Anm: Vielen Dank an die Reviewer: Samusa, Kiddo und Mailsschreiberin Diana!
^^
Wie man sieht sind meine Befürchtungen frühestens am Wochenende ein weiteres Kapitel uploaden zu können unbegründet gewesen. Leider konnte ich nirgendwo ein gutes Bild eines Papageienfisches finden. Dabei war ich mir so sicher in einem meiner Bücher eines zu haben. Egal, viel Spaß beim lesen!
Stetig ansteigendes Prasseln am Fenster ließ ihn aus einem traumlosen Schlaf erwachen. Gähnend streckte sich der blonde Junge. Matt schleppte er sich aus seinem Bett und zog den Vorhang zur Seite. Draußen regnete es in Strömen. Lenny und die Jungs würden garantiert ihren Spaß bei diesem Wetter haben. Obwohl, Lenny erzählte etwas von Höhlen. Wahrscheinlich sind sie in eine untergestiegen und warteten bis es aufhörte.
Sich den Bauch haltend drehte das Junggenie sich vom Fenster weg. Aus irgendeinem Grund war im flau im Magen. Oh, natürlich... das vergammelte Obst. Es musste bereits Mittag sein und er hatte hier verschlafen. Nun konnte er sich wohl das Aquarium ganz aus dem Kopf schlagen. Lucas entschied sich dafür nachzusehen was seine "Eltern" gerade taten und tapste barfüßig aus seinem Zimmer. Unten konnte er den Fernsehen hören und von der Küche wehte köstlicher Bratenduft über den Treppenaufgang ins Obergeschoss. In Sachen Kochen hatte die Bordärztin wirklich was drauf.
Nur kurz lugte er in die Küche. Dr. Westphalen war damit beschäftigt einen saftigen Salat zu zubereiten, da wollte er lieber nicht stören, am Ende sollte er vielleicht mithelfen oder schlimmer sich erneut hinlegen. Lucas war jedoch der Meinung schon genug Zeit im Bett verbracht zu haben. Schlafen konnte er, wenn er wieder auf der Sea Quest war.
Auf dem Fernsehbildschirm lief gerade eine Tierdoku über Korallenriffe, schneller als der UEO Captain es mitbekam saß plötzlich ein blonder Teenager in der Ecke der Couch und sah gebannt auf den Monitor. Lächelnd ging er eine Decke für den Jungen holen, denn nur in Shorts und T-Shirt fand er dann doch etwas zu frisch.
Mit einem kurzen Danke wickelte Lucas sich darin ein. Bis zum Werbeblock durfte keiner ein Wort sagen. "Du siehst mittlerweile wieder viel besser aus. Es war gut, dass du etwas geschlafen hast.", meinte Bridger dann.
"Ja, mir geht's auch besser. Nur dem Wetter nicht. Das heult, weil ich die Delphine nicht besuchen komme oder die Delphine haben dem Wetter gesagt für sie traurig zu sein. Je nachdem.", antwortete Lucas deprimiert.
Nathan rutschte zu dem Junggenie heran und legte seinen Arm liebevoll um ihn. "Da es dir ja besser geht, könnten wir doch nach dem Mittagessen immer noch zu den Delphinen ins Aquarium.", flüsterte er verschwörerisch.
"Meinen sie, sie hat was dagegen?", fragte Lucas genauso flüsternd und in Richtung Küche nickend.
"Könnte sein." Als er den enttäuschten Ausdruck auf Lucas' Gesicht sah fügte er noch hinzu: "Aber dem werde ich vorbeugen."
"Seid ihr dabei eine Verschwörung zu planen?" Gerade in dem Augenblick musste Dr. Westphalen zu ihnen ins Wohnzimmer kommen. Sie ging zu Lucas. "Geht es wieder?"
"Ja, alles okay."
Sie tätschelte ihm ermutigend die Schulter. "Das Essen ist gleich fertig."
"Und wir können los?" Die Augen des Teenagers strahlten sie an.
Sie rollte mit den Augen. "Dich können wir hier sowieso nicht mehr lange halten, glaube ich."
"Juchu." Lucas sprang auf und lief nach oben. Er konnte ja nicht in Unterwäsche los.
*****
Die Schlange vor dem Aquarium war nicht besonders kurz und der Regen wurde anstatt besser nur schlimmer. Die drei unfreiwilligen Familienmitglieder standen unter einem großen Regenschirm zusammen gepfercht inmitten der langen Schlange.
"Wieso lassen die niemanden rein?", nörgelte Lucas. Ihm war kalt.
"Da drinnen werden einfach viel zu viele sein, als das sie noch mehr Leute nachziehen lassen können.", meinte Dr. Westphalen.
"Die sollen raus kommen. Haben doch schon alles gesehen. Jetzt bin ich dran!", verlangte der Teenager.
"Ich glaube dich bekommen wir nachher gar nicht mehr raus.", lächelte Bridger und legte dabei einen Arm um Lucas. So wurde ihm wenigstens etwas warm.
"So schlimm bin ich doch auch nicht."
"Nein, überhaupt nicht." Während Kristin dies sagte gab sie Lucas einen leichten Schlag auf den Oberarm.
Vor ihnen war eine Familie mit mehreren kleinen Kindern. Eines davon war des Wartens leid und fing an böse rum zu nörgeln. Das ging dem Teenager bald ziemlich auf die Nerven. Er war kurz davor den kleinen Jungen anzufahren er soll doch endlich still sein, da tat dies sein Vater mit einer schallenden Ohrfeige.
Kristin sah den Vater böse an. "Na hören sie mal. Sie können doch ihr Kind nicht einfach schlagen!"
"Das geht sie überhaupt nichts an. Kümmern sie sich um ihren eigenen Kram.", donnerte der Kerl mit dem Schnauzbart zurück.
"Doch das tut es.", mischte sich Bridger mit ein. "Sie müssen Verständnis für die Handlung eines Kindes aufbringen und nicht ihren Willen ihm aufdrängen. Was sie aber getan haben!"
"Sie können doch nicht von einem dummen Kind verlangen, dass es versteht wann es ruhig zu sein hat nur weil man es ihm sagt. Wie haben sie ihren Bengel denn erzogen?" Dabei zeigte er verächtlich auf Lucas. Der zog nur die Augenbrauen zusammen, denn schließlich hatte Bridger ihn ja nicht erzogen.
"Natürlich versteht es das nicht. Ist ja auch viel zu klein dazu. Nur mit Gewalt schaden sie ihm. Sehen sie ihrem Sohn doch mal in die Augen. Diese strahlenden Augen blicken sie mit Angst an. Ist es das was sie wollten? Der Kleine hat sich gelangweilt, was ja auch verständlich ist. Sie stehen genauso wie wir bereits eine Stunde in dieser Schlange durch den Regen dicht zusammengepfercht.", setzte sich Kristin weiter für das Wohl des Kindes ein.
Der Mann trat dicht vor Kristin und hielt ihr seinen Zeigefinger drohend unter die Nase. "Hören sie zu, wie sie sehen habe ich mehr als nur ein Kind und verdammt nochmal zu Hause sitzen einige bereits größere. Keines von ihnen hat einen Schaden davon getragen sondern ist wohlerzogen. Also hören sie auf mir erzählen zu wollen wie ich mein Kind zu erziehen habe!"
Nathan ging dazwischen und schob ihn wieder etwas weg. "Ganz ruhig. Wir wollen hier keinen Streit hervorrufen."
"Doch das wollen wir, wenn er seinen kleinen Jungen weiterhin so brutal behandelt. Kindesmissbrauch ist strafbar!", meinte Kristin energisch.
"Aber nicht von einem solch kleinen Klaps!", verteidigte sich der Vater schreiend. Die kleinen Kinder um ihn herum hatten angstvoll geweitete Augen. Man sah ihnen an, dass sie diesen Ton von ihrem Vater gewohnt waren.
