Titel: Hinter den Schatten; Kapitel 1

Disclaimer: Die Charaktere von „Fluch der Karibik" gehören nicht mir und ich verdiene kein Geld mit dieser Geschichte.

Hinweis: Die Geschichte beginnt ca. 4 Monate nach dem Abenteuer mit Captain Barbossa.

Anmerkung: ff.net wird das vermutlich nicht so hochladen, wie es auf meinem Computer aussieht, das bitte ich zu entschuldigen.

Ein ganz normaler Tag?

Der Horizont ist die Grenze deines Sehnens.

Solange du die Hoffnung nicht verlierst,

wirst du deine Suche niemals aufgeben!

Es war eine kühle Nacht mit sternenklarem Himmel gewesen. Nun, da die Sonne schon einige Stunden über den Rand des endlosen Ozeans hinaufgewandert war, konnte man die sanfte Wärme, die sie verbreitete, spüren. Der Himmel war wolkenlos und ein leiser Wind pfiff über die leicht schäumenden Wellen.

Es war ein ruhiger, schöner Tag und nur eines durchbrach die angenehme Stille . . . „Jo Ho, Jo Ho, Piraten haben's gut.", Captain Jack Sparrow stand am Steuerrad seiner geliebten Black Pearl, ließ sich die salzige Seeluft um die Nase wehen und lauschte dem Gesang seiner Crew. Diese war eifrig am Arbeiten, denn an Bord eines Schiffes wie es die Black Pearl war, gab es immer etwas zu tun. Besonders nach der letzten Schlacht mit einer Piratenbande, die dachte, es mit Captain Sparrow und seiner Crew aufnehmen zu können, war einiges angefallen, das Reparatur bedurfte: Scheiben waren während der Gefechts zu Bruch gegangen und diverse Planken mussten dringend auf Fordermann gebracht werden. Während die Crew am Arbeiten war, sang sie ein Lied, welches ihr Captain ihnen einst beigebracht hatte, um die Sache ein wenig unterhaltsamer zu gestalten.

Jack Sparrow stand auf der Brücke, blickte gedankenversunken über das Meer und summte vor sich hin. So merkte er auch nicht, dass Gibbs die Treppe nach oben gestiegen war und sich neben ihn gestellt hatte.

„Captain!", sagte Gibbs und schaute Jack an. Doch dieser antwortete nicht.

„Captain?", rief Gibbs nun ein wenig lauter und tippte ihm leicht auf die Schulter.

„A - aye?", sagte Jack leicht erschrocken. Er sah aus, als hätte man ihn aus einem Traum geweckt. „Gibbs, du bist' s!", stellte er erleichtert fest. „Was is los?"

„Wohin segeln wir?", fragte Gibbs. „Wir sind schon mehr als 2 Wochen, seit wir von unserem letzten Aufenthalt in Tortuga aufgebrochen sind, unterwegs. Unsere Vorräte gehen zu Neige und müssen dringend aufgefrischt werden!"

„Hm ... wir müssten unser Ziel in weniger als 3 Tagen erreichen. Dort sollte es möglich sein Vorräte zu beschaffen.", antwortete Jack.

Gibbs sah ihn fragend an. „Aber wohin ...", er brach ab. Jack' s Blick nach war er mit seinen Gedanken schon wieder wo anders und hörte Gibbs nicht mehr zu.

Gibbs schaute seinen Captain verwirrt an, drehte sich langsam um und ging in Richtung Treppe davon. Es war doch sonst nicht seine Art, der Crew zu verheimlichen wohin sie segelten. Er wird schon seine Gründe dafür haben, dachte er sich und stieg die Treppe herunter, um sich wieder an seine Arbeit zu machen.

Er wird seine Gründe haben ...

Zur gleichen Zeit, Port Royal

Auf dem großen Marktplatz in der Mitte der Stadt herrschte reges Treiben. Händler standen hinter ihren Ständen und boten laut rufend ihre Waren an. Viele Stände waren mit frischem Obst und Gemüse beladen, aber auch Gewürze, Stoffe und andere Waren aus fremden Ländern wurden angeboten. Einige Frauen mit Kindern gingen von Stand zu Stand und stritten sich mit den Verkäufern um die Preise der zu kaufenden Waren.

Elizabeth Swann eilte, ohne auf die Unmengen von Angeboten zu achten, über den Platz in Richtung der Schmiede, in der ihr Verlobter Will Turner arbeitete.

„Tut mir leid, bin heut spät dran!", rief sie, als sie die Schmiede betrat.

Will blickte auf, ließ den Hammer, mit dem er gerade die Klinge eines Schwertes bearbeitete sinken und strahlte sie an. „Ah, Guten Morgen, Lizzy! Schön, dass du da bist. Ich hatte schon befürchtet, du hättest es vergessen."

„Wie könnte ich!", sagte Elizabeth und grinste zurück.

„Ich bin gleich so weit.", sagte Will und fing wieder an, auf die Klinge zu hämmern.

Wie schon vor seiner Verlobung mit Elizabeth vor 4 Monaten arbeitete Will Turner auch jetzt noch in der Waffenschmiede. Obwohl er dies nun nicht mehr nötig hätte, wollte er seine Arbeit und auch sein Hobby nicht aufgeben. Zumal er auch der beste Waffenschmied war, den man in Port Royal finden konnte. Er wohnte und lebte jetzt bei Elizabeth im Haus des Governor' s Swann, stand jedoch bei Morgengrauen auf und ging zeitig an die Arbeit. Vor zweieinhalb  Monaten war sein Meister, Mr. Brown, gestorben und er hatte die Schmiede übernommen. Nun konnte er sich seine Arbeitszeiten selbst bestimmen.

„So, ich bin fertig. Wollen wir dann anfangen?", fragte Will seine Verlobte, die derzeit ihren Umhang abgelegt hatte. Obwohl es draußen nicht kalt war, hatte Elizabeth den Mantel angezogen, damit man ihr zerrissenes, altes Kleid nicht sah.

„Ich hab nichts dagegen!", sagte sie.

Will legte den Hammer auf seinen Platz, hing das noch nicht vollkommene Schwert zu den anderen und nahm sich die zwei stumpfen Schwerter, die in einer Ecke standen. Er gab das eine Elizabeth, das andere behielt er. Sie gingen in die Mitte der Schmiede, wo sie Platz hatten, und stellten sich gegenüber. Sie schauten einander konzentriert an und Will rief: „Achtung, vorbreiten!"

