Bevor ich mit dem nächsten Kapitel beginne, muss ich mich einmal an alle entschuldigen, die so lange mitgelesen (und so fleißig Reviews geschrieben) haben und die ich so sehr enttäuscht habe. Und natürlich muss ich mich auch noch für die lieben Aufforderungen bedanken, jetzt endlich einmal weiter zu machen. :-D Mehr zu den Reviews wie gewohnt am Ende des Kapitels.
Nun, hier ist es und am nächsten wird gerade fleißig gearbeitet. Aber so schnell wie vor meiner Pause, werde ich die Kapitel wohl nicht mehr posten können. Aber sie kommen, bis zum Schluss (denn das letzte ist schon fertig).
Auch wichtig: Die Geschichte hab ich zu schreiben begonnen, bevor der Halbblutprinz erschienen ist. Daher werden sämtliche Ereignisse dieses Buchs hier nicht berücksichtigt. Einige spezielle Informationen vom Halbblutprinz wie neue Todesser erlaube ich mir trotzem zu verwenden. :-)
Kapitel 26: Auf der Flucht
Der Tunnel war eng, das Licht der Fackel wurde immer schwächer und ihr monströser Führer war weder gesprächig noch hübsch im Dämmerlicht anzusehen. Aber wenigstens kam er die ganze Zeit über nicht auf den Gedanken, einen von ihnen als Zwischenmahlzeit zu verspeisen, und so wollte sich Snape auch nicht beklagen. Mit der Zeit fiel ihnen das Atmen immer schwerer, und er hoffte, dass sie bald zurück an die Erdoberfläche kämen, sonst würden sie hier drinnen bald jämmerlich ersticken.
Offensichtlich kam auch dem Mädchen dieser unangenehme Gedanke, denn nach einiger Zeit fragte es: „Wenn die Luft so knapp wird, dass wir ersticken, dann hört doch die Fackel auf zu brennen?"
Snape warf einen nervösen Blick auf die viel unruhig und vor allem zu schwach brennende Flamme. „Wenn die Fackel ausgeht", entgegnete er und versuchte dabei sich von seiner Angst nichts anmerken zu lassen, „dann sind wir bereits bewusstlos."
„Oh!", machte Nadja. „Tarson wird uns schon nicht in den Tod schicken."
Die Hufflepuff war sich da ziemlich sicher, zumindest hörte es sich so an, doch Bethan hatte gerade erst versucht ihn umzubringen, aus einem Grund, den er noch immer nicht ganz verstand. Er hantierte mit Zaubern, die den Unverzeihlichen sehr ähnlich waren und er hatte zumindest zwei Menschen auf dem Gewissen – vorausgesetzt jemand wie Bethan hatte überhaupt so etwas wie ein Gewissen, woran er langsam zweifelte. Sein Leben einer solchen Person anvertraut zu haben, beruhigte ihn keineswegs.
„Trauen Sie Tarson etwa nicht?" wollte das Mädchen amüsiert wissen.
Snape blickte sie überrascht an. Beherrschte es etwas auch die gleiche Form von Legilimentik wie Angra Mainyu? Schon allein der Gedanke, dass sich jemand ungefragt in seinem Kopf umsah, noch dazu eine Schülerin, jagte ihm richtig Angst ein. Nein, daran wollte er gar nicht denken.
„Es fällt mir schwer jemandem zu trauen, der mich gerade umbringen wollte", gab er zu, „aber im Augenblick fällt mir nichts besseres ein, um hier weg zu kommen."
Das Mädchen lächelte zufrieden. „Es ist auch sehr unklug, Tarson zu vertrauen. Er neigt dazu, andere zu manipulieren, auch ohne Magie. Wenn man nicht aufpasst, kann es sehr leicht passieren, dass man sich dabei ertappt auf einem hohen Turm zu stehen und auf seinen Befehl gerade hinunter springen will."
Snape hatte das ungute Gefühl, dass die Kleine gerade keinen Scherz gemacht hatte. Und sie kannte Tarson Bethan, allem Anschein sogar sehr gut. Und beide kannten diesen Angra Mainyu. Er war sich nicht sicher, ob ihn das beruhigen oder doch nicht doch nervös machen sollte.
