Kapitel 14: Nächtlicher Angriff

Snape spürte, dass er verfolgt wurde, aber er würde sich nachher um die aufmüpfige Hufflepuff kümmern. Jetzt galt es nur noch Potter und seine Truppe auf frischer Tat zu ertappen. In den letzten Ferien hatte er genau für diesen Zweck einen Trank gebraut, der es einem ermöglichte jemanden unter einem Tarnumhang zu erkennen. Der Trank war eine richtige Herausforderung gewesen, aber nun stand er vergessen unten im Kerker. Jetzt war es zu spät, um ihn zu holen. Auch egal.

Im ersten Stock kam ihm Mrs. Norris miauend entgegen gerannt und flitzte wie von hundert Hunden gehetzt um die Ecke. Snape sah ihr fragend nach. Wenn Black nicht tot gewesen wäre, hätte er einen gewissen schwarzen Hund namens Tatze dahinter vermutet. Der hatte sich ja auch nie an Schulregeln gehalten. Nun, vielleicht hatte Peeves etwas angestellt, obwohl nicht einmal der Poltergeist Filchs Katze einen derartigen Schrecken einjagen konnte. Gut, er würde das Rätsel schon lösen, und wenn es Potter war, dann…

Da war es wieder, ein Schnauben und Zischen, als ob ein Drache hier drinnen sitzen würde. Vielleicht hatte sich ja Hagrid einen zugelegt und die Kontrolle darüber verloren, genauso wie bei seinem ‚kleinen' Bruder im Verbotenen Wald – natürlich wusste er davon, er musste ja ziemlich oft in den Verbotenen Wald und hörte dabei so einiges. Nun, ein Drache war zwar etwas schwieriger und vor allem größer als Potter oder Peeves, aber er würde damit schon fertig werden.

Er rauschte um die nächste Ecke und erstarrte. Vor ihm stand ein hagerer Mann südländischer Herkunft in schmuddeliger Muggelkleidung und starrte ihn aus unbewegten dunkelbraunen Augen an. Dass er kein Muggel war, bewies der elfenbeinerne Zauberstab mit dem Schlangenkopf, den er in der rechten Hand hielt. Eine unheimliche Kälte ging von ihm aus und der Tränkemeister glaubte in die leblosen Augen eines Toten zu blicken. Der Fremde wandte sich plötzlich an seinen Begleiter und zischte etwas in einer ihm unbekannten Sprache, doch Snape achtete kaum auf den Mann und schon gar nicht auf das, was er sagte. Sein ganzes Interesse galt dem Gefährten des Fremden, Hagrid hätte wohl eher den Ausdruck Haustier gebraucht. Man hätte ihn (oder besser gesagt es) eventuell für eine moosgrüne Schlange halten können, doch da gab es ein paar Kleinigkeiten, die nicht ganz zu einer Schlange passen wollten. Da waren zum Beispiel die muskulösen Arme, auf die sich das Wesen stützte, so dick wie Baumstämme und mit Krallen so lang wie sein Unterarm. Auch der Kopf war nicht wie bei Schlangen üblich deutlich zu erkennen sondern wie bei Blindschleichen oder Regenwürmern eher eine Verlängerung des Rumpfs, wenn auch eine Verlängerung, die mit einer gigantischen Öffnung endete, aus der ein wahrer Zähnewald hervorwucherte und, aber das war wieder typisch Schlange, eine gespaltene Zunge neugierig in seine Richtung zuckte. Keine zwei, sondern gleich vier gelbe Augen glotzten ihn an und schienen sich zu fragen, ob er nicht doch zu klein für eine Zwischenmahlzeit war. Snape machte sich nichts vor. Selbst wenn diese Schlange nicht giftig war, und das bezweifelte er in diesem Augenblick sehr, würde sie ihn mit einem Schnapper töten beziehungsweise verschlucken können. Sein einziger Vorteil, abgesehen von seinem Zauberstab, war die Größe des Monsters, denn es passte nur mit knapper Not in den Gang.

Der Fremde und sein Monster hatten ihre Überraschung schneller überwunden, als ihm lieb war. Der Mann stieß ein schrilles Pfeifen aus und noch ehe Snape einen Zauber sprechen konnte, wurde er von dem Schlangenmonster gepackt und in die Höhe gerissen. Wie Schraubstöcke schlossen sich die gigantischen Finger um seinen Körper, als ob sie ihn einfach zerquetschen wollten, und vorher nicht bemerkte winzige Stacheln auf der Haut des Monsters gruben sich unbarmherzig in seine Haut, doch noch hatte Snape seinen Zauberstab. „Relaschio!", brachte er mühsam über seine Lippen. Tatsächlich schoss ein Funkenstrahl auf das Schlangenmonster, doch das Wesen schien das überhaupt nicht zu bemerken. Da nun etwas weniger Luft in seinen Lungen war, konnte es aber noch fester zupacken. Vor Snapes Augen erschienen langsam hübsche kleine Sternchen. Nein, er musste zumindest Dumbledore noch warnen. „Stupor!", rief er mit letzter Kraft und zielte diesmal auf eines der vielen Augen, doch wieder zeigte das Wesen keine Reaktion, außer dass er nun eine seiner Rippen knacken hörte.

