Kapitel 4: Samantha Pawn
Nadjas Blick wanderte verständnislos zwischen Professor Flitwick und ihrem Zauberstab. Fast jeder Schüler hatte die Feder zum Schweben gebracht, nur ihre lag noch am Tisch, unbeeindruckt von ihren Worten und dem Zauberstabgefuchtel.
„Mehr Gefühl, Miss Delano!"
Nadja probierte es noch einmal, doch die Feder blieb starrköpfig liegen. Am liebsten hätte sie diesen Zauberstab von sich geschleudert und das Ganze ohne ihn versucht. Rishkan brauchte ein solches Ding nicht, und dem konnte Voldemort nicht einmal das Wasser reichen, Tarson bekam schon bei dem Gedanken an Zaubern nur mit einem Zauberstab Lachanfälle und an Anatol wollte sie gar nicht denken. Rishkan hatte ja einmal versucht ihr einen ähnlichen Zauber beizubringen, ohne Stab natürlich. Das war es!
Sie versuchte erst gar nicht auf den Stab in ihrer Hand zu achten und konzentrierte sich stattdessen ganz auf die Feder. Sie stellte sich jene Kräfte vor, die sie auf dem Tisch festhielten, stellte sich vor, jene Kräfte umzudrehen und…
„Gratulation!", lobte Professor Flitwick, bevor sie überhaupt mitbekam, was geschehen war. „Nur sind Sie noch ein wenig zu stürmisch. Ein Glas wäre jetzt nur noch ein Scherbenhaufen."
Nadja verstand, was der Professor meinte. Die Feder war entgegen allen physikalischen Gesetzen nur so an die Decke geklatscht. Was hatte Rishkan gesagt? Zaubern ginge hier ganz leicht, man musste lediglich aufpassen es nur nicht zu übertreiben.
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Geschichte gefiel ihr ganz gut, weil man da so schön dösen konnte und es niemandem auffiel, weil das ohnehin jeder tat. Am Anfang hatte sie noch darüber gestaunt, dass ein leibhaftiger Geist den Unterricht las, doch schon bald war das Interesse verflogen.
Verwandlungen war zwar wesentlich spannender, doch schien diese Art der Magie alles andere als ihre Stärke zu sein. Auf Verteidigung gegen die Dunklen Küste war sie hingegen genauso gespannt wie der Rest der Schule. Laut der älteren Mitschüler hat in den letzten fünf Jahren kein einziger Professor dieses Fach länger als ein Jahr ausgeübt. „Keiner will mehr den Job", erzählte ihr Kenneth Akahanam beim Frühstück. „Jeder befürchtet verrückt zu werden oder gar zu sterben. Zum Glück hat sich aber dann doch jemand gefunden. Nicht auszudenken, wenn ausgerechnet Snape noch eine Gelegenheit hätte uns zu schikanieren."
Dieser jemand, eine ehemalige Aurorin vom Ministerium, hieß Samantha Pawn und war eine hübsche aber nicht übermäßig schöne Frau mit bernsteinfarbenen Augen und schlohweißem Haar. Die raue Stimme passte irgendwie nicht zu ihrem sanften Gesicht und es ging das Gerücht um, sie habe sich ihre Stimme bei einem spektakulären Unfall in Zaubertränke noch zu ihrer Schulzeit ruiniert, oder als sie auf Voldemort persönlich gestoßen war.
Nun gut, Nadja hatte sich viel erwartet und vielleicht war das auch der Grund, warum sie so enttäuscht den Unterrichtsraum verließ und irgendwie mit einem nicht zu definierenden unguten Gefühl im Bauch. Vielleicht hatte sie gehofft, dass man hier etwas von ihnen wusste, aber bei Vampiren, die man mit Knoblauchzehen verjagen konnte, Werwölfen im Licht des Mondes und kleinen Wesen aus dem Schrank, die einem Angst einjagen konnten, schien man hier seine eigenen Probleme zu haben. So war sie die einzige, die von dem Unterricht nicht hingerissen war, sondern als letzte mit hängendem Kopf aus dem Klassenraum treten wollte.
„Nadjeschda Delano?"
Nadja hob den Kopf und blickte überrascht zurück. Professor Pawn stand hinter dem Lehrertisch und musterte sie interessiert.
„Ja, Ma'am?"
„Du warst im Unterricht mit deinen Gedanken ganz woanders. Hab ich nicht recht?"
Nadja starrte knapp an der ehemaligen Aurorin vorbei.
„Außerdem hab ich dich nicht im Zug gesehen."
„Das kommt daher, dass mich unvorhergesehene Zwischenfälle dazu zwangen, schon ein wenig früher zu kommen", verteidigte sich Nadja.
