Kapitel 6
Das sechste Jahr
„Komm zur Peitschenden Weide!"
Wir sitzen im Hogwarts Express und spielen Schach. Dieses Mal haben wir das Abteil wieder für uns alleine, keine seltsamen Seitenblicke, keiner, der sich fürchtet, keiner, der tuschelt - Nur wir beide leisten uns Gesellschaft - Ja, so ist das viel besser so.
Ich schaue aus dem Fenster und meine Gedanken treiben ab. Die Sache mit Lupin fällt mir ein. Ja, das bekomme ich sicher irgendwie raus. Vielleicht, wenn ich Black provoziere – Anspielungen - damit könnte ich ihn dazu bringen, wütend zu werden und sich zu verplappern – er ist ja so berechenbar – Na ja, mal sehen…
„Severus, Alter, du träumst schon wieder Mal."
Ich zucke zusammen und Hieratus schaut mich neugierig und fragend an.
„Sorry."
Er winkt ab.
„Lass mal, ich kenn das von dir, du bist oft meilenweit weg. Willst du mir sagen, was dir durch den Kopf geht?"
„Nee, noch nicht, es ist nicht ganz ungefährlich, wenn mein Verdacht sich bestätigt und ich will dich da nicht mit reinziehen."
„Schon gut, du redest schon, wenn du dazu bereit bist."
Ich grinse ihn an und er grinst zurück - er kennt mich einfach zu gut. Schön, wieder jemand zu haben, der einem kennt, der einem akzeptiert, wie man ist. Keine Angst, keine Furcht, kein Getuschel - nur Freundschaft - Blutsbruder…
Kaum bin ich angekommen, beginnt mein Geschäft auch schon wieder zu florieren. Nicht selten leistet mir jetzt Hieratus bei meinen Tränken Gesellschaft und das mitten in der Nacht. Er scheint keine Angst mehr zu haben, Dumstrang hat ihn wohl mehr verändert, als es im Sommer zu bemerken war. Hieratus hat eine irgendwie tollkühne Ader bekommen, er ist dauernd darauf aus Spaß zu haben, sich zu amüsieren – Egal - Es tut gut, nicht alleine in der Zelle rum zu hängen, jemanden zu haben, der mir bei meiner Arbeit Gesellschaft leistet.
Ich habe so viele Aufträge, so viel zu tun, dass ich noch gar nichts wegen meines Verdachts gegen Lupin unternehmen konnte – Egal - eins nach dem anderen. Hieratus scheint eine ganze Menge über Tränke und schwarze Magie in Dumstrang gelernt zu haben und kann mir einige wertvolle Tipps geben. Er ist sicher nicht mehr der ungeschickte Junge von vor zwei Jahren, aber es sieht für mich trotzdem nicht so aus, als würde er sich sehr für Magie interessieren. Er erledigt alles nur so nebenbei. Er hat noch keine konkreten Berufspläne und will nach der Schule erst mal sein Leben genießen. Das Gold dafür hat er ja.
Neide ich ihm seinen Reichtum? Nee - trotzt seines ganzen Reichtums ist er genauso einsam wie ich. Neide ich ihm seine Möglichkeiten? Nee, es befriedigt mich außerordentlich, mit meinen Fähigkeiten Geld zu verdienen. Es ist eher so, dass er mir Leid tut, auf Grund seines Mangels an Ambitionen. Mitleid ist keine gute Basis für eine Freundschaft, wird mir irgendwann einmal klar, aber Hieratus ist und bleibt mein Freund, mein Blutsbruder.
Ich achte auf den Himmel. Ja, der Mond rundet sich mal wieder, bei unserem Hogsmeade Wochenende wird er voll sein. Hogsmeade - eine gute Gelegenheit für einen erneuten Zusammenstoß mit Potter und seinen Freunden. Eine Gelegenheit, sie zu provozieren. Hieratus wird dabei sein und so muss ich ihn einweihen oder ihn zurücklassen und das will ich nicht, es ist auch unverfänglicher, wenn er dabei ist.
Wieder mal sind wir in der geheimen Zelle und brauen an einigen Tränken gleichzeitig.
„Es wird Zeit, dass ich dich einweihe."
„Einweihen? In was? In das, an was du im Zug gedacht hast?" Manchmal ist er regelrecht hellsichtig...
„Yeah", gebe ich zurück. „Ist dir eigentlich mal aufgefallen, wie oft Lupin krank ist?"
„Yeah, ich kenne keinen, der so oft fehlt."
„Ist dir mal aufgefallen, wann er immer krank ist?"
„Wann? Wie meinst du das?"
„Zu welcher Zeit", raune ich verschwörerisch.
„Ist er irgendwie regelmäßig krank?" kontert er. „Nee, habe ich nicht bemerkt."
„Regelmäßig – ja, äußerst regelmäßig - immer bei Vollmond", immer noch nutze ich eine geheimnisvolle Stimmlage – es macht Spaß so zu sprechen.
„Vollmond? Was meinst du mit Vollmond?"
„Denk mal nach - schwarzmagische Kreaturen - hast du in unserem dritten Jahr in Verteidigung gegen die dunklen Künste geschlafen?"
Er überlegt kurz, dann blitzen seine Augen auf.
„Werwölfe? Du meinst Lupin ist ein Werwolf? Alter, du spinnst, das kann nicht sein, sie würden nie einen Werwolf an der Schule zulassen!"
„Meinst du? Wie gut kennst du Dumbledore?"
„Fast gar nicht. Er ist unser Direktor. Was sollte ich sonst noch über ihn wissen?"
„Ich kenne ihn etwas besser. Er ist ein schräger Vogel. Er will uns Schülern immer helfen, wenn wir Probleme haben, echte Probleme, meine ich, kein Mist, für den wir selbst verantwortlich sind. Wie meinst du, würde er auf einen magisch begabten Jungen reagieren, der rein zufällig ein Werwolf ist?"
Das habe ich mir in einer Menge schlafloser Nächte zusammengereimt - Es kann gar nicht anders gewesen sein.
„Hhm, er würde ihn an die Schule holen und seine besonderen Sicherheitsvorkehrungen treffen, oder?"
„Genau - aber ich bin mir nicht ganz sicher, was Lupin betrifft. Ich habe letztes Jahr einige Gespräche der Herumtreiber belauscht, die auf so was hindeuten und ich weis schon seit ein paar Jahren, dass sie übers Gelände streifen, meistens bei Vollmond. Trotzdem kann ich nicht sicher sein, dass es nicht ein grandioser, gewaltiger Schwindel ist, um Neugierige in Schwierigkeiten zu bringen. Besonders Black und Pettigrew würden so was geradezu lieben."
Er grinst schief und nickt.
„Und was hast du jetzt vor?"
„Ich weis nicht, wohin sie genau gehen", fahre ich fort. „Das möchte ich herausfinden und ihnen folgen. Morgen ist wieder Hogsmeade und eine gute Gelegenheit, etwas aus ihnen heraus zubringen. Du wirst bei mir dabei sein, oder? Also musst du wissen, was ich vorhabe."
Er nickt und seine Augen funkeln, das gefällt ihm.
„Ich bin mit von der Partie. Aber du redest."
Wir schlendern ins Dorf hinunter und vor uns gehen Potter und seine Freunde. Pettigrew hüpft um die Gruppe herum, wie üblich, dabei fällt sein Blick auf uns und er stößt Potter aufgeregt an.
Wir hatten dieses Jahr noch keinen ernsthaften Zusammenstoß – nur das übliche Gedöns. Ich hatte zuviel zu tun, war immer in Eile in die geheime Zelle zu kommen, auch wenn ich sie natürlich im Auge behielt.
„Snivellus", ruft Potter aus und scheint sich fast zu freuen. „Alter Schleimbeutel, Himmel, hat Mami dich dieses Jahr fein gemacht."
„Was passt dir daran nicht?"
„Ach Snivelly", meint Black spitz. „Ich habs dir schon immer gesagt: einmal ein Schleimbeutel, immer ein Schleimbeutel. Daran ändern auch die neuen Roben nichts."
„Seine Haare sind auf jeden Fall so fettig wie immer", piepst Pettigrew gehässig.
Himmel, der Witz hat inzwischen einen Bart, länger als der von Dumbledore. Wie lange wollen sie mich denn noch mit meinen Haaren verspotten? – Schön langsam verliert das wirklich seinen Witz. Sie lachen, aber Lupin sieht recht elend aus, steht nur daneben und sagt nichts - wie üblich.
„Ich kenne euch Bande", sage ich schneidend und starte meinen Plan. „Immer im Schloss unterwegs, immer im Gelände, immer mitten in der Nacht…"
„Das kannst du nur wissen, wenn du dann auch unterwegs bist, Snivellus", faucht Potter aufgebracht.
„Kein Druckmittel", meint Lupin müde. „Wenn du uns hinhängst, bist du auch dran" und an seine Freunde gewandt: „Lasst uns gehen, das bringt doch nichts."
Sie trollen sich, Black bleibt jedoch zurück.
„Du willst uns nachspionieren? Willst wissen, wohin wir gehen? Bist neugierig, was wir machen?" zischt er wütend. „Dann komm, komm heute Nacht zur Peitschenden Weide, darunter führt ein Pfad zu unserem Hauptquartier."
„Du willst nur, dass ich eine Auge oder was verliere, wie dieser Junge, damals in unserem dritten Jahr", fauche ich ebenso leise zurück.
„Nee, wird dir nicht passieren. Brauchst nur den Astknoten an den Wurzeln mit einem langen Ast zu berühren, dann hört das Peitschen auf. Komm einfach und du wirst schon sehen, was wir so machen."
Seine Augen funkeln gefährlich, er wendet sich ab und geht.
„Und, gehst du hin?" fragt Hieratus.
„Yeah, sicher, aber alleine - ich möchte nicht, dass dir etwas zustößt und die Sache könnte echt gefährlich werden, wenn Lupin wirklich ein Werwolf ist."
„Wie du willst, ich würde trotzdem gerne mitkommen, die sind immerhin zu viert und du bist allein", meint er tastend.
„Danke, mein Freund, aber nein", erwidere ich bestimmt.
„Gut, wie du meinst", stimmt er zu.
Wir gehen auf ein Butterbier in die Drei Besen. Potter und Genossen sind schon dort – eigenartig - Potter und Black scheinen sich zu streiten. Lupin und Pettigrew stehen an der Theke und warten darauf, dass sie ihre Getränke bekommen. Es ist rappelvoll und es dauert ewig, bis jemand bedient wird. Plötzlich wird Potter laut.
„…das hast du nicht getan, Padfoot! Bist du denn völlig wahnsinnig…?"
Auch Black wird laut.
„…es reicht mir mit ihm, ich habe es so satt, dauernd…"
Potter schüttelt eindringlich den Kopf und sie reden leiser weiter, ich kann nichts mehr verstehen. Black scheint Potter gesagt zu haben, dass er mir die Lage ihres Verstecks verraten hat und der scheint darüber alles andere als glücklich zu sein. Die beiden Anderen kommen mit den Getränken an den Tisch zurück und Black und Potter verstummen abrupt.
Heute Abend, endlich heute Abend, werde ich wissen, ob an meiner Vermutung etwas dran ist. Ich mache mir keine Gedanken über meine Sicherheit - bin zu neugierig, zu aufgedreht - mache mir keine Gedanken darüber, dass ich gebissen werden könnte, dass mich der Werwolf zerfetzen könnte. Ich will nur die Wahrheit wissen und vielleicht ... nur vielleicht ... die ein wenig ausnutzen ... und sei es nur, um endlich meine Ruhe zu haben...
Wie auch immer - Potter und seine Kumpel hängen schon ewig mit einem Werwolf ab und ihnen ist noch nie was passiert. Was sollte mir dann schon zustoßen? Ich bin schlauer, bin gerissener, kenne bessere Flüche ... na also!
Wir sind wieder im Schloss zurück und Hieratus ist in unseren Gemeinschaftsraum gegangen. Ich sitze am Fenster meines geheimen Raumes und warte den richtigen Zeitpunkt ab. So früh am Abend war ich noch nie hier heroben, immer nur mitten in der Nacht … Mein Blick streift über das Gelände - Da!
Madame Pomfrey und Lupin! Sie bringt ihn zur Peitschenden Weide und er greift nach einem Ast, berührt damit etwas an den Wurzeln des Baumes, die Äste werden ruhig und er schlüpft hinunter. Madame Pomfrey geht mit langen Schritten wieder zum Schloss zurück.
Noch keine Spur von Potter und den Anderen. Es ist bereits dunkel und ich schlüpfe aus dem Zimmer, weiche Madame Pomfrey aus, die in den Krankenflügel geht. Das Schloss ist noch recht belebt und ich muss sehr vorsichtig sein, leise, unsichtbar - und rasch, ganz rasch.
Ich gleite zur Tür hinaus. Jetzt schnell, übers offene Gelände, bevor mich jemand vom Schloss aus sieht. Dann bin ich an der Peitschenden Weide und greife nach dem Ast, den Lupin hat fallen lassen, schlage damit auf den Astknoten. Der Baum wird ruhig, friert regelrecht ein und ich gleite unter seine Wurzeln, da ist ein Gang in der Erde – Nachtaugen, ich brauche kein Licht - und er scheint in Richtung Heulende Hütte zu führen – interessant - der Gang wird zu einem Korridor.
Da plötzlich, hält mich jemand fest, etwas Silbriges gleitet zu Boden und ich erkenne Potter.
„Raus hier, Snape", keucht er und versucht, mich nach draußen zu ziehen.
Vor einem Jahr wäre ihm das noch gelungen, aber ich habe den ganzen Sommer eine Kutsche gelenkt und meine Muskeln sind eisenhart. Wir kämpfen. Potter will in die eine Richtung, ich in die andere. Wir ziehen und zerren aneinander.
