Was haben sie sich bloß dabei gedacht?

"Spinnst du, Kingsley?", rief Harry und starrte seinen Vorgesetzten entsetzt an. Er dachte er wäre endlich von seinen verhassten Verwandten losgekommen, und jetzt? Jetzt hatte er sie am Hals, und das Gott weiß wie lange.

"Jetzt beruhig dich, Potter. Ich weiß dass ihr euch nicht gut versteht, aber gerade diese Situation ist doch wie geschaffen dafür, ein paar Konflikte aus der Welt zu schaffen." Harry lachte freudlos auf.

"Jetzt klingst du wie Remus."

Kingsley fing an zu grinsen. "Ich hab in der letzten Zeit in der Tat mehr mit ihm zusammen unternommen, wegen Tonks und gewisser Sicherheitsvorkehrungen. Möglich, dass er da auf mich abgefärbt hat."

"Gibt es denn keine andere Möglichkeit, Kingsley?", fragte Ginny ruhig. Der Auror schüttelte den Kopf und beförderte somit etwas Asche ins Wohnzimmer.

"Es ist gut möglich, dass die Todesser es auf die Dursleys wegen Harry abgesehen haben, und wo ist er dann besser aufgehoben als bei ihm? Außerdem habt ihr die bestgesicherteste Wohnung, die es gibt. Fast so sicher wie Hogwarts, deshalb kann hier am wenigsten passieren."

"Aber - "

"Das ist eine dienstliche Anordnung, Potter. Du solltest dich nicht wiedersetzen, verstanden?"

Harry nickte widerwillig.

"Dann ist ja alles klar. Wir sehen dich morgen, wenn du deinen Bericht ablieferst und die Rekruten weiter ausbildest. Du, Ginny, nimmst dir Morgen frei, du siehst ziemlich blass aus."

"Es geht mir gut!", verteidigte sie sich.

"Trotzdem. Also, bis morgen, Potter. Schönen Abend noch.", sagte Kingsley, nickte kurz in die Runde und verschwand dann aus den Flammen.

"Das ist unglaublich.", schnaubte Ginny zornig.

"Genau. Wieso müssen sie jetzt bei uns bleiben.", stimmte Harry ihr zu.

"Das meine ich nicht. Warum muss ich zu Hause bleiben, nur weil ich blass bin. Es geht mir doch gut.", empörte sich Ginny.

"Du weißt, dass Hermine das Selbe gesagt hat und ein paar Tage später hat sie das Baby verloren.", sagte Harry ernst.

"Jaah, schon, aber das ist doch komplett anders.", verteidigte sie sich.

"Ist es das?", fragte Harry sie leise. Ihre Blicke begegneten sich und Ginny zuckte anschließend resigniert mit den Schultern.

"Hallo!", brachte sich Onkel Vernon in Erinnerung. Ihm schien es gar nicht zu gefallen, einfach von seinem Neffen und dessen Frau ignoriert zu werden. "Was hat dieser Spinner in den Flammen damit gemeint, dass wir vorläufig hier bleiben müssen?"

"Das ihr vorläufig hier bleiben müsst.", erklärte Harry ihm simpel.

"Das kannst du vergessen. Meine Familie und ich werden nicht bei euch Verrückten bleiben."

"Das würde ich zu gerne vergessen. Und wenn ihr gehen wollt, dann geht. Allerdings seid ihr drei dann wahrscheinlich spätestens morgen tot, da könnt ihr euch sicher sein."

Onkel Vernon blickte von Harry über Ginny zu Petunia und Dudley, die immer noch auf dem Sofa kauerten. Er schien zu überlegen, und Harry war sich nicht sicher, welches Ergebnis ihm lieber war.

Er hatte seine Verwandten nie wieder sehen wollen und wenn er ehrlich war, war es ihm recht egal, was aus ihnen werden würde. Aber Ginny und das Baby waren ihm nicht egal, und wenn die Todesser eine Möglichkeit gefunden hatten, die Dursleys zu benutzen, um an ihn und seine Familie heranzukommen, dann war es ihm lieber, wenn sie hier waren, als wenn Ginny etwas passieren würde.

"Also schön. Ich will nicht, dass Petunia und Dudders etwas passiert. Wir bleiben hier. Wo werden wir schlafen?", wechselte Onkel Vernon das Thema und schritt auf Harrys und Ginnys Schlafzimmertür zu. Er riss sie mit einem Ruck auf und sah hinein. "Das ist ein schönes Zimmer."

"Finden wir auch.", sagte Harry und ging ebenfalls zum Schlafzimmer. Er schloss die Tür. "Und deshalb schlafen wir auch darin."

"Wir sind deine Gäste. Es ist deine Pflicht, uns das beste Zimmer zu geben."

