Oneshot [WT Arc]
Kapitel 2 - Dein Name
„Du verkaufst mich doch nicht für dumm, oder?", murmelte Conan und lächelte schief, als er vor lauter Kleiderständern stand und sich im Damenbereich eines Kleidergeschäfts umsah.
„Wehe, du spannst.", sagte eine Stimme aus der Anprobekammer.
„Tu ich nicht, verdammt noch Mal!", rief er ihr verärgert zu.
„Ich kenne dich gut genug, um zu wissen was du alles dir ausdenkst, während ich mich umziehe."
„Lass doch den Blödsinn."
Stille. Anscheinend hatte es ihr die Sprache verschlagen. Conan seufzte und sah sich weiter um.
„Spanner.", kam es wieder aus der Umkleidekabine. Er rollte genervt mit den Augen. War dieser Kommentar jetzt echt nötig? Manometer.
„Ist mir egal. Bist du jetzt fertig?"
So ungeduldig wie er war, musste sie zugeben, dass er die Stimmung nicht gerade heben würde. Aber was machte das schon. Wie würde er aber reagieren, wenn…? Sie lächelte und konnte sich vor Aufregung kaum zurückhalten. Das wäre möglicherweise ihr erstes Mal seit einer Ewigkeit, wo sie die Wirkung spüren würde. Endlich war dieser Moment jetzt gekommen. Sie nahm aus ihrer Hosentasche die Box heraus und starrte sie zögernd an. Angst, das war das einzige, was sie mit diesem verfluchten Ding in Verbindung setzten konnte. Doch jetzt… wie war es jetzt? Hatte sie dieselbe Angst wie damals? Oder überkam sie ein Hauch von Neugierde, wie er darauf reagieren würde? Was würde ihr kleiner Meisterdetektiv wohl dazu sagen?
„Dauert es noch lange?", hörte sie ihn von außerhalb sagen. Verdammt noch eins, kann der nicht einmal ruhig halten?
„Frauen brauchen halt ihre Zeit. Ein Mann hat gefälligst zu warten.", erwiderte sie genervt. Na warte, mal sehen wie es ihm die Sprache verschlagen wird, wenn sie erst…
„Tsk."
Sie starrte immer noch wie gebannt auf die kleine Box, die sie langsam öffnete. Sollte sie es wirklich tun?
„Nutze sie."
Augen zu und durch.
Währenddessen lief Conan schon im Kreis, immer noch auf sie wartend. Dass sie sich so etwas dreistes erlaubte… na gut, immerhin waren sie in Amerika, also war es klar, dass sie sich erst einmal gehen ließ. Was Ran wohl in der Zeit tun würde? Jetzt machte es sowieso keinen Unterschied mehr, da er sich schon für das was Ai sich alles geplant hatte, einließ. Sie führte auf jeden Fall etwas im Schilde, was ihn zu mehr Informationen zu der Schwarzen Organisation bringen könnte.
Sollte er sie vielleicht doch nicht einfach fra-? Nein, das war eine Herausforderung und er hatte es akzeptiert. Da brachte ihm einfach nur Fragen nichts. Er sollte es doch lieber leichter ange-...
„Bin fertig.", kam es aus der Umkleidekabine. Endlich, dachte sich Conan und seufzte erleichtert.
„Dann komm jetzt, du musst das ja noch bezaaah…"
Weiter kam er nicht. Der Vorhang öffnete sich und was zum Vorschein kam, hatte ihn nie im Leben so sehr aus der Bahn geworfen, wie jetzt. Vor ihm stand nicht mehr die Ai Haibara, die er mal kannte.
„Haibara, was…", konnte er vor lauter Überwältigung noch hervor bringen. Er stand da und blickte sie wie gelähmt an.
„Wie unhöflich, ich dachte du nennst mich bei meinem richtigen Namen.", tadelte sie genervt und enttäuscht zugleich.
Tatsächlich, denn jetzt stand ihm niemand anderes als Shiho Miyano gegenüber. Die Sherry, die er seit dem Brandfall mit der Hütte und dem Bell Tree Express Vorfall nicht mehr zu sehen bekommen hatte. Das Erstaunen wich schnell von seinem Gesicht und unbändige Wut bahnte sich in ihm auf.