„Sie müssen sich keine Sorgen wegen Tarson machen", sagte Nadja plötzlich. „Er würde es nicht wagen Ihnen oder gar mir etwas anzutun. Dazu hat er viel zu viel Angst vor Rishkan."
„Abgesehen davon, dass Bethan trotz seiner angeblich so großen Angst versucht hat mich umzubringen, wer ist dieser Rishkan eigentlich?"
„Es wäre nicht sehr hilfreich, ihn zu beschreiben, denn Sie würden sich wahrscheinlich ein ganz falsches Bild von ihm machen."
„Also auch ein Einhorn?" Snape erinnerte sich an die Drachengeschichte in der Zeitung. „Oder vielleicht ein Drache?"
Nadja lachte. „Nein, keine Sorge. Rishkan ist ein Mensch, genau wie Sie."
Für den Rest der unterirdischen Reise herrschte drückende Stille, doch sie verlief auch angenehm ereignislos, bis auf eine einzige Ausnahme, als das Maulwurfwesen plötzlich umdrehte und auf sie zurück kroch. Nadja stellte sich ihm furchtlos entgegen und gab dem Ungeheuer einen leichten Klaps auf die Schnauze, worauf es zu Snapes Überraschung – und Erleichterung – wieder in die richtige Richtung marschierte.
Es dauerte eine Ewigkeit, bis der Riesenmaulwurfwesen eine kräftige Schaufelbewegung macht und ihnen plötzlich eisige aber trotzdem köstlich frische Luft entgegenströmt. Die Fackel flackerte unruhig und erlosch dann mit zornigem Zischen. Doch draußen dämmerte es bereits, sodass man die Umgebung sogar im Tunnel auch ohne Fackel in etwa erahnen konnte. Nur kurze Zeit später war die Öffnung groß genug für Bethans Wesen und sie konnten ihm bequem folgen. Kaum hatte Snape hinter Nadja den Gang verlassen, stürzte er auch schon in sich zusammen, und nur die Tatsache, dass sie hier und nicht im Kerker waren, bewies – gemeinsam mit dem Wesen vor ihnen – dass es irgendeinen Weg hierher gegeben haben musste.
Das Maulwurfwesen drehte sich wieder um und blickte alles beide erwartungsvoll an, als ob es auf neue Befehle warten würde.
„Ich glaube, es will nach Hause", stellte Nadja mit einem traurigen Klang in der Stimme fest und warf Snape einen fragenden Blick zu. „Wir sollten es gehen lassen. Dort draußen haltet es uns nur auf."
Ohne seine Antwort abzuwarten zeichnete sie mit ihrem Finger sonderbare Muster in die Luft. Wieder begann die Luft zu schwirren, und dann gab das Maulwurfwesen ein zufriedenes Schnauben von sich und löste sich auf.
Snape starrte sie große an.
„Sie sind nicht böse", erklärte das Mädchen, „zumindest nicht die meisten von ihnen. Sie wollen dort bleiben, wohin sie gehören, und wenn man sie ruft, dann sind sie meist verärgert. Tarson hat einmal gesagt, dass zumindest die harmlosen Schmerzen haben, wenn man sie hierher ruft."
„Du weißt, was das gewesen ist?"
Nadja schüttelte den Kopf. „Nein, aber Tarson weiß es, sonst hätte er es nicht rufen können. Es war nicht besonders gefährlich und man hat es ganz leicht wieder wegschicken können."
Snape beschloss später Fragen zu stellen, wenn er auch diesen mysteriösen Rishkan kennen gelernt hatte. Jetzt waren andere Dinge wichtiger. Sein Blick wanderte zurück zum Kloster, das beruhigend weit weg lag. Darüber hinaus hatte das Maulwurfwesen sie auch zum Waldrand gebracht. Es sah so aus, als ob sie tatsächlich noch mit einem großen blauen Auge davon gekommen wären. Aber noch waren sie nicht in Sicherheit und er wollte ihr Glück nicht überstrapazieren.