"Ein kleiner Klaps? Na hören sie mal." Dr. Westphalen stemmte die Hände in die Hüften. Bridger redete beruhigend auf sie ein während der Vater nach wie vor immer lauter wurde. Eines seiner Kinder hielt sich bereits die Ohren zu. Der Junge, durch den dieser Streit ausgelöst wurde schniefte vor sich hin. Die dicken Kullertränen waren noch nicht von seinen Wangen verschwunden. Lucas wurde das zuviel. Er kniete sich zu den Kindern hin. "Wollt ihr mitkommen bis wir rein können?", fragte er sie. Zögernd nickten die kleinen. Ohne das Bridger oder Westphalen es mitbekamen machte er sich mit den vier Kleinen auf und davon. Nämlich in den Souvenirsladen des Aquariums.
Der kleine Raum war voll mit Menschen und Lucas hatte Mühe die Kinder im Auge zu behalten. Nicht auszudenken, was los sein würde, würde eines davon verschwinden. Spielfiguren aus Gummi zierten ein Regal. Es waren Haie, Rochen, Fische und alles mögliche Getier aus der Wasserwelt vorhanden. Tassen, Gläser mit Aufdrucken von Orcas und Pinguinen waren in einer Glasvitrine ausgestellt. Das Computergenie hatte den Jungen mit den roten Augen an die Hand genommen. Nun kniete er sich zu ihm hin. "Such dir etwas aus. Ich schenke es dir.", strahlte er den Kleinen an. Der bekam riesige Augen vor Freude. Seinen Geschwistern gestattete der Teenager ebenfalls etwas auszusuchen. Sie alle hatten schnell ein Objekt gefunden mit dem sie glücklich werden konnten. Hauptsächlich Stofftiere. Von den dicken Tränen waren bei dem Jungen an Lucas' Hand nach dem Kurzbesuch nichts mehr zu sehen. Stolz trug er seinen großen Hai zurück zu der Schlange. Anscheinend hatten sich die Gemüter wieder beruhigt. Suchend streiften die Blicke des Vaters der Kinder umher. Der schien doch etwas für seine Kinder zu empfinden, denn tiefe Sorge zeigten sich auf seinen Zügen. Bridger redete auf ihn ein.
"Sehen sie, ich wusste doch, dass sie bei ihm sind.", sagte jetzt Kristin mit einem wissenden Ausdruck, als Lucas mit den Kindern wieder bei ihnen war.
"Guck mal Papa was wir bekommen haben.", stolz zeigte eine seiner kleinen Töchter dem Vater seinen Holzdelphin. Der verzog miesgrämig das Gesicht und griff zu seiner Geldbörse in die Gesäßtasche.
"Lassen sie nur, es war ein Geschenk von mir.", wehrte Lucas schnell ab.
"Einfach so?", fragte er misstrauisch.
"Einfach so.", nickte Lucas.
Westphalen drückte stolz ihren blonden Teenager. "Sehen sie, ihre Kinder können sich auch zu netten Menschen entwickeln, wenn sie sie einfach mit mehr Einfühlsamkeit behandeln würden. Ihre Augen strahlen vor Freude und ich bin mir sicher, bis sie drinnen sind wird keiner mehr vor Ungeduld ihre Nerven strapazieren."
"Ich kann ihnen nicht jedesmal etwas kaufen, wenn sie still sein sollen!", maulte der Kerl nun wieder.
"Das verlangt auch keiner. Nur in der derzeitigen Situation war es einfach notwendig.", stimmte Bridger zu. "Versuchen sie es einfach mal. Wer weiß wie lange sie ihre Kinder noch haben."
Mit einem letzten kritischen Blick drehte der Mann sich wieder nach vorne. "Danke.", presste er vorher noch raus.
"Gern geschehen.", lächelte Lucas zurück.
Nach einer weiteren ereignislosen halben Stunde waren sie endlich drinnen. Der rabiate Vater mit seinen Kindern verschwand schnell aus ihrer Nähe. Sein Bedarf an Bridger und Westphalen Moralpredigten war fürs erste gedeckt. Lucas schmunzelte innerlich noch immer bei dem Gesicht als die beiden dann nochmals anfingen ihn über Erziehung belehren zu wollen und als Westphalen auch noch mit ihren Töchtergeschichten kam erst recht. Anscheinend hatte es den Kerl gar nicht gewundert, warum von diesen Töchtern keine einzige bei dem Ausflug dabei war.
Das Aquarium war wirklich voll. Sie gingen eine breite Treppe hinunter. An den Wänden waren rechts und links Bullaugen angebracht hinter denen kleinere Fische in allen Farben schwammen. Unten wurde der Gang nur durch die Aquariumsbeleuchtung erhellt. Ein Gefühl von zu Hause überkam Lucas. Das dämmrige Licht lies ihn an die Sea Quest denken. Große Scheiben rechts und links eröffneten den Besucher die geheimnisvolle Welt des Meeres. Gleich am ersten Fenster blieben die Bridgers stehen. Lucas drängelte sich durch die kleineren Kinder. Was mussten die Leute auch alle ihren Nachwuchs mitbringen?
"Wie klein diese Seepferdchen sind.", staunte Kristin.
"Es gibt noch weitaus kleinere.", erklärte Nathan.
"Wirklich? Die sind doch bereits nicht größer als ein paar Zentimeter."
"Du kannst dir ja mal eines fangen lassen.", flüsterte Bridger ihr ins Ohr.
"Von deinem privaten Aquariumsfisch?", flüsterte sie geheimnisvoll zwinkernd zurück.
"Ich dachte eigentlich mehr an den blonden Jungen hier, der sich gerade ordentlich die Nase an der Scheibe platt drückt und jeden Moment dabei ist selbst ein Fisch zu werden."
"Da sind Clownsfische drinnen!", drehte sich der Angesprochene nun zu den beiden Erwachsenen um.
"Dort hinten ist ein ganzes Becken voll mit denen.", zeigte Nathan was er besser nicht hätte tun sollen, denn Lucas war schneller als er reagieren konnte bei besagter Scheibe.
"Und ich dachte wir sind nur wegen ein paar Delphinen hier, dabei stürzt er sich auf alles, was im Wasser kreucht und fleucht." Lachend folgte Kristin dem Teenager. Sie zog den Reisverschluß ihrer Jacke auf. Hier drinnen war es wegen des hohen Besucherandrangs besonders warm. Nathan betrachtete noch eine Weile die Seepferdchen. Ob Lucas bemerkt hatte, dass da drinnen auch Junge waren?
"Gibt es einen Grund für deine Vorliebe dieser Fische?", fragte Kristin das Computergenie als sie sich durch die Leute gedrängt hatte, die ebenfalls vor dem Becken standen.
"Eigentlich weniger, aber seit ich Findet Nemo einmal zu oft gesehen habe, durfte ich mir den Film aufgrund eines absoluten Verbotes meines Vaters nie mehr ansehen und naja, sehen sie sich die doch einmal an. Bis zu dem Film ist mir nie aufgefallen wie schön sie sind."
"Du darfst dir einen Kinderfilm nicht mehr ansehen? Warum?", fragte Kristin ungläubig.
Lucas lächelte. "Jeder der Erbarmen mit mir zeigt, wird es mir kein zweites Mal gestatten diesen zu sehen. Ich bin danach nicht mehr derselbe."
"Ich verstehe es trotzdem nicht."
"Macht nichts. Vielleicht können wir auf dem Rückweg irgendwo eine Videodisk mit dem Film kaufen gehen. Wäre doch etwas.", schlug Lucas vor und betrachtete weiter die orangen und gelben Anemonenfische.
Kristin sah kritisch in das Aquarium. "Du hast recht. Sie sind wirklich schön. Oh, da ist auch ein großer Papageienfisch."
"Wo?"
"Da hinten." Sie zeigte mit den Finger in die hintere linke Ecke. Tatsächlich. Da war ein großer Fisch mit einer schnabelartigen Schnauze.
"Seht euch beiden lieber das hier an. Diese bunten Hummer leuchten richtig." Bridger zog Lucas am Arm zum nächsten Sichtfenster. Dahinter tummelten sich viele Hummer die ein farbenprächtiges Muster trugen. Dicke schwarze Streifen wurden durch dünne weiße und blaue unterbrochen. Ihr Schwanz war ebenfalls weiß.
"Wirklich erstaunlich. Da bekommt man wieder richtig Lust schnorcheln zu gehen.", sagte Kristin und lugte über die Schulter von Lucas.