"Habt ihr mir damals das beste Zimmer gegeben?", fragte Harry. Er wurde langsam zornig.

"Du hattest ein Zimmer. Was wolltest du mehr?"

"Es würde zu lange dauern, das alles aufzuführen. Ihr werdet auch ein Zimmer bekommen, keine Sorge."

"Ach ja, und wo ist es?", fragte Vernon und ging auf eine andere Tür zu.

"Da sicher nicht.", sagte Harry scharf.

"Das ist das Babyzimmer.", erklärte Ginny und strich beruhigend über ihren runden Bauch. Das Baby schien die Aggressionen zu fühlen und trat ziemlich heftig.

"Aber das Baby ist doch noch gar nicht geboren.", widersprach Vernon.

"Na und? Du würdest da sowieso nicht reinpassen.", erwiderte Harry. "Kommt mit, ich zeige euch euer Zimmer." Harry ging auf eine Tür zu, die fünf Minuten früher noch nicht dagewesen war.

"Wo kommt die Tür her?", fragte sein Onkel erstaunt.

"Vom Ministerium. Die haben den Raum damals eingerichtet, für Notfälle, und das ist wahrscheinlich einer.", sagte Harry leichthin und öffnete die Tür.

Es befand sich ein großes Doppelbett und ein etwas kleineres Einzelbett darin, eine weitere Tür, die wahrscheinlich zu einem Badezimmer führte und ein Kühlschrank, auf den sich Dudley sofort stürzte. Er hatte sich anscheinend auch nicht verändert.

Tante Petunia ging in das Zimmer und sah sich misstrauisch nach Staub um. Als sie keinen fand, setzte sie sich auf das Bett und prüfte die Matratze. Auch Onkel Vernon sah sich skeptisch um.

"Das Zimmer scheint okay zu sein.", wandte er sich dann zu Harry.

"Natürlich ist es das. Und es ist mehr als ihr verdient.", meinte der. Onkel Vernon trat drohend auf Harry zu.

"In diesem Ton sprichst du nicht mit mir, Bursche."

"In meiner Wohnung entscheide ich, welcher Ton angemessen ist und welcher nicht, Onkel. Solange ihr hier bleiben müsst, gelten meine Regeln, habt ihr verstanden?", sagte Harry scharf. Onkel Vernon öffnete protestierend den Mund. "Ich kann euch natürlich auch verhexen, wenn euch das lieber ist."

"Nein, nein, schon gut.", meinte Harrys Onkel beschwichtigend. "Aber was ist mit meiner Arbeit?"

"Das macht das Ministerium schon.", sagte Harry zuversichtlich. "Also schön, folgende Regeln gelten hier: Ihr haltet euch hauptsächlich in diesem Zimmer auf, hier seid ihr sicher, hier stört ihr niemanden. Bleibt von der Tür, dem Kamin und allen Dingen, die nach Magie aussehen, fern, dann werden wir hoffentlich halbwegs gut auskommen. Und noch etwas: Regt Ginny nicht auf, ihr geht es momentan nicht besonders gut. Verstanden?", fragte Harry scharf und zog zur Unterstützung auch noch seinen Zauberstab.

Die Dursleys nickten und starrten auf Harrys Zauberstab und nickten ängstlich.

"Gut.", sagte Harry und verließ das Zimmer. Er sah Ginny am Küchentisch sitzen und ein Eis mit einem Löffel essen. Sie hatte sich umgezogen, trug nun ein langes T-Shirt, hatte sich die Haare locker hochgesteckt und sah ziemlich müde aus. Harry strich ihr liebevoll über den Kopf und ging ins Schlafzimmer. Er zog sich ebenfalls um und setzte sich dann zu Ginny.

Wortlos reichte sie ihm einen Löffel und sie aßen eine Weile schweigend das Erdbeereis.

"Ich hab morgen einen Termin beim Muggelfrauenarzt. Die Ärztin meint, dass sie vielleicht sagen kann, was das Baby wird.", erzählte Ginny.

"Ich dachte es wird ein Mädchen, das erzählst du mir schließlich schon seit dem Tag, an dem wir erfahren haben, dass du schwanger bist.", sagte Harry.

"Ich weiß, aber es sicher zu wissen ist doch was völlig anderes. Dann können wir das Babyzimmer endlich rosa streichen.", sagte sie begeistert.

"Rosa? Muss das sein? Das Kind bekommt doch einen Schock, wenn es jeden Morgen rosafarbene Wände sieht. Und überleg mal, was ist, wenn das Baby so rote Haare hat wie du, dann passt das doch nie im Leben zusammen."

"Gehe ich Recht in der Annahme, dass du gegen die Farbe rosa bist?", fragte Ginny grinsend.

