Irgendetwas funktioniert bei nicht so, wie es sollte, beim Posten und beim Reviewschreiben. (Hoffentlich funktioniert es jetzt). Eine kleine Warnung gleich vorweg. Das ist einer von insgesamt drei Gründen bzw. Stellen, warum ich das Rating auf M gesetzt habe. Also Vorsicht!
Nun zu dem Kapitel. Die neuen Personen stammen aus der altiranischen Mythologie. Das heißt, ich hab die Namen übernommen, kenne so ungefähr ihre Bedeutung, doch das war es auch schon. Im Grunde hab ich kaum eine Ahnung von diesen Wesen/Personen. Fall da also irgendein Spezialist mitliest, bitte nicht böse sein, das Ganze ist schließlich nur eine Geschichte.
Jetzt geht es aber weiter!
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Kapitel 11: Tod und Fliegen
Voldemort führte beide, Snape und Bethan, durch den engen Tunnel, aber nicht wie erwartet hinauf in seine Gemächer, sondern hinunter in den Keller. Bethan war entgegen seiner Art ganz still geworden und schien vor Angst fast den Verstand zu verlieren, und auch Snapes Panik wuchs mit jedem Schritt, der sie tiefer in die Eingeweide des Klosters führte. Er war praktisch mit dem Dunklen Lord alleine und hatte keine Ahnung, warum ausgerechnet er diese Auszeichnung bekam. Er machte sich nichts vor, der Dunkle Lord traute ihm nicht und der einzige Grund, warum er zurückkehren konnte ohne in kleine Scheibchen wieder nach Hogwarts geschickt zu werden, war sein Talent bei Zaubertränken. Daher musste er mit den Informationen, die er aufschnappte, sehr vorsichtig umgehen, um Dumbledore und das Ministerium nicht aus Versehen in eine Falle zu führen. Hatte Voldemort nun vor, sich eines möglichen Spions und gleichzeitig auch eines unfähigen Todessers zu entledigen? Der Dunkle Lord hatte schließlich etwas von Preis Bezahlen gesagt.
Nagini fiel immer mehr zurück und folgte ihnen schließlich gar nicht mehr, etwas, mit dem der Dunkle Lord offenbar gerechnet hatte, denn es störte ihn nicht im Geringsten. Dann fiel es auch seiner feinen Nase auf, ein süßlicher Gestank wie von verwesendem Fleisch, der stärker wurde, je tiefer sie kamen. Snape kämpfte die Panik nieder, die ihn erfasste – das würde ihn nur anfälliger für einen möglichen Zauber Voldemorts machen – doch gegen die aufkommende Übelkeit konnte er nicht viel tun. Aus den Augenwinkeln erkannte er, wie sich Bethan einen Teil des Umhangs vor seine Nase hielt, was Voldemort zu einem spöttischen Gelächter reizte, das unheimlich von den Wänden zurückgeworfen wurde und Bethan dazu veranlasste erschrocken den Kopf einzuziehen.
Schließlich endete der Gang vor einer massiven Eichentür, deren Schloss bei einer Berührung von Voldemorts Zauberstab aufschnappte. Erst jetzt wandte er sich den beiden unglücklichen Todessern zu. „Ihr werdet das dort drinnen entsorgen", erklärte er ihnen mit zischelnder Stimme. „Und ich will, dass nichts übrig bleibt, was das Ministerium oder gar Muggel auf dumme Gedanken bringen könnte."
Snape und Bethan starrten sich nur verständnislos an.
Ein bösartiges Grinsen erschien auf Voldemorts flachem Gesicht. „Nun, dann wünsche ich euch einmal viel Spaß!" Mit diesen Worten öffnete er schwungvoll die Tür und verschwand, ohne dem Entsetzen seiner Untergebenen auch nur die kleinste Beachtung zu schenken.
Schon angesichts des bestialischen Gestanks hätte Snape seine ganze Selbstbeherrschung verloren, doch der Gestank war das Freundlichste, was ihnen die Zelle bot. Seine Knie wurde weich und ohne Bethans rasches Zupacken wäre er wahrscheinlich zu Boden gegangen, ein Gedanke, der Entsetzen und Ekel noch mehr wachsen ließ.
