Disc: Gehört alles den Filmemachern und verdienen tu ich hiermit genauso
wenig, wie mit dem Vorgänger! (hab bei Coming Home vergessen, das zu
erwähnen!)
Idyllisches Familienleben by Yury Julian
Bridger schwang die Tür auf. "Und, was hälst du von dem hier? Mit Balkon."
Aber auch bei diesem Zimmer verdrehte Lucas genervt die Augen. "Es ist mir völlig egal in welchem Raum dieses Hauses mein Zimmer sein wird, solange es überhaupt eine Möglichkeit gibt hinter mir die Tür zu schließen damit ich meine Ruhe haben kann."
"Hey, nicht gleich so sauer. Wenn es dir egal ist, dann nehmen Kristin und ich das Zimmer hier. Dort hinten war irgendwo eine dunkle, kleine Abstellkammer, da kannst du ja einziehen. Ist bestimmt schön ruhig."
Ohne ein weiteres Wort zu sagen, drehte sich der blonde Teenager herum und verschwand auf der Treppe ins Erdgeschoß.
"Passen sie ja auf damit! Der Inhalt dieser Kiste ist äußerst zerbrechlich.", ermahnte Kristin die Möbelpacker. "Na Lucas, hast du dir schon ein Zimmer für dich ausgesucht?", fragte sie, als sie den Teenager herunter kommen sah.
"Ich nehme was übrig bleibt.", sagte Lucas als er an ihr vorbei in die Küche ging. "Haben wir hier irgendwo was essbares?", maulte er vor dem geöffneten Kühlschrank stehend.
"Wenn du Hunger hast, kann ich dir schnell etwas kochen."
Er knallte den Kühlschrank zu. "Nein. Ich werde mich ein wenig in der Gegend umsehen. Vielleicht finde ich unterwegs einen Burger- oder Pizzaladen."
"Willst du nicht lieber erst deine Sachen auspacken?"
"Die Kartons sehen nicht so aus, als ob sie gleich weglaufen würden. Zum anderen habe ich noch kein Zimmer, wo ich sie in Schränke, die ebenfalls noch nicht drinnen sind, packen könnte."
"Wo will er hin?", fragte Nathan als er wenige Augenblicke später von oben kam.
"Er wollte sich ein wenig umsehen.", antwortete Kristin ihm. Besorgt sah sie aus dem Fenster. Lucas verschwand gerade auf dem gegenüberliegenden Bürgersteig.
"Hoffentlich verläuft er sich nicht. Wenn ich ihn suchen muss, könnte mir das selbe auch nur geschehen."
"So ist das nun mal, wenn man in eine fremde Stadt zieht."
"Ja, nur normalerweise kennt man sich da schon etwas aus, weil man bereits vorher da war, um sich alles anzusehen und nicht wie wir mit gepackten Sachen in einen Zug steigen, dessen Ziel wir nicht kennen."
"Jetzt fang du nicht auch noch an schlechte Laune zu verbreiten! Ich hatte Lucas angeboten ihm was zu kochen, aber er wollte nicht. Statt dessen mault der hier rum. Anstatt das ihr zwei froh seid. Wir wissen nicht, was uns erwarten würde, wären wir nicht geflohen." Den letzten Satz flüsterte sie, nicht riskieren wollend, dass einer von den Möbelpackern sie hörte.
"Er vermisst Darwin und seinen Computer. Dieser Umzug kam einfach zu plötzlich. Ich weiß nicht einmal wie ich es machen soll um ihn von den Dingern weg zu halten. Ich glaube nicht, dass er es lange ohne sein Spielzeug aushalten wird."
"Doch wie kann ich es ihm leichter machen? Ehrlich Nathan, ich bin es Leid für seine Laune hier den Fussabtreter spielen zu müsssen. Wenn du dir Sorgen machst, dann kümmere du dich Tag und Nacht um ihn. Aber lasst mich ja mit eurer schlechten Laune in Ruhe! Mir gefällt das Haus und ich hatte mich schon gefreut einige Zeit mit dir und Lucas zusammen zu verbringen wie eine richtige normale Familie."
Bridger legte seine Hände auf ihre Schultern und gab ihr einen kurzen Kuss. "Lassen wir ihm noch etwas Zeit. Bisher ist es ihm nie schwer gefallen Freunde zu finden, das wird hier nicht anders sein. Bald ist jegliches Trübsal blasen vergessen. Dann musst du auch nicht mehr Fussabtreter spielen."
*******
Lucas lief ziellos durch die Wohnsiedlung. Hier und da spielten Kinder in den Vorgärten ihrer Eltern. Der Anblick machte ihn traurig. Lange ist es her, dass er auch so glücklich war. Viel zu lange. Damals waren seine Eltern noch verheiratet und nicht ununterbrochen verstritten gewesen. Sein Vater hatte sich jedes Wochenende Zeit für ihn genommen. Mit dem Fortschreiten seines Projektes jedoch wurde diese gemeinsame Zeit von Mal zu Mal weniger. Die Einsamkeit war das schlimmste. Seine Mutter war schon damals immer über den gesamten Erdball ständig unterwegs.
Als er zur nächsthöheren Schule aufgrund seiner Intelligenz wechselte nahm ihn Lawrence, wenn er später losfuhr morgens immer mit in die 60km entfernte Stadt. Seine Nachmittage verbrachte Lucas dann in der Firma seines Vaters. Etwas, was eindeutig seine Entwicklung prägte. Wäre er nicht dort so oft mit den ganzen Computertechnikern zusammen gewesen würde er heute vielleicht keine solche Vorliebe für das Hacken haben. Sein Vater wusste bestimmt, dass seine Leute es waren, bei denen sich sein Sohn die ersten Kniffe abgeguckt hatte, aber ihn schien das nicht sonderlich zu beunruhigen. Schließlich lernte Lucas in dieser Zeit auch einiges von ihm.