„Ich glaube, wir sollten zum Protschlüssel, bevor Voldemort bemerkt, dass wir fort sind und Hatherley tot ist", schlug er vor, nahm das Knieselhaar zu Rate und marschierte los. Das Mädchen lief ihm hinterher. Diesmal war er dankbar darüber, dass kein Schnee lag. So würde die Todesser und – vielleicht – auch Angra Mainyus Kreaturen Mühe haben ihren Spuren zu folgen.
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Voldemort wusste nicht, was mit ihm los war. Gerade eben hatte er erfahren, dass Snape und die freche Hufflepuff-Göre entkommen waren und stattdessen Hatherley, ein recht guter Informant im Ministerium, mit durchgeschnittener Kehle im Keller aufgefunden worden war. Malfoy hatte ihm etwas von einem Messer erzählt, das das Mädchen besessen haben soll und das, obwohl er es ihr abgenommen hatte, nicht mehr zu finden sei. Und darüber hinaus waren wohl sicherlich die meisten seiner Todesser sehr wütend auf ihn, denn er hatte sie wieder rufen müssen – die Ausbrecher mussten ja schließlich gefasst werden. Alles im allen nicht gerade die erfreulichsten Nachrichten. Warum war er also von einer solchen Schadenfreude und Genugtuung erfüllt, dass er am liebsten laut gelacht hätte.
Ein möglicher Grund lief gerade vor ihm auf und ab, Angra Mainyu. Sein unheimlicher Verbündeter hatte schon einige Niederlagen einstecken müssen und die Nachricht darüber immer sehr ruhig und oft sogar mit Spott aufgenommen, doch die Flucht der beiden schien ihn in den Wahnsinn zu treiben. Immer und immer wieder veränderte er seine Gestalt, mal war er ein alter Mann, dann ein junger Mann, einmal sogar lief er als wunderschöne Frau durch den Raum, dann als Schlange, einige Male als kleines Kind der unterschiedlichsten Hautfarben und Altersstufen und immer wieder tauchten ganz spontan Hörner, Flügel, Reißzähne und zusätzliche Gliedmaßen auf.
„Meine Todesser werden die beiden schon aufstöbern", unterbrach er Angra Mainyus ewiges Auf- und Ablaufen. „Sie müssen noch irgendwo im Kloster stecken. Und selbst wenn sie das Grundstück verlassen hätten – was, wie ich schon sagte, unmöglich ist – wartet draußen ein ganzes Heer von Dementoren auf sie."
„U'zaulit sind keine zuverlässigen Wächter", stellte Angra Mainyu klar. Mittlerweile hatte er jene Gestalt angenommen, in der sich ihm in den letzten Tagen am häufigsten gezeigt hatte, ein nur entfernt menschenähnliches Wesen mit einer glasigen, gräulichen Haut, durch die man die einzelnen, kräftigen Muskelstränge sehr genau erkennen konnte. Der Schädel sah so aus, als ob man ihn gerade aus einer Pyramide geborgen hatte, wo er ein paar tausend Jahre vor sich hing getrocknet hatte, was auch ohne den Kranz aus Hörnern, der wie eine Krone aus der Schädeldecke hervor spross, kein Vertrauen erweckender Anblick war. Bekleidet war er nur mit einer Art knöchellangem Wickelrock aus einem unbekannten, schweren Stoff in kränklich schillernden Farben. Aus seinem Rücken wuchsen gleich drei Paar riesige Fliegenflügel, die er bewegen konnte – zumindest schlugen sie immer wieder unruhig auf und ab, begleitet von einem schneidenden Surren. Fliegen hatte er Angra Mainyu damit allerdings noch nicht gesehen und er zweifelte daran, dass die Flügel, so überdimensional sie auch waren, den schweren Körper tragen hätten können.
„U'zaulit?" wollte Voldemort wissen. „So nennst du die Dementoren, Wurm?" Die Anrede hatte er schon eine Ewigkeit nicht mehr verwendet, aber nun schien sie ihm wieder angebracht.