"Schön, dass du meine subtilen Hinweise verstanden hast.", lächelte Harry und lehnte sich zu seiner Frau rüber. Sie küssten sich zärtlich und intensivierten den Kuss nach kurzer Zeit. Das war eine angenehme Entspannung nach diesem ereignisreichen Abend.

Sie bekamen nicht mit, dass sie beobachtet wurden. Petunia Dursley stand an der Tür zu ihrem vorläufigen Zimmer und starrte auf ihren Neffen und seine Frau. Sie hätte nicht gedacht, dass sie ihn noch einmal wiedersehen würde, nachdem er an seinem siebzehnten Geburtstag entgültig aus dem Ligusterweg verschwunden war.

Er schien ein gutes Leben zu haben. Dafür, dass seine Eltern gestorben waren, als er ein Jahr alt war, dafür, dass sie und Vernon ihm das Leben sehr schwer gemacht hatten, dafür, dass er anscheinend die beliebteste Zielscheibe für den schwarzmagischsten Zauberer aller Zeiten gewesen war.

Lily hatte auch ein gutes Leben gehabt. Sie hatte den Mann geheiratet, den sie geliebt hatte und sie war glücklich mit ihm gewesen, dass hatte Petunia sofort erkannt, als sie James und Lily das erste Mal zusammen erlebt hatte. Sie waren nicht oft zusammen getroffen, Petunia hatte sich damals geweigert, zur Hochzeit ihrer Schwester zu kommen, weil zu viele Missgeburten, zu viele Freaks anwesend gewesen waren, aber manchmal wünschte sie sich, sie hätte es doch getan.

Früher, als sie beide noch Kinder waren, hatten sich die beiden Schwestern gut verstanden, hatten sie viel zusammen gespielt und gelacht, aber alles hatte sich geändert, als Lily den Brief aus Hogwarts bekommen hatte, als sie zu etwas besonderem wurde, als Petunia, die ältere Schwester, in den Hintergrund gerückt war.

Damals hatte sich ihre Beziehung komplett geändert, Petunia war beleidigt gewesen, dass nur Lily magische Fähigkeiten in sich getragen hatte, hatte es runterspielen wollen, indem sie behauptet hatte, Lily war eine Missgeburt.

Dann, irgendwann, war Vernon Dursley in ihr Leben getreten und hatte großes Interesse an Petunia bekundet, und Petunia, die diese Aufmerksamkeit von einem Jungen nicht gewöhnt war, da sie nicht besonders hübsch aussah, hatte sich sehr geschmeichelt gefühlt, da Vernon ihr das Gefühl gegeben hatte, etwas besonderes zu sein.

Aber natürlich, Lily hatte kurz nach ihr einen Freund gehabt, hatte kurz nach ihr geheiratet, war kurz nach ihr schwanger geworden.

Und ihre Eltern schienen sich für Lily immer mehr gefreut zu haben, schienen mit Lilys Wahl zufriedener zu sein, schienen Lilys Sohn mehr zu mögen. Petunia hatte sich so übergangen gefühlt, von ihren Eltern und von Lily.

Und damals, als Harry plötzlich vor ihrer Haustür gelegen hatte. Petunia hatte den Sohn ihrer Schwester aufgenommen, weil sie das Gefühl gehabt hatte, es Lily zu schulden, ihr wenigstens noch einen schwesterlichen Dienst erweisen zu müssen und sich um den Menschen zu kümmern, der Lily, mit Ausnahme von James, der wichtigste Mensch überhaupt gewesen war.

Natürlich hatte Petunia nicht gewollt, dass es Dudley so ging wie ihr selbst damals, dass er sich übergangen fühlen würde. Sie hatte unbewusst, manchmal jedenfalls, Harry leiden lassen, sehr viel mehr noch als sie selbst früher gelitten hatte.

Aber Harry schien es nicht sehr geschadet zu haben. Er war glücklich mit dieser Ginny, die beiden gründeten eine Familie, sie waren wohl auch ziemlich erfolgreich in ihrem Beruf und hatten auch genug Geld, wenn Petunia sich so die Möbel und die Wohnung im Allgemeinen anschaute.

Und was hatte Dudley? Für Petunia war ihr Sohn natürlich der Beste, der Erfolgreichste, der Wunderbarste. Aber wenn man ihn und Harry als Außenstehender verglich, dann hatte Harry es eindeutig besser getroffen.

Er war verheiratet, wurde Vater, hatte einen richtigen Beruf.

Und Dudley? Er wohnte in einer WG mit seinen Boxkumpels, hielt sich teilweise mit Gelegenheitsjobs über Wasser, bis er eines Tages die Firma von Vernon übernehmen würde, in der jetzt noch kein Platz für ihn war, und eine Freundin hatte er auch nicht wirklich, er ging zwar manchmal mit Mädchen aus, aber die waren weder besonders hübsch noch besonders klug und in Petunias Augen eindeutig nicht die Richtigen für Dudley.