Irgendwie suspekt, dachte Lucas. Zu der Zeit war es das Größte für ihn, wenn er auch etwas zu tun bekam. Nach dem Studium hatte sich sein Vater bereit erklärt ihn in seiner Firma anzustellen, doch die Beziehung war damals ziemlich angeknackst und dies führte dazu, dass Lucas nur wiederwillig dort arbeitete. Aus Unlust setzte er ständig etwas in den Sand oder ließ die Arbeit gleich gänzlich liegen. Die Angestellten hielt er von ihrer Arbeit ab und hackte sich selbst wild durchs System. Tja und dann hatte sein Vater ihn kurzerhand auf die Sea Quest gepackt.
"Charlie, hey komm her Junge!", rief jemand hinter Lucas. Zwischen seinen Beinen flitzte daraufhin auch schon ein brauner, kleiner Mischlingshund hindurch. Durch seine Träumerei geriet Lucas ins straucheln und fiel ins Gras. Der Hund machte kehrt. Schwanzwedelnd stellte er seine Vorderpfoten auf Lucas' Brust und schleckte sein Gesicht ab.
"Aus, Charlie. Das macht man nicht.", schimpfte die selbe Stimme wie zuvor. Der Hund wurde am Halsband von Lucas herunter gezogen. "Sorry, das tut mir echt leid. Ich habe den Hund erst seit kurzem und naja, er gehorcht mir noch nicht so ganz. Ist alles in Ordnung mit dir?" Das Herrchen des Hundes war ein dunkelhaariger, braun gebrannter Junge ungefähr im gleichen Alter wie das Computergenie.
"Ja, alles okay.", sagte Lucas und rieb sich im Gras sitzend die Halme vom Hemd.
"Ich bin Lenny. Komm ich helfe dir hoch." Lenny hielt ihm die Hand hin, die Lucas dankend ergriff und sich aufhelfen ließ. "Danke. Ähm, mein Name ist Lucas."
"Freut mich.", lächelte Lenny. Seine braunen Augen drückten wirkliche Freude aus.
"Bist du neu hier?"
Lucas war gerade dabei seine Jeans abzuklopfen, um die dortigen Grashalme ebenfalls zu entfernen. "Gewissermaßen. Meine Eltern und ich sind erst heute morgen hier angekommen."
"Woher kommt ihr?" Lenny hatte es endlich geschafft seinem Hund die Leine anzulegen.
Lucas zögerte bei dieser Frage. Bridger hatte ihm noch gar nicht gesagt, wie er sich gegenüber anderen verhalten sollte. Klar wollte er bevor Lucas zur Schule ging mit ihm absprechen, was sie den Leuten über sich preisgaben, damit es zu keinem Misstrauem kam, doch bisher ist dies nicht geschehen. Sie waren einfach zu beschäftigt mit der neuen Umgebung gewesen. Was würde er Lenny nur sagen? "Du hast den Hund erst seit kurzem?", versuchte Lucas dann das Thema schnell zu wechseln.
Lenny, nach wie vor ein freundliches Lächeln auf den Lippen antwortete: "Ja. Er ist ein Geburtstagsgeschenk meiner Mutter gewesen. Kennst du dich mit Hunden aus?"
"Oh nein.", wehrte Lucas ab. "Die einzige Haustiere die ich besessen habe waren entweder pick- oder beißwütig."
"Pick- und beißwütig?"
Charlie sprang dauernd Lucas an also ging er in die Knie um ihm zu kraulen. "Wir haben ziemlich viele Vögel gehabt. Und das Beißen bezog sich auf eine Tierart die normalerweise nicht in den Wohnzimmern der Menschen zu finden ist. Ich weiß noch nicht mal, ob es in den Staaten erlaubt wäre. Aber eine gute Art mit dem Vieh umzugehen war es ihm aus dem Weg zu gehen."
"Also kannst du mir nicht ein paar Tipps zur Erziehung dieses Energiebündels geben." Lenny tat enttäuscht.
"Leider nicht.", lachte Lucas.
"Schade, aber wenn du willst kann ich dir ein wenig die Gegend hier zeigen. Einfach ein paar Plätze, wo sich die Jugend trifft."
"Sehr gern, nur befürchte ich, wir müssen das ein andern mal machen. Ich werde wohl bereits gesucht."
Bridger kam ihnen entgegen.
"Dein Vater?", fragte Lenny, aber bis Lucas antworten konnte, war Nathan auch schon bei ihnen. Augenblicklich wurde er ebenfalls ein Opfer von Charlie. "Ah, nein nicht.", rief Lenny, als Charlie fest an der Leine zog. Mit beiden Händen musste der junge Hundebesitzer die Leine umfassen.
"So stürmisch hat mich schon lange niemand mehr begrüßt.", lachte Nathan und ließ sich die Hand lecken.
"Lenny, das ist mein Vater.", stellte Lucas vor.
"Und der aufgeweckte Bursche hier?" Nathan kraulte Charlies Ohren.
"Das ist Charlie.", sagte Lenny.
"Habe ich bereits Sorgen verursacht?", fragte Lucas wie beiläufig.
"Noch nicht, aber Kristin hat sich nicht mehr halten können und musste unbedingt die große Küche einweihen. Aber bevor wir nachher Stunden auf dich warten müssen während das gute Essen kalt wird, bin ich lieber gleich los."
"Ich dachte das neue Schlafzimmer mit dem tollen Balkon müsste erst eingerichtet werden.", neckte Lucas.
"Ach was. Wir haben das ganze Wochenende Zeit zum Einrichten des Hauses. Was ist nun, kommst du? Ich würde deinen neuen Freund gerne mit einladen, aber es ist vielleicht besser wenn wir das auf ein andernmal verschieben. Bei uns seiht es nämlich aus als hätte eine ziemlich große Bombe eingeschlagen. Ausnahmsweise ist aber nicht der junge Mann dort dafür verantwortlich."
"Na, vielen Dank aber auch.", sagte Lucas.
"Ja, kein Problem. Ich muss noch etwas mit Charlie draußen herumtollen, sonst springt er später total aufgekratzt in unserem Haus umher. Meine Mutter wird da nur wieder stinkig."