Angra Mainyu gab ein missbilligendes Zischen von sich, ging aber sonst nicht näher darauf ein.
„Ich kenne keine Wächter, die besser geeignet wären", fuhr Voldemort selbstzufrieden fort. „Auf alle Fälle besser als deine."
„Sie werden diesen Bastard durchlassen", zischte Angra Mainyu.
Voldemort lachte. „Die lassen Snape ganz sicherlich nicht durch. Sie haben Befehle jeden aufzuhalten, der an ihnen vorbeikommt, vor allem, wenn er, wie du sagst, nicht apparieren kann."
„Ich spreche nicht von dem Giftmischer", fauchte Angra Mainyu. „Die beiden dürfen nicht entkommen."
Voldemort hatte es nie geschaffte, etwas von dem zu erahnen, was in Angra Mainyus Kopf vor sich ging, doch nun konnte er seine Gefühle ganz deutlich aus dem Gesicht lesen. Sein Verbündeter dachte angestrengt nach, und obwohl er anscheinend schon eine Lösung gefunden hatte, schien er diese doch nur im absoluten Notfall einsetzen zu wollen. Schließlich seufzte Angra Mainyu auf, machte eine undefinierbare Bewegung mit seiner Hand, bis die Luft um beide herum plötzlich immer fester zu werden schien, die Geräusche immer dumpfer.
Dann zuckte Voldemort entsetzt zurück, als er erkannte, was plötzlich erschienen war. Angra Mainyu ließ sich allerdings nicht beirren. Er gab den vier Kreaturen einen kurzen Befehl in einer fremden Sprache, woraufhin sie sich mit einem kaum vernehmbaren Bellen in Bewegung setzten und aus dem nächsten Fenster sprangen, begeleitet von dem erlösend normalen Klirren von Glas.
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Snape glaubte nicht, dass dies noch möglich wäre, aber es wurde mit einem Mal deutlich kälter. Er wollte sich den Umhang fester um den Körper ziehen und erinnerte sich wieder daran, dass man ihm diesen ja abgenommen hatte, gemeinsam mit den Karten, aber die hätten ihn hier ohnehin nichts genützt, genauso wie der Zauberstab des toten Todessers, dem ihm Bethan mitgegeben hatte. Natürlich hatte er den Rat des mörderischen Spions nicht befolgt und außerhalb des Grundstücks sofort versucht zu apparieren, mehrmals aber immer ohne Erfolg. Es hatte keinen Sinn, wenn sie nicht die Todesser oder Angra Mainyu fanden, dann würden sie hier erfrieren. Eigentlich hatte überhaupt nichts mehr einen Sinn. Voldemort alleine war schon ein schier unlösbares Problem gewesen, aber Voldemort und dieser Angra Mainyu zusammen waren eine Weltkatastrophe. Und jetzt stand er wohl auf der Abschussliste von beiden.
„Dort vorne ist irgendetwas", riss ihn Nadja aus seinen dunklen Gedanken und er richtete seinen müden Blick nach vorne.
Dort vorne war tatsächlich etwas, die Silhouetten von großen Personen, die eine lose aber dennoch undurchdringbare Wand vor ihnen bildeten, und wenn ihre Kleidung nicht so im Wind geweht und sie selbst nicht ein paar Zentimeter über dem Boden geschwebt wären, hätte er sie vielleicht sogar für Menschen gehalten, für einige Todesser, die ihnen hier auflauerten. Todesser wären ihm auch viel lieber gewesen als diese Wesen vor ihm, denn jetzt wusste er, woher die unnatürliche Kälte und die Niedergeschlagenheit kamen. Seine Hand griff automatisch nach Hatherleys Zauberstab, doch damit hätte er gerade einmal fünf verjagen können. Vor ihnen stand aber eine Wand von mehr als hundert von ihnen.
„Was sind das für Wesen?" wollte das Mädchen wissen.