"Ich finde die Seesterne schöner.", meinte Lucas, denn im selben Becken tummelten sich einige verschiedene Arten von Seesternen und vor ihnen schwamm gerade etwas rotes mit gelben Fühlern vorbei, das aussah als hätte es ein Laken übergezogen.
"Schöne Schnecken gibt es eben nur im Meer.", lächelte Bridger.
"Sind das nicht alles Rifftiere?", fragte Kristin.
"Ich nehme an die haben das so sortiert. Zuerst wird man mit der absoluten Schönheit des Meeres in den Bann gezogen und dann wird einem die brutale Wahrheit gezeigt.", grinste Bridger.
"Und die wäre?" Dr. Westphalen sah ihn kritisch an.
"Die süßen Delphine!" Schon schlüpfte Lucas unter dem Arm des UEO Captains hindurch.
"So ein Mist und ich hatte gehofft er hätte sie vergessen.", scherzte Nathan.
"Ich hoffe wir bekommen ihn nachher hier wieder raus.", lachte die Ärztin. Händchen haltend schlenderten sie dem blonden Teenager hinterher. Nun war er derjenige, der große Augen hatte und nicht mehr aus dem Staunen heraus kam.
Am Ende des langen Ganges mit den Becken der ganzen Rifftiere befanden sie sich in einem runden Raum in dessen Mitte eine ebenso runde Säule mit verschiedenen kleineren Fischen war. An den Wänden befanden sich Informationstafeln über die Flora und Fauna der Meereswelt. Was keiner von den beiden Erwachsenen gedacht hätte, das Computergenie studierte diese aufmerksam.
Um die Wassersäule herum standen Holzbänke. Nathan und Kristin erhaschten einen leeren Platz und sahen dem wissbegierigen Teenager zu. "Wer hätte das gedacht.", sagte Dr. Westphalen kopfschüttelnd. "Heute morgen habe ich mir noch über seinen seelischen Zustand Sorgen gemacht und dabei hätte ich ihn nur einmal kurz hierher bringen müssen. Ich wusste gar nicht, dass er sich so für eine Sache begeistern kann, die nichts mit seinen geliebten Computern zu tun hat." Sie legte ihren Kopf auf Bridgers Schulter.
"Wie ein kleines Kind eben. Aber kannst du ihm das verdenken? Der Ozean ist doch seit mehreren Monaten sein zu Hause geworden in dem er sich sehr wohl zu fühlen scheint. Dann kommen ein paar Verrückte und verdrängen ihn von dort. Ganz klar, dass er sich hier wohl fühlt." Nathan hauchte ihr einen zarten Kuss auf das blonde Haar. "Ich will nicht wissen was er macht, wenn wir zu den großen Becken mit den Delpinen kommen.", grinste er nun.
Sie blickte ihn an. "Ob ich vielleicht ein paar Beruhigungsmittel hätte mitnehmen sollen?"
Nun lachte der ältere Mann. "Wäre vielleicht ganz gut gewesen, aber vertrauen wir auf die Jugend, die sich sprunghaft immer wieder von einer Sache in die nächste stürzen kann egal wieviel Herzblut in der vorangegangenen gesteckt hatte." Er verdrehte die Augen. "Ich glaube wir müssen wieder aufstehen. Unser Kind ist soeben durch den Gang dort verschwunden. So wie es aussieht hat er alles durchgelesen und sein Wissen genug erweitert." Nathan half Dr. Westphalen auf und gemeinsam gingen sie nun ebenfalls in den nächsten Gang wo sie den blonden Computercrack vor einem Becken stehend vorfanden.
"Das sind aber ein paar unscheinbare Fische. Sehen ziemlich normal aus.", sagte Kristin, als sie zu ihm gingen.
Lucas grinste. "Dann passen sie nur auf, denen niemals zu begegnen."
Sie sah ihn fragend an. Auch der Captain lächelte, vorsichtshalber verdeckte er das Schild mit der Artbezeichnung. "Wo er recht hat, hat er recht.", meinte er noch grinsend dazu.
"Raus mit der Sprache, was wollte ihr mir sagen?"
"Jetzt bin ich aber wirklich baff. Sie kennen doch sonst alles. Wieso wissen sie nicht, was das hier für eine Art ist? Den Papageienfisch haben sie mir doch zuvor auch gezeigt." Lucas sah die Ärztin ganz erstaunt an.
"Mit Korallenriffen kenne ich mich durch meine Arbeit ja auch ein wenig aus, aber mehr weiß ich nicht. Ich bin Ärztin und Biochemikerin, keine Meeresbiologin."
"Na dann sehen sie sich mal die Mäuler dieser unscheinbaren Fische an. Das sollte ihnen vielleicht auf die Sprünge helfen. Sie kennen garantiert diese Viechter!", gab ihr Lucas einen Tipp. Kristin ging näher an die Scheibe heran und betrachtete die Tiere genauer. "Die haben Zähne."
"Piranhas!", bestätigte Lucas stolz. "Unscheinbar aber gefährlich. Ich muss es wissen, bin schließlich beinahe mal gebissen worden."
Mit schreckgeweiteten Augen drehte sich Kristin zu ihm um. Auch Bridger sah ihn fragend an. "Mich hat es mal in so ein Becken hier reingehauen. Glücklicherweise waren die gerade gefüttert geworden und mich haben ein paar Pfleger schnell aus dem Wasser gezogen. Mein Vater hat an dem Tag bestimmt die einen oder anderen Nerven lassen müssen. So schnell hat der mich nicht mehr aus den Augen gelassen.", grinste der Teenager nun.
"Du ziehst das Pech wohl magisch an?", fragte Bridger schließlich.
"Kann wohl sein. Allerdings war ich damals fünf und bin ausgerutscht, wenn man kleine Beine hat passiert das sicherlich schnell." Zur Bestätigung fiel ein kleines Mädchen das aufgeregt den Gang hinunter lief um in die Glasröhre zu gelangen, die sich an dessen Ende befand und um die herum große Haie schwammen,direkt neben ihnen auf die Nase. Das Mädchen wirkte überrascht. Es schien als würde es in Gedanken gerade versuchen zu verstehen was geschehen war. Langsam richtete es sich auf, da kam auch schon seine Mutter und im nächsten Moment fing sie an laut zu weinen.
"Naja, nur dauerte es bei mir nicht so lange bis ich begriff was geschehen war.", lächelte das Computergenie. "Gehen wir in den Haitunnel. Ich spüre wir sind ganz nah. Mir kribbeln schon die Finger." Er hakte sich rechts und links bei jeweils einem der beiden ein und schleifte sie zu dem Tunnel. "Meinen sie, dass man die Delphine streicheln darf?"
"Das glaube ich weniger.", bezweifelte Kristin.
"Wieso nicht? Die mögen Schmuseeinheiten doch."
"Du kannst nicht von einem Tier auf das andere schließen, Lucas. Das ist wie mit Hunden, die einen freuen sich einen zu sehen und die anderen beißen dir den Finger ab.", kommentierte Bridger.
"Was haben Hunde mit Delphinen zu tun? Die kann man doch gleich gar nicht vergleichen.", sagte Lucas und blieb im nächsten Moment mitten in dem Tunnel stehen. Vor und hinter ihnen konnten die Leute nun nicht weiter, denn ein blondes Computergenie versperrte ihnen den Weg und hielt seine Scheineltern fest im Griff. Mit leicht geöffneten Mund starrte er nach oben. Ein weißer Bauch floß über die Decke der Röhre dahin.
"Ich wusste gar nicht, dass auch Mantarochen in Gefangenschaft gehalten werden.", sagte Kristin, während sie Lucas aus dem Weg zog.
"Anscheinend doch. Mit den ganzen Haien, ist doch richtig faszinierend. Seht mal, die haben dort ein versunkenes Schiff hin gebaut.", versuchte Bridger die Aufmerksamkeit des Teenagers auf die eine Seite des großen Aquariumbeckens zu richten, denn der blieb stocksteif mitten im Gang stehen. Glücklicherweise funktionierte es. "Da sind noch andere Rochen.", zeigte er nun hinüber. "Und Hammerhaie!" Die beiden Erwachsenen kam es immer mehr vor mit einem sechsjährigen unterwegs zu sein anstatt mit einem zehn Jahre älteren Teenager. Beide freuten sich über die Begeisterung des Jungen, bis vor einigen Stunden hatte keiner von ihnen geglaubt ihn heute wieder fit zu sehen, doch das war er. Bereits in dem Moment als es die Zustimmung gab, trotz seiner Magenverstimmung es mit dem Aquarium zu versuchen.