"Na dann", sagte Lucas zu seinem neuen Freund. "sehen wir uns zur Seightseeingtour."
"Klaro!", verabschiedete sich Lenny.
"Scheint ein netter Bursche zu sein.", sagte Nathan als sie sich auf dem Heimweg machten.
"Ja, scheint er."
"Hat er irgendwelche Fragen bezüglich deiner Herkunft gestellt?"
"Woher wir kommen. Ich konnte dem jedoch ausweichen."
Bridger hatte seinen Arm um Lucas' Schultern gelegt. "Sehr gut, denn sonst hätten wir unsere ganzen Papiere wieder umschreiben müssen. Oder schlimmer, gleich wieder umziehen."
"Ich habe das dann aber nicht verbockt!", protestierte Lucas.
"Ja, ja, schon gut. Wir werden heute abend darüber reden. Es ist wichtig, dass wir drei alle die selbe Geschichte erzählen."
"Mir brauchen sie das nicht zu sagen."
"Doch, denn jetzt bin ich dein Vater und du hast nach meiner Pfeife zu tanzen.", neckte Bridger den sechzehnjährigen.
"Hoffentlich schnappt die UEO bald die Kerle, denn irgendwas sagt mir, dass es recht unangenehm werden könnte für mich."
"So schlimm bin ich nun auch nicht, Lucas. Keine Sorge. Du wirst sehen, die nächsten Wochen werden großartig. Auch wenn uns allen diese Wochen lieber erspart geblieben wären."
******
Vorsichtig sah er in das Schlafzimmer. Bridger und Westphalen schliefen noch tief und fest. "Na, klasse. Was mach ich jetzt?" Da Lucas nicht wusste, wie lange seine neuen Eltern jetzt noch an der Matratze horchen würden, nahm er sich sein Buch und ging hinunter ins Wohnzimmer, jedoch nicht ohne seine Bettdecke mit zu schleifen.
Noch immer standen Kartons im Weg herum, aber seine Kinderfotos waren die ersten, die an der Wand hingen. Kristin war richtig überwältigt gewesen. So ein niedlicher Spatz, hatte sie gesagt und wollte ihn gleich knuddeln. Zum Glück ist er jedoch schneller gewesen. Lucas wollte nur mal wissen, woher die UEO diese Bilder hatte.
Barfuß ging er im Slalom um die Kisten herum zu der ockerfarbenen Polsterecke. Bei seinem Vater gabs nur schwarzes Leder. Für die dortigen klimatischen Verhältnisse äußerst praktisch, aber hier in einer Zone, in der gerade der Herbst ordentlich um die Häuser pflügt nicht das wahre. "Au." Er war auf etwas spitzes getreten. "Heute ist mal wieder mein Glückstag!", schimpfte er. Das Buch und die Decke achtlos auf die Couch werfend hüpfte er auf einem Bein in die Küche. Wo auch immer er drauf getreten war, es hatte seine Fußsohle aufgeschnitten und er blutete nicht schlecht daraus.
In der Küche nahm er gleich die gesamte Papierrolle von der Anrichte, setzte sich auf den Stuhl und betrachtete den langen Schnitt. "Toll, das sieht nicht besonders oberflächlich aus." Das war es auch nicht. Das Blut lief fröhlich aus dem langen Schnitt in seiner Sohle und tropfte auf den Küchenboden. Schnell rollte er einige Tücher von der Rolle ab und drückte diese fest auf die Wunde. Bis zum Schlafzimmer kam er nicht mehr hoch. Sein Fuß hatte bereits angefangen zu schmerzen. Bevor er jetzt aber sich weiter den Kopf zerbrach, wie er hoch kommen sollte, versuchte er es erst einmal mit rufen. "Entschuldigt, dass ich den morgendlichen Frieden störe, aber ich glaube es ist nötig, dass sich einer um mich kümmert, da ich Hilfe benötige!" Als Lucas eine Tür hörte, verstummte er.
Im Morgenmantel kam Kristin die Treppe runtergeschlurft. Ihre Augen waren vom Schlaf geschwollen.
"Einen wunderschönen guten morgen, Doktor!", wünschte Lucas als sie in die Küche blinzelte. Dann sah sie das blutdurchdrängte Tuch und die rote Pfütze direkt vor Lucas. "Um Himmels willen. Was hast du gemacht?" Sie kam sofort zu ihm gelaufen und besah sich das Unheil genauer.
"Bin auf irgendwas spitzes getreten." Durch die Zähne zog er Luft ein, denn die Berührungen Kristins taten heftig weh.
Sie rollte frische Küchentücher von der Papierrolle. "Drück das ganz fest drauf, ich hole schnell etwas Verbandszeug und wecke Nathan."
"Ist gut. Dann wart ich mal, kann ja nicht weglaufen."
"Du findest das wohl komisch?", fragte sie mit bösem Blick.
"Nein überhaupt nicht. Es ist jedoch besonders typisch für mich, dass ich mich in einem unachtsamen Moment auf die dümmste Art und Weise verletze. Passiert mir ständig. Seit der Sea Quest zwar nicht mehr so oft, aber dennoch ist mein besonderes Talent nicht versiegt."
"Talent nennst du das also. Ich bin gleich wieder zurück. Das muss genäht werden, ich habe aber nicht die nötigen Instrumente hier." Schon war sie wieder nach oben verschwunden.
Da saß er nun. Mitten in der Küche über einer roten Pfütze seines eigenen Blutes und würde bald mehr von dieser Stadt zu sehen bekommen. Auf der Sea Quest wäre ihm das jetzt nicht passiert. Dort war um die Zeit immer jemand wach, dem er auf die Nerven gehen konnte, aber hier. Was war das nur für ein Teil, auf das er getreten ist?
Bridger betrat die Küche. Er musste sich schnell angezogen haben, denn sein Hemd war auf der linken Seite. "Geht es dir soweit gut?", fragte er besorgt.