„Dementoren", erklärte Snape und suchte vergeblich eine Lücke in der Wand vor ihnen. Davon hatte Bethan natürlich nichts erzählt. „Ich schätze, wir müssen uns einen anderen Weg suchen. An die kommen wir nicht vorbei."
Einer der Dementoren drehte sich zu ihnen um, und er blieb nicht der einzige. Andere folgten, bis schließlich fast hundert verhüllte Gesichter zu ihnen herüberblickten – wenn die Besitzer denn Augen besessen hätten. Snape fragte sich, wie er jemals denken kontne, dass diese Wesen nicht ihre Anwesenheit spüren würden.
„Sie haben uns entdeckt", erklärte Nadja überflüssigerweise. „Sie sagen, wir sollen näher kommen."
Snape starrte das Mädchen an. „Wie meinst du das?"
„Wir sollen näher kommen."
Snapes verwirrter Blick wanderte zwischen den offensichtlich wartenden Dementoren und dem Mädchen hin und her. Die Wesen hatten weder etwas Hörbares von sich gegeben, noch hatte er jemals davon gehört, dass Dementoren sprechen konnten.
„Sie sagen, wir brauchen keine Angst haben", fuhr Nadja fort. „Sie wollen uns nichts tun. Nur reden."
Diese Antwort erreicht allerdings das genaue Gegenteil. Snape hatte zwar noch immer so viel Angst vor den Dementoren wie vorher, doch da war auch eine Angst vor seiner jungen Begleitung dazugekommen. „Du kannst hören, was sie sagen?"
Nadja sah ihn an, als ob er soeben daran gezweifelt hätte, dass der Himmel blau sei. „Ja, sie wollen uns nichts tun, aber sie scheinen recht verärgert zu sein. Ich glaube, wir sollten daher aufpassen." Mit diesen Worten näherte sie sich ruhig den wartenden Dementoren, während Snape ihr wie in Trance folgte.
Bewegung kam in die Reihen der Dementoren und sie begannen die beiden Fliehenden einzukreisen, doch noch immer machten sie keine Anstalt anzugreifen oder nur ihre Glücksgefühle einzusaugen. Sie standen, beziehungsweise schwebten herum und schienen ihn und das Mädchen anzustarren, auch ohne Augen.
Das, was folgte, war zu gespenstisch, um es mit einfachen Worten zu beschreiben. Absolut nichts geschah, weder Nadja noch die Dementoren rührten sich, und doch war sich Snape absolut sicher, dass sich diese ungleichen Gesprächspartner unterhielten, während rings herum die Welt die Luft angehalten zu haben schien. Dieses Gespräch dauerte höchst fünf Minuten, doch für Snape vergingen Stunden. Aber schließlich bewegten sich die Dementoren und öffneten wieder den Kreis. Nun befand sich die schwebende Verteidigungswand nicht vor, sondern hinter ihnen. Man hatte sie tatsächlich passieren lassen.
Nadja schien sich wieder daran zu erinnern, dass sie nicht alleine war, sah sich nach ihm um und winkte ihn zu sich, als sie weiterging.
„Du hast tatsächlich mit ihnen gesprochen?" wollte er wissen, als die Dementoren außer Hörweite waren.
„Ja, und ich will es nicht noch einmal machen", erzählte sie. „Sie sind so zornig, dass ich ihnen fast alles zutrauen würde. Sie sind wütend auf Voldemort, weil er jetzt nicht sie, sondern Angra Mainyu bevorzugt, und natürlich auch auf Angra Mainyu, der sie in die Ecke drängt. Einige wollen sogar wieder zurück nach Askaban, was für ein Ort das auch immer ist. Und einer hat gesagt, dass sie uns nur deshalb durchlassen, um Voldemort und Angra Mainyu eins auszuwischen." Sie warf einen unsicheren Blick zurück. „Hoffentlich ändern sie nicht ihre Meinung."
Abgesehen von der Tatsache, dass sich die Hufflepuff mit Dementoren unterhalten konnte, verwunderte es ihn genauso, dass Dementoren so etwas wie Eifersucht kannten und sich gezielt mit Ungehorsam für ihre vermeintliche oder tatsächliche Benachteiligung rächen wollten.
