Ausbildung. Lernen Sie, was Sie lernen können. Diese Fähigkeiten werden Ihnen eines Tages noch enorm nützlich sein, mein Junge, also lassen Sie sich jetzt bloß nicht hängen. Strengen Sie sich an!
Und fallen Sie nicht mehr aus der Rolle, wenn Sie es irgendwie vermeiden können. Denken Sie immer daran: Sie sind jetzt so etwas wie ein Undercover-Agent. Sie sind im wahrsten Sinne des Wortes ein Spion im feindlichen Lager. Sie dürfen nicht mehr negativ auffallen, egal, was kommt."
„Ich werde es versuchen", sagte Anakin.
„Versuchen ist nicht genug!" schnappte der Senator.
Wieder irrlichterten gelbliche Funken durch seine Augen, es war wie ein emotionales Elmsfeuer. Und plötzlich wirkte er sehr viel größer als zuvor, als würde sich sein Körper ausdehnen, um Platz für seinen Zorn zu schaffen. Anakin war ein wenig befremdet, obwohl er es nie zugegeben hätte...
„Wenn Sie erwischt werden, Junge, dann fliegen wir alle auf. Und das wäre unser Ende. Sie wissen jetzt, was mit Möchtegern-Jedis passiert, die aufmucken. Was glauben Sie, was man mit uns machen würde?" Palpatine wartete die Antwort gar nicht erst ab, es war eine rein rhetorische Frage.
„Also reißen Sie sich gefälligst zusammen und geben Sie sich Mühe. Machen Sie es wie ein Schauspieler ... wie jeder Schauspieler, der sein Geld wert ist: Leben Sie Ihre Rolle! Seien Sie ein braver kleiner Jedi! Von Kopf bis Fuß. Mit Haut und Haar. Tag und Nacht."
„Jawohl, Exzellenz", sagte Anakin und dachte für sich, dass das Dasein eines Spions ziemlich anstrengend und nervenaufreibend sein musste. Vor allem dann, wenn sich sein Undercover-Einsatz in die Länge zog …
„Und wann … Also wie lange wird das ungefähr dauern?"
„Jahre!" rief der Senator.
Und als Anakins Gesicht sich daraufhin ebenfalls in die Länge zog …
„Ich habe es Ihnen doch vorhin schon gesagt: So etwas braucht Zeit. Wir müssen Pläne schmieden, Geld sammeln, Verbündete anwerben, sie an den richtigen Stellen positionieren, Gegner unschädlich machen und ganz allgemein im Hintergrund die Fäden ziehen, bis die Marionetten so tanzen, wie wir es wollen. Und das so lange, bis die Dinge weit genug gediehen sind, dass wir endlich zuschlagen können. Einen gut organisierten Staatsstreich schüttelt man nicht einfach so aus dem Ärmel, junger Skywalker."
Das leuchtete Anakin natürlich ein, obwohl es ihm nicht gefiel. Nicht wirklich … Sein ganzes Wesen war eher auf Sturm und Drang ausgerichtet, das heißt auf schnelle Aktion und Reaktion und das möglichst offen und unverblümt. Heimlichtuerei stand im Widerspruch zu seiner Geradlinigkeit und Geduld – na ja! Aber wenn es nun einmal unbedingt sein musste …
„Es wird nicht leicht für Sie, mein Junge, das ist mir schon klar. Aber auch die längste Durststrecke ist irgendwann zu Ende. Vertrauen Sie einfach auf mich und die Zukunft. Und wenn Sie zwischendurch mal Dampf ablassen müssen, weil Sie das scheinheilige Getue der Jedis nicht mehr aushalten, dann steht meine Tür Ihnen jederzeit offen ...
Natürlich werden Sie mich auch weiterhin ganz normal besuchen, am besten in relativ regelmäßigen Abständen oder auf meine Einladung hin, so wie früher. Es wäre sehr unklug, sich immer wieder monatelang von mir fernzuhalten. Das würde nur unerwünschte Aufmerksamkeit auf den Zeitpunkt Ihrer Stippvisiten bei mir lenken. Und wir wollen doch nicht, dass irgendjemand Verdacht schöpft, nicht wahr?
So. Genug geredet für heute Abend", sagte Palpatine unvermittelt. „Sie gehen jetzt besser. Gehen Sie nach Hause, Junge, bevor Papa Kenobi damit anfängt, alle Kneipen und Krankenhäuser der Stadt auf der Suche nach Ihnen abzuklappern. Oder bevor Ihr spezieller Freund Sie beim Sicherheitsbüro als vermisst meldet."
Anakin stand rasch auf, unwillkürlich alarmiert. Nach seinem Auftritt am Nachmittag hätte er es Mace Windu durchaus zugetraut, ihn als Jedi-Deserteur zu denunzieren und ihm den Geheimdienst der Republik auf die Fersen zu hetzen...
„Kopf hoch. Sie schaffen das schon", sagte der Senator lässig. „Es ist ja nicht für die Ewigkeit. Ich hole Sie so schnell wie möglich da raus, junger Skywalker. Vertrauen Sie mir!"
„Ja, Exzellenz", sagte Anakin.
Er vertraute Palpatine tatsächlich.
Es blieb ihm auch gar nichts anderes übrig. Jetzt nicht mehr …
Nach einer Ewigkeit endlich ein neues Update. Nein, ich habe die Story nie aufgegeben, aber irgendwie sind die Zeiten gegen mich und die Muse. Sorry. ;-)
Zu Anakins Dilemma noch ein Info:
Bei dem Umgang der Republik mit freiheitsliebenden Machtnutzern habe ich mich von der Serie Babylon 5 inspirieren lassen. Dort werden Telepathen nach ihrer Entdeckung dem Psi-Corps übergeben, das eine ähnliche Funktion hat wie der Jedi-Orden. Und wer sich gegen die restriktiven Maßnahmen zur Wehr setzt, endet im Gefängnis oder als lebenslänglicher Drogenkonsument.