„Warum legt ihr euch nicht mit jemandem Eurer Größenklasse an?" wollte eine spöttische Kinderstimme wissen, niemand anderer als Nadjeschda Delano.

Was Snapes Zaubersprüche nicht geschafft hatten, gelang nun dem kleinen Mädchen: Die Schlange hörte damit auf ihn zu zerquetschen. Irgendwo unter ihm erteilte der Südländer aufgeregt einen Befehl nach dem anderen und plötzlich löste sich der Druck um Snapes Brust, nur um einen Augenblick später gegen die Wand zu klatschen.
Beinahe verlor er das Bewusstsein und als er wieder klar sehen konnte, hockte der Südländer vor ihm und hielt ihm den Zauberstab direkt unter die Nase. Der Schlangenkopf auf der Spitze begann sich plötzlich zu bewegen und zischte ihn giftig an, während aus dem anderen Ende des Stabs eine weitere Riesenschlange wuchs, diesmal nur von der Größe und Gestalt einer Anakonda. Snape konnte sich von der lebendig gewordenen Spitze des feindlichen Zauberstabs nicht losreißen, auch dann nicht, als er spürte, wie seinen Beine langsam von der anderen Stabseite verschlungen wurden. Ein Zauber, schoss es ihm durch den Kopf. Wenn er überleben wollte, musste er ihn brechen. Doch seine Augen waren starr auf den Schlangenstab gerichtet, er spürte seine Beine nicht mehr, die nun vollständig im Rachen der Riesenschlange steckten, auch nicht den Schmerz in seiner Brust und erst recht nicht, dass sein Körper gefährlich unterkühlt war. Seine Gedanken kreisten nur noch um den Zauberstab, um das rhythmische Wiegen des Schlangenkörpers und dem beruhigendem Glühen ihrer gelben Augen. Die Monsterschlange brüllte neben ihm vor Wut, ihre Faust verfehlte nur um haaresbreite den Südländer und ihn, aber das bemerkte Snape überhaupt nicht. Wenn er nur ewig in diese beruhigenden gelben Augen blicken könnte…

Dann fiel der Stab scheppernd zu Boden und er hörte ein ersticktes Gurgeln. Mit einem Mal kam wieder Leben in seinen Körper in Form eines heftigen Zitterns, das keine Rücksicht auf seine gebrochene Rippe nahm. Während er sich mit klappernden Zähnen zusammenkrümmte, bemerkte er gar nicht, dass da keine Schlange mehr war, die ihn langsam verschlang, sondern nur ein einfacher Stab mit einem Schlangenkopf und ein reglos daliegender Südländer, in dessen Kehle ein golden glitzernder Dolch steckte.
Doch der Kampf war noch nicht vorbei. Snape starrte schockiert auf die kleine Hufflepuff, die den Zauberstab offenbar nur dazu einsetzte einen saftigen Hieb nach dem anderen auszuteilen und die Monsterschlange damit anscheinend tatsächlich verletzte. Der Zaubertränkemeister war zu überrumpelt gewesen, doch Nadja, die ja noch um einiges kleiner war als er, konnte den engen Gang ganz zu ihrem Vorteil ausnützen. Bei dem Versuch den kleinen Flederwisch zu ergreifen oder zu verschlucken, stieß die Schlange ununterbrochen an die Decke, diverse Ecken und den Boden, dass sie sich selbst mehr verletzte, als es Nadjas Zauberstab (so wie sie ihn einsetzte) jemals geschafft hätte. Snape wollte eingreifen, doch er konnte seinen Stab nicht entdecken und als er versuchte sich aufzusetzen, spürte er ganz deutlich, dass etwas mehr gebrochen war als nur eine Rippe. Nicht einmal zum Atmen schienen seine Kräfte zu reichen, er bekam kaum noch Luft und mit jedem Atemzug wurde der Schmerz in seiner Brust stärker. Schließlich, die Monsterarmschlange sah schon ziemlich ramponiert aus, gab das Ungeheuer ein hasserfülltes Brüllen von sich und löste sich in ein gelbgrünes Frustwölkchen auf.