„Darum wollte uns die Schlange also nicht folgen", stellte Bethan sachlich fest, als der erste Schrecken verflogen war, und Snape hasste ihn für die plötzliche Ruhe in seiner Stimme. „Schlangen sehen zwar nicht gut und sind praktisch taub, sie haben aber eine sehr feine Nase. Ich hoffe, Sie haben noch nichts gegessen."
Das hatte der Tränkemeister zwar nicht, trotzdem glaubte er, dass sein Magen einen Salto nach dem andern schlug.
„Sie sind nämlich etwas grün im Gesicht", bemerkte Bethan gelassen, während er sich seine Aufgabe genauer ansah. Er wanderte vor dem Haufen auf und ab und murmelte unentwegt vor sich hin, während Snape, plötzlich seiner Stütze entledigt, verzweifelt versuchte sowohl auf den Beinen zu bleiben, als auch ja nicht mit der Wand in Berührung zu kommen.
„Da gibt es nämlich noch so ein Problem", stellte Bethan nun etwas verärgert fest. „Die magischen Linien sind vollkommen durcheinander, richtig zerstört. Wir haben also leichte Probleme, wenn wir es mit einem Schwebezauber versuchen wollen."
Snape bekam kaum etwas von dem mit, was der Todesser gerade gesagt hatte, denn zu Mittag hatte er sehr wohl eine Kleinigkeit zu sich genommen.
„Ich glaube, Sie hören mir gar nicht richtig zu", beschwerte sich Bethan. „Da ich heute noch nach Hause kommen will, sollten wir langsam anfangen. Alleine und ohne Magie schaffe ich das nicht." Er seufzte laut. „Unter meinem ersten Auftrag habe ich mir zwar etwas anderes vorgestellt, aber man soll sich schließlich nicht beschweren."
In diesem Augenblick wuchs eine solche Wut in Snape, dass Bethan einen Sicherheitsschritt nach hinten machte. „Ist Ihnen überhaupt klar, was wir tun sollen?", schrie er den jungen Todesser an. „Sie reden, als ob wir einen Dachboden entrümpeln sollten. Das sind aber keine verstaubten Möbel, das sind Menschen."
„Falsch", entgegnete Bethan, und die Kälte in seiner Stimme ließ den Professor in seinem Innersten erzittern. „Das sind keine Menschen, das waren welche. Sie sollten genauer bei den Zeiten sein."
Wenn Snape nicht so geschwächt gewesen wäre, hätte Bethan nun den Abdruck seiner Hand im Gesicht gehabt oder die Vor- und Nachteile eines Cruciatus-Fluchs kennen gelernt, egal ob dieser verboten war oder nicht. Aber so kämpfte er schon allein darum, sein Gleichgewicht zu behalten und seinen randalierenden Magen unter Kontrolle zu bekommen. Doch dann entdeckte er etwas Mitleid in den Zügen seines Gegenübers, nicht Mitleid mit den über zwei Dutzend verstümmelten Toten vor ihnen, sondern Mitleid mit ihm.
„Ich weiß, wie schrecklich ein solcher Anblick beim ersten Mal ist", gab Bethan beruhigend zu. „Doch das macht sie nicht mehr lebendig. Der Dunkle Lord hingegen wartet, dass wir seinen Befehl ausführen, und er wird misstrauisch werden, wenn wir so lange brauchen, um uns zu fassen."
„Er hat ihnen die Haut abgezogen", stellte Snape entsetzt fest, als er sich die Leichen genauer besah.
„Sie waren ganz sicher schon tot", behauptete Bethan, doch diesmal glaubte er leichte Zweifel in seiner Stimme zu hören. „Also, jetzt hören Sie mir mal gut zu! Wir suchen uns jetzt ein paar Lumpen von oben und dann machen wir uns an die Arbeit. Draußen, gleich vor dem Kloster, gibt es eine Lichtung, auf der wir sie einmal zwischenlagern können. Danach wird uns schon was einfallen, doch erst einmal müssen die Toten raus. Haben Sie das verstanden?"
Snape nickte dankbar. Er konnte sich mit Bethans Ruhe zwar noch immer nicht anfreunden, sie widerte ihn sogar richtig an, doch es tat gut, dass nicht er in einer solchen Situation die Entscheidungen treffen musste. Anscheinend hatte er den Grünschnabel ganz falsch eingeschätzt.