"Ja. Es geht schon. Noch ist mir nicht schwindlig, mir tut nur mein Fuß weh. Wenn ich den in die Finger kriege, der spitze Gegenstände auf dem Boden liegen lässt, auf dem ich laufe, dann gibt's ein Donnerwetter, das sich gewaschen hat."
"Du hättest im Bett bleiben können."
"Nein, da stinkt es noch total nach Farbe und wenn ich das Fenster aufmache, wird mir trotz Bettdecke kalt."
"So, ich werde einen Druckverband anlegen, das sollte halten, bis wir in einem Krankenhaus sind." Kristin kam mit Watte, Mullbinden und Pflastern bepackt in die Küche zurück.
"Ich frage nebenan nach, wo das nächste Hospital ist.", sagte Nathan.
"Wäre es nicht besser, wenn ihr mir einen Krankenwagen ruft? Somit umgehen wir die Gefahr uns heillos zu verfahren und Klein-Lucas verbluten zu lassen."
"Du verblutest schon nicht.", meinte Dr. Westphalen. Sie wickelte den Verband sehr fest.
"Die Sauerei hier war bis vor wenigen Minuten noch mein Lebenssaft! Das bin ich, was hier unten zerfließt!"
"Dennoch kannst du über diese Sauerei Witze machen, also kann es auch gar nicht so schlimm sein." Sie strich ihm liebevoll über die Wange. "Wir bringen dich jetzt in ein Krankenhaus und danach frühstücken wir ordentlich, damit dein Lebenssaft sich wieder erholen kann."
"Ungefähr zehn Minuten von hier ist das nächste Hospital. Ich hab den Wagen schon vorgefahren." Bridger half Lucas auf, der seinen Arm um dessen Schultern gelegt hatte, damit er überhaupt laufen konnte. Seinen verletzten Fuß hatte er angewinkelte und hüpfte nun zur Tür. Glücklicherweise hatte er sich eine Jeans übergezogen, als er zuvor aus seinem Zimmer war. Jetzt in Unterwäsche durch die Gegend zu humpeln wäre recht peinlich gewesen.
Lucas durfte sich über die gesamte Rückbank ausbreiten. Sie waren kaum aus ihrer Wohnsiedlung gefahren, als der Verband bereits durchnässt war und Bridger anhalten musste, damit Dr. Westphalen hinter zu dem Teenager konnte. Sie fand es sicherer. Der Schnitt war wohl doch tiefer als sie alle zunächst angenommen hatten.
Auf dem Weg zum Hospital bekam Lucas an einer roten Ampel große Augen. "Hier gibt's ein Aquarium!" Aller Schmerz schien vergessen.
"Tatsächlich." Nathan warf einen kurzen Blick zur Seite. "Die haben auch Delphine. Siehst du?"
"Meinen sie, die haben viele? Gehen wir da mal rein?", fragte Lucas aufgeregt.
"Nein.", unterbrach Kristin die Unterhaltung barsch. "Erst müssen wir deinen Fuss verarzten lassen, danach bezweifle ich, dass du sofort in der Gegend herumtollen kannst. Und herum spritzenden Delphinen kommst du gleich gar nicht zu nahe!"
"Wie es Darwin wohl geht?" Mit gesenktem Blick saß Lucas nun wieder da. Sie fuhren bereits wieder, also gab es auch keinen Grund weiterhin zum Fenster hinaus zu sehen. Wenn er seinen Computer hätte, könnte Lucas sich damit beschäftigen, aber ihm wurde verboten auch nur einmal einem Internetfähigem Gerät zu nahe zu kommen. Die Gefahr war einfach zu groß
"Dem geht es bestimmt blendend. Spielt den ganzen Tag mit anderen Delphinen und frisst die Fischbestände des Ozeans leer. Sobald wir wieder auf dem Boot sind, müssen wir ihn zuerst auf Diät setzen.", lächelte Bridger in den Rückspiegel.
"Ist alles in Ordnung.", fragte Dr. Westphalen.
"Ja, mir geht's gut."
"Wenn dir schlecht wird, Lucas, dann musst du mir das sagen."
"Mach ich."
"Wie weit müssen wir noch, Nathan? Mir gehen langsam die Verbände aus. Das ist alles komplett durchgeblutet."
"Wir sind fast da. Dort vorne, das muss es sein. Ein großes weißes Gebäude mit roten Fensterrahmen.", antwortete Bridger, während er auf den Parkplatz des Hospitals fuhr. Er parkte den Wagen nahe des Einganges, damit Lucas nicht mehr so weit laufen musste.
"Hoffentlich nehmen die ihn sofort dran, ich habe bereits einen fürchterlichen Hunger.", sagte er, als sie zur Anmeldung gingen.
******
Anm: Vielen lieben Dank für die positive Resonanz von Coming Home! @Lucy: die Sturheit von Lucas ist eine spontane Entwicklung gewesen. Klar gibt es eine Fortsetzung, die war so oder so geplant nur jetzt wird es eben etwas spannender... hoffe ich mal. Aber ich weiß nicht, ob Bridger einfach so mit ihm mit wäre. Was würde dann aus Michael und Robert? Ach und keine Sorge; Ben mag ich persönlich auch sehr gerne und deshalb werde ich den garantiert irgendwo mit einbauen nicht nur in bereits vorüberlegten Geschichten.
@Samusa: Danke für die unterhaltsamen Mails!
Das Ende hier ist ziemlich abgehackt, nicht wahr? Aber ich wollte nicht zu den Details im Krankenhaus gehen. Schon allein aus dem Grund, da ich keine Ahnung von Medizin habe. So besonders ist die Story auch nicht. Mir fehlt hier irgendwie schon beim schreiben etwas. Trotzdem hoffe ich, dass der ein oder andere seine Freuden daran haben wird. Ach und das beißwütige Tier von Lucas ist eine Nagetierart Australiens. Bei mir ist sein Vater Australier, werdet ihr in anderen Geschichten noch sehen. Dort ist es möglich mit einer Genehmigung diese Tiere zu Hause zu halten. Leben 3 - 4 Jahre, also auch keine ewige Verpflichtung. Leider ist mir entfallen wie die Dinger heißen. Aber ich fand die so putzig und ständig haben die zugebissen oder gekratzt. ^^
Idyllisches Familienleben by Yury Julian
Bridger schwang die Tür auf. "Und, was hälst du von dem hier? Mit Balkon."