„Snape, raus hier, du Idiot, oder du wirst draufgehen!" faucht Potter aufgebracht.
„Was?" schnarre ich zurück. „Dir passiert doch auch nichts."
„Du verstehst nicht. Sirius muss wahnsinnig gewesen sein, dir von diesem Ort zu erzählen…"
Wir rangeln und raufen weiter, bis plötzlich eine ungeheuere Gestalt vor uns in einem Türrahmen erscheint. Der Werwolf in meinem Traum war furchterregend, ja, aber eher grotesk, dieser ist gewaltig, unheilvoll, über zwei Meter groß, zottiges Fell, leuchtend gelbe Augen. Geifer tropft von gefletschten Zähnen, gekrümmte Klauen greifen in die Luft. Ein drohendes Knurren rollt in seiner Kehle und er duckt sich wild zum Sprung…
Ich bin zu Tode erschrocken – vergesse meine Muskeln, meine Gerissenheit, meine Flüche, folge fast bereitwillig Potters Zug, denn auch er hat irrsinnige Angst und das verleiht ihm wahre Bärenkräfte. Da reißt ein riesiger schwarzer Schatten den Werwolf zurück in den anderen Raum hinter der Tür, aber ich kann nicht erkennen, was es ist.
Erst zwanzig Jahre später erfahre ich die ganze Wahrheit. Potter und seine Freunde waren Animagi. Magier, die sich in Tiere verwandeln können. Sie sind aus Freundschaft zu Lupin dazu geworden - Aus Freundschaft zu Moony, dem Werwolf.
Potter war ein Hirsch - Passte zu dem Angeber - Daher auch der Spitzname Prongs.
Black, ein gewaltiger schwarzer Hund - Äußerst korrekt - Ich hab ihn immer schon für einen verrückten Hund gehalten - Padfoot.
Und Pettigrew eine Ratte – Wurmschwanz - Sehr zutreffend, dieser Spitznamen.
Potter schiebt, schubst, zerrt und zieht mich nach draußen. Kaum versuchen wir den Baum zu verlassen, erwischen uns seine peitschenden Zweige. Keiner von uns hat daran gedacht, dass der Baum inzwischen wieder aktiv sein muss und wir schreien überrascht auf. Der Baum packt uns und schleudert uns weit auf den Rasen hinaus. Die Weide und unser Aufprall sind laut, schrecklich laut. Wir liegen am Boden und keuchen atemlos. Jäh ragt eine gigantische Gestalt über uns auf - Hagrid! - An den hatte ich gar nicht mehr gedacht, ihn überhaupt nicht in meinen verwegenen Plan mit eingerechnet.
„Wos soi des Buam?" grölt er und sieht furchtbar wütend und erschrocken aus. „Mitten in da Nacht do herausd´n … I hobs da scho vo a paar Jahr g´sagt, Severus, du hast nix im Vabotanan Woid valorn - und du, James, vo dia häd i was anders derwart, du woast genau warum."
Er läßt uns keine Zeit für eine Antwort, packt uns einfach wie zwei Welpen am Kragen und schleppt uns ohne weitere Worte zum Schloss, die Treppen hinauf, am Steingargoyle vorbei - „Kandiszucker" - und in Dumbledores Büro hinein. Der Alte schaut von einigen Pergamenten auf, als der Riese uns ohne große Umstände durch die Tür mit dem Greifenklopfer schubst.
„Hagrid, was gibt's?" fragt Dumbledore erwartungsvoll.
„De zwoa hob i an da Peitschadtan Weid´n g´funden. De Zweig woitns ned hi lass´n. Jetzad, zu derana Zeit, an da Weid´n. Des is narrisch…"
„Ist gut, Hagrid", sagt Dumbledore beschwichtigend. „Ich kümmere mich darum."
Hagrid brummt bestätigend und geht. Dumbledore schaut sehr finster drein.
„Was wolltet ihr dort?" setzt er an. „Ihr wisst, dass die Peitschende Weide verboten ist, seit dem bösen Unfall vor drei Jahren..."
„Er weis Bescheid, Sir", unterbricht ihn Potter. „Über Remus, meine ich."
„Aber du solltest es besser wissen, James", tadelt ihn Dumbledore nicht besonders nachdrücklich.
„Es war ein blöder Streich, den wir ihm spielen wollten", wiegelt Genannter ab. „Dann ist mir klar geworden, was daraus werden kann…"
„…und du bist ihm gefolgt und hast ihn zurückgehalten?" beendet der Alte den Satz.
„Ja. Ich mag ihn nicht, wirklich nicht, aber dieses Schicksal … nein, sicher nicht. Nicht, wenn ich es verhindern kann."
Da spricht der Quidditch Meister, der Liebling der Löwen, Potter, der Wunderknabe, Herumtreiber par excelence ... ach Shit – du verflixter...
Dumbledore wendet sich zustimmend nickend an mich.
„Severus", meint er. „Gewöhnlich begrüße ich jede Form von Wissensdurst, aber in diesem Fall wünschte ich, du hättest darauf verzichtet, deiner Neugier nachzugeben. Dir ist doch wohl klar, dass du nicht über das sprechen darfst, was du gesehen hast. Remus ist ein guter Magier und er verdient die Chance, die ich ihm geboten habe. Willst du das alles verderben?"
Ich schaue in diese blauen Augen, auf den alten Mann, der mir auch schon oft geholfen hat. Ich bin ihm was schuldig dafür und ich zahle meine Schulden...
„Ich werde schweigen, Sir, aber Hieratus kennt meinen Verdacht", murmle ich daher.
„Dann bitte auch ihn um seine Diskretion", weist er mich bestimmend an.
„Ja, Sir", stimme ich zu und frage mich, ob es das jetzt gewesen sein soll.
„Ich bin sehr von euch Beiden enttäuscht", fährt er fort. „Eine solche Dummheit zu begehen. Wenn ich nur daran denke, was euch alles hätte zustoßen können…
Nun, ich glaube, ich werde euch nicht bestrafen, ihr habt genug miteinander und euch selbst abzumachen, aber noch eine solche Sache und…"
Er muss nicht weiter reden, uns ist Beiden klar, dass es um einen Rauswurf geht. Wir stehen da und scharren verlegen mit den Füßen. Seine ruhige Art uns die Leviten zu lesen, ist in gewisser Weise viel schlimmer als jede Brüllorgie meines Vaters. Die sichtbare Enttäuschung des Alten schmerzt mehr als jede Prügel, die ich je bezogen habe. Dumbledore mustert uns durchdringend.
„Ist das jetzt völlig und unmissverständlich klar?" brummt er.
„Ja, Sir", murmeln wir Beide betreten.
Dann weist er uns aus seinem Büro.
„Toller Streich Potter, wirklich toll", fauche ich ihn noch auf der Treppe an.
Ich bin gar nicht so sauer auf ihn, wie ich tue, aber das muss Potter nicht wissen. Im Grunde genommen bin ich ihm dankbar, schließlich hat er mir irgendwie das Leben gerettet. Das wäre allerdings nicht nötig gewesen, wenn mir Sirius keinen so üblen Streich hätte spielen wollen und ich nicht so neugierig gewesen wäre … Dumm gelaufen.
„Versteh doch…" setzt er an.
„Ja, ich verstehe, nur zu genau!" zische ich. „Black wollte mich mit Lupins Hilfe umbringen und du hattest mit Sicherheit auch damit zu tun, er geht doch noch nicht mal ohne dich aufs Klo…"
Auch das ist nicht richtig, wie ich nur zu genau weis, aber ich will Potter treffen, ihn beleidigen, ihn verletzen. Seine Freundschaft mit Black in den Dreck ziehen – weil er hat, was ich nie werde haben können … mit Worten klappt das meistens recht gut.
„Nein, es war ganz alleine die saudumme Idee von Sirius. Ich wollte das nicht…"
„Das kannst du deiner Großmutter erzählen, aber nicht mir…"
„Verdammt, Snape, du musst mir wirklich glauben, dass…"
„Gar nichts muss ich, Potter, gar nichts. Ich weis, wie ihr seid. Fies, boshaft und ach so geniale Zauberer. Ihr meint, ihr könnt euch alles erlauben…"
„Dann glaub, was du willst, Snivellus. Ich kann gut mit dem leben, was du glaubst", faucht er, wendet sich mit einer verächtlichen Handbewegung ab und macht sich auf den Weg zum Gryffindor Turm und ich halte es auch für besser, mich in die Verließe zu trollen.
Der Gemeinschaftsraum ist vollkommen verlassen, auch Hieratus schläft wohl schon – Gut - Ich muss nachdenken - Alleine…
Ich hatte also Recht, Lupin ist tatsächlich ein Werwolf und was für einer - ein echtes Monster - komisch, passt irgendwie gar nicht zu dem freundlichen, anständigen Burschen. Dumbledore und mindestens das halbe Personal muss davon wissen … Madame Pomfrey … Hagrid … wer weis, wer sonst noch? Wahrscheinlich alle Lehrer … müssen sie ja wohl, so oft wie Lupin krank ist…
Ich habe zwar alle Herumtreiber beschuldigt, damit zu tun zu haben, aber mir ist klar, dass es hauptsächlich Black war. Komisch wie ein Troll mit Zahnschmerzen, habe ich schon immer gesagt - Sirius, geliebter Feind?
Hmm, das war dieses Mal wirklich verdammt krass, aber wahrscheinlich denkt er, Lupin ist nur furchterregend, nicht wirklich gefährlich, ist ein Freund. Wahrscheinlich weis er nicht, wie beeindruckend Lupin als Werwolf ist. Er ist normaler Weise so groß, wie ich, aber als Werwolf? - Über zwei Meter!
Ein blöder Streich … ein gefährlicher Streich … hätte ein tödlicher Streich werden können … Wusste Lupin davon? Nee, kann ich mir nicht vorstellen, würde ihm nicht ähnlich sehen, er hätte nie bei so was mitgespielt, aber Pettigrew … ja, dem würde ich es zutrauen … der würde es sicher umwerfend komisch finden. Warum habe ich Potter beschuldigt? Ich habe doch die Szene in den Drei Besen mitbekommen und weis, dass er absolut gegen Blacks Streich war. Lily spielt eine Rolle und seine unerträgliche Arroganz, mein Neid auf sein Können, seine Fähigkeiten, seine Beliebtheit und – muss ich vor mir selbst zugeben – seine enge Freundschaft zu Black, auf die ich so entsetzlich eifersüchtig bin…
Und Dumbledore, der uns nicht bestraft hat. Nun, ich war in diesem Fall das Opfer und Potter hat mich irgendwie gerettet. Potter hat keine Namen genannt, aber Dumbledore weis genau, wer mit wem abhängt, nur zu genau. Er kann es sich also denken, wer alles daran beteiligt war, aber vielleicht hat er Mitleid mit Black, der sein Elternhaus so sehr hasst und mit Pettigrew, der so eine Niete ist und mit Lupin, dem armen Hund, Lupin, dem Werwolf…
Und mit mir, dem – ja was eigentlich? Außenseiter? Sonderling? Schleimbeutel? Oder weis er mehr über mich? Ich hoffe nicht, aber ich vermute es. Nicht alles, aber vielleicht doch eine ganze Menge…
Ich brüte vor mich hin. Hasse ich die Herumtreiber? Irgendwie schon, irgendwie nicht. Sollte ich sie hassen? Vielleicht. Hass kann stark machen. Aber will ich diese Art von Stärke? Keine Ahnung – Schwarz - Meine Seele ist heute wieder etwas schwärzer und bitterer geworden, wegen Black, geliebter Feind.
Ja, ich habe unsere Zusammenstöße genauso sehr genossen, wie ich sie verabscheut habe, sie haben mich lebendig gemacht, haben meinem Dasein eine Bedeutung gegeben, doch dieses Mal hätte mich unsere Konfrontation fast getötet und ich bin irgendwie enttäuscht von Black. So gedankenlos, fast grausam. Dabei ist er doch alles andere als dumm. Warum kann er denn dann die Konsequenzen seines Handelns nicht abschätzen? Oder war es ihm einfach egal, was mit mir geschieht? Will ich so nicht glauben. So mies kann er doch einfach nicht sein, oder? Oder?
Meine Gedanken kreisen und kreisen. Ich bin müde, das Adrenalin vom Kampf mit Potter, von der Begegnung mit dem Werwolf braucht sich langsam auf. Müde, so müde…
Ich hatte noch viele Jahre lang Alpträume von meiner Begegnung mit dem Werwolf – wenn ich denn mal schlafen konnte – solange bis sie von viel grässlicheren Alpträumen abgelöst wurden, an denen ich wohl selbst die alleinige Schuld trug.
Als ich wieder wach werde, graut schon der Morgen. Ich kann es zwar nicht sehen, weil es hier unten keine Fenster gibt, aber ich bin mir sicher. Ich habe in einem Sessel am Kamin geschlafen und das Feuer ist schon lange erloschen, kalt und tot.
Ich strecke mich und meine Muskeln sind von der unbequemen Stellung, in der ich eingeschlafen bin, ganz verspannt, ich gähne und reibe mir die Augen. Es ist Wochenende. Sonntag. Zeit für ein Frühstück. Yeah. Ich werde Hieratus holen und mit ihm in die Grosse Halle zum Essen rauf gehen. Wir haben einiges zu besprechen, denn ich werde mein Versprechen Dumbledore gegenüber halten. Nochmal möchte ich eine derartige Enttäuschung nicht in seinen Augen sehen. Es tut viel zu weh, schmerzt viel zu sehr in meiner Seele und trotzdem fühle ich mich von ihm irgendwie ungerecht behandelt und auch das tut weh, das Gefühl selbst und auch die Tatsache, dass ich so fühle – ich sollte dem Alten dankbar sein und nicht ihn innerlich ein wenig verfluchen...