"Na gut, gehen wir weiter." Endlich wandte Lucas den Blick aus dem weiten Becken mit den Haien und Rochen ab. Sie gingen weiter und als sie aus der Röhre traten erstreckte sich vor ihnen eine große Glasscheibe hinter der ein weiß, schwarzer Riese vorbei schwamm. "Das wird ja immer besser!", schwärmte Lucas. "Aus dem Weg Kleingemüse, ich muss den Orca sehen!" Mit dem Kleingemüse war eine Gruppe von Kindern gemeint, die ihm den Weg versperrten.
Bridger beugte sich leicht zu Kristin. "Das mit dem Beruhigungsmittel wäre vielleicht doch keine schlechte Idee gewesen."
Lachend zog sie ihn zu dem blonden Junggenie. Rechts von ihnen befand sich eine Treppe, die wohl nach oben und somit zu den Rängen um das Walbecken führte. "Lasst uns mal hochgehen. Bei dem Wetter werden vielleicht nicht so viele dort sein und wir können uns die Tiere von dort ansehen.", schlug sie vor. Schneller als sie gedacht hatte wandte der blonde Junge seinen Blick von den großen Meeressäugern ab.
Leider waren die Berechnungen von Dr. Westphalen falsch. Trotz des schlechten Wetters tummelten sich auch draußen um das Orcabecken herum viele Besucher. "Gibt es auch eine Show?", fragte Lucas.
"Als ich dir Eintrittskarten kaufte meinte die Verkäuferin, dass die wegen des schlechten Wetters heute ausfallen.", antwortete Nathan ihm.
"So ein Unsinn. Die Tiere sind bereits nass und die Pfleger werden während der Show nass. Was soll das ganze?" Dem Teenager schien die Antwort nicht so gefallen zu haben.
"Wohl aber die Besucher nicht. Ich denke mal es lohnt sich nicht eine Show zu veranstalten wenn die Ränge leer bleiben. Ich habe ehrlich gesagt auch keine Lust mich auf feuchte Bänke zu setzen und dort ewig im Regen zu sitzen nur um einige von diesen Monstern in die Luft springen zu sehen." Den letzten Satz hätte der Doctor vielleicht nicht sagen sollen.
"Das sind keine Monster sondern elegante Tiere die mitunter auch zu den Delphinen gehören. Werde ich im übrigen Darwin erzählen, was sie von seiner Art halten." Beleidigt tuend verschwand Lucas durch einen Durchgang am anderen Ende des Beckens.
"Muss ich mir da jetzt Sorgen machen?", fragte Kristin den Captain.
"Oh ja. Darwins Rache wird fürchterlich sein.", grinste Nathan. "Komm, sonst verlieren wir ihn doch irgendwann noch." Sie gingen den gleichen Weg wie das Junggenie und betraten nach einem erneuten langen dunklen Gang, der noch Teile des Orcabeckens zeigte, einen Raum der rechts und links große Fensterscheiben hatte.
"Das glaube ich nicht. Wir müssen uns nur bei den Delphinen auf die Lauer legen. Obwohl wir sie ja bereit gefunden haben.", sagte Dr. Westphalen.
"Scheint als hättest du ein Problem." Bridger stand nun hinter dem blonden Jungen.
"Sieht ganz so aus.", stimmte der ihm zu. "Wer kommt eigentlich auf die Idee und packt zwei Delphinarten in zwei verschiedene Basins und dann auch noch in gegenüberliegende Becken? Die Besucher können sich doch gar nicht entscheiden in welche Richtung sie zuerst sehen sollen!" Der Kopf des Teenagers drehte sich unaufhörlich von einer Seite zur anderen. Auf der linken Seiten waren die normalen Flaschennasendelphinen, denen auch Darwin angehörte, auf der rechten befanden sich die gewöhnlichen Delphine, die eine schwarze Körperfärbung und einen weißen Bauch aufwiesen an dessen Flanke sich ein gelblicher Fleck wie der weiße eines Orcas befand. "Das ist ja total doof hier!"
Bridger ging an Lucas' Seite. "Sieh mal, da geht es auch wieder nach draußen."
Der Teenager nahm den älteren Mann bei der Hand. "Mitkommen." Zusammen gingen sie mit dem Regenschirm bewaffnet nach oben. Kristin zog es vor lieber sich auf eine der Holzbänke zu setzen und die Delphine im Trockenen zu genießen. Sie standen oben am Rand des Beckens mit den grauen Meeressäugern. Lucas sah den Captain mit bettelnden Augen an. "Tut mir mein Ersatzdaddy einen Gefallen?"
Der Captain ahnte schlimmes. "Was kann ich für dich tun?"
"Schmiere stehen!", verlangte der blonde Junge.
Mit zusammengezogenen Augenbrauen mussterte Nathan das Computergenie.
"Na damit ich einen der Delphine mal streicheln kann. Der Pfleger dahinten guckt nur schon so böse. Ich will kein Hausverbot bekommen."
"Hast du ein Glück, das ich so viel Verständnis habe. Du musst bei mir aber dann auch aufpassen!", verlangte der Captain.
"Klar." Bridger drehte sich um und behielt den Pfleger in den Augen.
******
"Ihr beiden habt mehr Glück als Verstand.", tadelte die Ärztin die beiden lächelnd als sie das Aquarium verließen. Stolz war Lucas zu ihr gekommen und hatte ihr von den Delphinen erzählt, die sich alle bereitwillig von ihm streicheln ließen.
"Lasst uns nach Hause fahren. Es wird schon dunkel und mir tun die Füße weh.", schlug Bridger vor.
"Geht ihr schon mal vor, ich komme gleich nach." Westphalen verschwand kurz in im Souvenirsladen. Der Captain und Lucas gingen zum Wagen und warten in ihm auf die Ärztin.
"Ah, was ich dich noch fragen wollte. Gab es für deine solidarische Aktion mit den Kindern vorhin einen bestimmten Grund?" Der Captain hatte da einen Verdacht den er besser nicht bestätigt haben möchte.
"Nicht wirklich. Aber ich dachte es könnten denen mal guttun, dass man ihnen eine Freude bereitet."
"Das hatte also nichts mit eigenen Erfahrungen zu tun?"
"Oh nein.", schüttelte Lucas den Kopf. "Ich habe alle meine Ohrfeigen mehr als verdient gehabt. Das können sie mir glauben. Meine Eltern waren meist noch zu gutmütig. Sie haben immer gemerkt, wenn sie Gefahr liefen zu weit zu gehen."
"Hast du so viel Unsinn angestellt?", fragte Bridger lächelnd. Er war beruhigt zu hören, dass die Wolenczaks mit ihren Sohn nicht gewalttätig umgegangen waren.
Lucas lachte. "Und ob. Was würden sie davon halten, wenn ich ihr gerade fertig geschriebenes Computerprogramm wieder durcheinander bringe oder die Polizei vor der Tür steht, weil mein Hack bis zu uns zurück verfolgt wurde?"
"Du bist wirklich erwischt worden?"
"Na klar. Musste mir meine Tricks alle erst erarbeiten."
Die Wagentür an der Beifahrerseite öffnete sich und eine leicht durchnässte Dr. Westphalen stieg ein. Sie drehte sich zum Rücksitz herum. "Das ist für dich." Sie übergab eine weiße Plastiktüte dem Teenager.
"Für mich?" Lucas verstand es nicht ganz, nahm es aber entgegen. Gespannt sah auch Bridger nach hinten, was die Ärztin dem Teenager wohl mitgebracht hatte. Das Computergenie zog ein dickes Buch über Delphine aus der Tüte. "Wow. Vielen Dank, das wäre wirklich nicht notwendig gewesen!"
"Doch das war es. Schön, dass es dir gefällt.", lächelte sie.
"Nun, zumindest wird er für heute Abend wohl ruhig sein, weil er beschäftigt ist.", grinste Bridger und startete den Wagen.