„Was soll das? Was hast du getan, verdammt? Ich dachte, wir hatten uns darauf geeinigt, dass du es nicht benutzt, weil sie sonst eine Fährte zu dir aufnehmen würden!", rief er, so wütend wie nie zuvor.
„Beruhige dich, wir sind doch hier in einem Einkaufszentrum. Mit uns wird schon nichts passieren.", sagte sie und schloss den Vorhang hinter sich. Sie trug ein langes rot-schwarz gestreiftes Shirt, der ihr bis zur Hüfte reichte, eine kurze Jeanshose und eine weiße Kappe, die mit einer goldenen Marke gespickt war. Conan wollte etwas sagen, brachte jedoch nichts heraus, als er sie in ihrem Outfit betrachtete. Sherry lächelte.
„Was starrst du mich so mit deinen obszönen Augen an? Ich dachte nur, dir würde so ein Stil gefallen."
„Das ist jetzt nicht der springende Punkt! Wa-Was ist jetzt mit deiner Tarnung? Bist du dir überhaupt sicher, dass sich die Männer in Schwarz sich nicht in der Nähe aufhalten, oder so? Vielleicht ist einer ihrer Mitglieder…"
„War das etwa das einzige, worüber du dir Gedanken gemacht hast?"
„Das ist nicht witzig, Ai! Wie kannst du dir da so sicher sein?"
„Oh natürlich, wenn der großartige Meisterdetektiv seine Rückkehr in Osaka feiert, dann sagt niemand etwas, aber wenn ich meinen Körper wieder zurück haben will, dann nörgelst du Mal wieder herum.", erwiderte sie im gelangweilten Ton.
Conan seufzte. Was sollte er jetzt noch machen? Hoffen, dass alles wieder gut wird? Wohl kaum.
„Wenn du in aller Verzweiflung dir hier noch deine Haare ausrupfen willst, dann bitte. Ich suche mir währenddessen noch etwas aus.", antwortete Sherry und ging zu einem der Verkaufsständer in der Ecke des Ladens.
„Halt warte, wo gehst du hin? Ich bin noch nicht fertig.", rief er ihr zu und lief hinterher.
„Hier, die würde dir doch stehen, oder?", sagte sie lächelnd und überreichte ihm einer der Sonnenbrillen aus dem Stand.
„Was zu-", brachte er noch heraus, immer noch wütend.
„Ich weiß, es war eine riskante Entscheidung, aber…", murmelte sie.
„Was, aber?"
„Verstehe mich nicht falsch, aber ich habe auch einen guten Grund dazu."
„Und der wäre?", fragte Conan und hob vor Misstrauen seine Augenbraue.
„Erkläre ich dir, wenn wir da sind, das heißt, falls du es erraten kannst."
„Nicht dein Ernst…"
„Na gut, wenn das dann geklärt ist…", sagte sie und setzte sich eine der Sonnenbrillen auf.
„Dann möchte ich gerne bezahlen."
„Und was ist mit dem Geld? Wo willst du das Geld herbekommen?", fragte Conan.
„Der Professor war so nett und hat es mir geliehen."
Er blickte sie mit offenen Augen an. Hatte der Professor auch davon gewusst?
„Hier, das ist alles.", antwortete Shiho, während sie beide kurze Zeit später an der Kasse standen.
„Alles klar. Das wären dann 130 Dollar.", antwortete die Kassiererin, nachdem sie die Artikel abgescannt hatte.
„So viel?", antwortete Conan überrascht.
„Was glaubst du denn, wieviel das alles hier kostet? Schließlich sind wir gerade im Herzen New Yorks."
„Das weiß ich, aber willst du wirklich das Geld vom Professor so schamlos ausnutzen?"
„Red kein Blödsinn, er hat mir das Geld dazu freiwillig gegeben und ich habe mir nur das Günstigste ausgesucht."
„Entschuldigung, ist das Ihr Sohn?", fragte die Kassiererin neugierig und brachte die zwei aus dem Konzept.
Shiho wandte sich verlegen um und lächelte schief.
„Oh? Nun, ja so etwas wie."