Aber Harry war mit einem sehr netten Mädchen verheiratet, dass Petunia sofort an Lily erinnert hatte. Die feuerroten Haare hatten sehr viel Ähnlichkeit mit denen von Petunias Schwester, und das Temperament schien exakt das Selbe zu sein.

Petunia wandte den Blick von dem sich küssenden Ehepaar ab und entdeckte die Kommode mit den vielen Fotos. Harrys und Ginnys Hochzeitsfoto sprang ihr sofort ins Auge, es glich dem von Lilys Hochzeit, vor allem weil die Hauptpersonen sich fast bis aufs Haar glichen.

Lilys Hochzeitsfoto war das letzte, dass Petunia von ihrer Schwester hatte und auch das einzige, dass ein Zaubererfoto war. Es bedeutete ihr viel, auch wenn sie nicht sagen konnte, warum es so war.

Harry und Ginny hatten mit der verliebten Knutscherei aufgehört, Ginny zauberte das Eis weg und die beiden gingen sichtlich erschöpft in ihr Schlafzimmer.

Auch Petunia kehrte in das ihr zugedachte Zimmer mit den schnarchenden Dursley-Männern zurück.

/-/

"Harry?" Ginny richtete sich schlaftrunken im Bett auf und sah, wie ihr Mann durch das Zimmer flitzte. "Was machst du denn da?"

Harry unterbrach sein Herumgerenne und schaute zu Ginny. "Ich suche meine Armbanduhr und kann sie nicht finden.", erklärte er ihr.

"Nimm doch einfach einen Aufrufezuaber.", riet Ginny und ließ sich wieder zurück in die Kissen fallen. Sie war gestern Abend ziemlich müde gewesen, die Schwangerschaft konnte einen manchmal ziemlich schlauchen.

Harry hatte inzwischen seinen Zauberstab gezogen. "Accio Armbanduhr!", rief er und hielt kurz darauf seine Uhr in der Hand, allerdings war ein entsetzter Schrei aus dem Wohnzimmer zu hören gewesen.

"Was war das?", wollte Ginny wissen. Sie war zu faul zum Aufstehen. Harry warf einen Blick ins Wohnzimmer.

"Ach, Dudley sitzt nur vor dem Fernseher und hat die Uhr an sich vorbei fliegen sehen.", erklärte Harry. Er setzte sich an den Bettrand und küsste Ginny flüchtig auf den Mund. "Ich muss jetzt ins Ministerium. Pass auf euch auf, ja?", sagte er dann leise und strich über den Babybauch seiner Frau.

Ginny nickte. "Mach ich."

"Gut. Ich liebe euch.", sagte Harry und stand auf. Er verließ das Schlafzimmer, nahm sich etwas Flohpulver vom Kaminsims, streute es in die Flammen, die grün wurden. Er achtete nicht auf Dudleys überraschtes Keuchen, stieg in den Kamin und rief: "Zaubereiministerium." Bevor er verschwunden war, erhaschte er noch einen Blick auf den vor Schreck erstarrten Onkel Vernon. Er konnte sich bestimmt noch daran erinnern, was damals passiert war, als die Weasleys ihn zu Quidditschweltmeisterschaft abgeholt hatten. Harry grinste leise vor sich hin und hätte so beinahe den richtigen Ausgang verpasst.

/-/

Ginny war noch eine Weile liegen geblieben, aber irgendwann hatte sie entschieden, dass es Zeit war aufzustehen. Sie trug noch immer das T-Shirt von gestern Abend und zog einfach einen Bademantel darüber. Sie betrat das Wohnzimmer und überblickte die Lage.

Dudley saß auf der Couch und sah fern. Ginny hatte sich nicht erinnern können, dass sie es ihm erlaubt hatten, aber es war wohl am besten so, dann störte er niemanden.

Onkel Vernon und Tante Petunia waren in der Küche. Onkel Vernon inspizierte den Kühlschrank und Tante Petunia den Rest des Raumes.

Ginny atmete tief durch und spürte plötzlich, wie ihr Baby sie trat, so, als wollte es sie ermutigen. Sie nickte unmerklich und betrat ebenfalls die Küche.

"Soll ich Ihnen Frühstück machen?", frage Ginny höflich und buchsierte Onkel Vernon vom Kühlschrank weg zum Esstisch.

"Können Sie das?", wollte Tante Petunia wissen.

"So in etwa. Meine Mom hat mir vieles beigebracht. Und sie ist eine begnadete Köchin.", erklärte Ginny.

"Ist das diese dickliche Person, die immer auf dem Bahnsteig war?", fragte Onkel Vernon, der sich an den Esszimmertisch gesetzt hatte.