Gemeinsam, Bethan gelassen, als ob er hier zu Hause wäre und nur vorhatte den Müll raus zu tragen, und Snape mit kreideweißem Gesicht und auf wackeligen Beinen, gingen sie wieder nach oben und fanden tatsächlich in einem Nebenraum ein paar Kutten aus dem letzten Jahrhundert, die dementsprechend auch aussahen. Bethan störte der Zustand der Kleidung aber überhaupt nicht, sondern begann eifrig die Lumpen zu zerfetzen. Nach kurzer Zeit war er mit seiner Arbeit zufrieden und reichte Snape drei Fetzen. „Die zwei wickeln Sie um ihre Hände und den da binden Sie sich vor Mund und Nase und… Geben Sie den kurz wieder her." Er nahm den provisorischen Mundschutz wieder an sich und träufelte einige Tropfen aus einer kleinen Phiole, die er offenbar einstecken gehabt hatte, darauf. Dann gab er ihm den Stoff zurück. „Los, nehmen Sie endlich den Mundschutz."
Snape war schon vorher der scharfe Geruch aufgefallen, doch irgendwie hatte er das Gefühl, dass Bethan genau wusste, was er tat und gehorchte. Nach seinem ersten Atemzug bereute er seine Gutgläubigkeit auch schon wieder. Zwar stank der Fetzen nicht nach verwesendem Fleisch, aber der stechende Geruch, den der Stoff verströmte, war ein grausamer Schlag für seine Riechnerven. Er glaubte beinahe, die Atemwege würden ihm verbrennen.
„Ist nicht sehr angenehm", gab Bethan zu, beträufelte seinen Mundschutz ebenfalls mit dem Mitteln und legte ihn sich an. „Aber der Geruch dort unten ist alles andere als wohltuend und das hier legt für einige Zeit unsere Nasen lahm."
Auch Snape spürte langsam, dass nicht nur der Gestank verschwand, sondern dass er gar nichts mehr riechen konnte. Er hoffte sehr, dass das Mittel nur für einige Stunden wirken würde. In seinem Beruf war ein intakter Riechsinn absolut notwenig. „Was ist das?", wollte er wissen, doch Bethan lachte nur.
„Glauben Sie mir, Sie schlafen besser, wenn Sie keine Ahnung haben."
„Und Sie tragen so ein Mittel immer mit sich herum?" Welche Überraschungen konnte denn Bethan noch liefern.
„Nun, wenn sie so neugierig sind. Das ist eigentlich ein Heiltrank. Ich weiß, riecht nach allem anderen nur nicht nach einem Heiltrank – liegt an den Zutaten – aber glauben Sie mir, es gibt nichts Besseres. Doch jetzt sollten wir wieder zurück in den Keller."
Erst dann gingen sie an die Arbeit, die nicht nur eine körperlich, sondern vor allem eine seelische Strapaze war, zumindest für Snape. „Sie packen ihn bei den Fußgelenken, ja genau dort, und ich schnapp mir die Schultern!" schlug Bethan mit unheimlich verzerrter Stimme, bedingt durch den Mundschutz, vor. Das Fleisch des Toten war nicht mehr besonders fest, er musste schon einige Tage, wenn nicht Wochen hier unten liegen, und die Tatsache, dass ihm die Haut fehlte, machte die Arbeit nicht gerade angenehmer. Sie hatten beim ersten Toten gerade mal die Hälfte der Strecke geschafft, als Snape den Ermordeten ohne Vorwarnung fallen ließ und wimmernd zusammenbrach. Andere Todesser hätten ihn angesichts dieses Nervenzusammenbruchs verhöhnt, Bethan hingegen legte ihm nur verständnisvoll eine Hand auf die Schulter und wartete, bis er sich wieder beruhigt hatte. „Ich weiß", sprach er eindringlich auf ihn ein. „Das, was diesen Menschen widerfahren ist, ist einfach schrecklich, und damit untertreibe ich gewaltig. Doch was immer sie durchmachen mussten, jetzt ist es vorbei und sie spüren nichts mehr. Geben wir ihnen etwas ihrer gestohlenen Würde zurück, indem wir sie dort unten nicht einfach verfaulen lassen!"