Aber auch bei diesem Zimmer verdrehte Lucas genervt die Augen. "Es ist mir völlig egal in welchem Raum dieses Hauses mein Zimmer sein wird, solange es überhaupt eine Möglichkeit gibt hinter mir die Tür zu schließen damit ich meine Ruhe haben kann."
"Hey, nicht gleich so sauer. Wenn es dir egal ist, dann nehmen Kristin und ich das Zimmer hier. Dort hinten war irgendwo eine dunkle, kleine Abstellkammer, da kannst du ja einziehen. Ist bestimmt schön ruhig."
Ohne ein weiteres Wort zu sagen, drehte sich der blonde Teenager herum und verschwand auf der Treppe ins Erdgeschoß.
"Passen sie ja auf damit! Der Inhalt dieser Kiste ist äußerst zerbrechlich.", ermahnte Kristin die Möbelpacker. "Na Lucas, hast du dir schon ein Zimmer für dich ausgesucht?", fragte sie, als sie den Teenager herunter kommen sah.
"Ich nehme was übrig bleibt.", sagte Lucas als er an ihr vorbei in die Küche ging. "Haben wir hier irgendwo was essbares?", maulte er vor dem geöffneten Kühlschrank stehend.
"Wenn du Hunger hast, kann ich dir schnell etwas kochen."
Er knallte den Kühlschrank zu. "Nein. Ich werde mich ein wenig in der Gegend umsehen. Vielleicht finde ich unterwegs einen Burger- oder Pizzaladen."
"Willst du nicht lieber erst deine Sachen auspacken?"
"Die Kartons sehen nicht so aus, als ob sie gleich weglaufen würden. Zum anderen habe ich noch kein Zimmer, wo ich sie in Schränke, die ebenfalls noch nicht drinnen sind, packen könnte."
"Wo will er hin?", fragte Nathan als er wenige Augenblicke später von oben kam.
"Er wollte sich ein wenig umsehen.", antwortete Kristin ihm. Besorgt sah sie aus dem Fenster. Lucas verschwand gerade auf dem gegenüberliegenden Bürgersteig.
"Hoffentlich verläuft er sich nicht. Wenn ich ihn suchen muss, könnte mir das selbe auch nur geschehen."
"So ist das nun mal, wenn man in eine fremde Stadt zieht."
"Ja, nur normalerweise kennt man sich da schon etwas aus, weil man bereits vorher da war, um sich alles anzusehen und nicht wie wir mit gepackten Sachen in einen Zug steigen, dessen Ziel wir nicht kennen."
"Jetzt fang du nicht auch noch an schlechte Laune zu verbreiten! Ich hatte Lucas angeboten ihm was zu kochen, aber er wollte nicht. Statt dessen mault der hier rum. Anstatt das ihr zwei froh seid. Wir wissen nicht, was uns erwarten würde, wären wir nicht geflohen." Den letzten Satz flüsterte sie, nicht riskieren wollend, dass einer von den Möbelpackern sie hörte.
"Er vermisst Darwin und seinen Computer. Dieser Umzug kam einfach zu plötzlich. Ich weiß nicht einmal wie ich es machen soll um ihn von den Dingern weg zu halten. Ich glaube nicht, dass er es lange ohne sein Spielzeug aushalten wird."
"Doch wie kann ich es ihm leichter machen? Ehrlich Nathan, ich bin es Leid für seine Laune hier den Fussabtreter spielen zu müsssen. Wenn du dir Sorgen machst, dann kümmere du dich Tag und Nacht um ihn. Aber lasst mich ja mit eurer schlechten Laune in Ruhe! Mir gefällt das Haus und ich hatte mich schon gefreut einige Zeit mit dir und Lucas zusammen zu verbringen wie eine richtige normale Familie."
Bridger legte seine Hände auf ihre Schultern und gab ihr einen kurzen Kuss. "Lassen wir ihm noch etwas Zeit. Bisher ist es ihm nie schwer gefallen Freunde zu finden, das wird hier nicht anders sein. Bald ist jegliches Trübsal blasen vergessen. Dann musst du auch nicht mehr Fussabtreter spielen."
*******
Lucas lief ziellos durch die Wohnsiedlung. Hier und da spielten Kinder in den Vorgärten ihrer Eltern. Der Anblick machte ihn traurig. Lange ist es her, dass er auch so glücklich war. Viel zu lange. Damals waren seine Eltern noch verheiratet und nicht ununterbrochen verstritten gewesen. Sein Vater hatte sich jedes Wochenende Zeit für ihn genommen. Mit dem Fortschreiten seines Projektes jedoch wurde diese gemeinsame Zeit von Mal zu Mal weniger. Die Einsamkeit war das schlimmste. Seine Mutter war schon damals immer über den gesamten Erdball ständig unterwegs.
Als er zur nächsthöheren Schule aufgrund seiner Intelligenz wechselte nahm ihn Lawrence, wenn er später losfuhr morgens immer mit in die 60km entfernte Stadt. Seine Nachmittage verbrachte Lucas dann in der Firma seines Vaters. Etwas, was eindeutig seine Entwicklung prägte. Wäre er nicht dort so oft mit den ganzen Computertechnikern zusammen gewesen würde er heute vielleicht keine solche Vorliebe für das Hacken haben. Sein Vater wusste bestimmt, dass seine Leute es waren, bei denen sich sein Sohn die ersten Kniffe abgeguckt hatte, aber ihn schien das nicht sonderlich zu beunruhigen. Schließlich lernte Lucas in dieser Zeit auch einiges von ihm.