Wie man sieht sind meine Befürchtungen frühestens am Wochenende ein weiteres Kapitel uploaden zu können unbegründet gewesen. Leider konnte ich nirgendwo ein gutes Bild eines Papageienfisches finden. Dabei war ich mir so sicher in einem meiner Bücher eines zu haben. Egal, viel Spaß beim lesen!
Stetig ansteigendes Prasseln am Fenster ließ ihn aus einem traumlosen Schlaf erwachen. Gähnend streckte sich der blonde Junge. Matt schleppte er sich aus seinem Bett und zog den Vorhang zur Seite. Draußen regnete es in Strömen. Lenny und die Jungs würden garantiert ihren Spaß bei diesem Wetter haben. Obwohl, Lenny erzählte etwas von Höhlen. Wahrscheinlich sind sie in eine untergestiegen und warteten bis es aufhörte.
Sich den Bauch haltend drehte das Junggenie sich vom Fenster weg. Aus irgendeinem Grund war im flau im Magen. Oh, natürlich... das vergammelte Obst. Es musste bereits Mittag sein und er hatte hier verschlafen. Nun konnte er sich wohl das Aquarium ganz aus dem Kopf schlagen. Lucas entschied sich dafür nachzusehen was seine "Eltern" gerade taten und tapste barfüßig aus seinem Zimmer. Unten konnte er den Fernsehen hören und von der Küche wehte köstlicher Bratenduft über den Treppenaufgang ins Obergeschoss. In Sachen Kochen hatte die Bordärztin wirklich was drauf.
Nur kurz lugte er in die Küche. Dr. Westphalen war damit beschäftigt einen saftigen Salat zu zubereiten, da wollte er lieber nicht stören, am Ende sollte er vielleicht mithelfen oder schlimmer sich erneut hinlegen. Lucas war jedoch der Meinung schon genug Zeit im Bett verbracht zu haben. Schlafen konnte er, wenn er wieder auf der Sea Quest war.
Auf dem Fernsehbildschirm lief gerade eine Tierdoku über Korallenriffe, schneller als der UEO Captain es mitbekam saß plötzlich ein blonder Teenager in der Ecke der Couch und sah gebannt auf den Monitor. Lächelnd ging er eine Decke für den Jungen holen, denn nur in Shorts und T-Shirt fand er dann doch etwas zu frisch.
Mit einem kurzen Danke wickelte Lucas sich darin ein. Bis zum Werbeblock durfte keiner ein Wort sagen. "Du siehst mittlerweile wieder viel besser aus. Es war gut, dass du etwas geschlafen hast.", meinte Bridger dann.
"Ja, mir geht's auch besser. Nur dem Wetter nicht. Das heult, weil ich die Delphine nicht besuchen komme oder die Delphine haben dem Wetter gesagt für sie traurig zu sein. Je nachdem.", antwortete Lucas deprimiert.
Nathan rutschte zu dem Junggenie heran und legte seinen Arm liebevoll um ihn. "Da es dir ja besser geht, könnten wir doch nach dem Mittagessen immer noch zu den Delphinen ins Aquarium.", flüsterte er verschwörerisch.
"Meinen sie, sie hat was dagegen?", fragte Lucas genauso flüsternd und in Richtung Küche nickend.
"Könnte sein." Als er den enttäuschten Ausdruck auf Lucas' Gesicht sah fügte er noch hinzu: "Aber dem werde ich vorbeugen."
"Seid ihr dabei eine Verschwörung zu planen?" Gerade in dem Augenblick musste Dr. Westphalen zu ihnen ins Wohnzimmer kommen. Sie ging zu Lucas. "Geht es wieder?"
"Ja, alles okay."
Sie tätschelte ihm ermutigend die Schulter. "Das Essen ist gleich fertig."
"Und wir können los?" Die Augen des Teenagers strahlten sie an.
Sie rollte mit den Augen. "Dich können wir hier sowieso nicht mehr lange halten, glaube ich."
"Juchu." Lucas sprang auf und lief nach oben. Er konnte ja nicht in Unterwäsche los.
*****
Die Schlange vor dem Aquarium war nicht besonders kurz und der Regen wurde anstatt besser nur schlimmer. Die drei unfreiwilligen Familienmitglieder standen unter einem großen Regenschirm zusammen gepfercht inmitten der langen Schlange.
"Wieso lassen die niemanden rein?", nörgelte Lucas. Ihm war kalt.
"Da drinnen werden einfach viel zu viele sein, als das sie noch mehr Leute nachziehen lassen können.", meinte Dr. Westphalen.
"Die sollen raus kommen. Haben doch schon alles gesehen. Jetzt bin ich dran!", verlangte der Teenager.
"Ich glaube dich bekommen wir nachher gar nicht mehr raus.", lächelte Bridger und legte dabei einen Arm um Lucas. So wurde ihm wenigstens etwas warm.
"So schlimm bin ich doch auch nicht."
"Nein, überhaupt nicht." Während Kristin dies sagte gab sie Lucas einen leichten Schlag auf den Oberarm.
Vor ihnen war eine Familie mit mehreren kleinen Kindern. Eines davon war des Wartens leid und fing an böse rum zu nörgeln. Das ging dem Teenager bald ziemlich auf die Nerven. Er war kurz davor den kleinen Jungen anzufahren er soll doch endlich still sein, da tat dies sein Vater mit einer schallenden Ohrfeige.
Kristin sah den Vater böse an. "Na hören sie mal. Sie können doch ihr Kind nicht einfach schlagen!"
"Das geht sie überhaupt nichts an. Kümmern sie sich um ihren eigenen Kram.", donnerte der Kerl mit dem Schnauzbart zurück.
"Doch das tut es.", mischte sich Bridger mit ein. "Sie müssen Verständnis für die Handlung eines Kindes aufbringen und nicht ihren Willen ihm aufdrängen. Was sie aber getan haben!"
"Sie können doch nicht von einem dummen Kind verlangen, dass es versteht wann es ruhig zu sein hat nur weil man es ihm sagt. Wie haben sie ihren Bengel denn erzogen?" Dabei zeigte er verächtlich auf Lucas. Der zog nur die Augenbrauen zusammen, denn schließlich hatte Bridger ihn ja nicht erzogen.
"Natürlich versteht es das nicht. Ist ja auch viel zu klein dazu. Nur mit Gewalt schaden sie ihm. Sehen sie ihrem Sohn doch mal in die Augen. Diese strahlenden Augen blicken sie mit Angst an. Ist es das was sie wollten? Der Kleine hat sich gelangweilt, was ja auch verständlich ist. Sie stehen genauso wie wir bereits eine Stunde in dieser Schlange durch den Regen dicht zusammengepfercht.", setzte sich Kristin weiter für das Wohl des Kindes ein.
Der Mann trat dicht vor Kristin und hielt ihr seinen Zeigefinger drohend unter die Nase. "Hören sie zu, wie sie sehen habe ich mehr als nur ein Kind und verdammt nochmal zu Hause sitzen einige bereits größere. Keines von ihnen hat einen Schaden davon getragen sondern ist wohlerzogen. Also hören sie auf mir erzählen zu wollen wie ich mein Kind zu erziehen habe!"
Nathan ging dazwischen und schob ihn wieder etwas weg. "Ganz ruhig. Wir wollen hier keinen Streit hervorrufen."
"Doch das wollen wir, wenn er seinen kleinen Jungen weiterhin so brutal behandelt. Kindesmissbrauch ist strafbar!", meinte Kristin energisch.
"Aber nicht von einem solch kleinen Klaps!", verteidigte sich der Vater schreiend. Die kleinen Kinder um ihn herum hatten angstvoll geweitete Augen. Man sah ihnen an, dass sie diesen Ton von ihrem Vater gewohnt waren.
"Ein kleiner Klaps? Na hören sie mal." Dr. Westphalen stemmte die Hände in die Hüften. Bridger redete beruhigend auf sie ein während der Vater nach wie vor immer lauter wurde. Eines seiner Kinder hielt sich bereits die Ohren zu. Der Junge, durch den dieser Streit ausgelöst wurde schniefte vor sich hin. Die dicken Kullertränen waren noch nicht von seinen Wangen verschwunden. Lucas wurde das zuviel. Er kniete sich zu den Kindern hin. "Wollt ihr mitkommen bis wir rein können?", fragte er sie. Zögernd nickten die kleinen. Ohne das Bridger oder Westphalen es mitbekamen machte er sich mit den vier Kleinen auf und davon. Nämlich in den Souvenirsladen des Aquariums.