'Auf jeden Fall ist sie dünner als Sie.', dachte Ginny zynisch. "Ja, das ist sie. Sie kann wirklich super kochen." Sie ging zum Kühlschrank und holte einige Lebensmittel heraus. "Haben Sie gut geschlafen?", fragte sie nach einer Weile.

"Mhm.", brummte Onkel Vernon unwillig. Es schien unter seiner Würde zu sein, mit Ginny zu reden. Die brachte gerade alle Frühstücksutensilien zum Tisch. Allerdings schien der dickliche Mann nichts davon essen zu wollen. Petunia besah sich die Lebensmittel und nahm dann ein Brötchen und etwas Butter.

Ginny griff tüchtig zu, aber sie war schließlich schwanger und aß für zwei. Onkel Vernon sah eine Weile schweigend zu. Er wirkte so, als würde er einen schweren inneren Kampf mit sich ausfechten, den er anscheinend verlor, denn zum Schluss bediente auch er sich am reichhaltigen Frühstücksbuffet. Und letztendlich kam auch Dudley dazu, der Hunger war wohl zu groß.

Ginny warf einen Blick auf die Wanduhr, die in der Ecke hing und erschrak. Sie hatte nicht mehr viel Zeit bis zu ihrem Termin bei der Gynäkologin. Die rothaarige Frau sprang auf und lief ins Badezimmer, duschte schnell und zog sich dann frische, ganz typische Muggelkleidung über.

Sie kam wieder ins Wohnzimmer. Tante Petunia hatte mit dem Aufräumen begonnen und Dudley war wieder vor dem Fernseher. Nur Vernon saß immer noch ziemlich missmutig am Küchentisch. Er schien es nicht zu mögen, praktisch ein Gefangener in der Wohnung seines Neffen zu sein.

"Ich hab jetzt einen Termin. Sie bleiben hier und halten sich am besten in Ihrem Zimmer auf. Lassen Sie die Finger von allen Sachen, die Sie nicht kennen, oder... am besten einfach von allen Sachen. Ist besser für Sie.", sagte Ginny schnell und zog sich ihren Mantel über.

Sie ging zur Haustür, verschloss sie von außen mit ihrem Wohnungsschlüssel. Danach versiegelte sie die Wohnung auch noch magisch. Sie hoffte, dass dieser Schutz ausreichen würde und verließ dann das Haus.

/-/

Nervös trommelte Ginny mit ihren Fingern auf die Lehne ihres Stuhls im Wartezimmer. Das Baby schien ihre Nervosität zu spüren und trat sie ziemlich fest. Es war das erste Mal, dass sie ohne Harry beim Arzt war und die Tatsache, dass die Dursleys bei ihnen in der Wohnung waren, beruhigte sie auch nicht.

Sie versuchte sich abzulenken, indem sie eine der ausliegenden Zeitschriften zur Hand nahm. Sie blätterte sie durch, ohne zu wissen, was sie überhaupt las.

Sie wusste nicht, warum sie fühlte, was sie fühlte. Anscheinend hatte sie der Dementorenangriff doch sehr mitgenommen und dass sie jetzt die Unterkunft für Harrys einzige lebende Verwandte waren.

"Mrs Potter?" Ginny sah auf. Mit der Zeit hatte sie sich an diesen Namen gewöhnt. Es war ein schöner Name, normal, und doch außergewöhnlich, eine gute Mischung. Ginny stand auf und ging in das Behandlungszimmer. Sie schüttelte ihrer Ärztin die Hand.

"Na? Dieses Mal ohne Ihren Mann hier?", fragte sie lächelnd.

"Ja, er hatte keine Zeit. Ein paar Verwandte von ihm sind überraschend gekommen, er muss sich noch um einige Sachen kümmern.", erklärte sie. Und es war die volle Wahrheit, was bei Zusammentreffen mit unwissenden Muggeln selten der Fall war.

Die Ärztin stellte einige Fragen zum Befinden Ginnys und danach führte sie den Ultraschall durch.

Es war jedes Mal ein unglaubliches Gefühl, wenn Ginny den Herzschlag ihres Babys hören konnte, und wenn das Baby auf dem Bildschirm sichtbar war.

Nur noch vier Monate, dann konnte sie das Kind endlich im Arm halten. Es schien ihr noch eine Ewigkeit bis dahin zu sein, aber so konnte sie mit Harry die letzten Monate zu zweit noch genießen, oder, wie es jetzt aussah zu fünft.

Hoffentlich blieben die Dursleys nicht zu lange bei ihnen. Diese Wohnlösung schien weder ihnen, noch Harry und Ginny zu gefallen.

"Ich habe hier ein sehr deutliches Bild von dem Baby. Wollen Sie das Geschlecht denn wissen?", fragte die Ärztin vorsichtshalber. Ginny nickte lächelnd. Auch sie starrte angestrengt auf den Bildschirm, aber sie konnte weiß Gott nicht das Geschlecht erkennen, dass ihr Kind hatte.