Snape nickte nur, zum Sprechen fehlte ihm die Kraft, und rappelte sich wieder auf.
Von da an ging es etwas besser. Snape nahm sich Bethans Rat die Toten nicht als Menschen zu sehen zu Herzen, doch erst ab dem fünften klappte dies ein wenig. Trotzdem kostet es ihm jedes Mal ungeheuerliche Überwindung einen weiteren Leichnam anzufassen, und als einer von ihnen plötzlich entzweibrach, konnte er einen Schrei des Entsetzens einfach nicht unterdrücken. Bethan hatte dieser Vorfall nur ein verärgertes Stirnerunzeln entlocken können, es bedeutete schließlich mehr Arbeit. Snape hatte versucht die Toten mit einem Schwebezauber zu belegen oder sie zu Staub zerfallen zu lassen, doch wie Bethan gesagt hatte funktionierte weder das eine noch das andere. Nach dem zehnten Toten konnte er das Ekelgefühl beiseite schieben, nach dem fünfzehnten dachte er nicht mehr daran, dass dies einmal Menschen gewesen waren und einige Zeit, nachdem er diesen Zustand erreicht hatte, erschauderte er über seine plötzliche Ruhe. Aus ihm war ein gefühlloses Monster geworden, wie Bethan, der offenbar in seinem Leben nie etwas anderes getan hatte, als Leichen zu entsorgen. Hatte ihn der Dunkle Lord deswegen bei den Todessern aufgenommen?
Es war schon längst Mitternacht vorbei, als sie den letzten Toten, ein kleines Kind, auf den Scheiterhaufen auf der Lichtung zerrten. In Schweiß gebadet und am ganzen Körper zitternd ließ er sich aufs dürre Gras fallen und betrachtete den Raureif, der sich auf den Halmen gebildet hatte, für ihn das Schönste, was er in den letzten Stunden gesehen hatte.
„Zurück!", befahl Bethan plötzlich und zerrte ihn schon weg vom Leichenhaufen. Snape ließ dies widerstandslos mit sich geschehen und beobachtete ungerührt aus sicherer Entfernung, wie Bethan eine Flüssigkeit aus einem Kanister über die Toten schüttete. Woher er diesen Kanister hatte, wusste er nicht. Er bezweifelte, dass Voldemort so etwas im Kloster hatte. Als Bethan in einiger Entfernung ein Holzstück mit einem Zauber zum Brennen brachte und diesen auf den Leichenhaufen schmiss, wusste er sicher, was er vorhatte. Doch als die ersten Toten ganz langsam Feuer fingen und das Fleisch wie in Zeitlupe verkohlte und langsam zu Asche wurde, hätte er sich am liebsten in die Flammen geworfen, so elend fühlte er sich. Bethan hatte Recht, diese Menschen waren um einiges besser dran als er. Lediglich seine Erschöpfung hielt ihn von einer solchen Tat ab.
Bethan hatte sich die Lumpen von den Händen gewickelt und auch endlich seine Handschuhe ausgezogen, um beides anschließend mit einem zielsicheren Wurf in das langsam wachsende Flammenmeer zu befördern. Dann riss er ohne zu fragen auch Snape die Lumpen von seinen Händen und verfuhr mit ihnen auf ähnliche Weise.
„Geschafft!", verkündete er zufrieden und setzte sich zu ihm. Snape war nicht zum Reden zumute und starrte nur weiter vor sich hin, aber anscheinend war es Bethan egal, ob ihm sein Zuhörer auch wirklich seine Aufmerksamkeit schenkte oder nicht, denn er fuhr fort, wenn sich auch nun leise Besorgnis in seine Stimme schlich: „Bei uns zu Hause sagt man, dass die Zeiten dunkler werden, wenn die Scheiterhaufen wieder brennen. Egal was auf solchen Scheiterhaufen brennt, ob Bücher, ob Erfindungen, ob Tiere oder gar Menschen, immer verbrennt auch etwas von dem Guten in dieser Welt."
Snape starrte nur weiter in die Flammen. Genauso wie Bethan trug auch er noch immer den Mundschutz. Den Gestank von verbranntem Fleisch hätte er nicht ertragen.