„Was?", murmelte Conan verwirrt und starrte sie wütend an. Was ging hier vor sich?
„Dann kriegen Sie einen Rabatt für den Einkauf, laut einer Aktion, die unser Geschäft seit letzter Woche führt. Bei Mitnahme eines Kleinkindes mit einem Erziehungsberechtigten gibt es einen Rabatt auf fast jeden Artikel in unserer Filiale."
„Aber natürlich.", sagte sie und sah Conan grinsend an. Erst jetzt kapierte er, was los war.
„Also wolltest du mich nur deswegen mitnehmen, oder?", antwortete er überrascht, darüber, dass sie ihn an der Nase herumgeführt hatte.
„Wer weiß?", sagte sie und hob die Schultern.
„Du nutzt mich schamlos aus. Das ist unter gesetzlichen Regeln strafbar, das weißt du schon…", antwortete er, im Versuch sie irgendwie aus dem Konzept zu bringen.
„Wenn das hier eine Aktion ist, dann warum sollte ich sie dann nicht ausnutzen? Sag mir das mal, mein kleiner Meisterdetektiv.", stichelte sie, während sie sich zu ihm hinunter bückte und ihm über beide Ohren grinsend auf die Nase tippte. Conan sah sie gelangweilt an, dann seufzte er und drehte sich um.
„Ich warte auf dich, wenn du fertig bist, mir auf die Nerven zu gehen.", antwortete er und verließ den Laden, während er abwinkte.
„Ja, ja geh nur.", murmelte sie genervt und wandte sich der Kasse zu.
„Also… Wenn das so ist…, das macht dann 150 Dollar für Sie.", antwortete die Kassiererin. Shiho blieb vor Überraschung fast die Luft weg.
„Warten Sie mal, warum hat sich jetzt der Preis erhöht? Was ist denn mit der Rabattaktion?"
„Tja, da das Kind den Laden verlassen hat, gilt die Aktion für Sie nicht mehr.", erklärte sie und zeigte mit dem Finger hinter sich auf die Aktionsbroschüre.
„Bei Einkauf sollte Ihr Kind durchgehend bei der Kasse sein, damit die Aktion und somit der Rabatt in Kraft treten kann.", las sie vor. Was war das denn jetzt für'n Blödsinn?
„Tut mir leid, aber mehr kann ich leider nicht für Sie tun.", sagte die Kassiererin.
„Das kann nicht sein… Verdammt…, Conan!", rief sie verzweifelt in seine Richtung.
—-
„Ich fass es nicht, wie du es vermasselt hast. Sei froh, dass ich mich noch entschieden hatte, zurückzukommen, sonst hättest du mehr als sonst bezahlen müssen.", antwortete Conan mit genervter Miene, während sie beide das Einkaufszentrum entlang gingen. Shiho währenddessen ließ enttäuscht den Kopf hängen und seufzte durchgehend.
„Kopf hoch, Haibara. Wir haben genügend Zeit, wenn du noch gegen Abend zu deinem Ziel fahren willst, kannst du es jetzt tun.", sagte er, im Versuch sie wieder aufzumuntern.
„Nein, ich glaube, ich habe doch noch etwas Besseres verdient als das.", murmelte sie.
„Was meinst du da-?"
Weiter kam er nicht, denn ausgerechnet jetzt meldete sich sein Magen lauter als je zuvor und war somit deutlich hörbar.
„Gehen wir doch lieber was essen?", warf Shiho ein und beugte sich leicht zu ihm. Conan seufzte erneut.
„Klar, wir haben ja seit mehreren Stunden nichts gegessen."
„Alles klar, dann…"
Nahe am Eingang befand sich ein Eiskaffee und beide zögerten auch nicht lange, bevor sie sich möglichst nahe ans Fenster hinsetzten und auf die Bestellung warteten.
„Haibara, kann ich dich mal etwas fragen?"
„Was denn?", sagte sie, als am Fenster hinaus auf das Panorama blickte.
„Hattest du schon von Anfang an vorgehabt, mich mitzunehmen?", fragte er und Shiho hielt inne.
„Dachte ich's mir doch.", antwortete er. Seine Vermutungen hatten sich also bestätigt.