Irgendwie suspekt, dachte Lucas. Zu der Zeit war es das Größte für ihn, wenn er auch etwas zu tun bekam. Nach dem Studium hatte sich sein Vater bereit erklärt ihn in seiner Firma anzustellen, doch die Beziehung war damals ziemlich angeknackst und dies führte dazu, dass Lucas nur wiederwillig dort arbeitete. Aus Unlust setzte er ständig etwas in den Sand oder ließ die Arbeit gleich gänzlich liegen. Die Angestellten hielt er von ihrer Arbeit ab und hackte sich selbst wild durchs System. Tja und dann hatte sein Vater ihn kurzerhand auf die Sea Quest gepackt.
"Charlie, hey komm her Junge!", rief jemand hinter Lucas. Zwischen seinen Beinen flitzte daraufhin auch schon ein brauner, kleiner Mischlingshund hindurch. Durch seine Träumerei geriet Lucas ins straucheln und fiel ins Gras. Der Hund machte kehrt. Schwanzwedelnd stellte er seine Vorderpfoten auf Lucas' Brust und schleckte sein Gesicht ab.
"Aus, Charlie. Das macht man nicht.", schimpfte die selbe Stimme wie zuvor. Der Hund wurde am Halsband von Lucas herunter gezogen. "Sorry, das tut mir echt leid. Ich habe den Hund erst seit kurzem und naja, er gehorcht mir noch nicht so ganz. Ist alles in Ordnung mit dir?" Das Herrchen des Hundes war ein dunkelhaariger, braun gebrannter Junge ungefähr im gleichen Alter wie das Computergenie.
"Ja, alles okay.", sagte Lucas und rieb sich im Gras sitzend die Halme vom Hemd.
"Ich bin Lenny. Komm ich helfe dir hoch." Lenny hielt ihm die Hand hin, die Lucas dankend ergriff und sich aufhelfen ließ. "Danke. Ähm, mein Name ist Lucas."
"Freut mich.", lächelte Lenny. Seine braunen Augen drückten wirkliche Freude aus.
"Bist du neu hier?"
Lucas war gerade dabei seine Jeans abzuklopfen, um die dortigen Grashalme ebenfalls zu entfernen. "Gewissermaßen. Meine Eltern und ich sind erst heute morgen hier angekommen."
"Woher kommt ihr?" Lenny hatte es endlich geschafft seinem Hund die Leine anzulegen.
Lucas zögerte bei dieser Frage. Bridger hatte ihm noch gar nicht gesagt, wie er sich gegenüber anderen verhalten sollte. Klar wollte er bevor Lucas zur Schule ging mit ihm absprechen, was sie den Leuten über sich preisgaben, damit es zu keinem Misstrauem kam, doch bisher ist dies nicht geschehen. Sie waren einfach zu beschäftigt mit der neuen Umgebung gewesen. Was würde er Lenny nur sagen? "Du hast den Hund erst seit kurzem?", versuchte Lucas dann das Thema schnell zu wechseln.
Lenny, nach wie vor ein freundliches Lächeln auf den Lippen antwortete: "Ja. Er ist ein Geburtstagsgeschenk meiner Mutter gewesen. Kennst du dich mit Hunden aus?"
"Oh nein.", wehrte Lucas ab. "Die einzige Haustiere die ich besessen habe waren entweder pick- oder beißwütig."
"Pick- und beißwütig?"
Charlie sprang dauernd Lucas an also ging er in die Knie um ihm zu kraulen. "Wir haben ziemlich viele Vögel gehabt. Und das Beißen bezog sich auf eine Tierart die normalerweise nicht in den Wohnzimmern der Menschen zu finden ist. Ich weiß noch nicht mal, ob es in den Staaten erlaubt wäre. Aber eine gute Art mit dem Vieh umzugehen war es ihm aus dem Weg zu gehen."
"Also kannst du mir nicht ein paar Tipps zur Erziehung dieses Energiebündels geben." Lenny tat enttäuscht.
"Leider nicht.", lachte Lucas.
"Schade, aber wenn du willst kann ich dir ein wenig die Gegend hier zeigen. Einfach ein paar Plätze, wo sich die Jugend trifft."
"Sehr gern, nur befürchte ich, wir müssen das ein andern mal machen. Ich werde wohl bereits gesucht."
Bridger kam ihnen entgegen.
"Dein Vater?", fragte Lenny, aber bis Lucas antworten konnte, war Nathan auch schon bei ihnen. Augenblicklich wurde er ebenfalls ein Opfer von Charlie. "Ah, nein nicht.", rief Lenny, als Charlie fest an der Leine zog. Mit beiden Händen musste der junge Hundebesitzer die Leine umfassen.
"So stürmisch hat mich schon lange niemand mehr begrüßt.", lachte Nathan und ließ sich die Hand lecken.
"Lenny, das ist mein Vater.", stellte Lucas vor.
"Und der aufgeweckte Bursche hier?" Nathan kraulte Charlies Ohren.
"Das ist Charlie.", sagte Lenny.
"Habe ich bereits Sorgen verursacht?", fragte Lucas wie beiläufig.
"Noch nicht, aber Kristin hat sich nicht mehr halten können und musste unbedingt die große Küche einweihen. Aber bevor wir nachher Stunden auf dich warten müssen während das gute Essen kalt wird, bin ich lieber gleich los."
"Ich dachte das neue Schlafzimmer mit dem tollen Balkon müsste erst eingerichtet werden.", neckte Lucas.
"Ach was. Wir haben das ganze Wochenende Zeit zum Einrichten des Hauses. Was ist nun, kommst du? Ich würde deinen neuen Freund gerne mit einladen, aber es ist vielleicht besser wenn wir das auf ein andernmal verschieben. Bei uns seiht es nämlich aus als hätte eine ziemlich große Bombe eingeschlagen. Ausnahmsweise ist aber nicht der junge Mann dort dafür verantwortlich."
"Na, vielen Dank aber auch.", sagte Lucas.
"Ja, kein Problem. Ich muss noch etwas mit Charlie draußen herumtollen, sonst springt er später total aufgekratzt in unserem Haus umher. Meine Mutter wird da nur wieder stinkig."
"Na dann", sagte Lucas zu seinem neuen Freund. "sehen wir uns zur Seightseeingtour."