Der kleine Raum war voll mit Menschen und Lucas hatte Mühe die Kinder im Auge zu behalten. Nicht auszudenken, was los sein würde, würde eines davon verschwinden. Spielfiguren aus Gummi zierten ein Regal. Es waren Haie, Rochen, Fische und alles mögliche Getier aus der Wasserwelt vorhanden. Tassen, Gläser mit Aufdrucken von Orcas und Pinguinen waren in einer Glasvitrine ausgestellt. Das Computergenie hatte den Jungen mit den roten Augen an die Hand genommen. Nun kniete er sich zu ihm hin. "Such dir etwas aus. Ich schenke es dir.", strahlte er den Kleinen an. Der bekam riesige Augen vor Freude. Seinen Geschwistern gestattete der Teenager ebenfalls etwas auszusuchen. Sie alle hatten schnell ein Objekt gefunden mit dem sie glücklich werden konnten. Hauptsächlich Stofftiere. Von den dicken Tränen waren bei dem Jungen an Lucas' Hand nach dem Kurzbesuch nichts mehr zu sehen. Stolz trug er seinen großen Hai zurück zu der Schlange. Anscheinend hatten sich die Gemüter wieder beruhigt. Suchend streiften die Blicke des Vaters der Kinder umher. Der schien doch etwas für seine Kinder zu empfinden, denn tiefe Sorge zeigten sich auf seinen Zügen. Bridger redete auf ihn ein.
"Sehen sie, ich wusste doch, dass sie bei ihm sind.", sagte jetzt Kristin mit einem wissenden Ausdruck, als Lucas mit den Kindern wieder bei ihnen war.
"Guck mal Papa was wir bekommen haben.", stolz zeigte eine seiner kleinen Töchter dem Vater seinen Holzdelphin. Der verzog miesgrämig das Gesicht und griff zu seiner Geldbörse in die Gesäßtasche.
"Lassen sie nur, es war ein Geschenk von mir.", wehrte Lucas schnell ab.
"Einfach so?", fragte er misstrauisch.
"Einfach so.", nickte Lucas.
Westphalen drückte stolz ihren blonden Teenager. "Sehen sie, ihre Kinder können sich auch zu netten Menschen entwickeln, wenn sie sie einfach mit mehr Einfühlsamkeit behandeln würden. Ihre Augen strahlen vor Freude und ich bin mir sicher, bis sie drinnen sind wird keiner mehr vor Ungeduld ihre Nerven strapazieren."
"Ich kann ihnen nicht jedesmal etwas kaufen, wenn sie still sein sollen!", maulte der Kerl nun wieder.
"Das verlangt auch keiner. Nur in der derzeitigen Situation war es einfach notwendig.", stimmte Bridger zu. "Versuchen sie es einfach mal. Wer weiß wie lange sie ihre Kinder noch haben."
Mit einem letzten kritischen Blick drehte der Mann sich wieder nach vorne. "Danke.", presste er vorher noch raus.
"Gern geschehen.", lächelte Lucas zurück.
Nach einer weiteren ereignislosen halben Stunde waren sie endlich drinnen. Der rabiate Vater mit seinen Kindern verschwand schnell aus ihrer Nähe. Sein Bedarf an Bridger und Westphalen Moralpredigten war fürs erste gedeckt. Lucas schmunzelte innerlich noch immer bei dem Gesicht als die beiden dann nochmals anfingen ihn über Erziehung belehren zu wollen und als Westphalen auch noch mit ihren Töchtergeschichten kam erst recht. Anscheinend hatte es den Kerl gar nicht gewundert, warum von diesen Töchtern keine einzige bei dem Ausflug dabei war.
Das Aquarium war wirklich voll. Sie gingen eine breite Treppe hinunter. An den Wänden waren rechts und links Bullaugen angebracht hinter denen kleinere Fische in allen Farben schwammen. Unten wurde der Gang nur durch die Aquariumsbeleuchtung erhellt. Ein Gefühl von zu Hause überkam Lucas. Das dämmrige Licht lies ihn an die Sea Quest denken. Große Scheiben rechts und links eröffneten den Besucher die geheimnisvolle Welt des Meeres. Gleich am ersten Fenster blieben die Bridgers stehen. Lucas drängelte sich durch die kleineren Kinder. Was mussten die Leute auch alle ihren Nachwuchs mitbringen?
"Wie klein diese Seepferdchen sind.", staunte Kristin.
"Es gibt noch weitaus kleinere.", erklärte Nathan.
"Wirklich? Die sind doch bereits nicht größer als ein paar Zentimeter."
"Du kannst dir ja mal eines fangen lassen.", flüsterte Bridger ihr ins Ohr.
"Von deinem privaten Aquariumsfisch?", flüsterte sie geheimnisvoll zwinkernd zurück.
"Ich dachte eigentlich mehr an den blonden Jungen hier, der sich gerade ordentlich die Nase an der Scheibe platt drückt und jeden Moment dabei ist selbst ein Fisch zu werden."
"Da sind Clownsfische drinnen!", drehte sich der Angesprochene nun zu den beiden Erwachsenen um.
"Dort hinten ist ein ganzes Becken voll mit denen.", zeigte Nathan was er besser nicht hätte tun sollen, denn Lucas war schneller als er reagieren konnte bei besagter Scheibe.
"Und ich dachte wir sind nur wegen ein paar Delphinen hier, dabei stürzt er sich auf alles, was im Wasser kreucht und fleucht." Lachend folgte Kristin dem Teenager. Sie zog den Reisverschluß ihrer Jacke auf. Hier drinnen war es wegen des hohen Besucherandrangs besonders warm. Nathan betrachtete noch eine Weile die Seepferdchen. Ob Lucas bemerkt hatte, dass da drinnen auch Junge waren?
"Gibt es einen Grund für deine Vorliebe dieser Fische?", fragte Kristin das Computergenie als sie sich durch die Leute gedrängt hatte, die ebenfalls vor dem Becken standen.
"Eigentlich weniger, aber seit ich Findet Nemo einmal zu oft gesehen habe, durfte ich mir den Film aufgrund eines absoluten Verbotes meines Vaters nie mehr ansehen und naja, sehen sie sich die doch einmal an. Bis zu dem Film ist mir nie aufgefallen wie schön sie sind."
"Du darfst dir einen Kinderfilm nicht mehr ansehen? Warum?", fragte Kristin ungläubig.
Lucas lächelte. "Jeder der Erbarmen mit mir zeigt, wird es mir kein zweites Mal gestatten diesen zu sehen. Ich bin danach nicht mehr derselbe."
"Ich verstehe es trotzdem nicht."
"Macht nichts. Vielleicht können wir auf dem Rückweg irgendwo eine Videodisk mit dem Film kaufen gehen. Wäre doch etwas.", schlug Lucas vor und betrachtete weiter die orangen und gelben Anemonenfische.
Kristin sah kritisch in das Aquarium. "Du hast recht. Sie sind wirklich schön. Oh, da ist auch ein großer Papageienfisch."
"Wo?"
"Da hinten." Sie zeigte mit den Finger in die hintere linke Ecke. Tatsächlich. Da war ein großer Fisch mit einer schnabelartigen Schnauze.
"Seht euch beiden lieber das hier an. Diese bunten Hummer leuchten richtig." Bridger zog Lucas am Arm zum nächsten Sichtfenster. Dahinter tummelten sich viele Hummer die ein farbenprächtiges Muster trugen. Dicke schwarze Streifen wurden durch dünne weiße und blaue unterbrochen. Ihr Schwanz war ebenfalls weiß.
"Wirklich erstaunlich. Da bekommt man wieder richtig Lust schnorcheln zu gehen.", sagte Kristin und lugte über die Schulter von Lucas.