„Daran liegt es nicht. Ich hätte mich genauso verhalten, auch wenn du nicht mitgekommen wärst.", erklärte sie.
„Wirklich…?"
„Diese Gestalt jetzt gerade war nötig, anders hätte ich dort nicht aufkreuzen können."
„Wo denn aufkreuzen?"
„Du weißt schon bei der…"
Shiho stockte für einen Augenblick, dann blickte sie ihn leicht verärgert an, ohne das Gesicht aus der Richtung der Fensterscheibe zu nehmen.
„Nicht schlecht, fast hättest du mich erwischt.", murmelte sie und lächelte leicht. Sie lehnte sich vor, platzierte ihre Ellenbogen auf dem Tisch, legte den Kopf auf die Handfläche und sah ihm zufrieden in die Augen. Minuten vergingen und sie blickte ihn immer noch fixiert an, so als würde sie ihn einfach nur mit glücklicher Miene beobachten.
„Was denn?", fragte Conan und hob verwundert die Augenbraue.
„Es ist nichts. Du bist einfach unglaublich, weißt du, Shinichi?"
„Wie meinst du das?"
„Ich habe mir seitdem ich dich traf, immer wieder Gedanken darüber gemacht und bin bis jetzt immer noch nicht auf die Antwort gekommen. Wie kann ein einfacher Oberschüler, der lauter Sherlock Holmes Bücher und andere Krimiromane gelesen hat, nur so raffiniert sein?"
Conan errötete leicht.
„Deine Schmeicheleien kannst du dir sparen.", antwortete er kleinlaut. Die ganze Zeit über konnte er ihr irgendwie nicht in die Augen sehen. Was war nur los mit ihm? Shiho lachte.
„Nur ein Scherz. Da du ziemlich oft für irgendwelche Mordfälle unterwegs bist, bleibt mir ja ziemlich viel Zeit, um über viele Dinge nachzudenken und… wenn man so viel Freizeit hat, dann stellt man sich auch die eine oder andere Frage, oder etwa nicht?"
„Ja, da hast du schon recht.", erwiderte er und versuchte seinen Blickpunkt zu wechseln.
„Ah, da kommt schon unsere Bestellung.", bemerkte Shiho.
„Einen Cappuccino mit Zucker, ein Stück Zitronenkuchen und ein Glas Mineralwasser, bitte sehr.", antwortete der Kellner auf Englisch und stellte besagtes Essen auf ihren Tisch.
„Danke…", sagte sie und nahm die kleine Gabel aus der Serviette heraus.
„Warum bestellst du nur ein Glas Wasser? Komm schon Kudo, ich dachte du hättest wirklich Hunger."
„Nein, es geht schon…", winkte Conan lächelnd ab, doch Shiho war ganz anderer Meinung.
„Entschuldigen Sie?"
„Noch etwas?", fragte der Kellner.
„Ja, einen Schokoladenkuchen für ihn, bitte.", bestellte sie und deutete mit dem Finger auf Conan, der überrascht zu den beiden hochschaute.
Jetzt wo er sie so vor sich sah, bemerkte er, wie viel sie sich um ihn bemüht hatte. Das alles hatte sie für diesen einen Tag geplant. Es kam ihm vor, als hätte sie ihn nicht nur für die Rabattaktion im Geschäft mitgenommen. Als wollte sie von Anfang an, dass er ihr für diesen Tag Gesellschaft leisten würde. Irgendwie hatte er ein komisches Gefühl in seiner Brust, dass er ehrlich gesagt nicht erklären konnte. Seit diesem einen Abend in Frankreich wollte ihm dieser Gedanke nicht mehr aus dem Kopf gehen. Konnte es doch sein, dass sie…? Nein, ganz bestimmt nicht.
„Da-Danke…", antwortete Conan. Shiho lächelte wieder.
„Keine Ursache, immerhin bin ich ja dein Erziehungsberechtigter.", sagte sie und bedankte sich beim Kellner, der gerade den Tisch verließ.
„Trotzdem, ich verstehe immer noch nicht genau, warum du mich überhaupt mitgenommen hast."