 Sie nahmen ihre Angriffsposen ein.

„Und Los!", kommandierte Will. Er ging ein paar Schritte auf Elizabeth zu, hob sein Schwert und sie fingen an, sich zu duellieren. Während sie kämpften, gab Will seiner Verlobten immer wieder Tipps, was ihre Arm- und Beinarbeit anging.

„Du wirst immer besser, alle Achtung!", bemerkte er.

„Bei einem solchen Lehrer ist das doch kein Wunder.", antwortete sie und schmunzelte.

Will schaute sie an und war für einen Augenblick nicht wachsam genug. Sein Schwert fiel zwei Meter neben ihm zu Boden und er spürte die kalte Klinge von Elizabeth' s Schwert an seiner Kehle. Er blickte sie erstaunt an und hob die Hände.

„Clever, die Unachtsamkeit des Gegners zu eigenem Vorteil zu nutzen.", sagte er anerkennend.

Elizabeth ließ die Klinge sinken und warf das Schwert zu dem anderen auf den Boden. Sie ging langsam auf Will zu und blickte ihm in die Augen.

„Aber nicht alle deine Gegner lassen sich von deinem bezaubernden Lächeln aus dem Konzept bringen, das ist dir hoffentlich klar?!", sagte Will und nahm die Hände wieder nach unten.

„Ja, ich weiß. Aber bei dir hat' s doch wunderbar funktioniert, oder?", Elizabeth grinste ihn schelmisch an. Dann schloss sie ihre Augen und küsste Will sachte auf den Mund.

Es klopfte.

Will und Elizabeth öffneten die Augen und ließen einander los.

„Ja bitte?", rief Will, ging zu den beiden Schwertern und hob sie vom Boden auf.

Die Tür ging auf und Governor Swann betrat die Schmiede. Er schaute sich um und erblickte seine Tochter.

„Elizabeth?", er sah sie fragend an. Dann erkannte er das Kleid, das sie trug und sein fragender Blick veränderte sich zu einer begreifenden Miene. Dann sah er Will an und erkannte die zwei Schwerter in seiner Hand. „Ah, ich verstehe. Ihr habt wieder trainiert, wie? Aber seid vorsichtig ihr zwei! Will, wie weit bist du mit dem Schwert, um das ich dich gebeten hatte?", fragte er an Will gewand.

„Ich bin gestern damit fertig geworden. Es muss nur noch mal poliert werden, dann können sie es haben.", sagte Will und stellte beide Schwerter wieder in die Ecke. Dann ging er zu dem Halter, in dem die schon fertigen Schwerter hingen. Er holte eines hervor wie jenes, das er für Commodore Norrington angefertigt hatte. Doch wie er gesagt hatte, war es noch schmutzig und hatte eine Politur bitter nötig.

„Ich werde es heute noch fertig stellen und es ihnen dann vorbei bringen.", erklärte Will.

„Wie oft soll ich dich noch bitten, mich bei meinem Vornamen zu nennen?!", beschwerte sich der Governor mit einem Grinsen auf den Lippen. „Übrigens, ich wollte euch beide zum Dinner einladen. Ich muss eine Ankündigung machen und möchte, dass ihr dabei seid! Also kommt bitte pünktlich um 18.30 Uhr. Und, Elizabeth, bitte zieh dir davor etwas angemesseneres an!"

Damit drehte er sich um und verließ die Schmiede. Als er draußen die Tür schloss, konnte er ein väterliches Grinsen nicht verbergen. Dann blickte er kurz in den strahlend blauen Himmel und ging mit schnellen Schritten in Richtung des governor' schen Hauses davon.

„Woran hat er nur erkannt, dass wir trainiert haben?", dachte Elizabeth laut. Sie und Will schauten sich an und mussten lachen.

„Ich glaube für heute haben wir genug gemacht. Du machst große Fortschritte, lass sie dir aber nicht zu Kopf steigen. Wenn du auf Piraten triffst, darfst du nicht erwarten, dass sie sich so leicht abfertigen lassen."

Will sah Elizabeth nun mit ernster Miene an. Aus seiner Stimme hatte sie eine Spur Sorge heraushören können. Sie nahm seine Hand und sagte mit zuversichtlicher Stimme "Ich werde schon auf mich aufpassen. Außerdem bist du doch bei mir, nicht wahr?"

Wills Miene hellte sich etwas auf und er drückte leicht Elizabeth' s Hand in seiner.

"Ich glaube ich sollte mal anfangen das Schwert für deinen Vater fertig zu machen, damit ich es nachher mitnehmen kann", sagte Will nach einer Weile.

"Ja, und ich werde seinem Rat folgen und mir etwas anderes anziehen. Ich bin gespannt, was er anzukündigen hat!", bemerkte Elizabeth. Sie nahm den Umhang vom Stuhl auf und zog ihn an.

"Wann machst du heute Feierabend?", fragte sie Will.

"Wenn ich mit dem Schwert fertig bin, werde ich für heute schließen. Schließlich muss ich mich ja auch noch fertig machen, oder was meinst du? Kann ich so geh' n?", er drehte sich ein paar Mal im Kreis und präsentierte seine zerlumpten Arbeitskleider, die obendrein auch noch schmutzig waren. Elizabeth grinste ihn an, küsste ihn auf die Wange und ging zur Tür.

"Sei aber pünktlich, ja?", sagte sie bevor sie die Tür öffnete und hinausging.

Will sah ihr verträumt nach, besann sich dann und begann das Schwert zu polieren.

Am frühen Abend, Black Pearl

Der Himmel war so wolkenlos, wie er den ganzen Tag schon gewesen war. Nur war jetzt ein starker Süd-Ostwind aufgetreten. Durch diese zusätzliche Antriebskraft war die Pearl noch schneller, als sie es ohnehin schon war.

Jack saß nun in seiner Kajüte und war eifrig am Grübeln. Anamaria hatte das Steuer übernommen und sie segelten permanent in Richtung Ost, Südost. Doch Jack hatte der Crew immer noch nicht verraten, wohin sie genau fuhren.

