In Gedanken versunken betrat Jodi die Veranda. Der Tisch war bereits gedeckt und Meg hatte sich sogar die Mühe gemacht alles schön zu dekorieren. Gerade kam sie mit einem Besen in der Hand um die Ecke.

„Eins sag ich dir, beim nächsten Mal räume ich nicht alles alleine auf!", sagte sie mit Nachdruck. „Was wollte Tess?"

„Das war nicht Tess sondern Peter." Jodi setzte sich und ignorierte Megs Versuch ihr den Besen in die Hand zu drücken.

„Aha, was wollte er?"

„ Er…."

In diesem Moment wurden sie von lautem Kindergeschrei unterbrochen und gleich darauf kam Rebecca auf die Veranda gestürmt. Dicht gefolgt von Jeff und Cedric Brewer. Weiter hinten und etwas außer Atem folgte Kate.

„Mommy, Mommy!" Rebecca hüpfte wie ein kleiner Gummiball auf Jodis Schoß und war sie dabei fast vom Stuhl. „ In Fisher waren ganz viele Meerschweinchen. Aber unsere sind die niedlichsten. Die von Jeff und Ced sind schwarz und weiß und meins ist braun und ganz wuschelig. Es is sooo süß!"

„Aber meins war das Schnellste." Cedric.

„Wir haben noch ein Eis gekriegt". Jeff.

„Deins?" Jodi dachte erst sie hätte sich verhört.

„Es heißt Sternchen, weil es hat einen Stern auf dem Rücken!", meinte die Kleine selig.

„Sternchen. Tatsächlich?", Jodi warf Kate einen bösen Blick zu. Rebecca war bereits stolze Besitzerin von einem Alpaka, einem Pony und einer Katze und Jodi wollte lieber nicht weiter darüber nachdenken, was passierte wenn ihre Tochter mit Katze und Meerschweinchen eine Teeparty im Schuppen veranstaltete.

Kate wurde von Alex und Charlotte gerettet, die lachend auf die Veranda kamen.

„Wir dachten alle du wärst im Fluss ertrunken. Aber dann hat Nick dich auf dem Dach gefunden."

„Auf dem Dach?"

„Ja. Das war furchtbar.", mischte sich Kate ein, froh über den Themawechsel. „Wir haben dich den ganzen Tag gesucht und hatten totale Panik. Ein Alptraum!"

„Tut mir Leid", lachte Charlotte. „Das muss schrecklich gewesen sein."

„Wie war der Ausritt?", erkundigte sich Meg.

„Einfach wunderbar. Die Landschaft ist irgendwie schön und Coco ist ein super Pferd. Danke, dass ich sie reiten durfte!" Charlotte ließ sich auf einen Stuhl fallen. „ Alex hat mir gezeigt, wo ich geboren worden bin. Nicht schlecht für jemanden, der sein ganzen…fast sein ganzen Leben in der Stadt verbracht hat!

„Ach ja, irgendwo ist ein Zaun kaputt", fügte sie nach einer kurzen Pause hinzu.

„Irgendwo?", fragte Jodi.

„Na ja, mein Orientierungssinn ist nicht so wirklich gut und die Weiden sehen sich alle so ähnlich", gab Charlotte zu.

„Dann bleib lieber in der Nähe des Hauses, wenn du alleine unterwegs bist. Und kletter nicht wieder heimlich aufs Dach", meinte Meg.

Alle lachten.

„Der Zaun bei Jack's Folley ist auf einem ziemlich großen Stück eingestürzt", erklärte Alex.

„Ich weiß. Wir hatten keinen Draht mehr, sonst hätten wir es heute Morgen schon repariert. Rob ist nach Gungellan gefahren, um neuen zu kaufen", antwortete Jodi.

Gibt's jetzt den Kuchen?" Charlotte war von dem Ausritt ziemlich hungrig.

„Ja", Meg schnitt mit einer Hand den Kuchen und hinderte mit der anderen Jeff daran vor Begeisterung die Tischdecke vom Tisch zu ziehen. „Alex, möchtest du auch ein Stück?"