"Klaro!", verabschiedete sich Lenny.
"Scheint ein netter Bursche zu sein.", sagte Nathan als sie sich auf dem Heimweg machten.
"Ja, scheint er."
"Hat er irgendwelche Fragen bezüglich deiner Herkunft gestellt?"
"Woher wir kommen. Ich konnte dem jedoch ausweichen."
Bridger hatte seinen Arm um Lucas' Schultern gelegt. "Sehr gut, denn sonst hätten wir unsere ganzen Papiere wieder umschreiben müssen. Oder schlimmer, gleich wieder umziehen."
"Ich habe das dann aber nicht verbockt!", protestierte Lucas.
"Ja, ja, schon gut. Wir werden heute abend darüber reden. Es ist wichtig, dass wir drei alle die selbe Geschichte erzählen."
"Mir brauchen sie das nicht zu sagen."
"Doch, denn jetzt bin ich dein Vater und du hast nach meiner Pfeife zu tanzen.", neckte Bridger den sechzehnjährigen.
"Hoffentlich schnappt die UEO bald die Kerle, denn irgendwas sagt mir, dass es recht unangenehm werden könnte für mich."
"So schlimm bin ich nun auch nicht, Lucas. Keine Sorge. Du wirst sehen, die nächsten Wochen werden großartig. Auch wenn uns allen diese Wochen lieber erspart geblieben wären."
******
Vorsichtig sah er in das Schlafzimmer. Bridger und Westphalen schliefen noch tief und fest. "Na, klasse. Was mach ich jetzt?" Da Lucas nicht wusste, wie lange seine neuen Eltern jetzt noch an der Matratze horchen würden, nahm er sich sein Buch und ging hinunter ins Wohnzimmer, jedoch nicht ohne seine Bettdecke mit zu schleifen.
Noch immer standen Kartons im Weg herum, aber seine Kinderfotos waren die ersten, die an der Wand hingen. Kristin war richtig überwältigt gewesen. So ein niedlicher Spatz, hatte sie gesagt und wollte ihn gleich knuddeln. Zum Glück ist er jedoch schneller gewesen. Lucas wollte nur mal wissen, woher die UEO diese Bilder hatte.
Barfuß ging er im Slalom um die Kisten herum zu der ockerfarbenen Polsterecke. Bei seinem Vater gabs nur schwarzes Leder. Für die dortigen klimatischen Verhältnisse äußerst praktisch, aber hier in einer Zone, in der gerade der Herbst ordentlich um die Häuser pflügt nicht das wahre. "Au." Er war auf etwas spitzes getreten. "Heute ist mal wieder mein Glückstag!", schimpfte er. Das Buch und die Decke achtlos auf die Couch werfend hüpfte er auf einem Bein in die Küche. Wo auch immer er drauf getreten war, es hatte seine Fußsohle aufgeschnitten und er blutete nicht schlecht daraus.
In der Küche nahm er gleich die gesamte Papierrolle von der Anrichte, setzte sich auf den Stuhl und betrachtete den langen Schnitt. "Toll, das sieht nicht besonders oberflächlich aus." Das war es auch nicht. Das Blut lief fröhlich aus dem langen Schnitt in seiner Sohle und tropfte auf den Küchenboden. Schnell rollte er einige Tücher von der Rolle ab und drückte diese fest auf die Wunde. Bis zum Schlafzimmer kam er nicht mehr hoch. Sein Fuß hatte bereits angefangen zu schmerzen. Bevor er jetzt aber sich weiter den Kopf zerbrach, wie er hoch kommen sollte, versuchte er es erst einmal mit rufen. "Entschuldigt, dass ich den morgendlichen Frieden störe, aber ich glaube es ist nötig, dass sich einer um mich kümmert, da ich Hilfe benötige!" Als Lucas eine Tür hörte, verstummte er.
Im Morgenmantel kam Kristin die Treppe runtergeschlurft. Ihre Augen waren vom Schlaf geschwollen.
"Einen wunderschönen guten morgen, Doktor!", wünschte Lucas als sie in die Küche blinzelte. Dann sah sie das blutdurchdrängte Tuch und die rote Pfütze direkt vor Lucas. "Um Himmels willen. Was hast du gemacht?" Sie kam sofort zu ihm gelaufen und besah sich das Unheil genauer.
"Bin auf irgendwas spitzes getreten." Durch die Zähne zog er Luft ein, denn die Berührungen Kristins taten heftig weh.
Sie rollte frische Küchentücher von der Papierrolle. "Drück das ganz fest drauf, ich hole schnell etwas Verbandszeug und wecke Nathan."
"Ist gut. Dann wart ich mal, kann ja nicht weglaufen."
"Du findest das wohl komisch?", fragte sie mit bösem Blick.
"Nein überhaupt nicht. Es ist jedoch besonders typisch für mich, dass ich mich in einem unachtsamen Moment auf die dümmste Art und Weise verletze. Passiert mir ständig. Seit der Sea Quest zwar nicht mehr so oft, aber dennoch ist mein besonderes Talent nicht versiegt."
"Talent nennst du das also. Ich bin gleich wieder zurück. Das muss genäht werden, ich habe aber nicht die nötigen Instrumente hier." Schon war sie wieder nach oben verschwunden.
Da saß er nun. Mitten in der Küche über einer roten Pfütze seines eigenen Blutes und würde bald mehr von dieser Stadt zu sehen bekommen. Auf der Sea Quest wäre ihm das jetzt nicht passiert. Dort war um die Zeit immer jemand wach, dem er auf die Nerven gehen konnte, aber hier. Was war das nur für ein Teil, auf das er getreten ist?
Bridger betrat die Küche. Er musste sich schnell angezogen haben, denn sein Hemd war auf der linken Seite. "Geht es dir soweit gut?", fragte er besorgt.
"Ja. Es geht schon. Noch ist mir nicht schwindlig, mir tut nur mein Fuß weh. Wenn ich den in die Finger kriege, der spitze Gegenstände auf dem Boden liegen lässt, auf dem ich laufe, dann gibt's ein Donnerwetter, das sich gewaschen hat."