Er hatte einfach keine Idee. So stand er auf, ging zur Tür hinaus und stieg die Treppe zur Brücke hinauf.

Anamaria blickte ihn verwundert an. "Aye Captain?", sagte sie.

Jack musterte sie und setze ein strahlendes Lächeln auf.

"Was willst du, Jack?", fragte sie, nachdem sie diesen Blick erkannt hatte.

"Liebste Anamaria", begann Jack. Sie verdrehte unmerklich die Augen. "Wie du sicher mitbekommen hast, haben sich der junge Will und seine angebete Elizabeth verlobt. Noch steht das Datum der Hochzeit nicht fest, aber das will ich auf keinen Fall verpassen!"

"Und was habe ich damit zu tun?" Anamaria sah Jack mit hochgezogener Augenbraue an.

"Ich liebe Hochzeiten, dort gibt' s Drinks für alle!", bemerkte Jack nebenbei. "Nur war ich nie wirklich auf einer eingeladen. Ich hab mich immer selber eingeladen und die Hochzeitsgeschenke geklaut.", er grinste verschmitzt. "Nun aber habe ich keine Ahnung was ich den beiden Turteltauben schenken soll! Und da dachte ich mir ..."

"...du dachtest, ich könnte dir sagen was du schenken sollst??", führte sie den Satz zu Ende. "Du hast schon weitaus bessere Fragen gestellt. Verrate zuerst wo wir hin segeln, und ich will sehn was ich für dich tun kann!", sagte Anamaria gebieterisch.

"Na klar, hätte ich mir auch denken können...", nuschelte Jack vor sich hin. "OK ok, ist ja schon gut! Ich werde der gesamten Crew nachher sagen, was mein Ziel ist", sagte Jack eingeschnappt, "aber ich hab dein Wort, dass du mir hilfst etwas passendes zu finden, aye?"

"Aye, Captain", sagte Anamaria zufrieden und grinste in sich hinein. Es war ja doch so einfach, einen Mann nach seiner Pfeife tanzen zu lassen. . .

Jack schnaubte kaum vernehmlich und schlenderte nach vorne an das Gerüst.

"Hört her!", rief er so laut, dass die ganze Crew ihn sehen und hören konnte. "Ich habe euch bis jetzt nicht verraten, wohin wir segeln. Aber da ihr eine so tüchtige und zuverlässige Crew seid, hab ich mir gedacht, ich sag' euch wohin unsere Reise geht."

"Aye, aye, aye!", brüllte die Crew begeistert. Nur Anamaria schnitt hinter Jack' s Rücken eine spöttische Grimasse.

"Unser Ziel ist die Insel Barbados!", sagte Jack und betrachtete die Gesichter seiner Männer. Einige sahen so aus, als könnten sie mit dem Namen allein nichts anfangen. Doch ein paar unter ihnen schien der Name durchaus etwas zu sagen. Gibbs, zum Beispiel, machte eine höchst erfreute Miene.

"Wieso hast du das nicht gleich gesagt?", fragte er. "Ich war schon ewig nicht mehr auf Barbados. 'Ne schöne Insel, wirklich!", sagte er begeistert. "Mit vielen außerordentlich guten Kneipen!", fügte er mit einem Grinsen hinzu. Es sah so aus, als hätte Gibbs'  Erläuterung die ganze Crew davon überzeugt, dass es sich wirklich lohnen würde, dort hin zu segeln.

"Mit dem zusätzlichen Antrieb des starken Windes, sollten wir schon früher als erwartet auf Barbados eintreffen. Im Laufe des kommenden Tages müssten wir den Hafen erblicken können!", rief Jack seiner Crew zu, die begonnen hatte wild durcheinander zu schwätzen.

"Und nun macht euch wieder an die Arbeit, ihr faule Bande!", kommandierte der Captain zum Schluss.

Viel besser gelaunt machte sich die Besatzung der Black Pearl wieder an die Arbeit und begann wieder lauthals zu singen.

Jack wackelte die Treppe hinunter und ging zurück in seine Kajüte. Anamaria, die Jacks Rede ruhig zugehört hatte, fragte sich, was Jack diesmal wieder vorhabe, während sie den Kurs weiter in die angegebene Richtung hielt.

Zur gleichen Zeit, Port Royal

Will war derweil mit dem Schwert fertig geworden und hatte es schon in der Scheide in einen länglichen Kasten gepackt. Er ging aus der Schmiede und schloss die Tür hinter sich. Er hatte noch ein bisschen mehr als eine Stunde Zeit, bis er zum Dinner im Haus sein musste. Also schlenderte er, mit dem Kästchen unter dem Arm, über den nun leeren Marktplatz in Richtung Pier. Als er im Hafen ankam, ging er die schmale, steinerne Treppe zum Strand hinunter und spazierte durch den Sand. Nach einer Weile, die er gedankenversunken vor sich hin gelaufen war, blieb er stehen. Die Sonne ging schon langsam unter und tauchte den kompletten Strand in ein warmes, sanftes orange- rot. Will blickte über den endlos scheinenden Ozean.

Irgendwie vermisste er Jack und die Crew der Pearl. Zu gerne erinnerte er sich an sein Abenteuer mit dem immer leicht beschwipst wirkenden Captain des meist gefürchteten Piratenschiffes der Karibik.

"Dein Vater war ein Pirat und auch du wirst einer werden, das wirst du wohl irgendwann einsehen müssen!" hatte Jack Will damals erklärt. Zuerst wollte Will das nicht wahr haben, doch mehr und mehr musste er erkennen, dass Jack Recht hatte.

Er war ein geborener Pirat! Will seufzte. Immer, wenn er das Meer erblickte, verspürte er den Drang, sich mit Elizabeth auf ein Schiff zu begeben und dem Horizont entgegen zu segeln. Vielleicht würde er ja irgendwo Jack treffen.

Jedenfalls hatte er die Hoffnung auf ein Wiedersehen noch nicht aufgegeben. Elizabeth und er hatten einstimmig beschlossen, ihn auf ihre Hochzeit einzuladen. Da gab es aber immer noch ein paar Probleme, die unbedingt geregelt werden mussten: Jack war ein gesuchter Pirat! Die Royal Navy würde sich sicherlich keine Chance entgehen lassen, ihn zu fassen und zu hängen. Zur Zeit hatten sie zwar die Suche nach ihm eingestellt, aber das hinderte sie an Nichts.