Da Alex sich bereits gesetzt hatte und erwartungsvoll den Kuchen anschaute, hatte sich die Frage eigentlich erübrigt.

„Charlotte, könnte ich dich vorher vielleicht kurz sprechen?" Es hat keinen Sinn es lange herauszuzögern, dachte Jodi.

„Klar doch! Was ist den los?"

„Mir wäre es lieber wenn wir das unter vier Augen besprechen könnten"

„Okay", Charlotte stand unsicher auf. Hatte sie etwas falsch gemacht? Hätte sie nicht so lange mit Alex ausreiten sollen? Vielleicht erwartete Jodi sie würde auf der Farm mithelfen?

„Was ist denn so wichtig?", fragte Alex besorgt.

Auch Meg guckt gespannt. Kate war damit beschäftigt die drei Kinder davon abzuhalten die Meerschweinchen im Garten laufen zu lassen.

„Eigentlich nichts Schlimmes. Es ist nur…", das Klingeln des Telefons unterbrach Jodi.

„Ich geh schon", meinte Meg und verschwand nach drinnen.

„Am Besten wir gehen in die Küche", sagte Jodi und ging ebenfalls ins Haus.

Charlotte folgte ihr. Im Flur kam Meg ihnen allerdings schon wieder entgegen.

„Rob will dich sprechen, irgendein Problem mit der Bestellung"

„In Ordnung", Jodi seufzte und nahm das Telefon. „Wir reden später, ok?

„Klar!", Charlotte lief schnell wieder nach draußen. Sie war froh diesem Gespräch vorerst entkommen zu sein.

Als Jodi zurück auf die Veranda kam, erzählte Alex grade wie Claire angefangen hatte während der Schwangerschaft Mitleid mit alten, klapprigen Pferden zu bekommen. Die Stimmung war ziemlich ausgelassen und Jodi unterbrach sie nur ungern.

„Rob kommt später. Er muss noch nach Fisher. Charlotte?"

„Moment, ich komme", Charlotte spürte, wie sich ihr Puls merklich beschleunigte. Dank der lustigen Anekdoten von Alex und dem leckeren Kuchen von Meg hatte sie das Gespräch mit Jodi schon fast wieder vergessen.

Diesmal gingen sie ins Arbeitszimmer. Jodi schob ein paar Papiere zur Seite und setzte sich auf den Schreibtisch. Den Stuhl schubste sie in Charlottes Richtung. Doch diese blieb lieber stehen. Ihr ganzer Körper war gespannt wie eine Feder.

„Es ist hoffentlich okay, dass ich einfach so gekommen bin. Ich will wirklich nicht stören, aber es gefällt mir total gut auf Drover's Run. Natürlich werde ich bei der Arbeit helfen, wenn es euch Recht ist, dass ich noch länger bleibe. Aber ich kann auch sofort wieder fahren", brachte sie hastig heraus.

„Nein Charlotte, darum geht es doch gar nicht!", Jodi stellte sich neben sie und berührte ihren Arm, um ihren Worten mehr Nachdruck zu verleihen. „Du bist jederzeit willkommen auf Drover's Run. Wir freuen uns alle wahnsinnig dich zu sehen. Es ist gar nicht möglich, dass du uns störst. Das darfst du gar nicht denken. Niemals!"

„Oh", sagte Charlotte erleichtert. „Ich dachte…"

„Auf gar keinen Fall", erwiderte Jodi. „Du kannst bleiben so lange du willst. Wir sind deine Familie. Theoretisch gesehen gehört die Farm dir auch, schließlich bist du Claire's Tochter. Auch wenn es dir vielleicht seltsam erscheint, du bist eine McLeod. Drover's Run ist dein Zuhause!"

In Charlottes Augen glitzerten Tränen. Das hatte sie nun gar nicht erwartet. Jodi umarmte sie.

„Ich finde es gut, dass du hier bist"

„Ich auch! Aber was wolltest du denn jetzt eigentlich mit mir besprechen?" Charlotte hatte sich wieder einigermaßen gefangen.

„Also, als du heute mit Alex ausgeritten bist, hat…." fing Jodi an.