„Wenn du so weiter auf der Stelle trittst, dann wirst du es auch nicht bemerken, weißt du? Ich freue mich dennoch, dass du wenigstens danach fragst.", antwortete Sherry und nippte an ihrem Kaffee, während sie erneut aus dem Fenster blickte. Conan sah sie verwirrt an.
„Kannst du endlich mal Klartext reden?", antwortete er mit genervter Miene.
„Wieso? Ich dachte ein Meisterdetektiv wie du, würde es sicherlich im Nu herausgefunden haben. Du kennst dich doch mit Knacken von Codes aus, oder?"
Conan wollte ihr etwas erwidern, konnte jedoch nichts herausbringen. Ihm fiel nichts mehr ein.
„Ich hingegen, bin mit dem heutigen Tag zufrieden. Fühlt sich irgendwie an, wie ein Tagtraum…"
„Ein Tagtraum…", wiederholte Conan und starrte sie nachdenklich an. Er zögerte diesmal, bevor er seine Antwort gab.
„Wi… Willst du wirklich dorthin zurück?"
Shiho hielt inne. Diese Frage schien ihr aus dem Nichts zu kommen.
„Willst du meine ehrliche Antwort hören?"
„Ich… Ja, ich will sie von dir hören. Sei bitte ehrlich. Willst du wirklich die Frequenzen von damals ein zweites Mal hören?", sagte er und lehnte sich ruckartig zu ihr vor, sodass Shiho überrascht zurückwich.
„Ich habe…"
Sie stockte als sie die Zielstrebigkeit in seinem Gesicht sah.
„Ich habe mich damit abgefunden und… meine Familie wiederzusehen hat mich gefreut, aber…"
Shiho zögerte erneut. Irgendetwas schien sie zurückzuhalten, Conan konnte sich bloß nicht ausmalen, was es war…
„Wenn ich jetzt zurückblicke, was du alles für Ayumi und mich getan hattest, denke ich, dass ich meine Entscheidung damals nicht bereut hatte, diese Traumwelt zu verlassen und…"
Sie blickte ihm tief in die Augen.
„…ich bedanke mich bei dir dafür."
Das Gefühl wurde allmählich stärker und umschloss seine gesamte Sicht für einen Moment.
„Woher kam dieser Gedanke so plötzlich, Kudo?", fragte sie.
„Ach, ich wollte nur wissen, ob…"
Sollte er sie das wirklich fragen? Immerhin kannte er die Antwort womöglich schon, schließlich hatte sie es ihm schon oftmals gesagt.
„Ob was?"
„Dein Schokoladenkuchen, bitte sehr…", antwortete der Kellner auf Englisch und stellte ihm ein Stück des Kuchens auf den Tisch.
„Danke… na, ob… ob dieser Kuchen genauso gut schmeckt wie deiner.", sagte er und schmiss sich förmlich auf die Glasur. Shiho starrte ihn für eine kurze Weile verwirrt an, dann lachte sie.
„Was ist denn?", fragte Conan und schaute genervt von seinem Kuchenstück zu ihr hoch.
„Du bist ein wirklich schlechter Lügner, weißt du das?"
„Dito, du lügst doch die ganze Zeit über, seitdem wir uns das erste Mal gesehen haben.", verteidigte sich Conan.
„Wollen wir jetzt darum streiten, wer von uns zuerst gelogen hat, oder was?", fragte sie und kicherte immer noch in sich hinein.
„Von mir aus gern."
Dann sagte keiner von beiden etwas und für eine Weile blieb das so. Shiho blickte immer noch ans Fenster hinaus und brach letzten Endes das Schweigen.
„So etwas Neues hat es schon in sich, oder Kudo?"
„Was?"
„Na, dass ich und du etwas zusammen unternehmen haben. Alleine zu zweit."
„Mag sein."
„Ich wünschte, ich hätte mehr Zeit dazu gehabt.", antwortete sie und blickte ihm erneut in die Augen. Erst da spürte er es wieder. Noch nie hatte er diesen Ausdruck auf ihrem Gesicht gesehen und das Licht, das von der Sonne aus auf sie schien, gab ihr helle Streifen, die seine Sicht auf sie einen ganz besonderen Anstrich gab. Seine Augen weiteten sich bei dem Ausblick und er konnte sie einfach nicht mehr aus dem Fokus losreißen, denn er war wie hypnotisiert. Ein wahrlich unvergesslicher Anblick. Sie war wirklich wunderschön.