Ich will nicht weiter darüber nachdenken und stürze mich daher kopfüber in Arbeit. Tränke. Tränke und noch mehr Tränke. Mir gehen die Zutaten aus, denn mit so einem Andrang hätte ich nicht gerechnet. Wie komme ich an neue Zutaten? Ich möchte auch mein einträgliches Geschäft nicht aufgeben, denn es hat schon seine Vorteile, Gold zur Verfügung zu haben. Ich frage Hieratus, der kennt sich aus.
„Schick einfach eine Schuleule in die Winkelgasse und gib ihr Gold mit, die bringt dir dann schon, was du brauchst. Oder brauchst du recht viel aus der Nocturngasse?"
„Nee, mit den fiesen Sachen ist dieses Jahr noch nicht viel gelaufen. Von dem Zeug habe ich noch genug."
„Dann schick einfach die Eule."
Schlechter Schlaf - keine Lust, durch die Gänge zu streifen - Blacks gedankenlose Gemeinheit hat es mir irgendwie verleidet, aber ich arbeite an zwei Tränken. Einen Schlaftrunk für mich - einen der keine Folgen hat und sich genau dosieren lässt - und an dem Trank für Werwölfe. Könnte auch für meine geplante Karriere in St Mungos nützlich sein. Ein Problem hat die Sache allerdings. Wie soll ich sie testen?
Bei dem Schlaftrunk bietet sich ein Selbstversuch in den Weihnachtsferien an. Wir haben beschlossen in Hogwarts zu bleiben und es dürfte nicht auffallen, wenn ich länger schlafe. Aber das Werwolfzeug? Ich könnte es an Lupin testen, aber das ist komplex. Ich will ihn nicht fragen, will nicht, dass ihm was passiert, wenn es schief geht und ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass er mir so weit trauen würde, einen Trank zu sich zu nehmen, den ich gebraut habe – könnte ja Gift oder sonstwas sein ... schließlich bin ich nicht eben bekannt dafür, die Herumtreiber zu mögen, oder?
Und wenn es klappt? Seine Dankbarkeit will ich auch nicht und von Lupin Gold verlangen? Nee, so gemein kann ich nicht sein, wenn jemand so sehr darauf angewiesen ist - Schwierig…
Pflege magischer Geschöpfe - Hydekaninchen - das ist die Lösung. Diese Wesen sind so eine Art Werwölfe aus dem Tierreich. Normaler Weise sehen sie wie einfache Kaninchen aus, geraten sie aber in Paarungsrausch, verwandeln sie sich und sind sie schlimmer als eine Wildkatze. Völlig geeignet für meine Versuche, aber wie komme ich an welche dran?
Hieratus weis auch dieses Mal Rat. Ich brauche ja nur ein Pärchen, dann kann ich den Rest selbst züchten, denn sie vermehren sich wirklich wie die sprichwörtlichen Karnickel. Mein Freund meint, ich soll dem alten Kettleburn einfach erzählen, dass ich ein Zuchtexperiment plane. Er fordert uns ohnehin immer auf, mehr für sein Fach zu tun…
Einfach, fast zu einfach. Kettleburn gibt mir sofort ein Pärchen und freut sich wie sonst was, dass er mit seinen Ratschlägen Erfolg hatte. Wenn der wüsste.
Die Tiere vermehren sich wirklich schnell und sind schon nach wenigen Tagen ausgewachsen. Ich muss schon bald Männchen und Weibchen trennen, sonst werden es zu viele. Ich bin so beschäftigt, dass ich froh bin, dass ich es gewohnt bin, nur wenig zu schlafen. Der Unterricht, meine Geschäfte, meine Experimente … keine Zeit wie auch immer geartete trübe Gedanken zu wälzen.
Die Hydes sind die optimalen Tiere für alle Arten von Versuchen. Ich kann alle möglichen Tränke an ihnen ausprobieren und einige sehr verbessern. Der Liebestrank wirkt jetzt permanent und nicht nur für ein paar Stunden - allerdings braucht man ein Gegenmittel - er ist recht heftig und ich habe ein paar von den Hydes verloren, weil sie nicht aufhören wollten, sich zu paaren und dadurch dauernd im Wildkatzenstadium waren - zu viel Energieverbrauch - Na ja…
Aber immerhin ist es die beste Möglichkeit die Wirksamkeit meiner Werwolflösung zu testen. Der Schlaftrunk macht sich glänzend, er ist nur noch immer etwas zu stark, die Hydes schlafen fast eine Woche durch - viel zu lange - so wenig kann ich ihnen gar nicht geben, dass es viel kürzer wäre. Und bei der Gedächtnislösung, gibt es hinterher keine Kopfschmerzen mehr, nur die Sache mit der Abhängigkeit konnte ich nicht abstellen. Ich bin noch nicht ganz zufrieden damit, aber vorerst reicht mit mein Erfolg, denn ich habe Hieratus vernachlässigt.
Er ist nicht besonders interessiert an meinen Experimenten und ich bin fast besessen davon.
Eifersucht, das grüne Monster
Weihnachten - und das bedeutet Hogsmeade - Ich beschließe Hieratus einzuladen. Jetzt kann ich mich endlich mal für seine Freundlichkeit revangieren. Drei Jahre lang hat er für mich gesorgt, jetzt bin ich mal dran. Ich habe wirklich sehr gut verdient und kann es mir nun leisten – das macht mich irgendwie sehr, sehr stolz.
Mein Freund strahlt und er ist wohl immer noch der einsame Junge von früher. Ich muss mich wirklich wieder mehr um ihn kümmern, wieder mal mit ihm Schach spielen, mal wieder mit ihm quatschen. Aber wie? Bin ich nicht mit meinen Arbeiten beschäftigt, bin ich von ganz Slytherin belagert, die weitere Tränke verlangen. Neu im Programm habe ich einen Stärkungstrank. Mein Haus will endlich mal wieder im Quidditch gewinnen und darum haben sie ihn von mir verlangt und ich habe ihn gebraut – wie üblich und gut daran verdient – auch wie üblich...
Ich wandere mit Hieratus nach Hogsmeade hinunter. Da sehe ich plötzlich etwas Seltsames: Lupin, Black und Pettigrew auf dem Weg ins Dorf. Das Seltsame ist: Wo ist Potter? Die Herumtreiber ohne ihn? Gibt's ja gar nicht.
Ich schleiche näher und Hieratus passt sich automatisch meinen Schritten an. Ich höre sie reden - nicht gerade leise - muss gar nicht so nahe ran.
„Warum hat er gesagt, wir sollen alleine nach Hogsmeade gehen?" mault Pettigrew.
„Mann, Wurmschwanz, wie dämlich bist du eigentlich?" meint Black. Er klingt genervt und etwas verzweifelt. „Moony, erklär du ihm die Sache mit den Bienchen und den Blümchen."
Lupin kichert. Ich habe noch nie gehört, dass er kichert. Er muss etwas wirklich urkomisch finden, denn er fängt an, mit einer Stimme zu sprechen, die etwas nach Mc-Gonagall klingt - einer recht genervten McGonagall.
„Weist du, Peter, mein Lieber, es gibt da Bienchen und Blümchen und wenn die hübschen Blümchen sich vermehren wollen, brauchen sie dazu die Hilfe der freundlichen Bienchen..."
Black brüllt vor Lachen, geht in die Knie und hämmert mit der Faust auf den Boden.
„Weiter, Remus, weiter", keucht er. „Moony, das ist zu komisch."
Pettigrew starrt Lupin entgeistert an, versteht offensichtlich nur ‚Troll'.
„Moony, du sprichst in Rätseln", jammert er. „Ich verstehe nicht, von was du redest."
„Von Jungs und Mädchen und dass sie auch mal miteinander alleine sein wollen. Von Lily und James, wenn du es genau wissen willst. Wenn du bis jetzt noch nicht kapiert hast, dass Prongs in Lily verknallt ist, dann ist dir wirklich nicht mehr zu helfen."
„Aber warum kann dann Lily nicht mit uns mitkommen", winselt Peter und in seiner Stimme klingt totales Unverständnis.
Lupin ist jetzt auch echt genervt von Pettigrew. Wirklich ne lange Leitung, der Junge.
„Mensch, Wurmschwanz, die Beiden wollen miteinander ausgehen, alleine sein. Wir wären da echt fehl am Platz."
„Aber warum…?" jammert der, dann sind sie außerhalb meiner Hörweite.
Ich bin wie erstarrt stehen geblieben, als Lupin „Lily und James" gesagt hat. Potter geht mit Lily aus. Mit Lily! Der wundervollen Lily! Meiner Elfe von der Lichtung. Eine rasende Eifersucht kocht plötzlich in mir hoch und ich habe die Fäuste geballt, knirsche wütend mit den Zähnen. Letztes Jahr sah es noch so aus, als hätte Potter keine Chance bei Lily und jetzt, jetzt geht sie mit ihm aus! – Das ist so verdammt ungerecht!"
„Severus, Alter, krieg dich wieder ein", Hieratus leise, freundliche Stimme, sie durchdringt meine rasende, glutrote Wut. „Du hast doch selber gesagt, sie ist nichts für Unseresgleichen…" versucht er mich mit sanfter Stimme zu beruhigen.
Er hat sofort erkannt, was mit mir los ist.
„Yeah … yeah, hab ich gesagt. Aber träumen darf man doch wohl noch", krächze ich nahezu tonlos.
Ich kann kaum sprechen, so fest habe ich die Zähne zusammengebissen.
„Dann träum weiter, Alter. Das wäre dann fast so, als würdest du sie Potter ausspannen."
Ich schaue meinen Freund groß an - hinterhältig, echt hinterhältig - aber der Gedanke gefällt mir.
„Danke, Kumpel, das habe ich gebraucht."
„Schon gut, Alter, ich weis aus eigener Erfahrung, wie fies so was sein kann."
„Woher?"
„Dumstrang. Du hast ja selber zu mir gesagt, dass es bei mir noch früh genug soweit sein wird…"
„Du hast mir nie darüber geschrieben."
Er wird schrecklich rot und schaut betreten zu Boden.
„Wie du schon gesagt hast, es gibt Sachen, die man nicht in einen Brief schreibt, über die man noch nicht mal reden will…"
„Yeah, Alter, ist gut, brauchst nichts weiter zu sagen."
Er schaut mich dankbar an und scheint wirklich nicht über die Sache reden zu wollen. Nun gut, er respektiert ja auch immer mein Schweigen und schließlich habe ich ihm auch nichts von Parcy, diesem Biest, geschrieben – war ja auch zu peinlich.
Wir schlendern zu den Drei Besen. Eine Flasche Butterbier, wäre jetzt nicht schlecht. Es ist wirklich sehr kalt…
Es wird keine Flasche - es werden fünf Krüge.
Potter sitzt nämlich mit Lily an einem der Tische und turtelt. Einfach unerträglich. Das grüne Monster „Eifersucht" sitzt auf meiner Schulter und flüstert mir Niederträchtigkeiten ins Ohr. Ich will nicht hören, was es zu sagen hat, also trinke ich – vielleicht kann ich es ja in Butterbier ersäufen. Ich weis nur zu genau, dass ich das Zeug nicht in solchen Mengen vertrage, kenne die Konsequenzen, wenn ich zu viel Butterbier trinke, aber es ist mir egal, so egal. Nur dem Monster nicht zuhören müssen, nur das nicht.
Jetzt knutscht dieser Mistkerl auch noch mit Lily rum. Verdammt, verdammt noch mal … Runter mit dem nächsten Krug Bier. Ich habe nur Augen für das Paar am anderen Tisch, spreche kein Wort, funkle nur die Beiden missgünstig an. Warum nur, muss es ausgerechnet Potter sein, der mit Lily ausgeht? Bei jedem anderen wäre es nur halb so schlimm, denke ich jedenfalls, ich weis nicht, wie ich auf einen anderen Kerl reagiert hätte, der mit meiner Elfe rummacht, aber bei Potter…
Ich kann nur immer weiter trinken und trinken. Hieratus wirft mir besorgte Blicke zu, überlegt wohl, was er sagen soll, schließlich trifft er eine Entscheidung.
„Severus, Alter, hältst du das für klug?"
„Nee Hieratus, aber ich weis nicht, was ich sonst tun soll."
„Wir könnten einfach gehen."
Er klingt ziemlich bekümmert.
„Nee. Will nich."
Inzwischen ist mein Dialekt so gut wie verschwunden, aber jetzt bricht er wieder durch. Hieratus scheint meine Worte kaum verstehen zu können, so dick ist mein Akzent. Solche Gefühle hatte ich noch nie. Es brennt in mir, beißt, tobt, rast. Ich könnte vor Wut meinen Krug über Potter auskippen, den Tisch nach ihm werfen, ihm mit meinen Zähnen die Kehle durchbeißen, ich könnte…
Der fünfte Krug und einer schneller getrunken, als der andere, wirft mich einfach um. Ich kippe vom Stuhl, alles dreht sich und mir ist übel, so entsetzlich schlecht. Hieratus bekommt das alles natürlich mit. Er zieht mich auf den Stuhl zurück, packt meinen Arm und hievt ihn über seine Schulter, dann schlingt er seinen freien Arm um meine Taille und führt mich aus den Drei Besen.
Die Unmenge Bier blubbert in meinem Magen und ich lasse mich wie eine Marionette von meinem Freund führen. Wir kommen nicht weit - kaum sind wir auf dem Weg zum Schloss, schwappt alles über und ich gehe am Straßenrand in die Knie und kotze, kotze wie ein Reiher.
Hieratus hält mich an den Schultern fest, sonst wäre ich vorn über gekippt, er streicht mir die Haare aus dem Gesicht, damit ich sie nicht voll kotze. Vorsichtig zieht er mich vom Weg fort, damit mich keiner in diesem beschämenden Zustand sieht. Typisch Hieratus, immer so hilfsbereit, immer so fürsorglich…
Mann, ist mir elend und ich verspüre einen irrsinnigen, brennenden Durst. Hieratus scheint das zu ahnen und bringt von irgendwo her eine Flasche zum Vorschein. Hat der denn immer etwas zum Trinken dabei? Er hilft mir, meinen Durst zu löschen und das Wasser läuft wie Balsam meine Kehle hinunter.
