Diesen Samstag morgen war Lucas unverhältnismäßig früh wach. Minki schlief bei ihm auf dem Kissen. Ihr neues Kätzchen war verschwunden. Schnell stand für Lucas fest, dass es ihn auch nicht mehr lange im Bett halten würde. Warum er nicht mehr schlafen konnte, scherrte ihn nicht viel. Er nahm sich eines seiner Bücher und begab sich nach unten, wo jedoch schon jemand anderes am Tisch saß und sichtlich betrübt eine Kerze anzündete. Sollte er stören oder lieber wieder nach oben gehen? Anscheinend war er nicht bemerkt worden. Miauend schmiegte sich die schwarz-weiße Katze an die Wissenschaftlerin, der nun ein paar Tränen aus den Augenwinkeln liefen. Nun wurde die Sache für Lucas erst recht unangenehm. "Doktor?" Langsam war er in den Türrahmen getreten.

Kristin schniefte und wischte sich eiligst die Tränen aus den Augenwinkeln. "Lucas, was machst du denn so früh schon wieder auf den Beinen?" Sie versuchte sich ein Lächeln abzuringen, aber Lucas sah, dass es gequält und aufgesetzt war.

"Ist etwas passiert?" fragte er besorgt und trat nun noch näher an sie heran. "Oder wollen sie lieber allein sein? Ich meine, ich kann sofort wieder nach oben verschwinden und das hier vergessen."

"Du willst mir doch nicht etwa erzählen, dass du nicht neugierig bist." Sie schüttelte leicht den Kopf und sah dabei auf ihren neuesten Familienzuwachs. "Nein, ich glaube früher oder später würdest du es heraus finden. Komm her und setz dich zu mir. Jemanden zum reden zu haben, hilft manchmal." Sie rutschte etwas zur Seite. "Ich glaube ich habe auch einen Namen für unser Kätzchen hier gefunden, wenn du damit einverstanden bist."

"Einen Namen, bei dem ihnen die Tränen kommen?" Lucas kam der Aufforderung nach sich neben die Wissenschaftlerin zu setzen, doch noch immer fühlte er sich nicht wohl. Seine Stirn in Falten gelegt wartete er auf eine weitere Reaktion von Dr. Westphalen, die ihren Arm um seine Schultern gelegt hatte und stumm auf die Flamme der Kerze sah.

"Jedes Jahr an diesem Tag zünde ich zur selben Zeit eine Kerze an und lasse sie brennen, bis es abend wird." Ihr Stimme brach vor Schmerz.

"Wieso?" Lucas versuchte so sensibel wie möglich zu sein. Da Kristin ihn gebeten hatte zu ihr zu kommen, ging er davon aus, dass sie ihm davon erzählen würde und es in Ordnung wäre, wenn er Fragen stellte.

"Es ist der Geburtstag meiner vierten Tochter." Nun begannen die Tränen doch wieder zu fließen.

"Und sie sind traurig ihn nicht mit ihr verbringen zu können." meinte Lucas mit einem leichten Nicken seinerseits.

"Nein, deswegen bin ich nicht traurig, denn sie ist hier. Sie ist jederzeit bei mir."

Er kniff die Augen zusammen. Wie war denn das wieder zu verstehen. "Ähm..." Das namenlose Kätzchen hatte sich auf seinem Schoß zusammen gerollt. Ohne groß darauf zu achten strich er ihr sanft durch das Fell.

"Nicht Cynthia ist es die heute Geburtstag hat, sondern meine eigentlich vierte Tochter. Cynthia war unser fünftes Kind. Unser viertes starb nur wenige Stunden nach der Geburt. Sie hatte kaum das Licht der Welt erblickt, schon musste sie wieder gehen."

Betreten sah Lucas zu der Kerze auf dem Tisch. "Ist es der Zeitpunkt ihrer Geburt zu dem sie die Kerze entzünden?"

"Nein, es ist der andere." Wieder wischte sie sich mit dem Handrücken die Tränen von den Wangen. "Wir hatten sie Delta genannt, weil sie unsere vierte Tochter war und wir beide als Wissenschaftler fanden, dass es ein schöner Name war, der auch noch etwas edles an sich hatte." Die Erinnerungen an ihre Tochter, die niemals richtig hatte leben dürfen, schmerzten sehr. Kristin presste die Lippen fest aufeinander. Die ganzen Wünsche und Träume, die sie für ihre Tochter gehabt hatte, kamen mit einem Mal hoch. "Vielleicht ist es einfach nur verrückt was ich hier mache." Sie schniefte leise. "Doch ich glaube, wenn ich zum Zeitpunkt ihres Todes eine Kerze anzünde, kann die Wärme der Flamme die mütterliche Wärme, die sie kaum zu spüren bekam ein wenig ersetzen. Das Licht führt sie dahin, wo sie hingehört. Zu ihrer Familie."

Dem Teenager fiel nichts besseres ein, als die Wissenschaftlerin fest zu umarmen. Worte waren in diesem Moment so fehl am Platz wie Sauerstoff bei einem Brandherd. Miauend beklagte sich die Katze nach einer Weile, da ihr keiner mehr Beachtung schenkte. Kristin lächelte bereits wieder ein wenig zwischen den roten, verweinten Augen. "Tut mir leid. Mich überkommen manchmal noch diese Schübe. Im Grunde genommen bin ich eigentlich recht gut darüber hinweg gekommen. Ich habe noch andere wundervolle Töchter, die allesamt zu ehrlichen Menschen heran gewachsen sind, auf die ich stolz sein kann."

"Ja, aber dennoch sitzt der Schmerz tief und es reißt eine Kluft in ihr Herz, das niemals jemand zu schließen vermag."