„Können Sie noch einmal nachsehen, ob wir noch auf dem richtigen Weg sind", fragte schließlich das Mädchen.
Snape wollte gerade wieder das Knieselhaar befragen, als ihm eine Idee kam. Wie es Bethan erklärt hatte, löste er das Haar und beobachtete, wie es sich in die Richtung zu den Portschlüsseln bewegte. „Wir sind nicht vom Weg abgekommen."
Nadja nickte erleichtert und eilte weiter. Doch Snape befestigte stattdessen wieder das Knieselaar und blickte hindurch. Was er dort sah, verwunderte ihn mittlerweile kaum noch. Es war nicht so, dass Nadja mit irgendeinem Tierkopf herumlief wie Tarson. Vielmehr lief vor ihm nicht das kleine Mädchen, das er kannte, sondern eine Mischung aus Nebel und Mensch. Natürlich hatte er keine Ahnung, was das zu bedeuten hatte, aber es bewies, dass die Hufflepuff mehr war, als sie vorgab zu sein. Doch noch wollte er seine Entdeckung für sich behalten, und so steckte er das Haar wieder weg und folgte dem seltsamen Gespenst vor ihm.
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Tarsons Blick wanderte kurz von dem Lichtkegel seines Zauberstabes Richtung Nordwesten. Er wollte es sich nicht eingestehen, aber er machte sich Sogen, natürlich nicht um sich selbst. Sein Verschwinden und Wiederauftauchen hatte niemand in der Menge bemerkt. Freilich, die meisten Todesser waren schon wieder fort, aber noch immer oder schon wieder waren genug hier, dass das kurze Verschwinden einer einzigen Person nicht sonderlich auffiel.
Das Problem war, dass das Entkommen der Gefangenen rasch entdeckt worden war und nun ein Haufen übermüdeter, gereizter und vor allem ausgezeichneter Zauberer hinter Nadja und dem Professor her waren. Und bald würden sich Angra Mainyus Häscher den Todessern anschließen und zumindest einer der Flüchtlinge hatte keine Ahnung, wie man mit ihnen umging. Er hätte dem Professor ein paar nützliche Tipps geben sollen, doch der hatte in Nadja wohl die fähigste Begleitung, die er sich hätte wünschen können, in vielerlei Hinsicht sogar fähiger als er selbst oder Rishkan. Den beiden würde wohl nicht so schnell etwas geschehen, falls Angra Mainyu nicht selbst aktiv wurde, und wenn das der Fall wäre, dann hätten sie ohnehin schon verloren. Aber Angra Mainyu hatte noch nie etwas selbst gemacht, schon gar nicht so etwas wie eine entwürdigende Verfolgungsjagd. Dafür hatte er schließlich seine vielen Diener.
Mit einem Grinsen entdeckte er eine Spur, die jeder andere Todesser – und sogar die meisten Diener Angra Mainyus – ganz sicherlich übersehen hätte. Es war eine größere Fläche verdorrtes und gleichzeitig auch gefrorenes Gras, das ein Spur toter aussah, als die Grasfläche sonst in der Umgebung. Nach einem weiteren Blick erkannte er, dass auch die Erde ein wenig aufgelockert war. Dort also hatte der Tunnel geendet.
„Was gibt es denn da zu lachen?", fauchte ihn jemand von hinten an.
Tarson hasste es auf eine solche Art erschreck zu werden, doch er schluckte eine bissige Antwort oder gar einen Fluch gerade noch rechtzeitig herunter, als er erkannte, wer ihn angesprochen hatte.
„Malfoy", heuchelte er unterwürfig und deutete so etwas wie eine Verbeugung an. Seit seinem Verrat stand Malfoy wieder sehr hoch in der Gunst des Dunklen Lords. Ihn zu verärgern hieß, sich mit Voldemort anzulegen, und er wollte die Grenzen des Amicus-Zaubers nicht unbedingt beim Dunklen Lord ausloten.