"Ich finde die Seesterne schöner.", meinte Lucas, denn im selben Becken tummelten sich einige verschiedene Arten von Seesternen und vor ihnen schwamm gerade etwas rotes mit gelben Fühlern vorbei, das aussah als hätte es ein Laken übergezogen.
"Schöne Schnecken gibt es eben nur im Meer.", lächelte Bridger.
"Sind das nicht alles Rifftiere?", fragte Kristin.
"Ich nehme an die haben das so sortiert. Zuerst wird man mit der absoluten Schönheit des Meeres in den Bann gezogen und dann wird einem die brutale Wahrheit gezeigt.", grinste Bridger.
"Und die wäre?" Dr. Westphalen sah ihn kritisch an.
"Die süßen Delphine!" Schon schlüpfte Lucas unter dem Arm des UEO Captains hindurch.
"So ein Mist und ich hatte gehofft er hätte sie vergessen.", scherzte Nathan.
"Ich hoffe wir bekommen ihn nachher hier wieder raus.", lachte die Ärztin. Händchen haltend schlenderten sie dem blonden Teenager hinterher. Nun war er derjenige, der große Augen hatte und nicht mehr aus dem Staunen heraus kam.
Am Ende des langen Ganges mit den Becken der ganzen Rifftiere befanden sie sich in einem runden Raum in dessen Mitte eine ebenso runde Säule mit verschiedenen kleineren Fischen war. An den Wänden befanden sich Informationstafeln über die Flora und Fauna der Meereswelt. Was keiner von den beiden Erwachsenen gedacht hätte, das Computergenie studierte diese aufmerksam.
Um die Wassersäule herum standen Holzbänke. Nathan und Kristin erhaschten einen leeren Platz und sahen dem wissbegierigen Teenager zu. "Wer hätte das gedacht.", sagte Dr. Westphalen kopfschüttelnd. "Heute morgen habe ich mir noch über seinen seelischen Zustand Sorgen gemacht und dabei hätte ich ihn nur einmal kurz hierher bringen müssen. Ich wusste gar nicht, dass er sich so für eine Sache begeistern kann, die nichts mit seinen geliebten Computern zu tun hat." Sie legte ihren Kopf auf Bridgers Schulter.
"Wie ein kleines Kind eben. Aber kannst du ihm das verdenken? Der Ozean ist doch seit mehreren Monaten sein zu Hause geworden in dem er sich sehr wohl zu fühlen scheint. Dann kommen ein paar Verrückte und verdrängen ihn von dort. Ganz klar, dass er sich hier wohl fühlt." Nathan hauchte ihr einen zarten Kuss auf das blonde Haar. "Ich will nicht wissen was er macht, wenn wir zu den großen Becken mit den Delpinen kommen.", grinste er nun.
Sie blickte ihn an. "Ob ich vielleicht ein paar Beruhigungsmittel hätte mitnehmen sollen?"
Nun lachte der ältere Mann. "Wäre vielleicht ganz gut gewesen, aber vertrauen wir auf die Jugend, die sich sprunghaft immer wieder von einer Sache in die nächste stürzen kann egal wieviel Herzblut in der vorangegangenen gesteckt hatte." Er verdrehte die Augen. "Ich glaube wir müssen wieder aufstehen. Unser Kind ist soeben durch den Gang dort verschwunden. So wie es aussieht hat er alles durchgelesen und sein Wissen genug erweitert." Nathan half Dr. Westphalen auf und gemeinsam gingen sie nun ebenfalls in den nächsten Gang wo sie den blonden Computercrack vor einem Becken stehend vorfanden.
"Das sind aber ein paar unscheinbare Fische. Sehen ziemlich normal aus.", sagte Kristin, als sie zu ihm gingen.
Lucas grinste. "Dann passen sie nur auf, denen niemals zu begegnen."
Sie sah ihn fragend an. Auch der Captain lächelte, vorsichtshalber verdeckte er das Schild mit der Artbezeichnung. "Wo er recht hat, hat er recht.", meinte er noch grinsend dazu.
"Raus mit der Sprache, was wollte ihr mir sagen?"
"Jetzt bin ich aber wirklich baff. Sie kennen doch sonst alles. Wieso wissen sie nicht, was das hier für eine Art ist? Den Papageienfisch haben sie mir doch zuvor auch gezeigt." Lucas sah die Ärztin ganz erstaunt an.
"Mit Korallenriffen kenne ich mich durch meine Arbeit ja auch ein wenig aus, aber mehr weiß ich nicht. Ich bin Ärztin und Biochemikerin, keine Meeresbiologin."
"Na dann sehen sie sich mal die Mäuler dieser unscheinbaren Fische an. Das sollte ihnen vielleicht auf die Sprünge helfen. Sie kennen garantiert diese Viechter!", gab ihr Lucas einen Tipp. Kristin ging näher an die Scheibe heran und betrachtete die Tiere genauer. "Die haben Zähne."
"Piranhas!", bestätigte Lucas stolz. "Unscheinbar aber gefährlich. Ich muss es wissen, bin schließlich beinahe mal gebissen worden."
Mit schreckgeweiteten Augen drehte sich Kristin zu ihm um. Auch Bridger sah ihn fragend an. "Mich hat es mal in so ein Becken hier reingehauen. Glücklicherweise waren die gerade gefüttert geworden und mich haben ein paar Pfleger schnell aus dem Wasser gezogen. Mein Vater hat an dem Tag bestimmt die einen oder anderen Nerven lassen müssen. So schnell hat der mich nicht mehr aus den Augen gelassen.", grinste der Teenager nun.
"Du ziehst das Pech wohl magisch an?", fragte Bridger schließlich.
"Kann wohl sein. Allerdings war ich damals fünf und bin ausgerutscht, wenn man kleine Beine hat passiert das sicherlich schnell." Zur Bestätigung fiel ein kleines Mädchen das aufgeregt den Gang hinunter lief um in die Glasröhre zu gelangen, die sich an dessen Ende befand und um die herum große Haie schwammen,direkt neben ihnen auf die Nase. Das Mädchen wirkte überrascht. Es schien als würde es in Gedanken gerade versuchen zu verstehen was geschehen war. Langsam richtete es sich auf, da kam auch schon seine Mutter und im nächsten Moment fing sie an laut zu weinen.
"Naja, nur dauerte es bei mir nicht so lange bis ich begriff was geschehen war.", lächelte das Computergenie. "Gehen wir in den Haitunnel. Ich spüre wir sind ganz nah. Mir kribbeln schon die Finger." Er hakte sich rechts und links bei jeweils einem der beiden ein und schleifte sie zu dem Tunnel. "Meinen sie, dass man die Delphine streicheln darf?"
"Das glaube ich weniger.", bezweifelte Kristin.
"Wieso nicht? Die mögen Schmuseeinheiten doch."
"Du kannst nicht von einem Tier auf das andere schließen, Lucas. Das ist wie mit Hunden, die einen freuen sich einen zu sehen und die anderen beißen dir den Finger ab.", kommentierte Bridger.
"Was haben Hunde mit Delphinen zu tun? Die kann man doch gleich gar nicht vergleichen.", sagte Lucas und blieb im nächsten Moment mitten in dem Tunnel stehen. Vor und hinter ihnen konnten die Leute nun nicht weiter, denn ein blondes Computergenie versperrte ihnen den Weg und hielt seine Scheineltern fest im Griff. Mit leicht geöffneten Mund starrte er nach oben. Ein weißer Bauch floß über die Decke der Röhre dahin.
"Ich wusste gar nicht, dass auch Mantarochen in Gefangenschaft gehalten werden.", sagte Kristin, während sie Lucas aus dem Weg zog.
"Anscheinend doch. Mit den ganzen Haien, ist doch richtig faszinierend. Seht mal, die haben dort ein versunkenes Schiff hin gebaut.", versuchte Bridger die Aufmerksamkeit des Teenagers auf die eine Seite des großen Aquariumbeckens zu richten, denn der blieb stocksteif mitten im Gang stehen. Glücklicherweise funktionierte es. "Da sind noch andere Rochen.", zeigte er nun hinüber. "Und Hammerhaie!" Die beiden Erwachsenen kam es immer mehr vor mit einem sechsjährigen unterwegs zu sein anstatt mit einem zehn Jahre älteren Teenager. Beide freuten sich über die Begeisterung des Jungen, bis vor einigen Stunden hatte keiner von ihnen geglaubt ihn heute wieder fit zu sehen, doch das war er. Bereits in dem Moment als es die Zustimmung gab, trotz seiner Magenverstimmung es mit dem Aquarium zu versuchen.