Und irgendwie mussten sie Captain Sparrow ja über das Datum und den Ort der Hochzeit informieren, ohne dass Commodore Norrington Verdacht schöpft. Da würden sie sich etwas einfallen lassen müssen, aber irgendwie würden sie das schon schaffen!

Will erwachte aus seinen Gedanken und machte sich auf den Weg. Er hatte noch genug Zeit sich, wenn er angekommen war, sich zu waschen und seine Ausgehkleidung anzuziehen. Trotzdem ging er zügig, denn er wollte sich noch einmal mit Elizabeth über die Hochzeit unterhalten.

Als er im Haus ankam, waren die Bediensteten schon eifrig am Kochen. Will ging die große Treppe nach oben. Er klopfte an die Tür des großen Zimmers, in dem Elizabeth und er ‚wohnten'.

"Lizzy? Bist du da?", fragte er.

"Ja ich bin da. Komm rein!", antwortete Elizabeth.

Will trat ein und schloss die Tür hinter sich. Elizabeth saß am Fenster auf einem Stuhl und blickte in die Abendsonne. Sie hatte ihr Abendkleid schon angezogen und sah im Schein der untergehenden Sonne besonders hübsch aus.

"Du siehst bezaubernd aus, wie immer!", stellte Will angetan fest.

"Danke, lieb von dir", sagte Elizabeth, die leicht rot geworden war.

"Ich werde mich jetzt auch salonfähig machen", beschloss Will und legte das Kästchen auf eine Commode, die an der Wand stand.

"Ich warte auf dich, dann gehen wir gemeinsam in den Speisesaal", schlug Elizabeth vor und sah Will an.

"Lang werde ich nicht brauchen!", erklärte er und ging aus dem Zimmer.

Elizabeth wandte ihren Blick wieder aus dem Fenster. Schon nach kurzen Zeit kam Will wieder zurück. Er hatte einen Bademantel an und ging hinter den Wandschirm, um sich anzuziehen. Dann trat er hervor.

Er trug nun eine neue Kniebundhose, eine chices Hemd und einen, auf die Hose farblich abgestimmten, Frack. Alles in allem sah er so aus, wie an dem Tag an dem er Elizabeth seine Liebe gestanden hatte.

Sie sah auf und lächelte ihn an. "Gut siehst du aus!"

"Danke", sagte Will, der jetzt seinerseits rot um die Ohren geworden war. "Ich wollte mit dir noch mal über unsere Hochzeit sprechen! Und wie wir es schaffen wollen, Jack ungefährdet dabei zu haben."

"Das ist schon das größte Problem. Commodore Norrington wird sich ganz bestimmt nicht daran hindern lassen, die Hochzeit von seinen Leuten überwachen zu lassen. Er ahnt, dass Jack auftauchen wird!" Sie machte eine besorgte Miene.

"Ja, das befürchte ich auch. Er ist so erpicht darauf ihn zu fassen. Zweimal ist er ihm ja schon entkommen..." Will grinste.

"Ihr werdet den Tag nie vergessen, an dem ihr Captain Jack Sparrow fast geschnappt hättet!", amte er Jack nach und wankte durch das Zimmer.

"Norrington' s Gesicht war einfach köstlich!" Elizabeth lachte leise. Dann hielt sie inne und besann sich ihrer guten Manieren.

"Will, das ist nicht fair!", mahnte sie ihren Verlobten vorwurfsvoll.

"Ja du hast Recht!" Will konnte sich ein triumphierendes Grinsen jedoch nicht verkneifen.

"Ich glaube, wir sollten jetzt nach unten in den Speisesaal gehen." Sie stand auf und nahm Will bei der Hand. Dieser griff mit der anderen nach der Schachtel, in der das Schwert eingepackt war, und sie gingen die Treppe nach unten.

Sie betraten den großen Saal.

Der lange Tisch war schon mit fünf Gedecken gedeckt und zwei leuchtende Kerzenständer waren in Abstand zueinander aufgestellt worden. Sie verbreiteten ein warmes, angenehmes Licht im Raum. Durch die großen Fenster konnte man den Himmel sehen, der sich nun schon in ein leichtes dunkelblau gefärbt hatte.

Governor Swann stand am Fenster und  hatte die Arme auf dem Rücken verschränkt. Als er sie bemerkte, wandte er sich um.

"Ihr seid pünktlich, das freut mich!" Er lächelte zufrieden.

"Ich habe ihre Bestellung!" Will ließ Elizabeth' s Hand los und ging durch den Raum zum Governor hin. Er öffnete die Schachtel und holte das Schwert heraus.

"Sehr schön. Ich danke dir, Will! Du bist wirklich der beste Schmied, den man hier finden kann!" Er wog das Schwert in seiner Hand hin und her und betrachtete es sorgfältig.

"Danke, ich fühle mich geehrt!" Der Governor gab ihm das Schwert und Will packte es sicher wieder in das Kästchen.

Es läutete.

Ein Butler ging zur Tür und öffnete sie.

Commodore Norrington und Leutnant Gillette betraten das Haus und der Butler geleitete sie in den Speisesaal.

Der Commodore ging auf den Governor zu und verbeugte sich kurz.

"Guten Abend, Governor Swann." Dann ging er zu Elizabeth hin und küsste ihr die Hand.

"Guten Abend, Ms. Elizabeth." Als er Will gegenüberstand gab er auch ihm widerstrebend die Hand.

"Mr. Turner!", sagte er kurz und ließ seine Hand so schnell es ging wieder los. Er schien nicht besonders erfreut darüber zu sein, dass Will auch anwesend war.

Doch es hatte den Anschein, als würde diese Tatsache auf Gegenseitigkeit beruhen. Denn nach Will' s Blick zu schließen war auch er nicht sonderlich angetan davon, den Commodore hier zu sehen.

"Wunderbar, es sind alle anwesend. Dann können wir ja jetzt Platz nehmen", sagte der Governor nachdem auch Mr. Gillette sie alle begrüßt hatte. Er gebot seinen Gästen, sich zu setzten.

Als alle saßen, kamen die Bediensteten und tischten ihnen die Vorspeisen auf.