/-/

Eine halbe Stunde später ging sie breit lächelnd durch die Eingangshalle des St Mungos. Sie hatte sich schon vor einer Woche mit Hermine und Cindy zum Mittagessen verabredet und auch nicht die Absicht, dieses Treffen sausen zu lassen. Cindy wartete auch schon auf ihre Freundin und umarmte sie heftig.

"Ginny! Schön, dich mal wieder zu sehen. Meine Güte, den Bauch ist aber gewachsen, ich hab ja schon Probleme, dich richtig zu umarmen.", stellte sie grinsend fest.

"Wenn du meinst.", murmelte die rothaarige Frau.

"Was ist mit dir los, Ginny?", wollte Hermine wissen, die, gefolgt von Fred und George, zu den beiden Frauen stieß.

"Genau.", warf Fred ein. "Normalerweise darf man nicht über deine Figur lästern, ohne dass Gefahr besteht, einen deiner Flederwichtflüche abzukriegen."

"Heute bin ich gut drauf.", meinte Ginny.

"Aber du warst doch sonst nie so gut drauf.", sagte George. Ginny warf ihm einen Blick á la Mrs Weasley zu.

"Und warum bist du heute so...", fing Hermine an. Aber dann ging ihr ein Licht auf. "Du weißt, was es wird?" Ginny nickte grinsend. Cindy quietschte und umarmte Ginny ein weiteres Mal, auch Hermine war nicht mehr zu halten.

Nur Fred und George schauten sich irritiert an, wahrscheinlich hatten sie nicht alles mitbekommen.

"Und?", fragte Cindy drängend. "Was wird es?"

Ginny lächelte geheimnistuerisch. "Das werde ich zuerst Harry sagen."

"Ach komm schon, Schwesterchen.", fing Fred bettelnd an. Er hatte gemerkt, worum es ging und wollte die Neuigkeit jetzt unbedingt vor Harry erfahren.

"Wir sind doch deine Lieblingsbrüder. Uns kannst du doch sagen, ob wir einen Neffen oder eine Nichte bekommen werden.", flehte George jetzt ebenfalls.

"Gerade euch werde ich es nicht sagen. Harry wollte eigentlich mit zum Arzt, aber er musste dringend ins Ministerium. Und ihr werdet jetzt gefälligst warten, bis der Vater meines Kindes erfährt, was wir bekommen.", sagte sie bestimmend.

"Was ist eigentlich gestern passiert? Ron hat erzählt, dass Kingsley ziemlich aufgeregt war, als sie alle von ihrem Einsatz zurückgekommen sind.", fragte Hermine jetzt neugierig. Die drei Freundinnen und auch die Zwillinge verließen das Mungos.

"Na ja, Harry und ich mussten noch schnell zu einem Einsatz ... im Ligusterweg.", sagte Ginny langsam.

Hermine blieb stehen und starrte sie erstaunt an. "Wurden die Dursleys angegriffen?" Ginny nickte. "Und geht es ihnen gut?" Wieder ein Nicken.

"Es gab allerdings einen kleinen Haken."

"Welchen?", fragte Hermine misstrauisch.

"Sie müssen die nächste Zeit bei uns bleiben."

"WAS?", rief Hermine so schockiert und laut, dass sich die Passanten auf der Straße nach der Frau umdrehten.

"Harrys Verwandten müssen jetzt bei euch wohnen?", erkundigte sich Fred mit einem durchtriebenen Grinsen.

Ginny nickte. "Und glaubt bloß nicht, dass ihr irgendwelche Produkten an ihnen testen könnt, das könnte Harry seinen Job kosten."

"Wie kommst du darauf, dass wir etwas derartiges geplant haben könnten?"

"Ich erinnere mich noch an Harrys Erzählungen von dem einen Mal, als ihr mit seinem Cousin zusammengetroffen seit und seine zwei Meter lange Zunge."

"Damals waren wir Teenager. Wir sind erwachsen geworden.", verteidigte sich Fred. Ginny musterte ihre Brüder aufmerksam.

"Davon habe ich bis jetzt noch überhaupt nichts gemerkt."

"Das kommt eben davon, dass du viel zu ignorant bist."

"Ich bin ignorant? Hermine, ich glaube dieses Mal hast du sie falsch geheilt."

"Nur dieses Mal?", fragte Cindy grinsend. George schate sie entrüstet an.

"Müssen wir uns das sagen lassen, Fred?"

"Nein, George, müssen wir nicht." Es gab einen lauten KNALL und die Zwillinge waren verschwunden.