"Na gut, gehen wir weiter." Endlich wandte Lucas den Blick aus dem weiten Becken mit den Haien und Rochen ab. Sie gingen weiter und als sie aus der Röhre traten erstreckte sich vor ihnen eine große Glasscheibe hinter der ein weiß, schwarzer Riese vorbei schwamm. "Das wird ja immer besser!", schwärmte Lucas. "Aus dem Weg Kleingemüse, ich muss den Orca sehen!" Mit dem Kleingemüse war eine Gruppe von Kindern gemeint, die ihm den Weg versperrten.
Bridger beugte sich leicht zu Kristin. "Das mit dem Beruhigungsmittel wäre vielleicht doch keine schlechte Idee gewesen."
Lachend zog sie ihn zu dem blonden Junggenie. Rechts von ihnen befand sich eine Treppe, die wohl nach oben und somit zu den Rängen um das Walbecken führte. "Lasst uns mal hochgehen. Bei dem Wetter werden vielleicht nicht so viele dort sein und wir können uns die Tiere von dort ansehen.", schlug sie vor. Schneller als sie gedacht hatte wandte der blonde Junge seinen Blick von den großen Meeressäugern ab.
Leider waren die Berechnungen von Dr. Westphalen falsch. Trotz des schlechten Wetters tummelten sich auch draußen um das Orcabecken herum viele Besucher. "Gibt es auch eine Show?", fragte Lucas.
"Als ich dir Eintrittskarten kaufte meinte die Verkäuferin, dass die wegen des schlechten Wetters heute ausfallen.", antwortete Nathan ihm.
"So ein Unsinn. Die Tiere sind bereits nass und die Pfleger werden während der Show nass. Was soll das ganze?" Dem Teenager schien die Antwort nicht so gefallen zu haben.
"Wohl aber die Besucher nicht. Ich denke mal es lohnt sich nicht eine Show zu veranstalten wenn die Ränge leer bleiben. Ich habe ehrlich gesagt auch keine Lust mich auf feuchte Bänke zu setzen und dort ewig im Regen zu sitzen nur um einige von diesen Monstern in die Luft springen zu sehen." Den letzten Satz hätte der Doctor vielleicht nicht sagen sollen.
"Das sind keine Monster sondern elegante Tiere die mitunter auch zu den Delphinen gehören. Werde ich im übrigen Darwin erzählen, was sie von seiner Art halten." Beleidigt tuend verschwand Lucas durch einen Durchgang am anderen Ende des Beckens.
"Muss ich mir da jetzt Sorgen machen?", fragte Kristin den Captain.
"Oh ja. Darwins Rache wird fürchterlich sein.", grinste Nathan. "Komm, sonst verlieren wir ihn doch irgendwann noch." Sie gingen den gleichen Weg wie das Junggenie und betraten nach einem erneuten langen dunklen Gang, der noch Teile des Orcabeckens zeigte, einen Raum der rechts und links große Fensterscheiben hatte.
"Das glaube ich nicht. Wir müssen uns nur bei den Delphinen auf die Lauer legen. Obwohl wir sie ja bereit gefunden haben.", sagte Dr. Westphalen.
"Scheint als hättest du ein Problem." Bridger stand nun hinter dem blonden Jungen.
"Sieht ganz so aus.", stimmte der ihm zu. "Wer kommt eigentlich auf die Idee und packt zwei Delphinarten in zwei verschiedene Basins und dann auch noch in gegenüberliegende Becken? Die Besucher können sich doch gar nicht entscheiden in welche Richtung sie zuerst sehen sollen!" Der Kopf des Teenagers drehte sich unaufhörlich von einer Seite zur anderen. Auf der linken Seiten waren die normalen Flaschennasendelphinen, denen auch Darwin angehörte, auf der rechten befanden sich die gewöhnlichen Delphine, die eine schwarze Körperfärbung und einen weißen Bauch aufwiesen an dessen Flanke sich ein gelblicher Fleck wie der weiße eines Orcas befand. "Das ist ja total doof hier!"
Bridger ging an Lucas' Seite. "Sieh mal, da geht es auch wieder nach draußen."
Der Teenager nahm den älteren Mann bei der Hand. "Mitkommen." Zusammen gingen sie mit dem Regenschirm bewaffnet nach oben. Kristin zog es vor lieber sich auf eine der Holzbänke zu setzen und die Delphine im Trockenen zu genießen. Sie standen oben am Rand des Beckens mit den grauen Meeressäugern. Lucas sah den Captain mit bettelnden Augen an. "Tut mir mein Ersatzdaddy einen Gefallen?"
Der Captain ahnte schlimmes. "Was kann ich für dich tun?"
"Schmiere stehen!", verlangte der blonde Junge.
Mit zusammengezogenen Augenbrauen mussterte Nathan das Computergenie.
"Na damit ich einen der Delphine mal streicheln kann. Der Pfleger dahinten guckt nur schon so böse. Ich will kein Hausverbot bekommen."
"Hast du ein Glück, das ich so viel Verständnis habe. Du musst bei mir aber dann auch aufpassen!", verlangte der Captain.
"Klar." Bridger drehte sich um und behielt den Pfleger in den Augen.
******
"Ihr beiden habt mehr Glück als Verstand.", tadelte die Ärztin die beiden lächelnd als sie das Aquarium verließen. Stolz war Lucas zu ihr gekommen und hatte ihr von den Delphinen erzählt, die sich alle bereitwillig von ihm streicheln ließen.
"Lasst uns nach Hause fahren. Es wird schon dunkel und mir tun die Füße weh.", schlug Bridger vor.
"Geht ihr schon mal vor, ich komme gleich nach." Westphalen verschwand kurz in im Souvenirsladen. Der Captain und Lucas gingen zum Wagen und warten in ihm auf die Ärztin.
"Ah, was ich dich noch fragen wollte. Gab es für deine solidarische Aktion mit den Kindern vorhin einen bestimmten Grund?" Der Captain hatte da einen Verdacht den er besser nicht bestätigt haben möchte.
"Nicht wirklich. Aber ich dachte es könnten denen mal guttun, dass man ihnen eine Freude bereitet."
"Das hatte also nichts mit eigenen Erfahrungen zu tun?"
"Oh nein.", schüttelte Lucas den Kopf. "Ich habe alle meine Ohrfeigen mehr als verdient gehabt. Das können sie mir glauben. Meine Eltern waren meist noch zu gutmütig. Sie haben immer gemerkt, wenn sie Gefahr liefen zu weit zu gehen."
"Hast du so viel Unsinn angestellt?", fragte Bridger lächelnd. Er war beruhigt zu hören, dass die Wolenczaks mit ihren Sohn nicht gewalttätig umgegangen waren.
Lucas lachte. "Und ob. Was würden sie davon halten, wenn ich ihr gerade fertig geschriebenes Computerprogramm wieder durcheinander bringe oder die Polizei vor der Tür steht, weil mein Hack bis zu uns zurück verfolgt wurde?"
"Du bist wirklich erwischt worden?"
"Na klar. Musste mir meine Tricks alle erst erarbeiten."
Die Wagentür an der Beifahrerseite öffnete sich und eine leicht durchnässte Dr. Westphalen stieg ein. Sie drehte sich zum Rücksitz herum. "Das ist für dich." Sie übergab eine weiße Plastiktüte dem Teenager.
"Für mich?" Lucas verstand es nicht ganz, nahm es aber entgegen. Gespannt sah auch Bridger nach hinten, was die Ärztin dem Teenager wohl mitgebracht hatte. Das Computergenie zog ein dickes Buch über Delphine aus der Tüte. "Wow. Vielen Dank, das wäre wirklich nicht notwendig gewesen!"
"Doch das war es. Schön, dass es dir gefällt.", lächelte sie.
"Nun, zumindest wird er für heute Abend wohl ruhig sein, weil er beschäftigt ist.", grinste Bridger und startete den Wagen.