"Du hättest im Bett bleiben können."
"Nein, da stinkt es noch total nach Farbe und wenn ich das Fenster aufmache, wird mir trotz Bettdecke kalt."
"So, ich werde einen Druckverband anlegen, das sollte halten, bis wir in einem Krankenhaus sind." Kristin kam mit Watte, Mullbinden und Pflastern bepackt in die Küche zurück.
"Ich frage nebenan nach, wo das nächste Hospital ist.", sagte Nathan.
"Wäre es nicht besser, wenn ihr mir einen Krankenwagen ruft? Somit umgehen wir die Gefahr uns heillos zu verfahren und Klein-Lucas verbluten zu lassen."
"Du verblutest schon nicht.", meinte Dr. Westphalen. Sie wickelte den Verband sehr fest.
"Die Sauerei hier war bis vor wenigen Minuten noch mein Lebenssaft! Das bin ich, was hier unten zerfließt!"
"Dennoch kannst du über diese Sauerei Witze machen, also kann es auch gar nicht so schlimm sein." Sie strich ihm liebevoll über die Wange. "Wir bringen dich jetzt in ein Krankenhaus und danach frühstücken wir ordentlich, damit dein Lebenssaft sich wieder erholen kann."
"Ungefähr zehn Minuten von hier ist das nächste Hospital. Ich hab den Wagen schon vorgefahren." Bridger half Lucas auf, der seinen Arm um dessen Schultern gelegt hatte, damit er überhaupt laufen konnte. Seinen verletzten Fuß hatte er angewinkelte und hüpfte nun zur Tür. Glücklicherweise hatte er sich eine Jeans übergezogen, als er zuvor aus seinem Zimmer war. Jetzt in Unterwäsche durch die Gegend zu humpeln wäre recht peinlich gewesen.
Lucas durfte sich über die gesamte Rückbank ausbreiten. Sie waren kaum aus ihrer Wohnsiedlung gefahren, als der Verband bereits durchnässt war und Bridger anhalten musste, damit Dr. Westphalen hinter zu dem Teenager konnte. Sie fand es sicherer. Der Schnitt war wohl doch tiefer als sie alle zunächst angenommen hatten.
Auf dem Weg zum Hospital bekam Lucas an einer roten Ampel große Augen. "Hier gibt's ein Aquarium!" Aller Schmerz schien vergessen.
"Tatsächlich." Nathan warf einen kurzen Blick zur Seite. "Die haben auch Delphine. Siehst du?"
"Meinen sie, die haben viele? Gehen wir da mal rein?", fragte Lucas aufgeregt.
"Nein.", unterbrach Kristin die Unterhaltung barsch. "Erst müssen wir deinen Fuss verarzten lassen, danach bezweifle ich, dass du sofort in der Gegend herumtollen kannst. Und herum spritzenden Delphinen kommst du gleich gar nicht zu nahe!"
"Wie es Darwin wohl geht?" Mit gesenktem Blick saß Lucas nun wieder da. Sie fuhren bereits wieder, also gab es auch keinen Grund weiterhin zum Fenster hinaus zu sehen. Wenn er seinen Computer hätte, könnte Lucas sich damit beschäftigen, aber ihm wurde verboten auch nur einmal einem Internetfähigem Gerät zu nahe zu kommen. Die Gefahr war einfach zu groß
"Dem geht es bestimmt blendend. Spielt den ganzen Tag mit anderen Delphinen und frisst die Fischbestände des Ozeans leer. Sobald wir wieder auf dem Boot sind, müssen wir ihn zuerst auf Diät setzen.", lächelte Bridger in den Rückspiegel.
"Ist alles in Ordnung.", fragte Dr. Westphalen.
"Ja, mir geht's gut."
"Wenn dir schlecht wird, Lucas, dann musst du mir das sagen."
"Mach ich."
"Wie weit müssen wir noch, Nathan? Mir gehen langsam die Verbände aus. Das ist alles komplett durchgeblutet."
"Wir sind fast da. Dort vorne, das muss es sein. Ein großes weißes Gebäude mit roten Fensterrahmen.", antwortete Bridger, während er auf den Parkplatz des Hospitals fuhr. Er parkte den Wagen nahe des Einganges, damit Lucas nicht mehr so weit laufen musste.
"Hoffentlich nehmen die ihn sofort dran, ich habe bereits einen fürchterlichen Hunger.", sagte er, als sie zur Anmeldung gingen.
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Anm: Vielen lieben Dank für die positive Resonanz von Coming Home! @Lucy: die Sturheit von Lucas ist eine spontane Entwicklung gewesen. Klar gibt es eine Fortsetzung, die war so oder so geplant nur jetzt wird es eben etwas spannender... hoffe ich mal. Aber ich weiß nicht, ob Bridger einfach so mit ihm mit wäre. Was würde dann aus Michael und Robert? Ach und keine Sorge; Ben mag ich persönlich auch sehr gerne und deshalb werde ich den garantiert irgendwo mit einbauen nicht nur in bereits vorüberlegten Geschichten.
@Samusa: Danke für die unterhaltsamen Mails!
Das Ende hier ist ziemlich abgehackt, nicht wahr? Aber ich wollte nicht zu den Details im Krankenhaus gehen. Schon allein aus dem Grund, da ich keine Ahnung von Medizin habe. So besonders ist die Story auch nicht. Mir fehlt hier irgendwie schon beim schreiben etwas. Trotzdem hoffe ich, dass der ein oder andere seine Freuden daran haben wird. Ach und das beißwütige Tier von Lucas ist eine Nagetierart Australiens. Bei mir ist sein Vater Australier, werdet ihr in anderen Geschichten noch sehen. Dort ist es möglich mit einer Genehmigung diese Tiere zu Hause zu halten. Leben 3 - 4 Jahre, also auch keine ewige Verpflichtung. Leider ist mir entfallen wie die Dinger heißen. Aber ich fand die so putzig und ständig haben die zugebissen oder gekratzt. ^^