"Diese Idioten. Die werden noch dafür sorgen, dass eines Tages die gesamte magische Bevölkerung auffliegt. Einfach so auf offener Straße zu disapparieren, ich glaube die spinnen.", regte sich Hermine auf.

"Lass sie doch, Hermine. Und, Ginny? Sagst du uns jetzt, wo sie weg sind, was das Baby wird?", kam Cindy auf das ursprüngliche Thema zurück. Aber die schwangere Frau schüttelte entschieden den Kopf.

"Ich werde es erst Harry erzählen. Danach erfahrt ihr es."

Hermine nickte. "Das kann ich verstehen."

"Ich aber nicht.", wiedersprach Cindy.

"Und? Wie weit bist du mit den Planungen deiner Hochzeit?", wechselte Ginny den Gesprächsgegenstand.

"Oh, ich habe schon das perfekte Kleid gefunden. Es ist wirklich toll, weiß, mit Stickereien, ärmellos, unten wird es etwas weiter. Ein sehr angenehmer fließender Stoff, trägt sich wunderbar, muss ich sagen. Und der Schleier! Du solltest den Schleier sehen. So lang und weiß, teilweise mit Tüll. Er ist fast so perfekt wie das Kleid, wenn nicht noch besser. Aber das allerbeste sind meine Schuhe. Weiß, mit Achtzentimeter-Absätzen, so sandalenmäßig...", fing Cindy an zu schwärmen. Es war nicht zu übersehen, wie sehr sie sich schon auf ihre Hochzeit freute.

Und Ginny war froh, von dem Geschlecht ihres momentan tretenden Babys abgelenkt zu haben.

/-/

Gegen vier Uhr öffnete Ginny die Wohnungstür und war im ersten Moment erschrocken, weil sie Stimmen im Wohnzimmer hörte. Aber dann erinnerte sie sich, dass ja die Dursleys bei ihnen waren und entspannte sich wieder. Allerdings war sie sehr erstaunt, als sie die Stimme ihres Vaters erkannte.

"Haben Sie denn viele Stecker? Wie viele sind es denn? Können Sie das nicht einfach mal schätzen? Wissen Sie, mein Schwiegersohn, Ihr Neffe, hat mir erst zu meinem Geburtstag welche geschenkt.", erzählte Mr Weasley begeistert.

Ginny betrat das Wohnzimmer und musste unwillkürlich grinsen, als er das Blid sah, dass sich ihr bot. Die Dursleys saßen halbwegs verängstigt auf dem Sofa und beäugten Mr Weasley, der einen seiner zerschlissenen Umhänge trug, misstrauisch.

Aber Harrys Schwiegervater schien diese Blicke überhaupt nicht zu bemerken sondern redete fröhlich, weil er es endlich mal wieder mit waschechten Muggeln zu tun hatte, auf die drei Menschen ein. Als er jedoch seine Tocher sah, unterbrach er seinen Monolog, ging auf sie zu und umarmte sie herzlich.

"Ginny, Schatz. Ich wollte dich vorhin besuchen und als ich aus dem Kamin stieg, stand ich plötzlich Harrys Verwandten gegenüber. Ich dachte schon, dass ich mich im Kamin geirrt habe, aber stell dir vor, sie haben mir erzählt, dass sie vorläufig hier wohnen.", erzählte Mr Weasley. Ginny warf einen Blick zu den Dursleys. Ihr war klar, dass sie das alles andere als freiwillig erzählt haben mussten, aber da sie ihren Vater wahrscheinlich noch gut als Zerstörer ihres Wohnzimmers in Erinnerung hatten, wollten sie sich lieber nicht widersetzen.

"Und wo warst du? Beim Muggelarzt? Hast du wieder eines von diesen tollen Ultraschallbildern bekommen? Kann ich mein Enkelkind sehen?" Alles, was auch nur im entferntesten mit Muggelsachen zu tun hatte, war für Mr Weasley unglaublich faszinierend. Ginny konnte sich noch genau erinnern, wie sehr ihr Vater aus dem Häuschen war, als er das Ultraschallbild von Hermine gesehen hatte.

Sie nickte und schob ihn auf einen Stuhl. Aus einer Rocktasche förderte sie das neueste Bild ihres Babys hervor, dass Mr Weasley ehrfürchtig betrachtete.

Ginny musterte die Dursleys kurz und entschied, dass es ihnen soweit gut ging. Kurz darauf färbte sich das Feuer im Kamin grün und Harry erschien in der Feuerstelle. Er stieg aus, begutachtete einen Moment seine Verwandten und umarmte danach seine Frau.

"Was hat der Arzt gesagt?", wollte er wissen.

"Deiner Tochter und mir geht es gut.", erwiderte Ginny grinsend. Harry verdrehte die Augen.

"Du sollst doch nicht immer behaupten, dass das Baby ein Mädchen wird. Wenn es ein Junge sein sollte, kriegt er später noch Komplexe."