„Wir sollten bald los, Kudo. Wir haben noch einiges zu tun.", murmelte Shiho und legte ihre Kaffeetasse wieder auf den Tisch. Conan sagte nichts, sondern saß nur da und starrte ihr durchgehend ins Gesicht.
„Dein Mund ist offen.", bemerkte sie trocken und nahm das Tablett vom Esstisch.
„Wa-was… tut mir leid.", murmelte Conan, der plötzlich wieder zu Sinnen kam, als er sich verlegen den Mund abwischte. Er sah ihr nach, jetzt umso verwirrter, als zuvor…
„Gehen wir?", fragte Shiho, nachdem sie das Tablett abgestellt hatte. Ein letztes Mal sah sie sich nach dem Esstisch um, bei dem sie gesessen haben. Eine Erinnerung öffnete sich ihr und sie hörte die Stimme, die sie seit einer Ewigkeit nicht mehr gehört hatte. Als wäre sie schon einmal hier gewesen.
"Wie wär's wenn du dir Mal einen Freund zulegen würdest, hm?"
Sie wollte sich wieder umdrehen und dort hingehen, nur um mehr Erinnerungen zu öffnen. Erinnerungen, die ihr lange Zeit verschlossen geblieben und sie erst dadurch zu finden waren.
„Haibara…?"
„Lebe wohl, Akemi.", murmelte sie und lächelte schwermütig.
„Erde an Haibara, halloooo?", antwortete Conan hinter ihr und riss sie aus den Gedanken.
„Was ist?", fragte sie und versuchte wieder zur Realität zurück zu kehren.
„Wohin geht's als nächstes?"
„Weiß ich nicht. Sehen wir uns erst einmal um.", schlug sie vor und reichte ihm wieder die Hand. Diesmal nahm er sie ohne zu zögern.
Sie verließen das Einkaufszentrum und gingen weiter die Straßen entlang. Der Trubel füllte sich nach wie vor und selbst Shiho hatte ihre Probleme da mitzuhalten, ohne Conan aus den Augen zu verlieren und gleichzeitig sich in den Straßen New Yorks umzusehen. Und je mehr sie dies tat, desto immer mehr Türen zu neuen Erinnerungen an ihre Zeit damals, bevor sie nach Japan zurückkam, öffneten sich ihr.
„Sieh dir das mal an, Ai!", hörte sie Conan's Stimme neben ihr und wandte sich ihm zu. Er stand vor einem Fernseher, der gerade eine Live Übertragung eines WM-Spiels aus der Fensterscheibe eines Elektronikladens ausstrahlte. Derzeit lief gerade das hiesige Aufeinandertreffen von USA gegen die japanische Mannschaft.
„Jetzt läuft doch gerade die Fußball Season, oder?"
„Ja, aber ich bezweifle stark, dass du dich überhaupt für die Amerikanische Mannschaft interessieren würdest.", antwortete sie schnippisch.
„Ich weiß, deswegen ist mir ja auch egal von welcher Perspektive ich mir das Spiel anschaue. Hauptsache, wir gewinnen.", sagte er und hob voller Aufregung beide Fäuste in die Luft.
„Dann haben wir ja beide doch etwas gemeinsam.", sagte sie und gesellte sich zu ihm. Zusammen sahen sie sich für eine Weile das Spiel an, bis sie daran das Interesse verloren hatten.
„Weißt du was? Ohne Ton zu gucken ist doch ziemlich öde.", murmelte Conan und streckte gelangweilt seine Arme. Shiho nickte zustimmend.
„Tja… Hätte ich bloß mein Handy mitgenommen…"
„Sag bloß du hast das Handy im Hotel vergessen!"
„War nur ein Witz, hier ist es."
Sie holte ihr Smartphone aus der Hosentasche heraus und grinste.
„Dann können wir ja do-"
„Vergiss es.", sagte sie schroff und steckte das Gerät wieder dorthin zurück.