„Sie sind zu weich für die harte Welt der Todesser", fuhr Bethan ungeachtet seines Desinteresses fort. „Was hat einen schwarzen Raben wie Sie in diese unwirtliche Gesellschaft verschlagen?"
Snape horchte auf. Bethan wollte ihn ausfragen. „Das Gleiche könnte ich Sie fragen."
„Tun Sie's ruhig. Ich bin hier, weil mir ein guter Freund sagte, es wäre eine ausgezeichnete Idee. Dabei hasst dieser Personen wie den Dunklen Lord und schenkt seinen Anhängern bestenfalls Verachtung."
„Er hat Kinder getötet", stellte Snape fest, als er mit ansehen musste, wie eine kleine Hand Feuer fing.
„Ich glaube gar nicht, dass er einen dieser Pechvögel überhaupt berührt hat." Snape starrte ihn verständnislos an, doch der Grünschnabel schien es nicht einmal zu merken. „Der Meister mag zwar schnell beim Töten sein, aber ich glaube nicht, dass er die Geduld hat so vielen Menschen die Haut abzuziehen", fuhr Bethan fort. „Außerdem, einige der Toten waren wirklich übel zugerichtet. Ich für meinen Teil kenne nicht viele Flüche, die es einem ermöglichen, einen erwachsenen Mann in Stücke zu reißen."
„Der Dunkle Lord kennt sie sicher", entgegnete Snape resigniert.
„Ach, tatsächlich?" Bethan lachte eisig. In diesem Augenblick fragte sich Snape, warum Voldemort angesichts einer solchen Kälte und Respektlosigkeit nicht fürchtete eines Tages von Bethan ein Messer in den Rücken zu bekommen. Aber Voldemort kannte ja nur den schreckhaften und unterwürfigen Bethan, dieses Quasselmaul. Er hatte den, der in diesem Augenblick neben ihm saß, nie gesehen, da war er sich ganz sicher. „Aber Sie sind müde", stellte Bethan plötzlich fest. „Anders als ich haben Sie noch einen Beruf auszuüben."
„Morgen ist Freitag, da hab ich kaum Stunden."
Bethan zuckte mit den Schultern. „Sie sehen mit aber trotzdem so aus, als ob Sie Ruhe benötigen."
„Ich bezweifle, dass ich heute noch Schlaf finde."
„Versuchen sollten Sie es trotzdem. Ich werde schon auf das Feuer aufpassen."
Snape drehte sich wieder zu Bethan. Er hatte zwar noch immer das ungute Gefühl, dass man ihm ganz und gar nicht trauen durfte, doch nun schien er ehrlich zu sein. Dieser Fremde, dieser kaltblütige Todesser, schien sich tatsächlich um ihn Sorgen zu machen, um den unerwünschten aber leider gebrauchten Giftmischer, dem sonst immer nur Verachtung entgegenschlug. Ein schwaches Lächeln erschien auf seinen Lippen. „Wenn Sie mich so drängen? Vielen Dank!"
„Keine Umstände. Ich kann doch sehen, dass Ihnen das Ganze ziemlich nahe geht. Ich bin mit solchen Sachen vertraut."
„Ich weiß nicht einmal Ihren ganzen Namen." Nun wurde wieder der Spion in ihm wach.
Bethan lachte schallend. „Ganz recht. Wenn man einen Abend damit verbracht hat, gemeinsam Tote zu verbrennen, dann sollte man sich schon besser kennen. Ich bin Tarson Bethan und Sie heißen Severus Snape, wenn mich die anderen nicht angelogen haben. Giftmischer ist wirklich kein freundlicher Name, da muss ich Ihnen zustimmen."
„Grünschnabel auch nicht", warf Snape ein.
Bethan reichte ihm lachend die Hand und Snape ergriff sie nach kurzem Zögern.
Nachdem sich beide voneinander verabschiedet hatten und Snape seinen Mundschutz abgenommen hatte, apparierte er zurück zum Verbotenen Wald. Er wollte so schnell wie möglich aus seinen stinkenden Sachen, sich gründlich waschen und den ganzen Tag endlich vergessen. Außerdem war es Zeit für einen Bericht bei Dumbledore, der wusste vielleicht Antworten auf all die neuen Fragen. Doch musste er weiter über diesen Bethan nachdenken, einerseits an die große Kälte in ihm und andererseits an den Versuch, ihm bei dieser Schreckenstat so etwas wie eine seelische Stütze zu sein. Irgendetwas war an ihm sonderbar gewesen, als er ihm die Hand gereicht hatte, doch er hätte nicht sagen können, was.