"Ich behaupte gar nichts. Ich weiß es.", sagte sie. Harry sah sie aus großen Augen an.

"Du meinst es wird ein Mädchen?", fragte er grinsend. Ginny nickte freudestrahlend und ließ sich von ihrem Mann glücklich umarmen. Mr Weasley sah das Ehepaar verwundert an, während Petunia es traurig beobachtete.

Harry hatte sehr viel mehr aus seinem Leben gemacht als Dudley. Vielleicht war ihre Erziehung doch nicht die allerbeste gewesen, aber sie hatten schließlich nur das Beste für ihren Sohn gewollt und ihm alles menschenmögliche gegeben.

"Ihr solltet euch wirklich mehr um eure Gäste kümmern.", sagte Onkel Vernon laut. Harry sah ihn kurz an.

"Ihr habt ein Bett, ihr habt zu essen, ihr habt ein eigenes Zimmer. Mehr hatte ich bei euch auch nicht und ich hab es sechzehn Jahre bei euch ausgehalten. Die Unterkunft, die wir euch hier bieten ist schon weitaus mehr, als ihr verdient habt."

"Ach ja? Wir wurden eine halbe Stunde lang von diesem Spinner zugelabert, über den sinnlosesten Kram, den es gibt.", brauste Onkel Vernon auf und erhob sich.

"Und was war mit mir? Ich musste immer diese fürchterlichen mehrwöchigen Besuche von der ach so lieben Tante Magda ertragen."

"Sag nichts gegen Magda."

"Dann sag du nichts gegen Arthur."

"Du wagst es, Magda mit diesem Spinner zu vergleichen?"

"Da hast du Recht. Arthur versucht wenigstens, nett und höflich zu sein, was man von deiner Schwester nicht gerade sagen kann."

"Was soll das wieder heißen!"

"Ganz genau das, was ich gesagt habe."

"So sprichst du nicht mit mir, Bürschchen."

"Falls es dir noch nicht aufgefallen ist, befindest du dich in meiner Wohnung. Das heißt, dass ich hier das Sagen habe und dass ihr auf mich hören müsst. Ihr seid genauso unfreiwillig hier wie ich damals bei euch und ihr könnt gerne jederzeit verschwinden, ich habe überhaupt nichts dagegen, aber euch sollte dann klar sein, dass ihr jeden Augenblick getötet werden könntet und ich bezweifle, dass du das willst, obwohl ich auch dagegen nichts einzuwenden hätte. Diese Situation hier wird hoffentlich nicht von Dauer sein, aber so lange ihr hier bleiben müsst, so lange haltet ihr euch gefälligst an meine Regeln und akzeptiert alle Leute, so komisch sie auch in euren Augen sein mügen, die hier her kommen, ich hab das schließlich auch gemacht. Habt ihr das verstanden?"

Die Dursleys starrten Harry nur an. Also zog er noch seinen Zauberstab. "Ob ihr das verstanden habt?", wiederholte er, dieses Mal mit deutlich drohenderem Unterton.

"Ja.", presste Onkel Vernon wütend und widerwillig hervor.

"Sehr gut.", sagte Harry. "Und jetzt geht ihr am Besten in euer Zimmer. Ihr habt dort einen Kühlschrank und ein Badezimmer, dass ist doch schon sehr viel besser als eine Katzenklappe, oder?"

Die Dursleys rannten beinahe in ihr Zimmer, weil Harry den Zauberstab immer noch nicht weggesteckt hatte. Er versiegelte die Tür magisch und setzte sich dann zu Ginny und Mr Weasley an den Küchentisch.

"Ich weiß echt nicht, was sich das Ministerium dabei gedacht hat.", seufzte er.


A/N: So, das war das nächste Kapitel, dass euch hoffentlich gefallen hat, auch wenn nicht soooo viele Verwicklungen mit den Dursleys darin waren. Aber es werden bestimmt noch ein paar Sachen kommen, ihr könnt auch gerne in euren Reviews schreiben, was für Vorfälle ihr gerne hättet, vielleicht gelingt es mir ja, etwas davon einzubauen.

A propos Reviews: Ich hab mich wahnsinnig darüber gefreut, so viele von euch bekommen zu haben, damit hatte ich gar nicht gerechnet. Es ist schön, dass meine Idee mit den Dursleys anscheinend gut anzukommen scheint.

Danke an die Leute, die mir immer einen Kommentar hinterlassen:

Alex Black5, Jolinar89, Ginns, Dragonsoldier, Grindeloh, Sanny12, Ewjena, Imobilus, Tanja, aha

Und ich danke auch denen, die mich in ihre Favoritenliste aufgenommen haben. Es freut mich, dass euch meine Geschichte gefällt.