Kapitel 19: Zu dem Treffen
Snape konnte zwar Weihnachten nicht ausstehen, aber dass Voldemort ihn so lange hatte warten lassen und ausgerechnet jetzt rief, gerade als er einmal nach langer Zeit ein richtiges Weihnachtsgeschenk bekam, ärgerte ihn doch so sehr, dass er am liebsten den knöcheltiefen Schnee auf seinem Weg durch den Verbotenen Wald wütend weggetreten hätte. Leider gab es keinen Schnee, den er hätte treten können, und so musste er sich mit dem trockenen Laub begnügen. Weihnachten ohne Schnee war er eigentlich nicht gewohnt. In Hogwarts gab es das praktisch nicht, und er hatte Weihnachten seit seinem elften Lebensjahr praktisch nur auf Hogwarts verbracht. Recht so, das Wetter spielte verrückt und Voldemort auch. Der hatte seine Todesser nie zu Weihnachten gerufen.
Das Brechen von totem Holz richtete sein Interesse wieder auf den Verbotenen Wald. Schon im nächsten Augenblick hielt er seinen Zauberstab in der Hand.
„Lumos!"
Der Stab tauchte die kahlen Bäume im Umkreis von wenigen Metern in ein freundliches Licht und ließ den Rest in eine noch dunklere Schwärze versinken. Snape machte sich nichts vor. Mit diesem Licht stand er für eventuelle Verfolger wie auf dem Präsentierteller und lockte womöglich die weniger angenehmen Bewohner des Verbotenen Waldes an. Aber er hatte das ungute Gefühl verfolgt zu werden und er wollte wissen von wem. Schnell richtete er den Stab dorthin, woher das Geräusch gekommen war, und tatsächlich konnte er etwas Weißes im Unterholz erkennen. Delano war das eindeutig nicht, sondern irgendein Tier. Gut, solange es nicht vorhatte ihn zu fressen, konnte es ihm egal sein.
Er wollte gerade das Licht löschen und seinen Weg fortsetzen, als das weiße Tier plötzlich direkt vor ihm stand und sich ihm schnaubend in den Weg stellte. Snape war von der Schnelligkeit so überrascht, dass ihm für einen Augenblick die Luft wegblieb, doch dann hätte er beinahe lachen müssen. Vor ihm stand entweder ein weißes Reh, das aus irgendeinem Grund ein Horn auf der Stirn trug, oder er hatte es mit dem kleinsten Einhorn der Welt zu tun.
„Aus dem Weg!", rief er und schoss einen grünen Blitz in den Himmel, in der Annahme, das seltsame Einhorn würde sich davon beeindruckt zeigen und wieder verschwinden. Es starrte ihn aber nur weiter aus dunklen Augen an und schüttelte schließlich missbilligend den Kopf.
Gut, das Einhorn wollte also unbedingt dort stehen bleiben. Kein Problem. Dann ging er eben um den nächsten Baum herum und… Erneut versperrte ihm das kleine Tier den Weg und schnaubte erbost. Auch das Scharren mit den Hufen und das kampfbereit gesenkte Horn ließen es nicht viel freundlicher wirken, trotz der Größe. Snape hatte schon einige Einhörner gesehen, bei seinen Ausflügen zu Voldemort begegnete er zuweilen den scheuen Tieren, doch so nah war ihm noch keines gekommen.
Wenn Snape apparieren hätte können, wäre dieses aufdringliche Einhorn kein Problem gewesen, doch er befand sich eindeutig noch zu nahe am Schloss. Er hätte es mit einem Fluch probieren können, doch das machte man einfach nicht mit diesen Tieren und der Fluch wäre höchstwahrscheinlich nutzlos abgeprallt. Aber das Einhorn ließ ihn nicht vorbei und Voldemort wartete. Wie lange beide so standen und sich gegenseitig anstarrten, konnte im Nachhinein keiner mehr sagen. Snape erinnerte sich nur an das zunehmende Brennen auf seinem Arm und die nagende Kälte, die sich unter seine Kleidung schlich.
Doch dann kam auf einmal ein Sturm auf und rüttelte kräftig an den Bäumen, gefolgt von einem ohrenbetäubendem Brüllen und einem plötzlichen schrillen Wiehern irgendwo aus dem Wald.
Das winzige Einhorn schnaubte ärgerlich auf, warf ihm noch einen bitterbösen Blick zu und war so plötzlich verschwunden, wie es aufgetaucht war. Snape hatte keine Lust herauszufinden, woher das Brüllen gekommen war. Voldemort wartete und er war heute schon spät genug unterwegs.
Wenige Augenblicke später hatte er jene kleine Lichtung erreicht, von der er normalerweise apparierte. Wieder hörte er das Brechen von Holz, diesmal aber von einem größeren beziehungsweise ungeschickteren Tier. Nein, diesmal wollte er nicht warten. Er konzentrierte sich auf das Apparieren, als ein kleines Mädchen aus dem Unterholz brach und auf ihn zustürmte. Snape wollte den Zauber abbrechen, doch es war zu spät. Die Bäume um ihn verschwammen gerade vor seinen Augen, als er von etwas Kräftigem gerammt und umgestoßen wurde.
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Er landete nicht auf dem Boden des Verbotenen Waldes, sondern auf einer Lichtung vor Voldemorts Kloster. Das war beabsichtigt gewesen. Nicht geplant war aber Delano, die ein wenig verdutzt neben ihm saß und sich neugierig umsah. Eine Schülerin in unmittelbarer Reichweite von Voldemort und sämtlichen Todessern! Er wusste nicht ob er wütend oder entsetzt sein sollte.