„Geht's wieder, Alter?" fragt er.
Ich nicke, dabei ist mir, als wolle mein Schädel bersten und mein Magen schlägt schon wieder einen Purzelbaum. Dann höre ich Stimmen vom Weg. Wir sind hinter einem Busch verborgen, demselben Busch, wie damals, meinem Kotzplatz.
Lily und Potter schlendern vorbei, sie plaudern, fröhlich und heiter. Direkt beim Busch bleiben sie stehen und küssen sich wieder, liegen sich selig in den Armen. Lilys Augen strahlen vor Freude und auch Potter scheint außerordentlich glücklich zu sein. Das ist so verteufelt, so höllisch ungerecht, aber ich kann absolut nichts dagegen tun.
„Verdammt! Verdammt sollst du sein, Potter, du Mist-kerl!" flüstere ich vor mich hin.
Gut, dass Hieratus mich hinter den Busch gezogen hat, hätte mich Lily mitten in meiner eigenen Kotzlache gesehen, die Schande hätte ich nicht ertragen.
Irgendwie hat es mein Freund geschafft, mich ins Schloss zu bringen, ohne dass wir gesehen wurden. Er versteckt mich in unserer geheimen Zelle. Macnair ist dieses Mal nicht heimgefahren, unser Schlafsaal ist also nicht sicher. In der Zelle raschelt es und es stinkt - meine Hydes - aber in einer Ecke liegt immer noch die alte Matratze und darauf lässt Hieratus mich jetzt gleiten. Irgendwie schält er mich aus meiner Kleidung.
Ich stinke nach dem Alkohol, dem Erbrochenen, meinem eigenen Urin, weis der Henker nach was sonst noch. Ich bin fast so widerlich wie mein Vater, der alte Bastard. Kalter, ranziger Schweiß steht mir auf der Haut und wahrscheinlich habe ich mir auch noch in die Hose geschissen.
Hieratus besorgt eine Schüssel mit warmem Wasser, wäscht mich von oben bis unten ab, macht mich sauber, dabei murmelt er wortlos und beruhigend vor sich hin. Ich bin kaum bei Bewusstsein, bekomme aber wie von weit weg, alles mit, was er mit mir macht und komme mir so entsetzlich hilflos und schäbig vor. Von irgendwoher hat er mein Nachthemd geholt und zieht es mir über, dann legt er eine Decke aus unserem Schlafsaal über mich.
„Schlaf Alter, schlaf jetzt", sagt er. „Morgen sieht alles wieder ganz anders aus."
Er flößt mir etwas ein, verschwommen erkenne ich eine Mischung aus einem Schlaftrunk und einer Medizin gegen einen Kater.
Als ich wieder zu mir komme, schaue ich in zwei treue, braune Hundeaugen.
„Gut, dass du wieder wach bist, Severus. Du hast mir nicht gesagt, dass dein Schlaftrunk so stark ist, habe ihn wohl etwas überdosiert. Wie geht's dir jetzt?"
Ich mache eine rasche Bestandsaufnahme: Mein Kopf brummt immer noch etwas, sitzt aber noch dort, wo er hin gehört, meine Gliedmassen sind schwer, mein Magen rumort, macht aber keine Anstalten, seinen Inhalt von sich zu geben, ich habe wohl Hunger und muss pissen, wie ein Maultier. Ich zucke innerlich mit den Schultern, na ja…
„Ist mir schon mal besser gegangen", antworte ich nachdenklich und ehrlich.
„Brauchst du was?"
„Yeah. Einen Nachttopf und was zu Essen. In der Reihenfolge. Ich trau meinen Beinen noch nicht so weit, dass sie mich ins Bad tragen."
Er grinst und springt auf. Sofort hat er mir einen Nachttopf gegeben und in der anderen Hand hält er einen Teller mit belegten Broten. Ich pisse - was für eine Erleichterung. Herrlich, wunderbar, großartig.
„Wenigstens hast du deinen kruden Humor nicht verloren", meint er und grinst weiter.
Humor? - Habe ich so was überhaupt? Wenn Hieratus das meint, muss es wohl stimmen.
Er nimmt mir den Pott ab und reicht mir die Brote, lässt den Topf verschwinden und gibt mir eine Flasche Kürbissaft.
„Mensch, Alter, du solltest echt nicht so viel trinken. Du weist doch genau, dass du es nicht verträgst."
„Yeah, aber ich war gestern in einer Stimmung, da konnte ich nicht anders. Aber glaub mir, Alter, so schnell mache ich das nicht noch Mal."
„Ich will mich nicht in deine Privatangelegenheiten einmischen", meint er tastend, „aber ich hielte es echt für besser."
Ich schätze seine Anteilnahme, will reden, mich mal wieder ausquatschen. Sonst ersticke ich noch an dem ganzen Mist.
„Weist du Hieratus, das ist alles so schrecklich kompliziert - nicht nur Lily und Potter - alles ist so kompliziert, meine ganzen Gefühle und Gedanken. Ich soll das eine, ich empfinde das andere, weis nicht, wie ich entscheiden soll. Manchmal gibt es gar keine Entscheidung, weil es nur so und nicht anders geht, aber ich möchte, wünsche mir so sehr, dass es anders ginge. Sachen, die ich unendlich gerne haben möchte, kann ich nicht haben, weil es in ihrer Natur liegt, dass sie nicht für mich bestimmt sind. Und ich bin eifersüchtig und neidisch, auf die, die diese Dinge doch haben können, nur weil sie nicht ich sind."
Hieratus nickt.
„Yeah, kann ich gut verstehen, manchmal geht es mir auch so. Ich glaube, jedem geht es mal so, aber warum du so extrem darauf reagierst…?"
„Meinst du wirklich, dass es anderen auch so geht?" frage ich interessiert nach und er nickt bestätigend.
„Aber ich bin anders, als andere und Leech hat mir mal gesagt, dass ich mir nicht davon die Lebensfreude nehmen lassen soll, aber manchmal ist das so verdammt schwer, manchmal bin ich schier am Verzweifeln, manchmal ist alles einfach nur noch – weis nicht – bitter - und dann mache ich so einen Blödsinn, wie damals mit der Peitsche und jetzt mit dem Butterbier. Es gibt noch eine Alternative, aber die ist noch schlimmer als ein wunder Rücken oder ein Brummschädel. Ich klinke mich aus - komplett.
Das habe ich vorletzten Sommer gemacht, als ich alleine in meiner Hütte war. Es hat vier Monate gedauert, bis ich wieder ich selbst war. Es ist so unsäglich entsetzlich. Du bist dann so schrecklich leer und hohl - wie eine Marionette - ferngesteuert.
Ich denke, so muss sich der Imperius Fluch anfühlen. Alles ist dir egal, nichts berührt dich, du denkst kaum, du fühlst kaum, du handelst nur. Ein Schritt nach dem anderen. Du planst nicht, träumst nicht, hoffst nicht und wünschst nicht.
Ach, Hieratus, diese Leere, diese furchtbare, schreckliche, grausame Leere. Ich möchte nie wieder so empfinden. Wie ein lebender Toter. Ich kann dir das gar nicht beschreiben…
Da sauf ich mir doch lieber die Birne voll, wenn es nicht anders geht, das ist nach spätestens zwei Tagen wieder vorbei."
Hieratus schaut mich an und in seinen braunen Augen schimmern Tränen.
„So hast du mir das nie erklärt. Ich dachte immer, ich hätte eine Vorstellung davon, wie du empfindest, aber das geht über alles hinaus, was ich je empfunden habe. Ich kann dir auf diesen Wegen nicht folgen. Sie sind zu einsam, zu verlassen, zu todtraurig."
„Das habe ich befürchtet, wenn ich mit dir das alles erzähle, dass du dich von mir abwendest, mich verlässt und mich noch einsamer zurücklässt, als ich es ohnehin immer schon war", seufze ich schwer.
Hieratus schweigt eine Weile, aber er greift nach meiner linken Hand, dreht die Handfläche nach oben und fährt mit dem Zeigefinger über die alte, silbrige Narbe unserer Blutsbrüderschaft. Sie ist schon fast mit meinen Handlinien verschmolzen, man kann sie nur noch sehen, wenn man weis, wo sie ist.
„Dich verlassen?" flüstert er schließlich. „Mich von dir abwenden? Nein, Alter, niemals. Wir sind Blutsbrüder. Für dich und mit dir ginge ich durch die Hölle und zurück und noch weiter, wenn es notwendig ist. Ich wollte nur sagen, dass das was du gesagt hast, einfach über meine Erfahrungswelt geht. Nichts anderes. Ich würde dich nie verlassen, außer du willst mich loshaben. Niemals, verstehst du, nie!"
Eine derartig emotionale Kundgebung von Loyalität, von Freundschaft, hätte ich nie von ihm erwartet.
Erst viele Jahre später wurde mir klar, dass Hieratus die ganze Zeit genauso unglücklich in mich verliebt war, wie ich damals in Black und Lily. Ich habe nie den Grund dafür verstanden, warum er so sehr an mir hing und immer zu mir hielt. Habe seine Freundschaft, seine Loyalität, seine Zuneigung einfach angenommen und mich noch nicht mal richtig dafür bedankt. Bis es zu spät war.
Ach Hieratus, mein Blutsbruder.
Erst viel später, nach wirklich schrecklichen, grauenvollen Ereignissen, verriet mir ausgerechnet Karkaroff die Wahrheit.
„Mensch, Hieratus", antworte ich und kann vor lauter Gefühlschaos kaum sprechen. „Und ich halte zu dir, was immer auch kommen mag."
Dies war ein Versprechen, das ich nicht wirklich halten konnte, wie sich noch zeigen sollte ... denn dann wäre ich mit ihm gestorben, wie es wohl hätte sein sollen...
„Wie geht's dir jetzt?" wechselt er das Thema.
Er weint jetzt so sehr, dass er die Worte kaum bilden kann. Nicht, dass ich ihn deswegen für eine Heulsuse halte oder so - Ich beneide ihn in Wahrheit um seine Tränen, denn ich kann schon viel zulange nicht mehr weinen.
„Besser", entgegne ich heiser. „Nur immer noch müde, erschöpft."
„Dann schlaf, mein Freund, schlaf. Ich bin da, wenn du was brauchst…"
Ferienpläne
Die Zelle ist schreckliche eng. Die ganzen brodelnden Kessel, die Tiere, Flakons und Fläschchen, volle und leere. Es wird Zeit, dass das Meiste wieder von hier verschwindet. Ich weis, dass jetzt Potter und Konsorten hinter mir her sind. Mein schwunghafter Handel mit den Zaubertränken hat sich zu weit rum gesprochen, längst sind die Slytherin nicht mehr meine einzigen Kunden, obwohl mein ganzes Geschäft in Hogwarts über sie läuft, auch in Gryffindor weis man sicher davon.
Hieratus hat mich gewarnt, dass er die Herumtreiber in den Verliesen hat rumschleichen sehen. Wahrscheinlich wollen sie mich dran kriegen. Wie gesagt, was ich hier tue, ist nicht ganz legal … und wie Dumbledore uns gewarnt hat „Noch so eine Sache, dann..."
Ich will mit Sicherheit nicht von Hogwarts fliegen.
Mein Schlaftrunk funktioniert so halbwegs. Zumindest an den Wochenenden kann ich ihn benutzen. Der Werwolftrank wirkt bei den Hydes, aber wirkt er auch bei Menschen? Lupin ist sicher kein Versuchskaninchen.
Ich gebe die Hydes an Kettleburn zurück - zwanzig Hydes - er ist sehr erfreut. Die Tiere, die er von mir bekommt sind gesund und munter, den Rest habe ich unauffällig verschwinden lassen – auch wenn es mir um die Opfer unter den Tieren leid tut – ich mag es nicht besonders, wenn sie an meinen Versuchen verenden, aber manchmal lässt es sich eben nicht ändern – noch ein Grund, damit aufzuhören.
Einen Großteil der Kessel entsorge ich ebenfalls. Ich behalte nur drei für meine Bestellungen und natürlich die ganzen Fläschchen und Flakons. Wir haben in Zauberkunst gelernt, wie man Dinge unsichtbar macht und diesen Zauber nutze ich jetzt, um meiner Zelle den Anschein von Leere zu geben, während in Wahrheit immer noch eine Menge Sachen rum stehen. Ich nehme mir wieder mehr Zeit für Hieratus, wenn ich nur meinen Geschäften nachgehe und keine Forschungen mehr betreibe, bleibt mir eine Menge Zeit dafür. Hieratus freut sich.
„Ich bin froh, dass du deine Forschungen etwas eingeschränkt hast", meint er. „Du hattest schon Ringe unter den Augen, die bis zu den Knien gingen."
„Echt? Ist mit gar nicht aufgefallen, aber wie oft schaue ich mich schon im Spiegel an?"
„Yeah, aber immerhin rasierst du dich und dabei schaust du in den Spiegel."
„Aber nicht so genau, nur auf meine Stoppeln. Ich mag es nicht, wenn ich so unrasiert bin."
Er lacht leise in sich hinein.
„Yeah. Die Stoppeln stehen dir echt nicht. Schläfst du immer noch so schlecht?"
„Yeah. Aber mit dem Schlaftrunk kann ich wenigstens an den Wochenenden etwas mehr schlafen, nur..."
„Nur was?"
„Ich träume nicht, wenn ich das Zeug nehme und bin gereizt und mürrisch, wenn ich wieder wach werde."
„Machst du dann wieder mit deinen Forschungen weiter?"