„Ich weiß. Du bist im Verbotenen Wald von irgendetwas angefallen worden und nun hoffst du, dass du hier vielleicht lernst, wie du dich vor einem solchen Wesen in Zukunft verteidigen kannst."
Nadja wusste, wie man sich vor ihnen verteidigen konnte, allerdings brauchte man dazu Zeit, einen klaren Verstand und möglichst wenig Gift im Blut, Dinge die ihr damals eindeutig gefehlt hatten. Trotzdem nickte sie. Jemand, der nicht einmal etwas von ihrer Existenz wusste, konnte das nicht verstehen.
„Vielleicht kann ich dir helfen, wenn du mir verrätst, was dich angegriffen hat?" Pawns Stimme klang lockend. Vielleicht würde sie wirklich einen Verbündeten in dieser Frau finden, vielleicht… Das drängende Gefühl ihr alles zu erzählen versuchte mit aller Kraft Besitz von ihr zu ergreifen. Sie öffnete bereits ihren Mund, als sie endlich bemerkte, was sie im Begriff war zu tun. Pawn blickte sie erwartungsvoll und irgendwie triumphierend an. „Ich… ich kann mich nicht mehr erinnern", behauptete sie kühn und blickte ihr arglos in die Augen. „Nur an den Schmerz und die Angst. Madam Pomfrey sagt, das könnte am Gift liegen. Aber vielleicht erinnere ich mich ja, wenn wir dieses Wesen oder ein ähnliches behandeln." Ihr Innerstes erbebte bei dieser faustdicken Lüge, anmerken konnte man ihr allerdings nichts. „Darf ich jetzt gehen?"
Pawn wirkte enttäuscht. „Aber natürlich."
Nadja ließ sich das nicht zweimal sagen. Kaum war sie aus dem Klassenzimmer, ergriff sie die Flucht und hielt nicht eher an, bis sie den Gemeinschaftsraum erreichte und Basiliskenzunge rufend eingelassen wurde. Dort kauerte sie sich in eine Ecke und versuchte das Angstgefühl von sich zu schütteln. Heute würde sie sich einmal nicht an die Vorschriften halten und den Verbotenen Wald betreten. Wenn Anatol dort war, hätte sich die Schlange längst verzogen.
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„Es heißt, ein kleines Mädchen, ein Schlammblut, wäre im Verbotenen Wald nahe Hogwarts von Eurer Schlange angegriffen worden."
„Anscheinend taugt die Schlange nicht einmal dazu Kinder, noch dazu Schlammblüter zu beseitigen. Und das soll eine unbesiegbare Waffe sein?"
„Es könnte eine Verbindung geben zwischen jener Frau, die euch verspottete hat, und jenem Kind im Wald. Aber ich persönlich werde der Sache auf den Grund gehen. Das muss nicht Eure Sorge sein. Denkt lieber an die Möglichkeiten, die ihr nun habt! Ihr braucht nur ein oder zwei von ihnen losschicken, und sie werden alles in Hogwarts niedermähen, einschließlich Potter und Dumbledore."
Zorniges Zischen. „Erwähne nie wieder diese Personen in meiner Gegenwart!"
„Diese Personen würden gar nicht mehr existieren, wenn Ihr endlich Euer neues, unser neues Ass aus dem Ärmel zieht. Ich hoffe, Ihr wisst das."
„Mich stört der Gedanke, dass niemand das Massaker überleben wird. Es gibt dort Personen, die mir lebendig mehr nützen."
„Es müssen immer Opfer gemacht werden. Und wenn Ihr sie macht, werdet Ihr erfahren, wie wir einen würdigen Herren zu belohnen pflegen."
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Wegen der lieben Reviews konnte ich es nicht lassen und musste gleich das nächste Kapitel posten. Aber es ist ja (noch) Sonntag und noch hab einen großen Vorrat an fertigen Kapiteln. Ich weiß, Snape kommt hier gar nicht vor, aber das wird sich bald ändern.
Cyberrat: Anatol kommt schon im nächsten Kapitel, und ich glaub, der wird vor allem für dich eine Überraschung sein, obwohl Anatol hat eigentlich zwei Überraschungen auf Lager. Das Geheimnis um Nadja darf ich noch nicht lüften (das kennt noch nicht einmal meine Betaleserin), aber es wird gelüftet. „Fallen angel" und „Holy angel from dark heaven" hab ich übrigens schon gelesen, zu meiner Schande muss ich aber gestehen, dass ich „Fallen angel" in einem Zug gelesen habe und dort nur ein Review hinterlassen habe. Bei den nächsten Kapiteln werd ich immer reviewn, versprochen. Deine anderen Geschichten hab ich noch nicht gelesen, aber das wird sich bis zum nächsten Update sicherlich ändern.
Sevina: Danke für das nette Review. Es freut mich so, dass es dir gefallen hat.
