Bemal mich, mach mich bunt, ich will die Haut nicht mehr sehen
Ich sitze wieder in meinem Zimmer. Eine Rasierklinge, die ich meinem Vater geklaut habe, liegt neben mir. Meinen Vater zu bestehlen liegt eigentlich unter meiner Würde. Eigentlich! Ich nehme sie in die Hand und setze sie an meinen Körper, wo ist egal. Ich schneide langsam in die nachgiebige Fläche und Blut fliesst über meine Haut. Den Schmerz spüre ich kaum. Das Blut verdeckt die Haut, meine Haut. Ich lächle. Mach mich bunt, ich will die Haut nicht mehr sehen. Ich habe niemanden, der mich bunt macht. Daher mache ich es selbst. Ich bin ja so selbständig, dachte ich spöttisch. Ich will meine Haut nicht mehr sehen. Aber sobald es Morgen wird, wasche ich Tag für Tag das Blut von meiner Haut. Dann muss ich sie wieder sehen, die Haut meiner Vorfahren.
Wegen ihnen muss ich SO sein. Gefühllos und kalt. Ich darf nicht so sein, wie ich sein möchte. Ich bin wie mein Vater, meine Mutter, mein Onkel, meine Tante... ich könnte es noch ewig so weiter führen. Es gab kaum jemanden, der sich gegen die Familie gestellt hatte. Aber ich bin nicht ich. Ich bin alles, aber der Teil, der ich sein will ist irgendwo versteckt, weggeschlossen. Von mir? Oder meinem Vater? Ich weiss es nicht mehr. Eigentlich ist es auch egal. Ich war zu feige mich zu wehren und jetzt, jetzt hat es auch keinen Sinn mehr. Oder? Ich darf nicht lieben, wen ich will. Eigentlich darf ich gar nicht lieben, gar keine Gefühle zeigen. Ein höhnisches Lächeln spielt um meine Lippen. Diese Regel hatte ich schon lange gebrochen! Unbewusst hatte sich dieses Gefühl in mein erstarrtes Herz geschlichen. Meine Kälte war nur ein stummer Schrei nach Liebe.
Ich sah an mir herab und ging mechanisch in Richtung Bad, stellte mich unter die Dusche. Wie immer! Wusch meine Haut wieder rein.
Meine Tränen vermischten sich mit dem Wasser, dass meinen Körper hinab rann. Ich habe schon lange nicht mehr geweint, aber in letzter Zeit kommt es immer öfter vor, dass ich meine Gefühle nicht mehr kontrollieren kann. Oft verschwinde ich dann schnell in mein Zimmer. Aber ich muss aufpassen. Ich glaube meine Mutter hat etwas gemerkt, aber sie hat mich nicht darauf angesprochen oder es meinem Vater erzählt. Noch nicht! Sie hat schon immer zu solchen Angelegenheiten geschwiegen, meinem Vater hat sie nur ein einiges Mal widersprochen. Als dieser mich töten wollte, weil ich als Baby so klein und schwach aussah. Das war ich auch und ich bin es noch immer, nur nach außen in bin ich stark.
Ich sehe wieder an mir herab. Das Blut ist fort. Bedauern macht sich in mir breit. Ich liebe diese leuchtende Farbe. Sie leuchtet und ist kräftig, im Gegensatz zu mir, meiner Haut. Meine Haut ist farblos, blass und fahl. Ich verscheuche diese Gedanken und drehe das Wasser auf kalt. Der „Schock" reichte normalerweise um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Auch heute half es wieder. Erst als meine Lippen vor Kälte zitterten und bläulich anliegen, drehte ich das Wasser ab und stieg aus der Dusche. Ich trocknete mich nur flüchtig ab, meine Wunden, sowohl neue, als auch alte, die mittlerweile zu Narben geworden waren, beachtete ich nicht. Warum auch? Nie würde sie jemand sehen! Ich trete vor den Spiegel, sehe aber nicht hinein! Ich kleide mich an, ordentlich, aber farblos, so wie es sich gehört. Dann blicke ich auf und bin zufrieden. Keine Gefühle sind mehr in meinem Gesicht zu sehen! Meine Maske sitzt wieder perfekt. Ich bin wieder der, den alle kannten. Zumindest äußerlich. Die Maske des Draco Malfoy.