Keiner sprach, während sie aßen. Nachdem sie alle mit der Vorspeise fertig waren, kam wieder das Küchenpersonal und räumte die leeren Teller ab. Der Governor winkte einen der Angestellten zu sich und sprach kurz mit ihm. Dieser nickte und verschwand mit schnellen Schritten in der Küche.

Mr. Swann erhob sich und die Blicke aller folgten ihm erwartungsvoll.

"Danke, dass sie alle gekommen sind. Wie ich ihnen schon mitgeteilt hatte, habe ich eine Ankündigung zu machen." Er blickte in die Runde. "Dabei handelt es sich um eine erfreuliche und eine weniger erfreuliche Nachricht." Er wandte sich nun Elizabeth zu. "Elizabeth, du erinnerst dich sicher noch an deine Tante Vivienne, die Schwerster deiner Mutter Cathrin?"

"Sicher tue ich das Vater", antwortete Elizabeth etwas verwundert.

"Nun, der Ehemann deiner Tante, Onkel George, erlag vor neun Tagen einer schweren Krankheit. Ich bekam die Nachricht vor fünf Tagen von deiner Tante."

"Was?" Elizabeth sah traurig aus, brach jedoch nicht in Tränen aus.

Auch die anderen Anwesenden machten bedrückte Mienen. Will nahm die rechte Hand seiner Verlobten und umschloss sie vorsichtig mit seinen Händen. Sie dankte ihm diese tröstende Geste, indem sie seine Hand leicht drückte.

"Wie kommt Tante Vivienne damit zurecht? Und was ist mit Evelyn?", fragte Elizabeth, nachdem sie sich von dem Schreck erholt hatte.

"Deiner Tante sowie deiner Cousine geht es den Umständen entsprechend. Um diesen Schicksalsschlag zu verkraften habe ich den beiden angeboten, hierher, nach Port Royal, zu ziehen."

"Hierher ziehen? Für immer?" Elizabeth sah plötzlich ein wenig erschrocken und alarmiert aus. Es klang nicht so, als würde sie sich über diese Nachricht freuen.

Der Governor sah seine Tochter überrascht an. "Du hast doch nicht etwas dagegen einzuwenden, oder Elizabeth?" In seiner Stimme lag eine Spur Ärgernis.

"Nein, natürlich nicht!", sagte Elizabeth, die sich wieder gefangen hatte. Sie warf Will einen leicht angewiderten Blick zu. Will verstand nicht ganz, sagte aber nichts.

"Jedenfalls habe ich heute Morgen ihre Zustimmung per Post bekommen. Sie werden ihr Hab und Gut zusammenpacken und in zirka dreißig Tagen hier eintreffen. Du erinnerst dich sicher noch, wie lange die Überfahrt von England gedauert hat.", fuhr Mr. Swann fort. "Ich erwarte, dass sie und ihre Männer meine Schwägerin und meine Nichte zuvorkommend behandeln. Ebenso gehe ich davon aus, dass sie sich darum kümmern dass keinerlei Zwischenfälle auftreten", sagte er nun streng an Commodore Norrington und seinen Offizier gewandt.

"Sie können sich auf mich verlassen. Alles wird reibungslos verlaufen!", sagte der Kommodore geschwollen. Der Leutnant nickte eifrig.

Will und Elizabeth warfen sich unauffällig genervte Blicke zu.

"Ich möchte, dass ihr bei der Ankunft mit mir in der Kutsche fahrt", sagte der Governor nun zu Will und Elizabeth.

"Selbstverständlich!", antwortete Will für sich und seine Verlobte.

"Wunderbar, dann wäre ja alles geklärt. Ich denke, jetzt können wir uns dem Hauptgang zuwenden." Er rief den Bediensteten zu sich, mit dem er sich vorhin schon unterhalten hatte, und veranlasste, dass das Hautmenü nun aufgetischt werden könne.

In der Nacht, Black Pearl

Wie aus dem Nichts waren plötzlich schwarze Gewitterwolken aufgezogen und donnerten bedrohlich. Auch der Wind war nun noch stärker geworden, als er den ganzen Tag über schon gewesen war. Die ganze Crew der Pearl war auf Trab. Der Captain stand jetzt wieder am Steuerrad, sah ab und zu auf den Kompass, der nie nach Norden zeigte, und lenkte das Schiff durch den kürzlich entstandenen Nebel.

"Männer!", rief Jack seiner Mannschaft zu. Anamaria warf ihm einen tödlichen Blick zu.

"Äh...und Lady!", fügte er schnell hinzu.

"Wenn es heute Nacht zu einem Sturm kommen sollte, werden wir auf alles gefasst sein! Bis Barbados ist es nicht mehr weit und wir werden uns so kurz vor dem Ziel nicht aus der Bahn werfen lassen!! Also zeigt, was für Seeleute in euch stecken!! Ich verlasse mich auf euch!"

"Aye, aye Captain!", brüllte die Besatzung im Chor und sogar Cotton' s Papagei krächzte zustimmend.

Ein paar Stunden später war, wie befürchtet, der Sturm am Toben. Alle "Männer" waren auf ihren Posten und schufteten was das Zeug hielt.

"Holt die Segel ein, der Sturm ist zu stark! Das hält die Pearl nie durch!", rief Gibbs.

Von oben hörten sie eine Stimme rufen. "Nein, holt sie nicht ein, das schafft die Pearl!!! Es ist nicht um sonst das schnellste Schiff der Karibik! Wir haben schon weitaus schlimmere Stürme gemeistert!" Jack war an die Brüstung getreten und beobachtete das Treiben der Crew. Nach einer kurzen Weile ging er aber wieder an das Ruder, denn lange konnte er es beim besten Willen bei diesem Sturm nicht alleine lassen.

Sie hielten sich gut, doch dann wurde es immer heftiger. Dazu fing es auch noch an zu blitzen. Die Wellen waren nun so hoch, dass sie jedes Mal, wenn sie an den Bug peitschten, das gesamte Deck unter Wasser setzten. Deswegen war auch das Fortbewegen an Deck kein leichtes Unterfangen. Immer wieder rutschte ein Mannschaftsmitglied aus und musste mit Mühe und Not versuchen wieder auf die Beine zu kommen, bevor die nächste Welle über das Deck spülte.