„Hä?"
„Das Handy habe ich nur notfalls mitgenommen, für deine Spielereien hat dieses Gerät hier keine Verwendung."
„Was soll das den jetzt heißen?"
„Kurzgesagt: Nein.", sagte sie und stupste ihm stichelnd auf die Nasenspitze. Conan wies ihre Hand ab und kehrte ihr den Rücken zu.
„Hör doch auf damit.", murmelte er genervt. Shiho lachte zufrieden.
„Vielleicht sollte ich das öfter mit dir machen, keine schlechte Idee."
—-
Nach einer Weile kamen sie an einer Bushaltestelle vorbei und sahen zu, wie der vorherige Bus an ihnen vorbeifuhr.
„Und bist du dir wirklich sicher, dass uns niemand beobachtet?", fragte Conan unsicher.
Dass Sherry sich in ihrer derzeitigen Gestalt an die Öffentlichkeit traute, war ihm neu. Sie hatte sich in letzter Zeit wirklich verändert.
„Beruhige dich, Kudo. Uns wird schon nichts passieren, schließlich sind wir hier in Amerika.", versicherte sie ihm.
„Irgendwie kommst du mir verdächtig vor, Haibara. Heckst du doch etwas aus? Sei ehrlich."
„Denk doch mal nach. Die Schwarze Organisation ist doch nur in Japan tätig und sie hätten sowieso keinen Grund nach Amerika zu reisen."
„Wenn es aber um dich geht, dann schon."
„Jetzt halt mal die Luft an. All die Zeit habe ich in meinem geschrumpften Zustand verbracht. Jetzt wo die Chance gekommen ist, ist es doch eine Verschwendung sie nicht zu nutzen."
„Du weißt schon, dass diese 'Chance' wie du sie nennst, uns womöglich das Leben kosten könnte."
Schon wieder dieselbe alte Leier. Shiho ballte ihre freie Hand zu einer Faust.
„Meine Güte, du hast dich ja ziemlich verändert. Damals war dir das alles total egal und jetzt…"
„Ja, weil es kein Risiko dazu gegeben hatte. Jetzt, wo du in deiner erwachsenen Gestalt bist, können sie dich leichter erkennen, versteh das doch endlich, Haibara!"
„Das weiß ich doch!", rief sie plötzlich zurück und blieb vor ihm stehen. Conan hielt inne, als er doch noch einen verzweifelten Ton in ihrer Stimme erkennen konnte.
„A-Ai…"
„Das weiß ich… hasse mich dafür, aber ich habe es verdammt noch mal satt, immer vom Schicksal hin und her geschubst zu werden! Ich will selbst meine eigene Zukunft bestimmen und… und…"
Conan starrte sie überrascht an. So hatte er sie noch nie erlebt. War das wirklich die Sherry, die sie bisher nach all der Zeit vor ihm versteckt hatte? Hat sie ihm immerzu etwas vorgespielt? Kein Zweifel, das waren neue Seiten an ihr, die er zuvor noch nie gesehen hatte. Das vor ihm war nicht mehr die Ai Haibara, wie er sie schon immer gekannt hatte, sondern die echte Shiho Miyano, eine Person, die sich stets hinter einer falschen Identität versteckte. Conan wusste nicht wie er darauf antworten sollte. Alles, was sich über das halbe Jahr seitdem sie sich kennenlernten, zuvor bei ihr angestaut hatte, kam jetzt auf einen Schlag aus ihr heraus und zeigte sich ihm in all ihrer Ausmaßen. Aber warum war er es, der sie so sehen konnte, wie sie wirklich war?
„Ich kann dich verstehen, Sh… Haibara, meine ich."
„Und hör bitte damit auf.", murmelte sie leise. Sie zog leicht an seinem Arm und er sah zu ihr hoch.
„Was?"
„Hör bitte auf damit.", wiederholte sie.
„Was meinst du damit?! Ich verstehe dich überhaupt nicht."
„Warum nennst du mich immer noch so?"
„Wa…?"
„Oder kannst du mich nicht als die Person wahrnehmen, die ich wirklich bin?"