„Ich hab noch immer keine Antwort!" knurrte Malfoy und winkte zwei Todessern, Crabb und Goyle, die sich wie Leibwächter um den Todesser stellten.
Tarson unterdrücke noch einmal die Versuchung, Malfoy und seine Gorillas anständig zu verfluchen und spielte ganz den Unterwürfigen. „Ich hab gerade daran gedacht, wie Snape so dumm sein konnte zu glaube, er würde so einfach entkommen. Ich bin mir sicher, wenn Sie an unserer Seite sind, dürfte es sich nur noch um Augenblicke handeln, bis wir den Verräter und Hatherleys Mörder gefunden haben."
In Lucius' Augen funkele es, als ob er den Spott in seinen Worten verstanden hatte – er hatte anscheinend doch etwas mehr Verstand, als ursprünglich angenommen – und nun ebenfalls an einen Fluch dachte, doch auch er hielt sich zurück. „Du wirst weitersuchen, bis wir sie gefunden haben", zischte er ihn stattdessen an, „und wenn du noch in einem Jahr herumsuchst."
Darüber war Tarson natürlich alles andere als begeistert, trotzdem antwortete er mit einem ergebenen: „Selbstverständlich!"
Lucius wollte sich schon wieder abwenden, drehte sich aber noch einmal um. „Ich weiß, du führst irgendetwas im Schilde, Bethan. Zuerst brauchst du eine Extraeinladung, damit du überhaupt einmal erscheinst, hast eine so fadenscheinige Ausrede, dass du schwer verletzt warst, obwohl es dir offensichtlich ganz gut geht, und kaum bist du da, verschwinden zwei Gefangene auf rätselhafter Weise. Wenn man noch die ganzen missglückten Einsätze dazuzählt, bei denen du dabei warst, beginnt man sich Gedanken zu machen."
Tarson hörte zu, äußerlich ruhig und gefasst, innerlich kochte er vor Wut.
„Wenn ich an Voldemorts Stelle wäre", fuhr Lucius fort, „dann wärst du schon längst tot. Aber ich werde dich auch so im Auge behalten, darauf kannst du Gift nehmen."
Tarson wusste, dass seine Augen vor Zorn zu funkeln begannen, doch Malfoy schien das nicht zu bemerken oder es einfach zu ignorieren. Es war nicht so, dass er ihm unverhohlen vorgeworfen hatte ein Verräter zu sein – da hatte er schließlich Recht – sondern all die anderen netten Dinge, die er zu ihm gesagt hatte. Tarson war tatsächlich schwer verletzt worden und er hatte trotz Rishkans medizinischen Können noch immer starke Schmerzen. Die meisten Aktionen, an denen er beteiligt gewesen war, zugegeben nicht besonders viele, waren schon aus Sicherheitsgründen erfolgreich gewesen, im Gegensatz zu manchen, an denen Malfoy mitgewirkt hatte. Diese hatte nämlich Rishkan auf zum Teil sehr kreativer Weise sabotiert; der Drache war nur eines der vielen Glanzlichter. Und zu allem Überdruss ärgerte ihn noch Malfoys „Gift nehmen". Das hatte er nämlich in den letzten Tagen tatsächlich nehmen müssen, denn mit manchen von Rishkans ekelhaften Arzneien und Heiltränken konnte man auch Ratten umbringen.
Tarson kannte ein Dutzend Zauber, die unangenehmer waren als der Avada Kevadra und der Cruciatus zusammen, und er verspürte das große Verlangen sie alle auf einmal an Malfoy auszuprobieren, nur um zu sehen, ob er sie noch so gut beherrschte wie vor fünf Jahren. Doch er wäre schon längst umgekommen, wenn er nicht gelernt hätte, sich zu beherrschen, und so antwortete er lediglich: „Das haben Sie aber nicht so gemeint, dass Sie vorhaben, einmal Voldemorts Platz einzunehmen?"