Nadja blieb noch einen Augenblick keuchend stehen, ehe sie zu ihm humpelte. Gesicht und Hände waren mit blutigen Kratzern übersäht und ihre Schuluniform bestand aus mehr Löchern als Stoff, was sie aber anscheinend nicht einmal bemerkte. „Wie geht es Ihnen, Professor?" wollte sie wissen und zuckte zurück, als sie seine eiskalte Hand berührte.

Snape versuchte wenigstens irgendetwas zu sagen, doch aus seinem Mund kam nur ein gurgelnder Laut und er schmeckte plötzlich Blut.

„Nichts sagen! Ihre Lunge ist anscheinend verletzt. Sie dürfen nicht sprechen. Warten Sie einen Augenblick!" Mit diesen Worten zog sie eine kleine silberne Figur aus ihrem Umhang, die wie eine Mischung aus Eidechse und Insekt aussah, und schleuderte sie mit einer geübten Bewegung auf den Boden, wo sie plötzlich ein wenig ziellos herumkrabbelte. Ruhig ergriff sie das merkwürdige Wesen und setzte es Snape auf die Brust. „Keine Sorge", beruhigte sie ihn. „Das ist ein Glücksbringer. Er wird auf Sie aufpassen, während ich Madam Pomfrey hole." Mit diesen Worten zog sie den Dolch aus dem Südländer und verschwand.

Snape schielte auf die Kreatur. Sie schien seine Brust sehr gemütlich zu finden, rollte sich zu einer glänzenden Kugel zusammen und schlief zufrieden ein. Wie sollte ein solches winziges Wesen auf ihn aufpassen, erst recht wenn es schlief? Doch Delano war auch mit dem feindlichen Zauberer, seinem Schlangenstab und sogar der Monsterarmschlange fertig geworden. Sie schien zu wissen, was sie tat. Langsam ließ das Zittern nach und eine wohlige Wärme breitete sich über den ganzen Körper aus. Trotz des Gewichts auf seiner Brust fiel ihm das Atmen leichter und die Schmerzen wurden mit der Zeit sogar erträglich. Fast glaubte er, dass sich die gebrochenen Rippen wieder an die richtige Stelle zurückschoben und richtig zusammenwuchsen. Er hätte nicht sagen könne, wie lange er so am Boden lag, doch irgendwann konnte er das unruhige Licht einer Fackel erkennen und kurze Zeit später sah er eine äußerst besorgte Madam Pomfrey, dich gefolgt von Albus, Minerva und der kleinen Hufflepuff. Er war gerettet.

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Nadja stürmte durch die Gänge, vorbei an umgefallenen Ritterrüstungen und zerkratzten Bildern. Das Monster hatte sie wahrscheinlich nur aus Versehen umgestoßen und beschädigt, als seine Haut an den Bildern gescheuert hatte. Die Personen in den Bildern starrten, wenn sie nicht ohnehin die Flucht ergriffen hatten, ganz verschreckt zu ihr herunter. Sie hatten wirklich einiges abbekommen. Filch würde toben, wenn er so viele Bilder restaurieren musste. Auch ihr tat alles weh. Auf jeder einzelnen Schuppe des Schlangenwesens waren winzige aber nichts desto trotz sehr scharfe und spitze Zähnchen gesessen, und da sie unglücklicherweise bei ihrem Kampf ziemlich oft damit in Berührung gekommen war, sah sie schlimmer aus als nach ihrer Begegnung mit dem Einhorn. Allerdings waren das nur Kratzer, ganz anders stand es um den Tränkemeister, aber der Glücksbringer würde ihm helfen.

Da hörte sie plötzlich das verzweifelte Maunzen einer Katze, Mrs. Norris. Natürlich hatte sie ihre Flucht gesehen, aber Filch war nicht aufgetaucht, trotz des Lärms. Er hatte ja den Poltergeist finden wollen, der die Rüstungen umgestoßen hatte. Aber nicht Peeves hatte die Rüstungen umgestoßen, sondern das Monster, was bedeutete…

Sie wechselte sofort die Richtung und fand schließlich die dürre Katze vor einer regungslosen Gestalt sitzen. Filch war also den Angreifern zum Opfer gefallen, musste ihnen direkt in die Arme gelaufen sein. Sie spürte einen bitteren Kloß in ihrem Hals wachsen. Es wäre ihre Pflicht gewesen ihn zu beschützen. Mit Tränen in den Augen näherte sie sich und ging vor ihm in die Knie. Der Körper bewegte sich nicht mehr und als sie flüchtig Filchs Hand berührte, konnte sie dort dieselbe Kälte spüren wie auch bei Snape, nein, der Hausmeister war noch kälter. Seine Augen waren starr nach oben gerichtet, doch als sie sich über ihn beugte, um sie ihm zu schließen, geschah das Wunder. Die Pupillen weiteten sich, als ihr Schatten über sein Gesicht fiel.