Als Person wahrnehmen, die sie wirklich war… Haibara hatte Recht. Die ganze Zeit hatte er sie nur als Ai Haibara gesehen und nie sich darüber Gedanken hinter ihrer wahren Person gemacht. Conan blickte bedrückt auf den Boden.
„Tut mir leid.", murmelte er. Das war das einzige, was er ihr antworten konnte.
„Nein, es sollte mir leid tun. Ich war diejenige, die das Gegenmittel genommen hat."
Sie benahm sich fast wie Ayumi damals.
„Ich weiß, dass hier ein Risiko besteht, aber diesmal ist es wirklich wichtig.", antwortete sie.
„Warum?", fragte Conan.
Sie schwieg. Er versuchte trotzdem eine Antwort auf ihre Frage, die sie ihm zuvor gestellt hatte, zu finden.
„Ich kann es nicht akzeptieren. Irgendetwas…"
„Du hast Angst, oder?", fragte sie.
„Blödsinn."
„Lüg mich nicht an, Kudo. Ich sehe es dir doch an."
„Jetzt hört der Spaß allmählich auf!", schrie er wütend.
„Du willst es einfach nicht akzeptieren, hab ich Recht?"
Sie kniete sich zu ihm nieder, hielt ihn an beiden Schultern fest und sah ihm mit ernstem Blick tief in die Augen. Es schockierte ihn, als er merkte, wie gut sie ihn schon kannte. Er wollte ihr etwas entgegen werfen, doch ihm fiel wieder nichts ein und er entschied doch lieber sich zurückzuhalten, um den Streit nicht eskalieren zu lassen, weil er wusste, dass es nichts bringen würde. Sie hatte nämlich vollkommen Recht. Irgendwie wollte er es nicht akzeptieren. Vielleicht weil mehr dahinter steckte als nur ein Name. Scheiße, er wusste überhaupt nicht weiter.
„A… Ai, ich…"
„Das habe ich mir schon gedacht.", murmelte sie, als sie wieder aufstand und ihn losließ.
„Aber ich sollte dich auch nicht zu einer Antwort zwingen, denn das liegt jetzt ganz allein bei dir."
„Haibara, warte…!", gab er von sich. Shiho zeigte mit dem Finger an ihm vorbei.
„Da sind sie."
„Was?"
„Die anderen."
Conan wandte sich um und erblickte die Gestalten von Ayumi, Mitsuhiko, Genta, Kogoro, Ran und Professor Agasa aus der Ferne, die die Straße gegenüber entlang liefen. So wie es aussah, hatten sie ihn und Sherry noch nicht bemerkt.
„Und was wird das?"
„Du hast die Wahl… entweder du entscheidest dich für Ran und die anderen, oder du kommst mit mir mit. Du hast zehn Sekunden Zeit für deine Entscheidung, andererseits nehme ich den Bus und fahre alleine dorthin und lasse dich mit den anderen hier zurück.", antwortete sie und deutete über ihre Schulter auf den Bus, der sich ihnen näherte.
„Wovon redest du da?", fragte Conan verwirrt. Hat sie jetzt komplett den Verstand verloren?
„Zehn… neun…", begann sie zu zählen.
Natürlich wollte er mitkommen, aber… warum hatte er immer noch Angst davor?
„Acht…"
Jemand wie sie machte bei solchen Situationen keine Witze, das wurde ihm sofort klar.
„Sieben…"
„Haibara, was soll das?"
„Sechs, fünf…"
„Ich…"
„Vier…"
Was hielt ihn davon ab? Er konnte es sich selbst nicht erklären. Conan starrte krampfhaft zu Boden.
„Drei, zwei…"
„Haibara, ich…"
Sie seufzte schwer.
„Die Zeit ist um. Du hast dich entschieden. Man sieht sich…, Conan.", antwortete sie und entfernte sich in langsamen Schritten von ihm, während er mit gemischten Gefühlen mit sich selbst kämpfte.
„Hai… bara…", murmelte er und streckte, in der verzweigten Hoffnung die Situation noch klären zu können, seine Hand nach ihr aus, doch sie war schon im Bus verschwunden.
Er konnte ihr nur noch hinterher schauen.
– Oneshot Kapitel 2 ENDE –