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Tarson starrte schockiert auf seine Hände, genauer gesagt auf seine Finger, und runzelte besorgt die Stirn. Er wurde nachlässig. Einen solchen Fehler durfte er sich auf keinen Fall mehr erlauben. Gut, hier draußen würde sowieso niemand mehr seine Hände sehen. Es war richtig gewesen, dass er den bedauernswerten Professor weggeschickt hatte. Hoffentlich hatte er nichts gemerkt! Auch wenn Snape Dumbledores Spion war – bei solchen Dingen täuschte er sich nie – konnte dies unangenehme Folgen für ihn haben.
Er ballte seine Hand zu einer Faust und ging wieder zu dem Scheiterhaufen. Er wusste, dass ihn Snape nach diesem Abend für kaltblütig hielt. Sollte er doch, er hatte ja schließlich Recht. Doch trotzdem hasste er sich für das, was er nun tun musste. Es gab vielleicht noch andere Möglichkeiten, um an Informationen zu kommen, Möglichkeiten, die nicht so teuer waren, doch bevor er solche fand, konnten andere Voldemort und seinem neuen Verbündeten zum Opfer fallen. Außerdem, die Menschen hier waren dem Zustand ihrer Körper nach schon eine Ewigkeit tot. Lediglich die Kälte des Kellers hatte dafür gesorgt, dass die Verwesung noch nicht so fortgeschritten war. Das, was er plante, würde ihnen gewiss nicht mehr wehtun.
Auf einen Wink des Zauberstabs erlosch das Feuer vor ihm. Er rief den Nebel zu sich, und der Nebel kam. Er rief die Stille, und die Stille kam. Für das, was er vorhatte, konnte er keine Zeugen brauchen, und er war sich sicher, dass ihn Voldemort gerade in diesem Augenblick vom Fenster aus beobachten wollte. Und dann rief er sie. Er rief sie ziemlich lange und sein Ruf, den er wegen des Zaubers nicht einmal selbst vernahm, durchdrang die gesamte Welt und erreichte jenen Ort, an dem sie lebten. Es dauerte wohl eine Stunde, bis sich etwas tat. Der Nebel verfärbte sich und Tarson konnte spüren, dass ihn immer mehr Fliegen umschwärmten, ein gutes Zeichen. Sie war also persönlich gekommen, eine Ehre.
„Du hast mich gerufen", surrte es um ihn herum oder besser gesagt in seinem Kopf. „Und ich war neugierig. Nicht oft erreicht uns der Ruf eines Verzweifelten. Was wünscht du von mit?"
Tarson kannte sich mit dieser Art von Zauber viel zu gut aus, um sich nicht von dem unterwürfigen Ton seines Gastes täuschen zu lassen „Charmant wie immer, beste Nasu."
Die Fliegen um ihn summten aufgeregt und schlossen sich langsam zu einem Schwarm zusammen.
„Glaubst du etwa, ich rufe jemanden, den ich nicht kenne?", wollte Tarson wissen und beobachtete ungerührt, wie sich der Schwarm verdichtete und langsam beinahe so etwas wie menschliche Gestalt annahm, und zwar die Gestalt einer Frau. So etwas hatte er schon ziemlich oft gesehen, die wahre Gestalt einer Drug konnte ihn nicht mehr aus der Fassung bringen.
„Was ist Euer Befehl, mein Meister", wollte die Frau demütig wissen und warf sich vor ihm auf den Boden, begleitete von einem ewig surrenden Geräusch, das einem den Verstand rauben konnte.
„Informationen."
Nasu surrte unruhig. „Ich kann jemanden bei lebendigem Leib verfaulen lassen, ich kann die frischsten Lebensmittel verderben, aber Informationen beschaffen, das kann ich nicht."
„Du kommst viel herum, deine Fliegen sehen alles, auch warum diese Menschen starben, wessen Geschenk sie waren." Wenn jemals so etwas wie Wärme in Tarson Stimme gewesen war, so konnte man davon nun absolut nichts mehr hören.