„Nee, momentan nicht. Die Sache ist mir zurzeit zu heiß. Du weist schon … Neugierige - und zum anderen, fehlt mir einiges an Grundlagenwissen."
„Aber mit der Unmenge alter Zauberbücher, die du geerbt hast…?"
„Schon, aber da stehen nur Tränke drin, die jemand vor langer Zeit entwickelt hat und nicht wie man selbst Tränke entwickeln kann, wenigstens nicht gut genug, für meine Bedürfnisse."
„Dann lass uns, wenn wir das nächste Mal in die Winkelgasse kommen, bei Florish und Blotts nachsehen, ob wir etwas finden, das dir dabei helfen kann."
Immer will er mir helfen, immer will er mich zufrieden stellen, obwohl er eine eigene Meinung vertritt und eigene Ideen hat (meistens recht Gute), richtet er sich am Ende immer nach meinen Wünschen.
„Guter Gedanke. Dann im nächsten Sommer."
„Nee, ich habe mir was überlegt. Du hast doch in den Osterferien deinen siebzehnten Geburtstag. Was hältst du davon, wenn wir uns über die Ferien ein Zimmer im Tropfenden Kessel nehmen und Muggel London ein bisschen unsicher machen."
Ich schaue ihn groß an. Toller Einfall.
„Aber ich habe kein Muggelgeld."
„Ich auch nicht, aber das ist kein Problem. Wir haben inzwischen so viele Muggelstämmige in Hogwarts, dass sich Gringotts darauf spezialisiert hat, Geld in Gold zu wechseln und umgekehrt."
„Dann ist das abgemacht."
Klingt gut, durch Muggel London zu streifen … Ich hatte nie viel mit Muggel zu tun, kenne dort nur die Winkelgasse, den tropfenden Kessel und den Weg von da aus nach Kings Cross. Ich grinse ihn an und er grinst zurück. Feine Sache, schöner Plan, aber…
„Gibt das keine Probleme? Du wirst doch erst im Juni siebzehn."
„Nee. Nicht, wenn du dabei bist. Du giltst dann immerhin als Erwachsener."
„Und deine Eltern?"
„Die! Denen ist es doch völlig egal, was ich tue, solange ich ihnen nicht zur Last falle und keinen Ärger mache."
Ich nicke, bin zufrieden.
„Weist du was?" schlägt er vor. „Wir können dann auch zum Ministerium gehen und du kannst die Prüfung zum Apparieren ablegen, die Theorie kennen wir ja schon."
„Yeah, Klasse Idee, das eröffnet mir eine Menge Möglichkeiten."
Schön, wenn man sich auf etwas freuen kann.
„Ich bin frei!"
Gerade war es erst Weihnachten und jetzt ist es schon gleich wieder Ostern. Ich sitze jetzt oft wieder an meinem Fenster und schaue auf das nächtliche Gelände hinunter. Es wird Frühling und der Verbotene Wald beginnt mich wieder zu rufen, aber nach der letzten Sache dort unten … Gefährlich, echt gefährlich - Wenn ich erwischt werde, fliege ich.
Aber die Herumtreiber streifen immer noch durchs Gelände und Potter riskiert genauso einen Rauswurf wie ich. Ist er soviel mutiger als ich? Nee, aber ich bin vorsichtiger. Er ist ein Angeber, aber ein Großmaul? Nee, er weiß ganz genau, was er kann. Neigt er zu Selbstüberschätzung? Kann schon sein und er ist bis jetzt mit allem durchgekommen - Andererseits … ich auch … und besser als er.
In Hagrids Hütte ist es dunkel und still und es ist auch nicht Vollmond, also auch kein Werwolf im Gelände. Der Wald ruft und lockt. Für meinen Geschmack war es viel zu lange Winter. Ich mag den Winter nicht, zu kalt, zu trostlos. Ich war lange nicht mehr richtig draußen im Freien und meine Haut ist blass, gelblich, sieht ungesund aus, aber auch die Sonne macht sie nicht braun, nur rot - Sonnenbrand.
Aber auch die Nacht hat so ihre Reize ... für mich. Raus … Ich möchte raus und durch den Wald streifen. Hieratus schläft, der Glückliche…
Ich bin wieder mal allein, aber momentan ist mir das ganz recht, es ist nämlich ziemlich hektisch zurzeit und ich brauche eine Weile für mich selbst - zum Denken, zum Träumen - hatte das ganze Jahr keine Zeit dafür - zu ruhelos, zuviel zu tun. Es sind schon Ferien, aber wir werden erst nach meinem Geburtstag nach London fahren. Das Schloss ist leer, still. Die Meisten sind bereits nach Hause gefahren, nach dem langen Winter dieses Jahr, hat sie der Frühling nach Hause gelockt. Keiner da … Morgen habe ich Geburtstag und übermorgen … London…
Ich raffe mich auf und schleiche mich leise aus dem Schloss. Es ist genau zwei Jahre her, dass ich Sirius im Verbotenen Wald begegnet bin. Was veranlasst mich nur zu glauben, das könne sich wiederholen? Ich weis es nicht – Trotzdem - irgendwie hoffe ich, dass ich ihm heute wieder dort begegnen werde und ich bin in einer eigenartigen Stimmung. Eigentlich bin ich auf die ganze Bande schlecht zu sprechen, aber seit der Sache mit Lupin lassen sie mich so ziemlich in Ruhe. Ein paar schnippische Bemerkungen, ein paar beiläufige Beleidigungen, mehr nicht…
Ich verberge mich in den Schatten, bin so leise und vorsichtig, wie ich nur kann und komme den Bäumen schnell näher – Nachtaugen - Ich brauche kein Licht und folge einfach dem Weg, lausche … Wind flüstert in den Blättern der Bäume. Nichts von den größeren Bewohnern zu hören und schon gar nichts zu sehen, nur ein paar funkelnde Eulenaugen und das eine oder andere leise Schuhu. Der Pfad führt mich zur Lichtung und zur Quelle und ein erregender Schauder läuft mir über den Rücken, lässt eine Gänsehaut auf meinen Armen entstehen. Sirius!
Sirius steigt wirklich gerade in die Quelle. Bin ich wach? Träume ich? Ich zwicke mich in den Arm und es tut weh, also muss ich wach sein. Ich verstecke mich hinter demselben Busch wie damals. Er wendet sein Gesicht zum Himmel und hebt die Arme, dann beginnt er zu sprechen. Er weint nicht, er schluchzt nicht und seine Stimme ist klar und deutlich, die Stimme eines Erwachsenen.
„Ich bin frei, endlich frei. Das noble und uralte Haus der Black hat keine Macht mehr über mich, es ist vorbei. Jetzt kann ich endlich mein eigenes Leben führen, nie mehr muss ich in das verhasste Haus meiner Eltern zurückkehren. Soll Regulus doch ihre schwarze Fackel weiter tragen - Ich trage meine eigene, meine eigene…"
Er hat mit dem Rücken zu mir gestanden und hat zu den schweigenden, dunklen Bäumen gesprochen, jetzt dreht er sich, immer noch mit erhobenen Armen, um sich selbst und ich kann ihn in voller Schönheit bewundern. Keine Chance ihm heute nahe zu kommen oder ihn gar zu berühren, aber ich kann schauen … schauen … seinen herrlichen Anblick mit den Augen in mich hinein trinken...
Ja, ich hatte Recht, auf seiner Brust zeigen sich wirklich die ersten Haare und er ist groß, schlank, drahtig, eine Figur, wie eine antike Statue, kein Wunder, dass ihm alle Mädchen nachlaufen. Ich sehe ihn mal mit dieser, mal mit jener, dann wieder mit einer ganz anderen, aber eine feste Freundin scheint er nicht zu haben, keine tiefere Bindung zu irgendeiner von ihnen, sein bester Freund ist ihm wohl wichtiger.
Blacks Haut schimmert silbern im schwachen Mondlicht und ich kann die Narben der Kratzer von damals sehen. Etwas dunkler als der Rest seiner Haut, dünn, fein, in ein paar Jahren werden sie ganz verschwunden sein. Ach Sirius, geliebter Feind…
Ich komme mir so entsetzlich hilflos vor, so nah und doch so fern - sehnsüchtig strecke ich eine Hand in die Dunkelheit in seine Richtung aus. Fast ist es mir, als würde ich seine glatte Haut unter meinen verlangenden Fingern ertasten…
Doch das ist nur eine Wunschvorstellung, ein begehrenswerter Traum … uns trennen mehr als nur die wenigen Schritte über die Lichtung - unsere Art zu leben - unsere Einstellung zum Leben - sogar die Häuser von Hogwarts denen wir angehören. Er hat Freunde - gute Freunde, glänzende Freunde, brillante Freunde - ich bin einsam, allein, trotz Hieratus. Ich fühle mich schon sehr lange erwachsen, er scheint es genau jetzt geworden zu sein. Ich gelte als Außenseiter, als Schleimbeutel, habe einen üblen Ruf. Er ist beliebt, wie nur was, trotz der Streiche, die er allen spielt.
Und dennoch ... dennoch … sind wir uns ähnlich. Er scheint, genau wie ich, durch seine eigene, private Hölle gegangen zu sein. Ja, er ist tollkühn, mutig, scheint vor nichts Angst zu haben, keine Konsequenzen zu fürchten, seinen Weg gegen jeden Widerstand zu gehen - Immer das zu tun, was er für richtig hält. Genau wie ich, nur als tollkühn würde ich mich nicht bezeichnen ... Obwohl … wenn das Ding mit Lupin nicht tollkühn war, was dann … ich hatte ja einen Verdacht, bin nicht blind in mein mögliches Verderben gelaufen…
Sirius steigt geschmeidig aus der Quelle und geht zu seiner Robe hinüber. Er setzt sich drauf und starrt blicklos in die Dunkelheit. Er scheint zu überlegen, scheint tief in seine Gedanken versunken zu sein. Hat er ähnliche Probleme und Zweifel, wie ich? Ich weis es nicht. Ich halte ihn nicht für besonders tiefsinnig oder nachdenklich, andererseits weis ich aber auch, dass er nicht ganz so ist, wie er sich gibt. Nur zu gut erinnere ich mich an seine Verzweiflung von damals. Man kann nicht so zu Tode unglücklich sein, wenn man keine tieferen Gefühle hat, wird mir plötzlich klar. Heute erscheint er mir jedoch nicht verzweifelt. Er scheint mir fest entschlossen, er hat sich endgültig für den Weg entschieden, den er in Zukunft gehen will. Wohin er ihn wohl führt?
Werden wir uns je wieder begegnen, wenn wir die Schule beendet haben? Nur noch ein gutes Jahr, nicht länger. Und dann? Eine ferne, fremde, unbestimmte Zukunft.
Plötzlich werden seine Augen wieder scharf und er nickt sich selbst zu, scheint zu einem Entschluss gekommen zu sein. Er legt sich auf seine Robe und rollt sich wie eine Katze zusammen, Sekunden später werden seine Atemzüge tief und regelmäßig und er ist fest eingeschlafen.
Ich schaue ihm dabei zu, aber ich traue mich nicht, zu ihm rüber zu gehen. Dieses Mal würde er aufwachen, da bin ich mir sicher. Ich ertappe mich dabei, wie ich zur Quelle schleiche. Wie von selbst lege ich meine Kleidung ab und gleite hinein. Wenigstens so nahe möchte ich ihm heute kommen, dass ich im selben Wasser bade, wie er. Ein bisschen verrückt – ich weis – aber ich möchte ihm so sehr nahe sein...
Es ist eisig - meine Haut zieht sich zusammen, meine Hoden wollen sich in meinen Körper zurückziehen. Noch nie habe ich so kaltes Wasser auf meiner Haut gespürt und ich laufe beinahe blau an. Wie kann Sirius das nur aushalten? Er muss viel besser abgehärtet sein, als ich – doch ich hasse die Kälte – schon seit vielen Jahren.
Mit einem leisen Plätschern steige ich wieder aus der Quelle. Sirius bewegt sich im Schlaf, murmelt etwas, es klingt wie „James". Träumt er von Potter? Von ihren gemeinsamen Abenteuern? Aber warum klang das dann so sehnsüchtig? Fragen, auf die ich wohl keine Antwort bekommen werde, vielleicht kennt er die Antwort selbst nicht, vielleicht noch nicht mal die Frage.
Soll ich gehen? Soll ich noch bleiben? Ein kühler Wind streift über meine nasse Haut, bringt mich zum Zittern. Ich sollte in mein Bett zurückgehen, ich erkälte mich leicht und ich möchte nicht krank sein, in London. Schweren Herzens werfe ich mir wieder meine Kleidung über und trotte gedankenverloren zum Schloss zurück.
Muggelstadt
London.
Es bereitet keinerlei Probleme ein Zimmer im Tropfenden Kessel zu bekommen - keine Fragen, keiner macht Schwierigkeiten. Hieratus schlägt mir vor, dass wir als erstes unser Geld umtauschen und uns dann Muggel Kleidung besorgen, damit wir in London nicht auffallen, also gehen wir zu Gringotts, der Zaubererbank. Plötzlich ruft jemand meinen Namen.
„Snape! Hey, Snape!"
Ich drehe mich um und Rodolphus Lestrange eilt auf mich zu.
„Lestrange", sage ich mit kühler Höflichkeit grüßend.
„Snape, was für ein glücklicher Zufall, dich zu treffen. Bist du noch im Geschäft?"
„Geschäft? Ach du meinst die Tränke. Ja, klar."
„Dann habe ich einen Auftrag für dich…"
Er bittet mich um einen höchst eigenartigen Trank, der die Sinne
verwirrt und das Opfer für Beeinflussung öffnet. Er bietet
mir eine Unmenge Gold dafür und ich
überlege nur kurz.
Nun, warum nicht.