Lucius Malfoy starrte ihn überrumpelt an, und die Überraschung in seinem Blick entschädigte Tarson für alle Unannehmlichkeiten, die er für diese Arbeit auf sich nehmen hatte müssen. Malfoy war mit der hohen Kunst des Worte Verdrehens nicht annähernd so vertraut wie er, hatte nie mit einem verschlagenen, feindlichen Zha verhandeln müssen. Und darüber hinaus hatte Malfoy wohl den genauen Wortlaut seiner Beschuldigungen vergessen und fürchtete nun tatsächlich etwas Verfängliches gesagt zu haben, das konnte er aus seinem bestürzten Gesicht lesen. Möglicherweise hatte er ja sogar tatsächlich ein schlechtes Gewissen. Es wäre gar nicht so schlecht, der Sache einmal nachzugehen.
„Wenn das der Fall ist, müsste ich es nämlich Voldemort erzählen", fuhr Tarson gnadenlos fort, nur um auf Nummer sicher zu gehen.
Malfoy kam nicht dazu, sich zu rechtfertigen, denn in diesem Augenblick erklag vom Kloster ein hohles Bellen, das ein wenig an Glockengeläute erinnerte. Und das Bellen wurde mit jedem Augenblick leiser, als ob sich die Verursacher weg von ihnen bewegen würden.
„Was war das?", flüsterte Malfoy und sah sich schutzsuchend nach Crabb und Goyl um, denen aber auch der Schrecken deutlich aus dem Gesicht zu lesen war. Feiglinge!
„Das werden die Spürhunde von Voldmorts Verbündetem sein", stellte Tarson fest und erneuerte unauffällig den Zauber, der ihn davor schützte von Angra Mainyus Kreaturen gesehen zu werden. „Anscheinend Gzakum. Und sie kommen hierher."
„Nein, sie bewegen sich weg", entgegnete Malfoy. „Es wird leiser."
Tarson lachte auf und sah zum Wald. In diesem Augenblick sprangen vier Wesen an ihm vorbei, die man nur mit viel Fantasie als Hunde bezeichnen konnte, doch mehr als einen flüchtigen Blick konnten sie nicht erhaschen, schon waren sie wieder im Gebüsch verschwunden, während ihr seltsames Bellen wieder lauter wurde.
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Lucina: Vielen Dank für das Review! Nun, es hat ein wenig länger gedauert mit dem nächsten Kapitel. Tut mir sehr Leid. Ich hab nicht einmal eine anständige Entschuldigung für die lange Pause. Hoffentlich hab ich dich nicht verkrault.
Dax: Wieder herzlichen Dank für die Review (und den lieben Smily)!
Ellen: Vielen Dank für das ausdauernde Lesen und Verbessern! Hoffentlich liest du noch weiter.
Reditus Mortis: Danke für die Review und die Aufforderung weiter zu schreiben! Ich hab damals schon gar nicht mehr an die Fanfiction gedacht. Also, jetzt geht es wieder weiter.
Annchen: Wieder herzlichen Dank für das Schreiben-Auffordern und das Lob. Die Charaktäre - bis eben jene, die Rowling erfunden hat bzw. jene, die aus der persischen Mythologie geklaut sind - hab ich mir selbst ausgedacht, Tarson auch. Eine Art Crossover ist es trotzdem, weil jene selbst erfunden Personen in einer anderen Geschichte vorkomme, an der ich gerade bastle (und die nichts mit Harry Potter zu tun hat). Der bzw. die Gründe, warum er die Seiten gewächselt hat, kommen noch. Was Nadja betrifft, so dürfte seit diesem Kapitel nun klar sein, dass sie kein normaler Mensch ist. Mehr darf ich noch nicht verraten, Snape muss noch dahinter kommen.
Abhaya: Danke für die liebe PM. Hier ist das nächste Kapitel, wie versprochen, und das nächste ist schon fast fertig.
Hoffentlich hab ich jetzt niemanden vergessen. Ich hab noch eine Bitte. Ich schätze, dort oben wimmelt es von Tippfehlern. Weil ich so lange nicht mehr geschrieben habe, brauch ich nämlich jetzt jemanden, der für mich wieder betaliest. Wenn also jemand Lust hat, bitte melden. :-)