„Mommy, Mommy" schreiend kam Rebecca ins Zimmer gestürmt. Sie schluchzte herzzerreißend „Sternchen ist weg!

„Na super, ich habs geahnt", sagte Jodi leise. „Ich befürchte wir müssen unser Gespräch auf später verschieben, bevor da Meerschweinchen der Katze begegnet!"

Wie sich herausstellte war nicht nur Sternchen entwischt, sondern auch die anderen Zwei. Obwohl alle mithalfen dauerte es ziemlich lange bis die Ausreißer wieder eingefangen waren. Auf der Suche nach seiner Familie kam Dave schließlich noch dazu und kroch heldenhaft unter die Veranda, um die Meerschweinchen zu retten. Jodi war heilfroh, als die Meerschweinchen wieder sicher in ihrer Kiste waren.

„Was wolltest du mir vorhin noch sagen?" Charlotte kam auf sie zu. Total dreckig vom Herumkriechen auf dem Boden.

„Zuerst bring ich Sternchen in Rebeccas Zimmer!"

„Dann zieh ich mir schnell was anderes an."

Doch sie waren die Treppe noch nicht einmal zur Hälfte nach oben gegangen, als Stevie ins Haus stürmte.

„Was ist mit dem Telefon? Ich hab ewig versucht euch anzurufen!"

„Wir haben Meerschweinchen gejagt", informierte Charlotte sie.

„Was? Ach egal, unser Bulle ist zu euch durchgebrochen. Er müsste irgendwo auf Jack's Folley sein. Habt ihr da Vieh stehen?"

„Nein, im Moment nicht. Aber der Zaun ist da kaputt. Wir müssen ihn schnellstens wieder einfangen, bevor er zu den Kühen kommt!" Jodi rannte schon aus dem Haus.

„Kann ich mitkommen?" fragte Charlotte.

„Wie gut kannst du reiten?", fragte Stevie zurück.

„Gut genug!", antwortete Alex, den sie bis jetzt völlig ignoriert hatte, und küsste seine Frau. „Dann mal los!"

Als sie den Bullen endlich eingefangen hatten und die Zäune provisorisch repariert hatten, war es schon ziemlich spät geworden. Charlotte war völlig erledigt und ging direkt in ihr Zimmer und ins Bett. Der Tag war anstrengend gewesen. Sie war ausgeritten, hatte den Ort ihrer Geburt gesehen, Meerschweinchen gejagt, Bullen eingefangen und Zäune repariert. Okay, bei letzterem war sie eher im Weg gewesen. Und sie hatte mit ihrer Tante geredet. Du gehörst zur Familie! Mit einem Lächeln schlief sie ein.

„Hey Süße", Rob ließ sich neben Jodi ins Bett fallen. „Hier war ja schwer was los heute. Becky hat mir allerhand von Meerschweinchen erzählt."

Stöhnend vergrub Jodi ihren Kopf in den Kissen. Rob lachte.

„Tut mir Leid, dass in Fisher alles so lange gedauert hat. Dave den Meerschweinchenretter hätte ich zu gern gesehen! Während ihr auf Bullenjagd wart, hat übrigens Peter angerufen."

„Schon wieder?", Jodi richtete sich auf. „Was hast du ihm erzählt?"

„Das gleiche wie du, schätze ich. Das wir nicht wissen wo Charlotte ist, uns aber melden sollte sie bei uns auftauchen. Sie muss ihn unbedingt zurückrufen!"

„Ich weiß. Deswegen wollte ich heute mit ihr reden, aber es kam ständig was dazwischen"

„Was meinst du ist passiert?"

„Keine Ahnung. Aber wenn Charlotte wegfährt, ohne Peter Bescheid zu sagen, ist irgendwas ganz und gar nicht in Ordnung."

„Aber Peter weiter hinzuhalten ist keine Lösung"

„Schon, nur wenn Charlotte ein Problem hat, möchte ich ihr gern helfen. Und sie wird mir nichts erzählen, wenn ich sie dränge."

„Ich bin sicher das kriegst du hin!" Damit zog Rob Jodi wieder zurück unter die Decke.