Bemal mich

Chap 2:Eisblau

Es war dunkel. Der Wind fegte durch die Bäume, die Blätter raschelten leise, flüsternd hallten ihre Stimmen, getragen vom Wind.

Es war der Abend, an dem sich das Rad des Schickals drehte und die Welt auf den Kopf stellte.

Leises Atmen ist zu hören, der Raum ist dunkel, gross und verschlingend.

Ich sehe mich um, es ist als würde die Dunkelheit mich umschließen, vor mir zurückweichend. Dann fällt mein Blick auf das riesige Himmelbett, auf die schmale, zerbrechlich wirkende Gestalt, die sich unter der dünnen Decke abzeichnet.

Leise trete ich ans Bett, halte den Atem an, auch wenn mir bewusst ist, dass niemand mich hören kann. Leise Worte dringen zu mir durch, dringen durch den Schleier aus Taubheit, der sich in all den Jahren um mich gelegt hat.

Sie klingen so voller Angst, hallen in meinem Kopf wieder, lösen ein Gefühl in mir aus.

Schritte sind zu hören, die grossen Flügel der Tür werden aufgerissen, der blasse blonde Junge schrickt auf, reisst seine Augen auf.

Eisblaue Augen. Sie funkeln angsterfüllt, bevor sich eine Tür in ihnen schließt, die Gefühle verbannt.

Ich höre eine Stimme, ich kenne sie, sie ist kalt, berechnend.

Es ist soweit!" höre ich sie sagen, einen erwartenden, aufgeregten Unterton mitschwingen lassend.

Der Junge sieht ihn ausdruckslos an, ehe sein Blick zu mir wandert. Ich erstarre, wage nicht mehr mich zu rühren, erwidere den Blick.

Ein stummer Schrei flackert in diesen Augen auf, sie funkeln wie ein Meer, durchtränkt von Silber und für einen Moment fürchte ich, in ihnen zu ertrinken.

Er bricht den Kontakt, Enttäuschung blitzt in mir auf. Ein Gefühl der leere bleibt zurück, seit langem war wieder etwas in mir aufgewacht, schwach aufgeblitzt, als würde es versuchen die Benommenheit abzuwerfen, Gefühle zuzulassen, aber es war nicht zu schaffen, die Last der Leere drückte es immer wieder nieder, immer wieder.

Elegant erhebt er sich, blickt seinen Vater an, kein Gefühl, nicht die kleinste Regung. Keine Worte, keine Fragen. Unterdrückung liegt in der Luft – soll das wirklich alles sein, woraus das Leben besteht?

Dann verändert sich das Bild, die Wände des Zimmers verschwinden und machen rauem Stein platz, anstelle des Bettes steht ein Altar, schwarzer Samt verdeckt den gealterten Stein, verziert mit silbernen Stickereien und einem Symbol, was mir seltsam vertraut erscheint.

Erneut öffnen sich lautlos die Türen, große, hölzerne Portale, flankiert von riesigen Steinfiguren, die wie Wächter wirken.

Wächter der Zeit, auf ewig verdammt hier zu verweilen. Gefangen im Leben, mein Schicksal teilend.

Eine Gestalt in einer schwarzen Kutte trat ein und mir war, als würde mir das Blut in den Adern gefrieren, eisige Schauer rannen mir über den Rücken und meine Augen weiteten sich, ehe mich eine eine Welle aus purem Hass überrollte, so wuchtig, dass sie mir den Atem nahm, mich zu Boden drückte. Gedanken schossen durch meinen Kopf, Wut ließ mich erblinden, Gefühle bahnten sich ihren Weg ins freie, prallten ab an den Gittern meines Gefängnisses, dass ich mir geschaffen hatt.

Er war der Grund dafür, dass sie mich alle verließen, er war der Grund, dass so viele sterben musste, er ist der Grund dafür, dass ich so leiden muss. Ich wollte ihn töten, ihn leiden lassen, ihm all das antun, was er mir angetan hatte.

Instinktiv griff ich nach meinem Zauberstab, meine Hand fiel ins Leere, fand nur den Stoff einer ebenfalls schwarzen Kutte. Verwirrt sah ich mich an, betrachtete mich in dem Wasserrinnsal, was den kompletten Altar umgab, und erschrak. Ich veränderte mich, es war nicht mehr mein Gesicht, was mir aus der spiegelglatten Oberfläche entgegensah, es war auch nicht mein Körper, ich verwandelte mich in IHN. Es war als würde ich nicht mehr existieren.

Langsam schritt ich durch die schwarzen Reihen, sah starr nach vorne und fühlte freudige Erwartung in mir aufsteigen. Ich ging auf den Altar zu, etwas daran hatte sich veränder, ich konnte nicht sagen wast.

Davor knieten nun schmächtige, als einzigste nicht in Kutten gehüllte Gestalten. Zwei der Jungen zitterten am ganzen Leib, schauten ängstlich zu Boden. Ich konnte ihre Gedanken hören und lachte eisig. Feiglinge!