"Du redest, als hättest du etwas ähnliches durchgemacht."

Lucas schüttelte den Kopf. "Nein, habe ich nicht, aber ich weiß noch wie das bei meinem Vater damals war als sein Vater starb. Die beiden hatten sich eine Woche zuvor heftig gestritten und das obwohl sie sich immer gut verstanden haben. Der Zweifel nagt nach wie vor an ihm und", er machte eine kurze Pause. "bei Bridger ist es nicht anders. Auch er hat diese tiefen Löcher, die niemals verheilen werden. Es bilden sich mit der Zeit nur Brücken über diese, die das Leid ein wenig abmildern, damit wir unsere eigenen Leben wieder aufnehmen können."

Ihr rannen noch immer stumme Tränen die Wangen hinunter, doch diese Worte aus dem Mund eines sechszehnjährigen halfen ihr sehr. Gerade nun, da sie fernab von ihrer Familie und ihren Kindern war, brauchte sie eine Stütze, die sie einigermaßen verstand. Es war kein Fehler gewesen ihm von Delta zu erzählen. Kristin beugte sich vor und gab ihm einen Kuss auf die Stirn. "Du bist wirklich süß Lucas, danke."

Er biß sich auf die Unterlippe. "Ich lasse sie dann besser allein mit ihrer Tochter. Ich wette sie beide möchten ein wenig für sich haben."

"Warte", hielt sie ihn am Arm zurück. "Ich hatte dir doch gesagt, ich hätte einen Namen für unser Kätzchen." Lucas sah auf die Katze auf seinen Arm hinab. "Ja?"

"Nun, die kleine ist dank dir nur knapp dem Tod entgangen. Wäre es in Ordnung für dich, wenn sie ab sofort den Namen Delta trägt?"

Auf dem Gesicht des Computergenies zeichnete sich ein warmes Lächeln ab. "Natürlich! Ich glaube ich hätte sie weiterhin Mietzekatze nennen müssen, wenn uns nicht bald was eingefallen wäre." Er drückte sie fest an sich. "Willkommen in der Familie, Delta Bridger."

Dr. Westphalen sah Lucas nach wie er wieder nach oben verschwand, jedoch nicht ohne vorher in der Küche sich ein paar Cornflakes in eine Schüssel zu geben um diese anschließend im Bett zu verputzen. Sie lehnte sich auf der Couch zurück und betrachtete wieder die Kerze vor sich auf dem Tisch. "Ich liebe dich, kleines." flüsterte sie leise vor sich hin.

Hier ist Kiddos Namensvorschlag, den ich nicht vorenthalten möchte, aber nicht einbauen konnte, weil ich mit dem Namen persönlich einige Probleme habe. Das Kapitel habe ich dieses mal absichtlich kürzer gehalten, obwohl ich eigentlich sehr viel mehr habe, aber ich werde einen Teil davon wieder umschreiben und das anders aufbauen, weshalb ich das als eigenes Kapitel dann bringe.

Noch im Halbschlaf setzte sich Lucas in seinem Bett auf und blickte sich in seinem Zimmer um. Irgendein Geräusch hatte ihn aufgeweckt, beim näheren hinhören war aber klar das dies nicht irgendein Geräusch war sondern das Miauen einer jungen Katze. Und es war definitiv nicht das von Minki.

Nachdem sich die Augen des Teenager einigermaßen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, erblickte er die schwarz weiße Katze auf der Fensterbank.

Vorsichtig stieg der Blondschopf aus dem Bett um Minki nicht von seinem Kopfkissen zu befördern. Er bahnte sich den Weg durch sein dunkles Zimmer und schaffte es weder auf das Puzzle oder sonst etwas zu treten. Am Fenster angekommen musterte er das Kätzchen genauer. "Was ist los? Warum miaust du so?"

Erneut streckte die Katze ihren Kopf leicht nach oben und stieß ein Herzerweichendes Maunzen aus.

Lucas folgte ihrem Blick und erblickte den Vollmond. Er musste förmlich ein Grinsen unterdrücken. Die Katze 'heulte' den Mond an.

Leicht ungläubig schüttelte er mit dem Kopf und nahm die Katze behutsam auf den Arm. Augenblicklich war sie still. "Du bist mir ja eine. Ich dachte nur Wölfe und manche Hunde würden den Mond anheulen."

Er graulte das zierliche Kätzchen am Kopf. Irgendwie war dieses Fellknäuel anscheint nicht ganz normal. Allerdings musste er zugeben das ihn das kein bisschen störte. Schließlich konnte man ihn selbst auch nicht gerade als normal bezeichnen. Und diese kleine Ersatzfamilie war es auch nicht. Warum sollten es also die Haustiere sein? "Ich glaub ich hab jetzt endlich den passenden Namen für dich gefunden."

Die Katze schien ihn aufmerksam zu zuhören.

"Ich werde dich Luna nennen. Das ist der Spanische Name für Mond." (Ich glaub jeden Fall das dies auf Spanisch Mond heißt). Yury: ja, da hast du recht Kiddo.

Wie zur Zustimmung fing das Kätzchen an zu schnurren.

Zusammen mit Luna auf dem Arm ging der Teenager wieder zurück zu seinem Bett. Er setze das Tier ab und legte sich hin. Es dauerte nicht lang und Luna erhob sich von der Stelle wo Lucas sie hingesetzt hatte und kletterte auf die Decke mit der sich ihr neues Herrchen zugedeckt hatte. Der Teenager ließ sie gewähren, schließlich war es draußen kalt und einer lebendigen Wärmflasche war er durchaus nicht abgeneigt.

Wenig später waren beide eingeschlafen und wie Minki im Land der Träume.