„Ich mache dir den Trank. Aber es wird eine Weile dauern, es geht erst nach den Ferien. Ich schicke ihn dir mit einer Eule zu. Einverstanden?"
„Ja, Snape, einverstanden."
Er wendet sich ab und geht. Hieratus schaut mich an.
„So läuft das? So einfach?"
„Ja, sicher. Lestrange war mein erster Kunde. Warum nicht alte Geschäftsverbindungen aufrechterhalten?"
„Yeah. Nicht schlecht…"
Es ist kein Problem, bei Gringotts Muggel Geld für unsere Galleonen zu bekommen. Hieratus hatte Recht.
Durch den Tropfenden Kessel gelangen wir nach Muggel London. Hieratus scheint sich auch hier auszukennen, obwohl er ein reinblütiger Zauberer ist. Es liegt wohl daran, dass seine Familie dem alten Adel angehört und viel mit den adligen Muggel zu tun hat. Nicht, dass er viel darüber reden würde, es scheint ihm fast etwas peinlich zu sein - er spricht eigentlich nie von seinen Leuten. Er führt mich zu einem riesigen Laden, den er als „Kaufhaus" bezeichnet.
„Ich meine, ganz normale Kleidung für junge Leute. Keine edlen Sachen oder so", meint er.
„Ich richte mich ganz nach dir. Du kennst dich hier aus, ich nicht."
Wir fallen hier in unseren Umhängen ein bisschen auf, ein bisschen, aber nicht sehr – hier laufen durchaus ziemlich komische Vögel rum. Hieratus spricht mit dem Verkäufer und benutzt dabei einen harten ausländischen Akzent (hat er wohl in Dumstrang aufgeschnappt), um unsere Tarnung nicht zu gefährden (Zauberer dürfen sich Muggel nicht zu erkennen geben. Anweisung des Ministeriums für Magie – ich frage mich wirklich, wen das kratzt). Er wählt für uns enge, unten ausgestellte Hosen, die er als „Jeans" bezeichnet, sie sind von einer eigenartigen verwaschenen blauen Farbe, dann Hemden, sie sind knallbunt und weit. Schuhe mit hohen Sohlen, die aussehen, als wären sie aus Schlangenleder und einfarbige, kunstvoll bestickte Westen. Seltsame Kleidung, aber ich habe auf der Straße viele junge Leute gesehen, die so gekleidet sind. In einem anderen Laden kaufen wir Gürtel, Ketten, Ringe. Talmi, Flitter, nichts von echtem Wert.
„Mensch, Alter", meine ich verblüfft. „Das Zeug ist ganz schön schräg."
„Yeah, aber dort, wo ich hin will, zieht man sich genauso an", gibt er grinsend zurück.
„Woher weist du das?"
„Im Sommer vor zwei Jahren hatte ich doch viel früher Ferien als du und Igor war bei mir zu Besuch. Wir sind zusammen durch London gezogen. Hat irre Spaß gemacht. Daher auch die Idee."
Ja, er hatte mir davon geschrieben, dass Karkaroff die Ferien bei ihm verbringt, aber ich habe dem damals keine Bedeutung zugemessen. Er hat ja ohnehin viel von Karkaroff geschrieben.
Wir gehen zum Kessel zurück und es wird schon Abend - Wie schnell doch die Zeit vergeht, wenn man sich amüsiert.
Hieratus zeigt mir, wie man die Sachen anzieht. Die Hosen sitzen so eng, dass sie mir die Hoden einschnüren, aber nach ein paar Augenblicken habe ich mich daran gewöhnt. Hieratus hat mich schon öfter nackt gesehen, darum habe ich keine Probleme damit, mich in seiner Gegenwart umzuziehen. Doch nun schüttelt er den Kopf.
„Nee, so geht das nicht, Severus. Deine Unterhose knüllt sich unter der Jeans zusammen. Sieht echt blöde aus."
„Und, was soll ich machen? Ich habe keine anderen Unterhosen."
„Dann zieh die Hose einfach ohne an. Machen viele."
Ich folge seinem Rat, jetzt sitzt das Teil perfekt. Ein seltsames Gefühl, etwas Enges an den Beinen zu haben, aber nicht schlecht. Der breite Gürtel mit der silbrigen Schlangenschließe liegt eng um meine Taille und das weite Hemd flattert an meiner dünnen Gestalt, erinnert mich sehr an eine viel zu kurze Robe. Die Weste macht es ein wenig enger. Ketten. Ringe. Ich habe mich noch nicht im Spiegel angesehen, aber mein Blick fällt auf Hieratus. Er sieht völlig verändert aus, aber nicht schlecht, wirklich nicht schlecht, richtig verwegen. Jung, draufgängerisch, lebenshungrig.
„Schau dich mal im Spiegel an, Severus. Du siehst echt Klasse aus, Alter, du hast eine richtig tolle Figur in dem Zeug."
Ich folge seiner Empfehlung. Ein recht attraktiver junger Mann schaut mir entgegen. Schlank, gut gebaut, nicht dünn oder dürr, größer als ich es gewohnt bin - die Schuhe mit den hohen Sohlen - aber ein bisschen finster, düster, fast ein wenig dämonisch, allerdings richtig gutaussehend. Ein leichter Bartschatten, aber egal, ich will mich jetzt nicht rasieren.
„Und was sagst du?" will Hieratus wissen.
„Eigenartig, aber nicht schlecht. Fremd."
Hieratus lacht bestätigend.
„Yeah, scharf, echt scharf - Hör zu, bevor wir losziehen, musst du noch ein paar Sachen wissen, damit wir bei den Muggel nicht auffallen."
„Ich lausche interessiert", meine ich grinsend.
Er grient verschmitzt zurück.
„Also, es gibt hier ganz andere Getränke, als du sie kennst. Kein Butterbier, keinen Kürbissaft. Am besten lässt du einfach mich bestellen. Rede nicht über Hogwarts oder so, nichts über Magie. Sag du studierst, wenn du gefragt wirst. Hör einfach zu, was ich erzähle und halte dich an meine Märchen. Es wird schon schief gehen…"
Ich nicke, Hieratus kennt sich hier aus, ich werde also seinem Beispiel einfach folgen.
Großstadt – Lichter - Viele Menschen - Alle auf dem Weg irgendwohin. Hieratus führt mich zu einem Eingang, der zu einer Art Scheune gehören zu scheint. Laute, hämmernde Musik dringt durch die Tür. Davor steht ein bulliger Kerl, der die Leute sortiert und nur Ausgewählte durch die Tür lässt. Hieratus drückt ihm ein paar knisternde Geldscheine in die Hand und er lässt uns ohne weitere Fragen passieren.
Drinnen ist es düster, abgesehen von hellen Lichtblitzen, die sich in einer spiegelnden, sich drehenden Kugel brechen. Junge Leute in Kleidung, die der unseren ähnelt, hüpfen auf einer freien Fläche hin und her, auf und ab zum Rhythmus der Musik. Rundherum stehen Tische für zwei bis vier Personen.
Die Musik macht eine Pause und Hieratus sucht uns einen freien Tisch. Ein recht hübsches Mädchen mit einem Tablett kommt auf uns zu. Sie ist ziemlich leicht bekleidet, trägt eine knappe, knallenge schwarze Lacklederhose, die beinahe schon aufhört, bevor sie überhaupt anfängt und hat ihre Bluse unter ihren Brüsten verknotet. Ihr flacher Bauch ist nackt…
Überhaupt sind fast alle Mädchen hier recht leicht bekleidet oder tragen etwas, das wie bestickte Nachthemden aussieht. Sie kaut auf etwas herum und lässt eine Blase zwischen ihren knallroten Lippen platzen.
„Was?" fragt sie und schmatzt weiter.
„Zwei Coke", sagt Hieratus und klingt gleichzeitig selbstbewusst und eingeschüchtert.
Hüftschwingend verschwindet das Mädchen. Kurz darauf ist sie wieder da und knallt zwei Gläser vor uns auf den Tisch. Der Inhalt sieht aus, als wäre er unter Anwendung von Gewalt aus einem meiner Kessel entkommen, nachdem ich erfolgreich versucht habe, etwas besonders Hinterhältiges zu brauen. Er ist braun-schwarz, schäumt, hat Bläschen. Einfach abartig.
„Willst du uns vergiften, Alter?" brülle ich Hieratus ins Ohr, denn die Musik hat wieder eingesetzt und es ist schrecklich laut hier drinnen, man kann sein eigenes Wort kaum verstehen.
„Nee. Probier einfach. Das Zeug schmeckt echt gut", brüllt er zurück.
Zweifelnd nehme ich einen kleinen Schluck von dem Getränk. Hieratus hat Recht. Es ist zwar furchtbar süß, schmeckt aber echt nicht übel.
Ich schaue neugierig dem Treiben auf der freien Fläche zu. Junge Männer tanzen mit den Mädchen, Mädchen tanzen alleine. Sie winden sich und wirbeln herum, reiben sich aneinander.
„Barbarisch!" denke ich, aber eigentlich nimmt mich die Stimmung gefangen und es gefällt mir hier irgendwie.
Wir sitzen eine ganze Zeit einfach nur rum, schlürfen von unseren Getränken und nehmen die verschiedenen Eindrücke in uns auf. Dann kommen zwei Mädchen an unseren Tisch.
„Euch haben wir hier ja noch nie gesehen", meint die eine, auch sie muss schreien, um sich verständlich zu machen.
„Gebt ihr zwei einsamen Mädchen einen Drink aus?" fragt die andere lautstark.
„Setzt euch her, Mädels, was nehmt ihr?" brüllt Hieratus erfreut.
„Ginger Ale", sagt die eine.
„Bitter Lemon", erwidert die andere.
Hieratus winkt der Bedienung und bestellt das Gewünschte. Die zwei Mädels plaudern. Sie sind recht hübsch, aber seit der Sache mit Parcy traue ich allen Mädchen nicht mehr so ganz. Die eine heißt Andrea, die andere Marcy. Andrea hat rote Haare und froschgrüne Augen - Sie erinnert mich etwas an Lily, auch wenn sie bei weitem nicht so hübsch ist und ihr mit Sicherheit Lilys einzigartige Ausstrahlung fehlt.
Sie rückt näher an mich heran und schreit mir allerlei Unsinn ins Ohr. Marcy scheint dasselbe mit Hieratus zu tun. So geht es einige Zeit und ich komme kaum dazu, meine vorbereitete Geschichte zu erzählen.
„Hier ist es so schrecklich laut", plärrt Andrea schließlich in mein Ohr und ich nicke. „Was hältst du davon, wenn wir uns was zum Trinken mitnehmen und zu uns nach Hause gehen?"
„Muss meinen Kumpel fragen, was er meint", gröle ich zurück und nun ist es an ihr zu nicken.
Ich werfe Hieratus einen fragenden Blick zu. Er versteht sofort, zuckt die Schultern, hebt erwägend seine Augenbraue. Ich nicke, er nickt.
„Yeah", brülle ich dem Mädchen ins Ohr. „Lass uns gehen."
Wir stehen auf und verlassen diesen lauten Ort. Es war recht nett da, aber nach ein paar Stunden pfeift es nur noch unangenehm in meinen Ohren und ich fühle mich ein wenig taub.
Ich habe keine Probleme, die Flaschen zu kaufen, die sich die Mädchen in einem Laden aussuchen. Ich kenne das Zeug nicht, aber die Beiden scheinen recht scharf darauf zu sein. Andrea hakt sich bei mir unter, Marcy hängt sich bei Hieratus ein.
„Wie heißt du eigentlich?" fragt sie.
Ihre Stimme klingt gar nicht wie die von Lily, sie ist hoch, piepsig, affektiert und stellt mir die feinen Härchen auf meinen Armen auf – auf eine recht unangenehme Art und Weise - doch ich will nicht wählerisch sein, immerhin ist sie ganz hübsch.
„Severus", antworte ich.
„Echt scharf. Wer hat denn den Namen ausgesucht?"
„Mein Vater. War Professor für Latein."
Die Ausrede ist mir gerade eingefallen, schließlich kann ich Latein und weis, was mein Namen bedeutet. Der Tiefgründige, der Strenge, der Grausame … und es passt zu meiner erfundenen Geschichte.
„Seid ihr hier zu Besuch?"
„Yeah, Ferien an unserer Uni."
Ich habe einiges von dem mitbekommen, was Hieratus Marcy ins Ohr gebrüllt hat und halte mich an seine Geschichte, wie verabredet. Die Beiden arbeiten als Verkäuferinnen und teilen sich eine Wohnung, hat sie mir erzählt. Die großen Straßen verschwinden, werden immer schmaler, werden zu Gassen. Die Läden und Auslagen werden von Wohnhäusern abgelöst, die immer schäbiger und schäbiger werden. Bei einem Haus, das ich abgerissen hätte, wäre es nach mir gegangen, halten wir an (aber gerade ich muss reden, bei dem ärmlichen Loch, aus dem ich stamme).
Marcy kramt suchend in ihrer Handtasche herum und bringt schließlich einen Schlüssel zum Vorschein. Damit sperrt sie eine abblätternde Tür auf. Die Mädchen führen uns eine ausgetretene Holztreppe nach oben - vier, fünf Stockwerke - dort sperrt Marcy eine weitere abgeschlagene Tür auf.
Drinnen scheint alles zu glühen, orange Wände mit großen roten, gelben und braunen Kreisen und Kugeln, bunte Kissen am Boden um einen niedrigen Tisch. Riesige Papierlampen baumeln mitten im Raum, das Licht ist gedämpft. Es flirrt vor meinen Augen – ich mag solche Farben nicht und mir wird ganz anders.
Andrea geht an eine Kommode heran und fummelt an etwas herum und plötzlich ertönt wieder Musik. Leiser als die in dieser Scheune, aber immerhin. Marcy bringt Gläser zum Vorschein und schenkt uns aus den Flaschen ein, die ich gekauft habe, wirft Eiswürfel in die Drinks. Andrea fummelt mit Tabak und einem kleinen braunen Klumpen herum, der wie gepresster Rattenkot aussieht. Sie schabt an dem Zeug herum und mischt es unter den Tabak.