Ich erschrack über diese Gedanken, ehe mir wieder bewusst wurde, dass es nicht die meinigen waren – aber ich erinnerte mich auch, an meine Verwandlung, was wenn es wirklich so kommen würde? Wenn ich mich nicht dagegen wehren konnte oder wollte? Wenn das wirklich mein Schicksal sein sollte?

Dann fiel mein Blick auf ihn. Er war ruhig, gefühlslos, wirkte fast gelassen, aber ich wusste, dass er Angst hatte, wusste das er nicht entkommen konnte. Voldemort lachte eisig. „Du bist stark" zischte er „ aber auch die starken werden verlieren!"

Höhnisches Gelächter war aus den Reihen der Todesser zu hören, triefend vor Verachtung, aber auch Ehrfurcht.

Ich stand nun genau vor dem Jungen mit den wahnsinnig blauen Augen, die einen verschlingen konnten. Etwas war anders, etwas bedeutendes würde geschehen.

Erst als sich meine Hand hob und ich den Zauberstab darin gewahr wurde, wusste ich was folgen würde und schloss gequält die Augen, als ein Blitz aus dem Stab fuhr und den Unterarm des Jungen traf – bald würde man dort sein unverkennbares Zeichen finden, sein Eigentum.

Schmerz spiegelte sich in den blauen Seen und er schrie, er hatte versucht nicht zu schreien, aber er tat es, schrie die Qualen und den Schmerz hinaus. Entsetzliche Schmerzen durchdrangen mich plötzlich und dann schrie ich, wurde aus SEINEM Körper hinausgeschleudert, alles wurde schwarz – endlich…."

Schreiend und schweißgebadet fuhr Harry auf, blickte sich panisch um, die Augen weit aufgerissen, eine Welle von Hass, unendlichem Hass durchströmte ihn und er vermochte es kaum sich gegen diesen Hass zu wehren. Etwas war geschehen, jemand hatte sich gegen ihn gestellt.

Schwer atmend kroch er aus dem Bett, stand auf und riss die Fenster auf.

Hastig atmete er die kalte, klare Luft ein, als hätte er Angst zu ersticken.

Zitternd stützte er sich ab, lehnte sich langsam gegen die Wand, glitt daran hinab und schloss die Augen.

Bald darauf spürte er, wie die Ruhe in ihn zurückkehrte, ihn bewahrte vor dem Wahnsinn, der seine Finger nach ihm ausstreckte, versuchte ihn in einen Strudel zu ziehen, aus dem er nie wieder entkommen würde.

Seit Wochen, vielleicht auch schon seit Monaten, hatte er keine solchen Träume oder Visionen mehr gehabt. Es war still um Voldemort geworden und die Zaubererwelt hatte langsam begonnen aufzuatmen.

Er aber wusste, dass es nur die Ruhe vor dem Sturm war, er fühlte es, Voldemort scharrte seine Anhänger um sich, suchte Verbündete, zwang sie ihm zu helfen, zu dienen.

Blaue Augen blitzen in seinen Gedanken auf, liessen ihn erschauern. Er hörte den schmerzerfüllten Schrei, die flehende Blicke.

Er kannte diese Augen, er war sich sicher sie zu kennen. Stöhnend stützte er den Kopf in die Hände und schüttelte sich leicht.

„Ich sollte mir nicht den Kopf über so was zerbrechen…." Seufzte er in die Stille hinein und setzte ein „Jetzt führe ich schon Selbstgespräche…" hinten dran, ehe er sich langsam erhob und auf die Uhr sah.

6.00 Uhr in der Früh zeigte ihm den kaputte Wecker von Dudley, den er mit Mühe hatte reparieren können. Er war in einem Wutanfall von Dudley gegen die Wand geschmissen worden - was nicht selten vorkam.

Es lohnte sich nicht mehr ins Bett zu gehen, ganz zu schweigen davon, dass er eh nicht mehr einschlafen konnte. Rasch sah er auf den Kalender, es war der 30.August, in zwei Tagen würde er nach Hogwarts zurückkehren müssen.

Vor einiger Zeit hätte er sich noch gefreut endlich in sein „wahres Zuhause" zurückkehren zu können, aber jetzt würde er viel dafür geben nicht dorthin zurück zu müssen.

Er könnte es nicht ertragen, ihre mitleidigen, besorgten Blicke, immer wenn sie glaubten, er würde sie nicht bemerken. Trübe starrte er in die Luft, hoffte der Boden würde sich auf tun und ihn verschlingen. Würde es wohl jemand bemerken? Wohl eher nicht, erst wenn Voldemort das nächste Mal auftaucht und niemand da ist hinter dem sie sich verstecken können, den sie vorschicken in einem Krieg, der niemals enden wird. Niemals!

Manchmal kamen diese Gedanken, drangen durch ihn hindurch, auch wenn er sich wehrte. Er hatte aufgegeben, aufgegeben, als er ihn verloren hatte. Er wollte nicht mehr kämpfen, nicht mehr von jenen, die er für seine Freunde hielt belogen werden.

Aber er hatte keine Wahl solange er noch hier war.

Er könnte einfach abhauen, sich verstecken, ein neues Leben beginnen, was hinderte ihn daran?

Leise seufzend schloss er die Augen – was sollte er nur tun?