So passierte es dann.

Als die Black Pearl gerade von einer haushohen Welle hinunter glitt, kam ihr schon die nächste entgegen. Sie erfasste das Schiff so stark, dass die Wassermassen Jacob, der gerade dabei war ein Tau fest zu machen, die Beine weg rissen. Die Welle spülte ihn über die Rehling; doch im letzten Moment reckte er seine Arme nach oben und konnte sich gerade noch festhalten.

Er schrie. "Hilfe, helft mir!"

Doch der Wind tobte so laut, dass seine Hilferufe im Getöse unter gingen. Niemand beachtete ihn. Alle waren zu sehr mit sich selbst beschäftigt, als dass ihn jemand sehen bzw. nicht mehr sehen würde. Als Jacob merkte, wie seine Arme unter seiner eigenen Last immer schwächer wurden, überkam ihn ein Schwall Gedanken, die in seiner Situation nicht unbedingt von Vorteil waren. Die schlimmsten waren wohl die, die von seinem baldigen Ende handelten und ihm seinen Tod prophezeiten.

Auch Jack hatte jetzt erhebliche Probleme, das Schiff auf Kurs zu halten, denn die Wellen drehten es in jede Himmelsrichtung.

Gibbs wandte sich gerade noch rechtzeitig um, um die Arme des an der Rehling hängenden Jacobs zu entdecken.

"Mann über Bord, Mann über Bord!!", brüllte er aus voller Kehle.

Alle Matrosen, die ihn hörten, eilten, so schnell es ihnen möglich war, in Jacobs Richtung. Anamaria war gerade dabei, auf der Steuerbord- Seite die Leinen fest zu machen und hörte weder Jacob' s Hilferufe, noch das Geschrei von Gibbs.

Jacob spürte, wie ihn ganz langsam die Kraft, sich fest zu halten, ausging. Zu allem Übel, rauschte gerade eine Welle über ihn hinweg, die ihn an seine äußersten Grenzen gehen ließ. Doch dieser Wucht war er nicht gewachsen und es riss ihn von der Rehling. Die Crew versuchte, unter Gibbs' Anweisung, ihn irgendwie wieder an Deck zu bringen. Doch es wollte nicht gelingen.

Plötzlich schnappte sich Dorian, ein Mitglied der Crew der besonders gut schwimmen konnte, ein extrem festes Tau, band es sich um den Bauch und drückte Gibbs das andere Ende in die Hand.

"Mach das irgendwo fest und zieht uns dann wieder raus!!", befahl er. Dann sprang er Jacob hinterher in die Fluten.

Alle Männer waren damit beschäftigt, nach Jacob Ausschau zu halte, dass niemand Anamaria bemerkte. Sie befand sich immer noch auf der Steuerbord- Seite des Schiffes.

Durch den starken Wind wackelten die Maste des Schiffes bedrohlich. Anamaria bemerkte es nicht. Das eine Segel war an einer Seite eingerissen und hielt den Seitenmast nicht mehr fest genug. Doch noch hielt es. Urplötzlich traf ein Blitz den schon beschädigten Seitenmast und er stürzte nach unter. Direkt auf Anamaria zu. In der letzten Sekunde blickte sie auf und schrie. Mit aller Kraft, die sie noch aufbringen konnte, sprang sie zur Seite. Doch sie schaffte es nicht rechtzeitig. Zwar war sie dem großen Seitenmast in letzter Minute ausgewichen, doch auf den Teil vom Mast, der abgebrochen war, als er auf das Deck stürzte, hatte sie nicht mehr achten können. Sie war bewusstlos.

Inzwischen hatte Dorian Jacob in dem großen Durcheinander der Wellen gefunden und Gibbs und die anderen Matrosen waren gerade dabei die beiden wieder an Deck zu ziehen.

Jack hatte zu viel mit dem Steuer und der Richtung zu tun, als dass er irgendetwas von dem, was unten an Deck vorging, mitbekommen hätte. Langsam bekam er das Ruder wieder in Griff. Er blickte auf und sah Anamaria unter dem Mastteil liegen.

"Jasper, übernimm das Steuer!!", schrie er, ohne darauf zu achten ob Jasper ihn gehört hatte, und stürmte los.

Er sprang die Treppe runter und rannte auf Anamaria zu.

"Schnell!!", rief Jack, als er an der Gruppe um Jacob und Dorian vorbeikam. Alle blickten sie auf und erstarrten.

Sie rappelten sich auf und stürmten ihrem Captain hinter her. Nur einer der Gruppe, Cotton,  blieb bei den beiden und half ihnen aufzustehen. Schnell humpelten sie in Richtung Kajüten. Cotton schloss die Tür hinter sich, als er die beiden Angeschlagenen in eine Kajüte gebracht hatte, und rannte wieder zurück an Deck. Als er bei Anamaria eintraf, waren die anderen gerade dabei, den schweren Mast von Anamarias Körper zu hieven. Sie hoben ihn ein Stück hoch und Jack zog sie heraus. Dann nahm er sie auf die Arme und wankte zu den Kajüten hinüber.

"Passt mir auf mein Schiff auf, während ich unter Deck bin!!", befahl er seiner Crew und stieg die Treppen zu den Zimmern hinunter.

"Aye Sir." Die Crew machte sich sofort an die Arbeit, den abgebrochenen Mast zu beseitigen und das Schiff wieder unter Kontrolle zu bekommen.

Der Sturm legte sich langsam wieder und die See beruhigte sich allmählich.

Jack hatte Anamaria auf ihre Pritsche gelegt und eine Schüssel Wasser und einen Lappen herbei geholt. Er tauchte den Lappen in das kühle Wasser und wischte ihr damit die Stirn ab. Er fühlte ihren Puls. Normal. Also hatte sie nichts Ernsthaftes.

Erleichtert blickte er sie an.

Sie hatte mal wieder unverschämtes Glück gehabt.

Er strich ihr mit einer Hand sachte über die Wange. Auf sein Gesicht war nun ein Blick getreten, der ganz untypisch für ihn war. Er sah sie ruhig, ja sogar verträumt an.

Ein leichtes Husten ließ ihn wieder zu sich kommen.

"Schhhh, schhhh, es ist alles gut", flüsterte Jack leise.