Nadja rappelte sich sofort auf. Filch war am Leben, das konnte sich aber rasch ändern. Der Hausmeister musste stark unterkühlt sein und litt vielleicht noch immer an dem Illusionszauber des Angreifers. Sie hatte keinen blassen Schimmer, was Hogwarts überfallen hatte - Tarson wusste es bestimmt – dafür aber eine gute Vorstellung davon, welche Kräfte sie eingesetzt hatten. Sie zog wieder ihren Dolche und fuchtelte damit knapp über Filch herum, bis sie auf einen Widerstand stieß, der stärker als normale Luft war, und schnitt dieses unsichtbare etwas ohne zu zögern mit dem Messer durch.

Augenblicklich kam Leben in Filchs Gesicht. „Wo ist die Schlange hin?", wollte er mit brüchiger Stimme wissen und verlor sofort das Bewusstsein.

Nadja verzweifelte. Sie durfte Filch nicht einmal bewegen, wenn sie ihn nicht umbringen wollte, so stark war er unterkühlt. Aber so einfach zurücklassen konnte sie ihn schon gar nicht. Sie nahm ihren Umhang von den Schultern und deckte damit den Hausmeister zu. Mrs. Norris schien instinktiv zu wissen, was Nadja vorhatte und legte sich direkt neben Filch.

„Brav, pass gut auf dein Herrchen auf und halt ihn schön warm. Ich bin so schnell wie möglich wieder da." Dann lief sie weiter. Als sie endlich die Krankenstation erreichte, war sie so außer Atem, dass sie kaum sprechen konnte. Pomfrey folgte ihr aber trotz der späten Stunde und schickte noch schnell einen Hauself, um Dumbledore zu benachrichtigen.

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Kaum eine viertel Stunde später lagen Filch und Snape unterkühlt aber trotzdem wohlbehalten auf der Krankenstation und ein sehr besorgter Direktor lauschte in seinem Büro den Schilderungen eines elfjährigen Mädchens, das zwar kein elfjähriges Mädchen war, aber als einzige wusste, was mit dem Tränkemeister und dem Hausmeister wirklich geschehen war. Dabei war es alles andere als leicht, etwas aus der Hufflepuff herauszubringen. Immer wieder murmelte sie etwas von ihrer Schuld, und dass sie besser hätte aufpassen sollen, oder wischte ganz einfach nur Tränen aus ihrem Gesicht, doch schließlich war sie zum Ende angelangt. Da auch sie verletzt war, wenn auch nur leicht, bestand Pomfrey darauf, dass sie zumindest die Nacht in der Krankenstation verbringen sollte. Der Direktor willigte sofort ein und überhörte dabei ganz Nadjas Proteste.

Zur gleichen Zeit in der Krankenstation erwachte ein vollkommen genesener Professor und starrte verwirrt auf seine Brust, wo noch immer eine kleine silberne Insektechse saß und genüsslich vor sich hin schnarchte. Es ging ihm zwar gesundheitlich ausgezeichnet, trotzdem fühlte er sich noch ziemlich matt. Eine Zeitlang schweifte sein Blick durch die Krankenstation, bis er Filch fest eingewickelt erkannte, an seiner Seite Mrs. Norris, die sich von Pomfrey nicht verjagen hatte lassen. Er hatte zwar keine Ahnung, was der Hausmeister hier machte, aber er sah nicht besonders gesund aus. Doch erst als die jammernde Hufflepuff die Krankenstation betrat und in ein Bett gewiesen wurde, fühlte er sich sicher und konnte weiterschlafen.

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Wenn einige von der Schlange jetzt ein wenig enttäuscht sind, kann ich sie beruhigen. Voldemorts Verbündeter arbeitet mit ganz anderen Mitteln als übergroßen Monstern, wie der arme Snape noch herausfinden muss. Das nächste Kapitelchen kommt wahrscheinlich am Samstag,

Lucina: Ich weiß, das mit dem Cliffhänger war nicht besonders nett. Und von diesen wird es in Zukunft sogar noch einige geben. Aber die Zeit ist leider notwendig. Ich hab nämlich gerade festgestellt, dass ich nur noch einen Vorrat von zehn Kapiteln hab. Sollte also schleunigst weiterschreiben.

Cyberrat: Keine Sorge, im nächsten Kapitel ist er wieder ganz der Alte. Was so eine Riesenschlage so alles bewirken kann.

Dax: Danke für den lieben Smiley. :-)