„Wo bin ich hier?", wollte das Mädchen wissen und ging geradewegs auf das Kloster zu.
Snape erwischte sie gerade noch am Kragen ihres Umhangs und zog sie zurück. „Ich habe zwar keine Ahnung, wie Sie es geschafft haben, hierher zu apparieren, aber Sie werden hier bleiben und sich keinen Schritt von diesem Ort wegbewegen. "
Delano starrte ihn nur aus großen Augen an, sagte aber kein Wort.
„Und wenn das ganze hier vorbei ist, werde ich persönlich dafür sorgen, dass Sie noch heute Ihre Koffer packen und Hogwarts verlassen dürfen."
Noch immer hatte das Mädchen nichts gesagt und Snape hoffte, dass er sie endlich einmal wirklich eingeschüchtert hatte. Nicht auszudenken, was geschehen könnte, wenn sie hier so einfach herumschlich. Er setzte sich endlich die Maske auf – die kleine Hufflepuff wusste ohnehin, wohin er ging.
„Sie werden doch jetzt nicht gehen?", protestierte das Mädchen entsetzt.
„Ich wüsste nicht, wer mich aufhalten sollte", knurrte Snape.
Plötzlich strahlte Delano. „Aber Sie müssen mich zuerst zurück nach Hogwarts bringen. Einer dieser Todesser könnte mich finden, wenn ich hier bleibe. Und alleine kann ich mich nicht zurückzaubern. Außerdem ist der Verbotene Wald voller Gefahren, das haben Sie mir selbst gesagt."
„Deshalb werden Sie auch hier bleiben und warten, bis ich zurückkomme."
Das Mädchen schnaubte entrüstet.
„Oder muss ich Sie mit einer Ganzkörperklammer ruhig stellen?"
Delano setzte sich verärgert unter einen Baum und funkelte ihn nur giftig an. Snape deutete dies als ein Ja und wollte endlich Voldemort gegenübertreten, als er beinahe mit jemanden in dunklem Umhang und weißer Maske zusammenstieß.
„Professor Snape? Sie sprechen doch nicht etwa mit Bäumen?", wollte die Todesserin mit verzerrter Stimme wissen. Snape erkannte sie trotzdem. Es war Katie Blain, eine ehemalige Schülerin, keine Slytherin, sondern eine Ravenclaw. Der Orden wusste bereits davon, doch Dumbledore rechnete anscheinend damit, dass sich das einst unscheinbare Mädchen von damals doch noch für die richtige Seite entscheiden würde. Beweise gegen sie hatte der Orden bereits genug, um sie nach Askaban zu bringen. Trotzdem, Snape fühlte sich noch immer versucht ihr mindestens fünfzig Punkte für ihre grenzenlose Dummheit abzuziehen und eine Woche Nachsitzen aufzubrummen. Aber auch Blain sprach ihn noch immer mit Professor an. Manche Gewohnheiten brauchten ihre Zeit, um abgelegt zu werden.
„Professor? Sie verstecken doch nicht jemanden hier?"
„Wen soll ich hier verstecken?", bluffte Snape. „Ich bin beim Apparieren in dieses dumme Gestrüpp gefallen. Was machen Sie überhaupt hier draußen?"
„Befehl des Dunklen Lords. Und ist dort hinten wirklich nichts?" Blain drängte sich an ihm vorbei, genau dorthin, wo eigentlich diese naseweise Delano sein sollte. Snape wolle Blain schon aufhalten, doch sie war zu schnell.
„Tatsächlich, da ist wirklich niemand", bemerkte Blain ein wenig enttäuscht.
Snape konnte seinen Augen nicht trauen. Delano war tatsächlich verschwunden. „Bis auf dieses Gestrüpp", knurrte er. „Hatten Sie etwa gedacht, ich nehme jemanden mit?"
Blain schien verlegen zu werden. „Na ja, einen Augenblick dachte ich das schon."
Snape schnaubte ungläubig und suchte unauffällig die Gegend nach einer Spur der Hufflepuff ab.
„Ach ja", erinnerte sich die ehemalige Ravenclaw. „Sie sollten besser hineingehen. Der Dunkel Lord erwartet Sie bereits."
Das fing ja schon gut an. Zuerst Delano, dann eine ehemalige Schülerin, die ihn herumkommandierte und zu allem Überdruss noch ein ungeduldiger Voldemort. Es konnte nicht noch schlimmer werden.
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Das neue Kapitelchen kommt schon jetzt, weil ich frühestens in einer Woche etwas ins Netz stellen kann (böser Computer und schreckliche Chemieprüfung). Lang ist es zwar nicht, dafür darf ist das nächste Kapitel länger und Voldemort darf auftauchen. An alle, die keine Cliffhanger mögen: Die nächsten Kapitel werden voll von diesen gemeinen Dinger sein. Ging leider nicht anders.
Cyberrat: Ach ja, das Weihnachtsgeschenk. Der arme Snape hätte es besser gleich nehmen sollen (dafür war es nämlich gedacht). Aber mehr will ich nicht verraten.
Abhaya: Das mit dem Hochladen ist ja diesmal schnell gegangen. Was mit Snape geschieht, darf ich leider nicht verraten, aber allzu grausam wird es nicht werden. Keine Angst. Und vielen Dank für das Lob!
Dax: Danke! ;-)