Anamaria öffnete kaum merklich die Augen. Sie blickte ihn an; direkt in die Augen.

Jack merkte wie ihm das Herz auf einmal zu schlagen begann, wie es noch nie geschlagen hatte. Ihm wurde ganz anders. Sie blickten sich eine Zeit lang in die Augen ohne zu blinzeln. Dann lächelte Anamaria und schlief ein. Jack nahm eine Decke und deckte sie liebevoll zu. Dann nahm er ein weiteres Mal den Lappen, tauchte ihn in die Schüssel und strich ihr über die Stirn.

Er hatte den Lappen gerade wieder in die Schüssel zurückgelegt, als Gibbs zur Tür herein kam.

"Alles wieder unter Kon...trolle.....", platze er los. Doch dann hielt er inne. Ein ganz ungewohntes Bild zeichnete sich vor seinen Augen ab: Jack saß mit einem äußerst verträumten Gesichtsausdruck am Bett einer Lady. Dieser Lady.

Als Jack erkannte, in was für einer Lage Gibbs ihn jetzt sah, stand er abrupt auf und ging auf ihn zu. Seine Miene hatte er wieder gefestigt.

"Du hattest Recht, eine Frau an Bord bringt nur Unglück!", sagte er zu Gibbs. „Du wirst die restliche Nacht hier bleiben und Wache halte! Ich muss wieder ans Steuer!"

Damit ging er aus der Kajüte und verschwant.

Gibbs stand da, in der Mitte des Raumes, und wusste nicht was er sagen bzw. tun sollte. Dann breitete sich ein breites Grinsen auf seinem Gesicht aus. Gibbs murmelte mehr zu sich gewandt auf Jack' s Feststellung, dass man bei dieser Dame hier doch eine Ausnahme machen könne. . .

Schwarz war die Nacht.

Die Wolken hingen dunkel und bedrohlich am Himmel und ließen dem Mondlicht keine Gelegenheit, sich einen Weg durch die dichte Wolkendecke zu bahnen. Ein undurchdringlicher Nebel lag über dem totenstillen Meer.

Man hörte lediglich das Klatschen der Wellen, die an den Bug eines Schiffes schlugen.

Jenes Schiff war ganz vollständig aus dunklem Holz hergestellt und hatte graue Segel mit einem silberschwarzen Zeichen als Wappen. Auf der Backbordseite des Schiffes konnte man den Schriftzug Oscura Noche in silberner Farbe erkennen, welches wohl der Name des dunklen Gefährts zu sein schien.

Das ganze Schiff strahlte eine unheimliche Aura aus, da das Deck menschenleer war und es trotzdem recht geschwind über das Wasser glitt. Dem Schiff folgten, lautlos wie Schatten, sechs schwarze, in Formation fliegende, gespenstig wirkende Vögel.

Auf dem Deck, an der Front des Schiffes stand ein Mann, ganz in grau und schwarz gekleidet. Seine Hosen und sein Hemd waren verschlissen und zerfetzt. Er stand kerzengerade an der Spitze des Schiffes und blickte unentwegt nach vorne. Er hatte ein schwarzes Band mit einem roten Muster um seinen Kopf gebunden, welches seine langen, zotteligen schwarzen Haare zusammen hielt. Seine schwarzen Augen wanderten über das Wasser, das von der Masse des Schiffes verdrängt wurde und sich in Wellen zu beiden Seiten davon rollte.

Die Vögel, die mit langen Flügelschlägen hinter dem Schiff her flogen, schienen dunkle Wolken hinter sich her zu ziehen, denn aus der Richtung, aus der die Oscura Noche kam, konnte man tiefes Donnergrollen hören und am Himmel zuckten einige Blitze entlang. Es sah so aus, als ob dort, weit hinter dem Schiff, ein schwerer Sturm toben würde.

Unerwartet hob der Mann den rechten Arm und hielt ihn neunzig Grad von seinem Körper weg. Wie auf Kommando brach der Vogel, der an der Spitze der Formation flog, aus dieser heraus und setzte zur Landung auf dem angewinkelten Arm an. Leicht wie eine Feder ließ sich der rabenschwarze Vogel auf ihm nieder. Der Mann wandte seinen Blick nun auf den Vogel und es schien, als wolle er ihn mit seinen schwarzen Augen durchbohren. Nach einem kurzen Augenblick breitete der Vogel seine Flügel aus und erhob sich wieder in die Lüfte zu seinen Artgenossen. Der Mann hatte den Arm wieder hinter seinem Rücken verschränkt und blickte nun abermals auf die dunkle See.

Die Zeit verging. Der Mann wich nicht von der Stelle.

Auf einmal ging die Tür zu den Kajüten auf und ein weiterer Mann betrat das Deck. Sein dunkelbraunes, durch gestuftes und vollkommen wirres Haar wurde von einem dunkelgrünen, fast schwarzen Haarband nur mäßig gebändigt. Einige Fransen hingen ihm in sein makelloses Gesicht und bedeckten teilweise seine smaragdgrünen Augen. Bekleidet war er mit einem beigefarbenen Hemd, das über den Bund seiner schwarzen Hose hing. Dazu trug er braune Stiefel, die recht mitgenommen aussahen. Der dunkelbraune Mantel, in den er eingehüllt war, wehte im Wind.

Kaum hatte er auch nur einen Fuß auf die Planken gesetzt, drehte sich der andere Mann zu ihm um und ging zügig auf ihn zu. Kurz vor ihm stoppte er und zeigte mit einer leichten Verbeugung seine Untertänigkeit ihm gegenüber. Der andere Mann nickte ihm zu und beide gingen zurück an die Spitze des Schiffes.

„Keine positiven Neuigkeiten, Don, ich muss Dich leider enttäuschen."

Der Mann in schwarz blicke auf zu den Vögeln.

„Aber es  scheint sich etwas anzubahnen. Sie verhalten sich irgendwie seltsam, anders als sonst. Ich glaube fast, dass wir uns dem Ziel nähern, aber garantieren kann ich das nicht."

„Wir werden sehen. Unterrichte mich, sobald sich etwas tut, Tan!" Der Mann in beige nickte dem andern zu, welcher sich daraufhin ein weiteres Mal verbeugte, drehte sich um und ging wieder unter Deck.