Nasu erhob sich aber und starrte ihn furchtlos aus abschätzenden Insektenaugen an. „Du gibst kühne Befehle", stellte sie surrend fest. „Du weißt, wer ich bin und zu was ich fähig sein kann?"
Tarson nickte, ließ die Fliegenfrau aber nicht aus den Augen. „Ich will nur noch über den Preis verhandeln."
Die Fliegen stoben plötzlich auseinander und umringten ihn. Sie versuchten ihm in die Augen zu krabbeln, in die Nasenlöcher, unter die Kleidung. Er spürte unzählige kleine Beine und hungrige Rüssel auf seiner Haut, doch er blieb vollkommen ruhig. Panik hätte seinen sofortigen Tod bedeutet. „Der Preis wird hoch sein", flüsterte es aus abertausenden Richtungen.
„Ich schenke dir einen dieser Toten. Du darfst dir sogar aussuchen, wen." Diesmal musste Tarson husten, denn trotz aller Vorsicht waren ihm einige Fliegen beim Sprechen in den Mund gekabbelt.
„Einen!", kreischte Nasu in seinen Ohren. „Alle, das ist viel besser."
Tarson nickte vorsichtig. Dieser Trick funktionierte tatsächlich immer wieder.
Der Fliegenschwarm ließ von ihm ab und stürzte sich auf den teils schon verbrannten Leichenhaufen. Das, wofür das Feuer die ganze Nacht gebraucht hätte, geschah nun in wenigen Augenblicken. Die Toten zerfielen zu Staub und entließen Millionen von weiteren Fliegen.
„Es war die Schlange", surrte es in seinem Ohr, wo noch immer eine einzelne Fliege saß. „Der Herr über die 9999 Krankheiten, mein Herr persönlich. Er hat einen Verbündeten gefunden, nicht ganz so mächtig wie du, aber für diesen Ort ganz akzeptabel. Mit ihm wird er Krankheit und Tod über die Welt bringen."
Dann war der Spuk vorbei. Dort, wo die Leichen hätten liegen müssen, gab es nur noch feinen Staub, den nun langsam der Wind verwehte. Selbst der von ihm gerufene Nebel hatte sich verzogen und er konnte auch langsam wieder die Geräusche des nahen Waldes hören. Trotzdem, das Ganze war noch lange nicht vorbei. Spätestens morgen wäre jede Stelle, die eine dieser Fliegen berührt hatte, entzündet und er konnte froh sein, wenn ihm nicht das Ohr abfaulen würde, in dem die letzte Fliege gesessen hatte. Außerdem musste er seine Tat irgendwie vor Rishkan rechtfertigen, schließlich hatte er ihm versprochen sich niemals wieder auf so etwas einzulassen. Es gab wirklich gesündere Informanten als Nasu, die außerdem weniger Ärger machten.
Mit seinem Zauberstab, Eibe mit dem Haar eines schwarzen Einhorns, tippte er auf seinen Kopf und sämtlicher Schmutz und übel riechende Reste der Toten fielen von ihm ab. Als er sich zurück apparierte, konnte man ihm diese Nacht nicht mehr ansehen.
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So, jetzt hoffe ich, dass mir nach diesem Kapitel nicht alle davonlaufen, aber irgendwann muss Voldemorts neuer Verbündeter einmal anfangen zu handeln. (Hat er eigentlich schon längst, aber davon wusste ja Snape bis jetzt noch nichts.) Was die nächsten Kapitel betrifft, so werden sie ab jetzt wahrscheinlich nicht mehr täglich kommen. Einige unangenehme Prüfungen sollten erledigt, ein Protokoll verfasst und nicht zuletzt neue Kapitel geschrieben werden, dass nicht irgendwann ein großes Loch entsteht.
Lucina: Danke für das liebe Review. Es macht ja nichts, wenn du nicht bei jedem Kapitel dazukommst, eines zu schreiben. Solange meine Geschichte irgendwer liest, bin ich schon glücklich.
Steinkind: Als Mail hab ich dein Review schon. Bin ganz glücklich, dass noch jemand angefangen hat, mein Geschreibsel zu lesen.