„Auch ´nen Joint?" fragt sie.
Ich habe keine Ahnung von was sie redet. Sicher, es gibt auch in Hogwarts Lehrer, die rauchen – Pfeife - also kenne ich Tabak, aber was ist das andere Zeug? Ich schaue Hieratus fragend an. Der zuckt die Schultern, lässt sich aber von Marcy einen von den tütenartigen Stenglen geben.
Andrea dämpft das Licht noch weiter, zündet Kerzen und dünne Stäbchen an, die glimmen und einen eigenartigen Geruch von sich geben. Ich entschließe mich, auch eins von den seltsamen Tütchen anzunehmen. Sie zündet mir das Ding an und ich sauge daran, der Rauch dringt in meine Lungen, der Tabak brennt auf meiner Zunge, in meinem Hals, schmeckt komisch. Ich will das Brennen mit einem Schluck von meinem Getränk hinunterspülen und schmecke Alkohol, starken Alkohol. Das kann ich nicht trinken – unmöglich - nicht nach dem letzten Mal.
„Hast du ´ne Coke?" frage ich Andrea.
Das ist das einzige Muggel Getränk, das ich seit heute kenne und ich weis, dass es relativ harmlos ist – über Nachwirkungen oder Spätfolgen kann ich noch nichts sagen – und so ist es relativ sicher, sie darum zu bitten ohne mich zu blamieren oder gar als Zauberer zu outen.
„Magst du das Zeug nicht?"
„Nee, ich vertrag Alkohol nicht allzu gut."
Sie nickt, geht in einen Nebenraum und kommt mit einer großen Glasflasche und einem frischen Glas zurück. Um sie nicht vor den Kopf zu stoßen, ziehe ich weiter an dem Tütchen, als ich damit fertig bin, reicht sie mir ein neues. Die Mädchen reden plötzlich sehr wenig, wiegen sich zu der Musik, saugen an den Tütchen und trinken von dem Alkohol. Es ist eine Unmenge dünner Rauch im Zimmer und ein sinnverwirrender Geruch.
Andrea rutscht immer näher an mich heran und Marcy an Hieratus. Der Rauch scheint meine Sinne zu vernebeln, mein Kopf dreht sich, aber mir ist es nicht übel, nur mein Magen fühlt sich eigenartig leer an. Langsam lehnt sich Andrea an mich, reckt mir ihren Mund entgegen. Ich kann mir nur ungefähr vorstellen, was sie will und küsse sie. Ich habe keine Erfahrung mit Küssen, nur Parcy, aber daran denke ich jetzt lieber erst gar nicht. Andrea presst ihre Lippen auf die meinen und ihre Zunge teilt sie. Ich mag das nicht, es ist so schleimig, glibberig, unangenehm, aber ich will das Mädchen nicht zurückstoßen, das wäre unhöflich.
Ihre Hand fährt unter mein Hemd und ihre Fingernägel fahren über meine Haut, sie sind sehr lang und giftgrün lackiert. Ich sitze wie erstarrt da. Was soll ich jetzt machen? Keine Ahnung. Sie scheint es jedoch recht genau zu wissen, greift nach meiner Hand und legt sie auf ihre Brust. Weiches Fleisch. Ich knete ein bisschen daran herum, fühlt sich nicht übel an. Ihre Hand spielt an meinem Gürtel, öffnet ihn. Mir wird ganz anders, das Ganze ist trotz der Eigenartigkeit der Situation unheimlich erregend. Sie zieht meinen Reissverschliss (oder wie das Ding heißt) herunter und greift in meine Hose. Wie ein aufgeregtes Schachtelmännchen springt mein steifer Penis heraus.
„Wow", sagt sie wohl irgendwie beeindruckt und greift eifrig danach.
Andrea fummelt ein bisschen an mir herum. Es fängt gerade an, richtig Spaß zu machen, da verdirbt sie plötzlich alles.
„Was hast du denn mit deinem Ding gemacht?" fragt sie. „Sieht ja schrecklich aus. Hast du ihn in einen Rosenstrauch gesteckt? Stehst du da drauf? Bist du irgendwie pervers? Von Mädchen scheinst du ja keine Ahnung zu haben. Weist du, irgendwie bist du ein richtiges Weichei - verträgst ja noch nicht mal n bisschen Alkohol."
Sie lacht - es klingt verächtlich - Das ist zuviel und ich stoße sie von mir weg, mache meine Hose zu und fliehe kopflos aus der Wohnung. An Hieratus verschwende ich keinen Gedanken. Ich stolpere die Treppe hinunter und weiter durch die nächtlichen Straßen der Stadt. Mein Kopf dreht sich und summt, auch mein Blick ist nicht ganz klar. Das Coke klebt widerlich auf meiner Zunge und mein Magen fühlt sich ganz hohl an. Mein Penis pocht unbefriedigt und meine Hoden sind heiß, wie glühende Kieselsteine.
Ich kenne den Weg zum Tropfenden Kessel nicht, laufe einfach ziellos herum. Alle Straßen ähneln sich alle irgendwie - Voller Lichter, voller Menschen und doch einsamer als die grünen Hügel von Yorkshire.
Schließlich komme ich an einen gewaltigen Fluss und setze mich an sein Ufer, starre verzweifelt ins strömende Wasser. Warum musste sie nur anfangen zu lachen? Es hatte gerade angefangen, richtigen Spaß zu machen und dann ihr gemeines Lachen … so verächtlich … so demütigend … so beschämend…
Meine Erregung hat langsam wieder nachgelassen, als ich so durch die Straßen gelaufen bin und jetzt bin ich irgendwie leer und einsam.
Stundenlang starre ich ins Wasser.
Lily… Lily fällt mir ein - Andrea hat ihr so ähnlich gesehen - Lily, wundervolle, einzigartige Lily, aber sie ist nicht für mich bestimmt, inzwischen gehört sie zu Potter - Absolut unerreichbar für dich, Severus…
Ich war so entsetzlich ungeschickt, wusste gar nicht, was ich mit dem Mädchen überhaupt anfangen sollte. Anfassen? Streicheln? War es das, was sie wollte? Kann schon sein. Man muss doch irgendwo was darüber lesen können, was man mit Mädchen so machen soll, ich möchte nicht nochmal so da stehen - So – hilflos…
Plötzlich spüre ich eine freundliche Hand auf meiner Schulter.
„Mensch, Alter, da bist du ja endlich, ich such dich schon seit Stunden. Du bist so plötzlich verschwunden. Was war denn los?"
„Sie hat gelacht, Hieratus, gelacht. So … verächtlich…"
„Und dann bist du einfach weggelaufen. Wohin wolltest du eigentlich?"
„Zurück in den Kessel, hab den Weg einfach nicht gefunden."
„Du hast doch Geld dabei. Warum hast du kein Taxi genommen?"
„Tacksie?"
„Ein Auto, mit einem Fahrer, der die Stadt kennt und sich dafür bezahlen lässt, dass er Leute von einem Ort zum anderen bringt … aber woher sollst du das auch wissen? Du hattest ja noch nie viel mit Muggel zu tun, oder?"
„Nee, mit Mädchen aber auch nicht", seufze ich. „Mit Mädchen auch nicht."
„Echt nicht?"
„Nee, woher auch?"
Plötzlich muss ich lachen.
„Warum lachst du?" fragt er überrascht.
„Pettigrew und Lupins Bienchen und Blümchen."
Da muss auch Hieratus lachen.
„Gut, dein Humor ist wieder da. Komm, lass uns in den Kessel zurückgehen."
Den Rest unseres Aufenthalts in London verbringe ich in der Magischen Welt. Ich mag noch nicht einmal die Kleidung wieder anziehen und werfe sie einfach weg – Muggel! - Nicht deine Welt, Severus, nicht deine Welt.
Hieratus verschwindet noch einmal in die Muggel Welt und kommt mit Heften zurück, Heften mit nackten Mädchen und Männern, die schier unglaubliche Sachen miteinander anstellen - das sehe ich, als ich kurz hinein schaue.
„Aufklärung", meint er mit einem verschmitzten Grinsen. „Schau dir das Zeug an und wenn es dir danach ist, dann besorg es dir. Du verstehst schon, was ich meine."
Ich werde knallrot, aber ich verstehe - natürlich verstehe ich – so dämlich bin ich in dieser Hinsicht dann doch auch wieder nicht.
„Mensch, Kumpel, ich kenne keinen in deinem Alter, dem seine Sexualität so peinlich ist. Ich bin unten im Schankraum, solltest du mich brauchen. Schau dir das Zeug einfach an und viel Spaß…"
Er geht und lässt mich allein, er kennt mich zu gut. Er weis, welche Dinge mir peinlich sind und dass ich Peinlichkeiten nicht ausstehen kann. Ach, Hieratus, mein Freund…
Ich lege mich auf dem Bauch aufs Bett und befasse mich mit den Heften. Mein Kopf wird rot, meine Augen heiß, mein Schwanz wird steif, ein eigenartiges Kribbeln läuft durch meinen ganzen Körper. Aufklärung, hat Hieratus gesagt - Onaniervorlage, ist ein besseres Wort. Meine ganzen Phantasien konnten mir nicht mal annähernd das zeigen, was in diesen Heften abgebildet ist. Lehrreich? So was mit einem Mädchen anstellen? Ich weis nicht recht … Scheint aber allen Beteiligten Spaß zu machen.
Meine Hand fährt unter meinen Körper und die Bilder werden unwichtig. Ich stelle mir vor, auf einem Mädchen zu liegen - irgendeinem Mädchen - sie hat kein Gesicht und ihr Körper sieht so aus, wie in den Heften. Ich bewege mich in meiner Hand auf und ab, fühlt sich ungewohnt an, aber gut, verdammt gut. Mein Unterleib beginnt, wie gewohnt zu zucken, krampft sich zusammen und mein Kopf rauscht - der ganze Glibber geht ins Laken.
Kurz vor dem Ende der Ferien gehen wir zum Ministerium für Magie, damit ich meine Apparierprüfung ablegen kann. Ich bin mit meinen Gedanken nicht ganz bei der Sache und so benötige ich drei Versuche, bis ich dort ankomme, wo ich hin soll, aber ich bestehe den Test. Hieratus darf ihn noch nicht ablegen, er wird erst in zwei Monaten siebzehn.
Etwas Gutes hatte London dennoch. Ich habe in der Winkelgasse eine Menge alter und neuer Kunden getroffen und kehre mit einer Unmenge Aufträge nach Hogwarts zurück.
Enthüllungen
Hogwarts, Unterricht, Lernen - wenig Schlaf, manchmal - meistens - zu wenig - Lange Nächte in der Zelle. Mein Geschäft boomt. Lange Nächte an meinem Fenster, der Wald lockt, aber ich darf es nicht riskieren, Pettigrew wurde erwischt, wie er in der Nacht draußen rumstreunte und wäre fast von der Schule geflogen, aber Dumbledore hat noch einmal Gnade vor Recht ergehen lassen – na klar, die kleine Ratte gehört ja zu den von allen bevorzugten Gryffindors.
Ich bin schweigsam geworden, einsilbig, wortkarg, habe mich wieder in mich selbst zurückgezogen, bin wieder viel allein. Das Desaster mit Andrea hat mich irgendwie verändert…
Und dann ist da Hieratus. Seit unserem Aufenthalt in London ist er zu einem anderen geworden, er ist jetzt so erwachsen, so … fordernd, ist ungeduldig mit mir, wenn ich mich wieder für etwas schäme, wenn ich wieder nicht reden kann oder will.
War mit Marcy mehr? Hat er mit ihr geschlafen? Ich mag ihn nicht danach fragen. Ich traue mich nicht recht und irgendwie geht es mich auch nichts an. Macht ihn das jetzt so erwachsen? Oder ist es die Tatsache, dass er weis, dass ich noch nie etwas mit einem Mädchen gehabt habe und er schon.
Macht ihn das so stark? So bestimmend?
Hieratus, mein Freund, mein Blutsbruder, was soll nur daraus werden? Ich war so gewohnt, dass du das tust, was ich von dir erwarte. Verlangst du jetzt von mir, dass ich nach deiner Pfeife tanze? Das kann ich nicht. Ich entscheide schon viel zu lange ganz alleine, was ich mache.
Eine Aussprache mit meinem Freund wäre gut, aber was soll ich fragen? Wie die Worte wählen, ohne ihn vor den Kopf zu stoßen? Er ist immerhin mein Freund. Er hängt jetzt auch immer mit Slytherins aus dem sechsten und siebten Jahr ab. Ich bin zu beschäftigt, zu viele Tränke, zu viele Gedanken, denen ich in den stillen Stunden der Nacht nachhänge. Verliere ich meinen einzigen Freund? Ich hoffe nicht, aber seit langer Zeit fühle ich mich wieder sehr einsam und alles schmeckt bitter.
Die Prüfungen nähern sich. Ich muss gut abschließen, brauche es für St Mungos. Ich lerne wieder und Hieratus sitzt manchmal dabei und tut so, als würde er mit mir lernen, aber irgendwie habe ich den Eindruck, dass ihn das Ganze nicht so recht interessiert. Er tut nur so, als ob. Ich möchte reden, ihn fragen, was los ist, aber er ist mir irgendwie fern, fremd. Viel weiter entfernt, als damals, als er so weit weg in Dumstrang war…
Die Prüfungen sind geschrieben und sie sind gut gelaufen. Ich will den Sommer mit Hieratus verbringen, aber zuerst muss ich wissen, wie wir zueinander stehen. Das schöne Wetter bietet eine gute Gelegenheit und ich frage ihn, ob er mit mir runter zum See kommen will - Er will.