Tan, der Mann mit den schwarzen Augen, war nun wieder allein an Deck und widmete sich erneut dem Meer. Sein Blick war starr in Richtung Nord- West gerichtet, in die sich das Schiff stetig bewegte.

Der Nebel lag wie dichter Rauch über der offenen See und nur die ‚Oscura Noche'  schien diesen durchdringen zu können.

Etwas früher, Port Royal

Nach dem Essen hatten sich Commodore Norrington und Leutnant Gillette verabschiedet und auch Will und Elizabeth waren nach oben in ihr Gemach gegangen.

"Warum muss der nur immer so dick auftragen?" Will ließ sich genervt auf einen Stuhl fallen.

"Er denkt immer noch, dass er durch seine ach so tollen Manieren bei deinem Vater Eindruck schinden zu können!"

"Ach Will, lass dich doch nicht immer so von ihm provozieren! Er hat doch sowieso nur seine Karriere im Kopf." Elizabeth klang irgendwie missmutig.

"Hey Lizzy, was ist denn los mit dir?" Er sah seine Verlobte besorgt an. "Es geht um deine Tante und deine Cousine, nicht wahr?"

"Hm... ja du hast ja Recht. Ich bin im Moment nicht ganz bei der Sache. Tut mir leid."

Will stand auf und nahm Elizabeth in den Arm. Vertrauensvoll schmiegte sie sich an ihn.

"Weißt du, ich habe mich damals, als wir noch in England gewohnt haben, nicht besonders gut mit meiner Tante und meiner Cousine verstanden." Sie sah abwesend aus dem Fenster.

Dann wandte sie sich wieder Will zu. Ihre Augen glänzten und Will erkannte kleine Tränen, die sich in ihren rehbraunen Augen gebildet hatten. "Für meine Tante war ich immer nur ein kleines, eingebildetes Gör, das von ihren Eltern viel zu sehr verwöhnt wurde. Aber sie hat Evelyn noch viel mehr verhätschelt, doch sie wollte es nicht zugeben. Sie meinte immer, dass ich die ganze Zuneigung meiner Eltern gar nicht verdient hätte. Sie hasst mich! Es gibt einfach keinen triftigen Grund dafür, es ist einfach so.

Und dann ist auch noch meine Mutter gestorben. Da wir, die beiden Familien, zusammen in einem Haus gewohnt haben, konnte sie sich als die "Hausherrin" aufspielen. Sie hat den Tod meiner Mutter gnadenlos ausgenutzt. Das werde ich ihr nie verzeihen!"

Nun stand ganz klare Wut in den zuvor tränennassen Augen.

"Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie unausstehlich sie dadurch geworden ist! Und Evelyn erst! Sie kommt total nach ihrer Mutter. Sie hat den ganzen Hass auf mich übernommen. Ich will gar nicht wissen, wie sie jetzt ist. Bestimmt genau so schrecklich! Vor meinem Vater haben sie immer so getan, als wäre nichts, deshalb hat er auch nie etwas gemerkt. Und nun haben sie ihn wieder um den Finger gewickelt!"

Sie funkelte Will an.

Dieser hatte die ganze Zeit ruhig zugehört, denn er wusste, dass sie sich in ihren Redefluss nicht hätte unterbrechen lassen. Nun setzte er sich auf das Bett und bedeutete ihr, sich neben ihn zu setzten.

"Und was ist mit deinem Onkel George? Den hast du bis jetzt gar nicht erwähnt", fragte Will interessiert.

"Mit meinem Onkel George habe ich mich prächtig verstanden. Der einzige aus der Familie ...

Er war leider nur selten zu hause, weil er an der Front gekämpft hat. Er war der

Feldmarschall. Vor einigen Jahren haben wir Post von ihm bekommen. Er wurde bei einem Kampf sehr schwer verletzt, hat aber glücklicherweise überlebt. Doch nach dem Unfall konnte er nicht mehr zurück an die Front. Und jetzt... ist er tot."

Die letzten Sätze hatte sie in einer monotonen Stimmlage gesprochen und stur geradeaus geblickt.

"Hey, mach dir nicht allzu viele Gedanken darüber, ob du dich mit deiner Tante und deiner Cousine wieder in die Haare kriegen wirst. Du hast doch mich! Ich bin bei dir und unterstützte dich, egal was sie sagen oder machen werden. Außerdem ist hier in dem Haus überhaupt kein Platz mehr für zwei weitere Personen. Das heißt, dass sie sich wohl oder übel ein anderes Haus suchen müssen, in dem sie sich einquartieren können."

Er legte seinen Arm um Elizabeth und zog sie an sich.

"Wir werden schon mit den beiden fertig! Da kann kommen was wolle!"

Sie blickte ihn dankbar an und Will küsste sie zärtlich.

Die große Standuhr, die an der Wand neben dem Bett stand, schlug laut. Der Gong hatte die beiden erschreckt und sie blickten auf.

"Es ist schon spät, wir sollten jetzt ins Bett gehen!", sagte Will. Elizabeth nickte und löste ihre Arme von ihrem Verlobten. Will stand auf, ging hinter den Wandschirm und zog sich sein Schlafhemd an. Hinter dem Schirm stand eine große Schüssel, die mit kaltem, klarem Wasser gefüllt war. Er nahm einen Schwamm, der neben der Schüssel lag, und säuberte sich sein Gesicht. Dann ging er auf seine Seite des Bettes und schlüpfte unter die Decke. Auch Elizabeth war aufgestanden und hatte ihr Kleid hinter dem Wandschirm ausgezogen. Sie hatte kleine Probleme ihr Korsett auszuziehen, schaffte es dann schließlich doch. Auch sie wusch sich schnell das Gesicht und zog ihr Nachthemd an. Dann trat sie hinter dem Schirm hervor und kroch zu Will unter die Decke.

Sie löschten beide die Kerzen, die neben ihnen auf ihren Nachtschränken standen und die einzige Lichtquelle in dem Zimmer gewesen waren. Dann kuschelten sie sich an einander und waren schnell eingeschlafen.

Im Zimmer war es nun dunkel. Der Mond schaffte es nicht einmal, sich durch die dunkelgrauen Wolken zu kämpfen, die den gesamten Himmel mit einem undurchdringlichen Schleier bedeckt hatten.

tbc . . .