Wir setzen uns unter meinen Lieblingsbaum und ich
überlege,
schlucke, muss einfach Worte finden.
Nimm den direkten Weg, Severus, einfach drauf los.
„Hieratus, Kumpel, was ist in letzter Zeit mit dir los? Du bist so fern, so fremd."
Er schaut mich überrascht an.
„Was soll schon los sein, Alter? Nichts ist los. Du bist nur immer so einsilbig, so wortkarg, hast immer soviel zu tun oder bist einfach verschwunden und ich habe keinen Bock mehr, ganz alleine abzuhängen, darauf zu warten, dass du dir mal Zeit für mich nimmst. Nee, Severus, das ist mir zu blöde…"
Mir fällt nur eine Sache ein, die vielleicht dahinter stecken könnte.
„Hast du ein Mädel?" frage ich.
„Das auch, aber das ist nicht der wirkliche Grund", antwortet er kopfschüttelnd.
„Was dann?"
„Da will zur Abwechslung ich mal nicht darüber reden, es hat auch damit zu tun, dass du mir nicht mehr alles erzählst."
Hab ich noch nie, kann ich nicht - mein Vater, der Päderast, meine Träume von Black – Nee, das kann ich keinem erzählen.
„Bis jetzt hast du es immer akzeptiert, dass ich nicht
über
alles reden will."
„Yeah, aber weist du was, Alter, seit der Sache mit den Mädels in London, denke ich du solltest endlich erwachsen werden. Es ist einfach dämlich, sich seiner eigenen Sexualität zu schämen. Du bist ein Mann und hast die Gefühle und Bedürfnisse eines Mannes. Du kannst sie nicht aus dir raus prügeln oder dir die Birne voll saufen oder einfach davor davon laufen.
Anstatt über deine Probleme zu reden, machst du einfach dicht. Ich dachte immer wir wären Freunde, aber Freunde reden miteinander über ihre Sorgen und Probleme, teilen ihre Gedanken einander mit. Werd erwachsen, Alter, werd einfach erwachsen. Ich habe es statt, so satt…"
„Heißt das, dass du mir die Freundschaft kündigst?" frage ich entsetzt.
„Nee, das sicher nicht und du bist auch in meiner Wohnung willkommen, aber werde endlich du selbst, benimm dich endlich, wie ein Erwachsener und nicht wie ein kleiner Junge, dem jemand seine Bonbons geklaut hat und rede mit mir - zum Teufel - rede…!"
Er hat auf den See hinaus geschaut, während er gesprochen hat, jetzt schaut er mich an und über sein Gesicht laufen Tränen, sein Blick ist fast verzweifelt und sehr traurig.
„Ich weine, Severus, weine um einen guten Freund, der nie weint, egal, was ihm geschieht, egal, wie grausam, entsetzlich oder schmerzhaft das ist, was ihm zustößt, ein Freund, an den ich nie wirklich dran komme, ein Freund, bei dem ich nie wirklich weis, woran ich bin, wo ich nie sicher sein kann, ob ihm seine Tränke und sein Jammer wichtiger sind, als sein Freund…"
„Hieratus…" setze ich an.
„Nee, lass mich ausreden, es steckt schon zu lange in mir. Ich wollte immer deine Freundschaft, deine Gesellschaft, aber ich komme nie ganz zu dir durch. Nur an deine Oberfläche, nie an dein Inneres. Immer wenn du mit etwas nicht fertig wirst, ziehst du dich in dich selbst zurück und versteckst dich. Ich möchte endlich wissen, was mit dir los ist. Ich bin doch dein Freund und du kannst mir vertrauen, verdammt noch mal…"
Das war verflucht hart. Ich darf nicht mehr länger schweigen oder ich verliere wirklich seine Freundschaft und das darf einfach nicht geschehen, ich habe keine anderen Freunde. Ich muss reden, muss ihm alles erzählen, damit er begreift.
„Hieratus, Blutsbruder, ich dachte du verstehst. Du sagst, ich weine nie … Du sagst, du dringst nicht zu mir durch … Du sagst, ich rede nicht über meine Probleme und Sorgen … Laufe weg, ziehe mich zurück … Ich werde dir alles erzählen, werde dir sagen, warum das so ist, warum ich nur so schwer vertrauen kann ... Nur dieses eine Mal und dann möchte ich nie wieder darüber sprechen, nie wieder…"
Und ich erzähle ihm alles, wirklich alles, Dinge über die ich nie reden wollte, Geheimnisse, die ich mit mir ins Grab nehmen wollte. Die Demütigungen, die Schmerzen, die grenzenlose Verlassenheit. Sein Lachen, damals im ersten Jahr und meine Gedanken dabei. Was er mir seit unserem dritten Jahr bedeutet, er und unsere Blutsbrüderschaft. Die Leere, die Traurigkeit und die Einsamkeit, in den beiden Jahren, als er nicht da war. Lily und meine Manie für Black, meine wirren Gefühle und Gedanken dazu. Die Sache mit Parcy und die darin begründete Reaktion auf Andrea und mein Vater, alles über meinen Vater, der Missbrauch, die Prügel, einfach alles…
Ich spreche lange, lasse nichts aus, rede mir alles von der Seele. Ich komme mir vor, wie ausgewrungen, halte es aber für notwendig, dieses Mal mit nichts hinterm Berg zu halten. Ich will ihn einfach nicht verlieren - er ist mein einziger Freund.
Kein anderer hat je von diesen Dingen erfahren - bis jetzt.
„Und nun kannst du schreiend vor mir davon laufen. Das war nämlich der Grund, warum ich nie darüber geredet habe. Ich hatte Angst, meinen einzigen Freund zu verlieren, wenn ich dir die ganze beschämende Wahrheit erzähle…"
Er schaut mich an, seine Augen sind riesig und schwimmen in Tränen. Er greift nach meiner linken Hand, der Hand mit der Narbe … er schüttelt den Kopf, setzt mehrmals zum Sprechen an, scheint keine Worte zu finden. Die untergehende Sonne färbt den Rasen blutrot. Das Gelände um uns herum ist leer, verlassen. Die Anderen sind schon lange beim Abendessen und wir sind allein - völlig allein.
„Severus … Blutsbruder, das habe ich nicht gewusst, konnte ich nicht wissen. Ich hab halt gemeint, du wärst einfach … verschlossen … verklemmt…
Jetzt verstehe ich, endlich begreife ich dein eigenartiges Verhalten … Ich wusste schon immer, dass du stark bist, Alter, nicht unbedingt körperlich, sondern tief in dir drinnen, aber wenn du das alles überstanden hast ohne wahnsinnig zu werden, ohne zu versuchen, dich umzubringen – dem allen einfach ein Ende zu setzen - dann bist du viel stärker, als ich mir das je vorstellen konnte … Nein, mein Freund, wenn du es nicht willst, werden wir nie wieder darüber reden, wenn du in Ruhe gelassen werden willst, werde ich das einfach akzeptieren, auch wenn es mir lieber wäre, wenn du dann mit mir redest…
Ich werde immer zu dir halten und du kannst mir wirklich vertrauen, egal wie oder was…"
Er drückt meine Hand – fest - die alte Narbe schmerzt, auch ihm muss sie wehtun, so fest drückt er zu … Es ist wie damals, als wir zu Blutsbrüdern wurden, die Zeit steht irgendwie still und ein Stück Ewigkeit sinkt in unsere Seelen. Wir erneuern und festigen unsere alte Verbindung … Vertrauen, gegenseitige Loyalität, Freunde…
Es ist schon dunkel, als wir Seite an Seite zum Schloss hinauf gehen.
Flugstunden
Hieratus hat von seinen Eltern eine großartige Wohnung in London bekommen. Eine Wohnung? - Ein kleines Haus! Fünf Zimmer, zwei Bäder, eine riesige Küche und eine alte Hauselfe, die sich um alles kümmert. Hieratus hat seine Apparatierprüfung auch erfolgreich abgelegt und wir verbringen einen guten Teil der Ferien damit, durch ganz England zu reisen. Er zeigt mir vieles und wir haben eine Menge Spaß, aber nichts mehr mit Muggel…
Ich weis, er möchte gerne sehen, wo ich herstamme und ich überlege lange hin und her, ob ich nach Yorkshire will. So verdammt viele Erinnerungen, an so viele verdammte Dinge - Dann entschließe ich mich, ihm die Entscheidung zu überlassen. Vertrauen…
„Hieratus, willst du sehen, wo ich aufgewachsen bin? Aber ich warne dich, es ist so ganz anders als alles, was du kennst."
„Ich möchte schon, aber ich möchte nicht deine Erinnerungen wieder aufrühren."
„Nee, das wird schon gehen. Weist du was? Ich zeige dir alles und du bringst mir dafür bei, wie man auf einem Besen fliegt."
„Du kannst nicht auf einem Besen fliegen?"
„Ähm … Nee. Seit dem ersten Mal, wo mich so ein Ding abgeworfen hat, bin ich nie wieder auf einen gestiegen."
„Hhm, wie einsam ist die Gegend, wo du herkommst?"
„Das letzte Nest. Keine Zauberer und nur ein paar Handvoll Muggel."
„Dann können wir dort üben. Ich verstehe das nicht, du bist ein sehr guter Zauberer und ein brillanter Trankbrauer, aber du kannst nicht mit einem Besen fliegen?"
„Nach der Blamage damals, hab ich nie wieder einen Besen auch nur angefasst, was auch an Potter und seinen Freunden liegt - sie haben sich wochenlang darüber lustig gemacht."
„Alter, dir ist einfach viel zu vieles peinlich. Mach doch einfach dein Ding, egal, was irgendwer sagt. Ich kann dir nur immer wieder sagen: Du bist du."
„Ich versuche es ja, darum möchte ich dir jetzt ja meine Heimat zeigen und auch fliegen lernen. Du hat nämlich völlig recht damit, dass ich mich für zu viele Dinge schäme."
Wir apparieren nach Yorkshire und Hieratus ist entsetzt.
„Unter solchen Bedingungen bist du aufgewachsen? Jetzt wundert mich nichts mehr. Nein, ich rede nicht drüber. Ich denke nur, Alter…"
„Schon gut. Jetzt zeige ich dir den einzigen Ort, an dem ich hier je glücklich war."
Ich führe ihn auf meine Lichtung und nach all den Jahren finden meine Füße immer noch den Weg wie von selbst. Hieratus schaut sich um.
„Ja, du hast Recht. Es ist friedlich hier. Angenehm. Sollen wir bleiben?"
„Wenn du magst."
„Yeah, ich zaubere uns Schlafsäcke her. Jetzt dürfen wir ja und die Muggel sind weit weg."
Richtig, jetzt dürfen wir ja offiziell Magie verwenden. Mache ich ja schon seit Jahren, denn ich hatte einfach keine andere Wahl.
Wir haben uns in der Winkelgasse Besen gekauft und jetzt gibt mir Hieratus Unterricht. Der Besen ist zwar nicht der Beste, den man für Geld kriegen kann, aber er ist auch nicht schlecht und wofür sollte ich schon einen Rennbesen brauchen? Hieratus zeigt mir ganz genau wie ich das Ding handhaben muss. Langsam, Schritt für Schritt. Der Besen gehorcht mir sofort. Es scheint so kinderleicht zu sein - So einfach … so wunderbar… fliegen…
Es ist ein herrliches Gefühl von Freiheit, wie ich es noch nie empfunden habe. Der Wind rauscht an mir vorbei, mein Haar fliegt hinter mir her, meine Robe bläht sich und flattert. Der Luftstrom treibt mir Tränen in die Augen, sie laufen mir die Wangen hinunter und ein lauter Jubelschrei löst sich von meinen Lippen. Ich möchte fliegen, fliegen, immer weiter fliegen, bis in alle Ewigkeit...
Ich lande erst wieder, als es zu dunkel wird, um noch etwas zu sehen. Hieratus war dauernd in meiner Nähe, hat aufgepasst, dass mir nichts zustößt. Ich bin immer noch kein besonders guter Flieger, aber es ist mir so was von egal. Es macht einfach nur unglaublich Spaß.
Hieratus schaut mich an, mein Gesicht ist gerötet, meine Augen funkeln und ich könnte vor Freude weiter brüllen, jubeln, lachen…
„Hat es dir Spaß gemacht?" fragt er.
„Wahnsinn!" sage ich.
„Und du hast dir solche Sorgen gemacht…"
„Yeah, aber vor dir ist mir vieles wesentlich weniger peinlich, als vor anderen. Du würdest mich nie auslachen, oder?"
„Nee, sicher nicht."
Wir verbringen den Rest unserer Ferien damit, durch meinen Wald zu fliegen…
Das sollten die letzten guten Tage für lange, sehr lange Zeit gewesen sein. Eigentlich hatte ich bis heute kaum mehr wirklich gute Tage.
Wir apparieren nach London, um in Hieratus Haus unsere Koffer zu packen und mein Freund will noch mal in die Winkelgasse, um einzukaufen. Ich habe zwar alles, begleite ihn aber trotzdem und wir entschließen uns, im Tropfenden Kessel etwas zu Trinken. Wir sitzen am Tisch, plötzlich fallen mir die Gespräche auf, die hier geführt werden:
„…der Dunkle Lord…"
„Sag nicht diesen Namen, man sollte diesen Namen nicht nennen…"
„…Zaubertränke, die die Sinne verwirren…"
„…Lydia Nast, hat den Verstand verloren, nachdem sie mit Lestrange zusammen war…"
Lestrange? Habe ich den Namen meines alten Kunden gehört? Und etwas über einen Trank? Eine Frau hat den Verstand verloren. Bin ich daran schuld? Mein Trank? Nee, kann ich nicht glauben, muss ein Zufall sein, rede ich mir jedenfalls ein … Aber mit meiner guten Laune ist es vorbei.
