Kapitel Eins: Hätte James geahnt..


"Ich sah Dudley und Harry in jenem Geschäft. Vom Alter her waren sie beide etwa gleich, und doch – sie hätten nicht unterschiedlicher wirken können. Der eine war, wie ein Kind sein sollte, voller Naivität und Sorglosigkeit, voller Drang nach vorne zu stürmen, und die Welt zu besiegen. Der andere, auch wenn er vielleicht sogar jünger war, schien Jahrzehnte älter. Seine Haltung war abgekämpft, müde, aber in seinen Augen sah ich diesen Stolz, diese Willensstärke. Hätte ich es nicht gehört – nein, ich hätte nie geglaubt, sie wären verwandt gewesen."
Eine Passantin erinnert sich, aus "Das Schicksal des Auserwählten"

... Nahezu zwölf Jahre vor Harrys Einschulung...
James hastete durch die Straßen, seine Robe flatterte im Wind, er war rascher und zielstrebiger als sonst. Alle grüßten ihn, hofften, dass er sie zurückgrüßte. Ihr Warten war umsonst. James hastete weiter seinen Weg.
Er sah sie nicht.
Er sah nicht ihre falschen Lachen, ihre hübschen Kleider, ihr bedürftiges Winken. Er sah nichts, außer sie und ihre Augen. Ihre wunderschönen grünen Augen.
Auch er, Peter, konnte sich in diesen Augen verlieren. Er tat es. Jedes Mal, wenn sie ihn anschaute. Sie war alles für ihn, aber sie wusste es nicht. Er fand das gut. Wenn sie es je herausfinden würde, würde sie weg sein. Sie war nur da. Sie wusste nicht, welchen Effekt sie auf ihn hatte. Sie wusste nicht, dass sie die einzige für ihn war.
Die Einzige, die verstand.
Sie fühlte dieselben Dinge, die er fühle. Den Wunsch zu schreien, und alle Erwartungen wegzuschleudern.
Den Wunsch, sich einfach unter dem Tisch zu verkriechen, und der Krieg war weit, weit weg.
Sie war nicht glücklich mit James, nein. Gestern waren ihre Augen verheult gewesen. Manchmal starrte sie wie abwesend in die Ferne.
Sie kannte das Nichts, das er mit jedem Atemzug fühlte.
Die Einsamkeit, die verdammte Einsamkeit.
Er lächelte das erste Mal an diesem Tag, als er sie sah. Sie sah es, und lächelte zurück. Sein Herz schlug schneller, und er wollte zu ihr gehen. Dann sah er den Schatten hinter sich. Sein Herz hörte auf zu schlagen, als er realisierte, dass sie James anschaute.
James und nicht ihn.
Seine Augen wurden hart, und er ging weg. Sein Name wurde gerufen, er drehte sich um, es war Sirius. Peter lächelte, falsch natürlich. Sirius bemerkte es nicht. Natürlich. Es war ihm egal. Er war genauso wie sie. Falsches Lachen, hübsche Kleidung. Falsche Freunde. Er war genauso falsch. Kein Wunder, dass Lily James lieber hatte. Egal, wie ähnlich er und sie waren. Sie wusste, dass selbst seine Freunde ihn oft auslachten. Er wusste, dass selbst ihre Schwester sie oft auslachte. Sie kannten sich, denn sie waren gleich. Aber sie war zu sehr mit James beschäftigt, um das zu bemerkten.
James und nicht ihn.
James kannte sie, auch. Spürte ihren Schmerz, tröstete sie, wahrscheinlich besser, als Peter konnte.
Er vergaß sie für den Rest des Tages. Seine Maske übernahm die Arbeit, er lief auf Automatik. Mein Kopf bringt mich um., sagte er. Ich schau bei Poppy vorbei. Sie nickten, und redeten weiter. Sie bemerkten nicht, dass er nicht nach Hogwarts flohte. Riddle Manor.
James und nicht ihn.
Er wollte frei sein. Keine Heile-Welt-Stimmung. Frei von falschem Lachen. Frei von hübschen Klamotten. Frei von Lily Evans-Potter. Die sich für James entschieden hatte.

James und nicht ihn.
Voldemort und nicht sie.


... zurück in die Gegenwart...

"Was wäre, wenn ... wenn eine Muggelgeborene, ein Weasley, und der Junge, der lebt, in Slytherin landen?"

"Was?"
"Aber die Slytherins sind böse!"
"Nein. Das ist ein Vorurteil. Wenn sie wirklich böse wären, würden wir nicht einsortiert werden können, weil wir gut sind. Oder zumindest wir tun keine moralisch verwerflichen Dinge. Menschen sind nicht von Natur aus böse. Slytherins auch nicht. Sie haben nur diesen Ruf.", widersprach Hermione.
"Das mit den Vorurteilen stimmt. Wenn sie böse wären, würde man doch alle einsperren. Und außerdem – wie kann ein Elfjähriges böse sein?", stimmte Harry zu.
"Es wäre ein brillanter Schachzug. Eine vollkommen unbekannte Taktik. Der Gegner weiß nicht, was ihn trifft.", murmelte Ron.
" Aber wie?"
"Man sagt, in Slytherin sind die, die schlau und clever sind, und Pläne haben, zielstrebig sind, und gute Freunde haben. Ich denke, was auch immer die Aufnahmerituale sind, wir müssen mit diesen Punkten argumentieren..", dachte Hermione nach.
"Beschlossene Sache?", fragte Harry.
"Schocken wir die Welt!", grinste Ron.
Nevilles Kröte war vergessen. Und ab diesen Moment wurden die drei Freunde. Es gibt Dinge, die kann man nicht gemeinsam tun, ohne Freundschaft zu schließen, und das Weltbild Hunderter zu erschüttern, gehört gewiss dazu.
"Mutter wird mich umbringen."
"Das ist nicht die einzige Konsequenz, die wir zu erwarten haben. Wir werden Außenseiter werden, von allen beobachtet, von allen gehasst. Wir werden nur uns selbst haben.", meinte Hermione.

"Sollen sie doch! Lieber sterbe ich stolz als der, der ich bin, als lebe ich in den Ketten irgendwelcher Klischees", knurrte Harry.
"Du hast zu viele Bücher von Freiheitskämpfern gelesen. Sie werden uns nicht töten", meinte Hermione.
"Zumindest nicht jetzt.", meinte Ron. "Sie werden versuchen, uns auseinander zu bringen."
"Dramaqueen."

"Ich hab Angst, dass ich versage.", meinte Harry.
"Du musst keine Erwartungen mehr erfüllen, wenn du in Slytherin bist. Dann sind schon alle desillusioniert.", beruhigte ihn Hermione.
"Wir- das heißt die aus magischen Familien wissen auch nicht viel mehr als die Muggels, hat man mir gesagt. Ich kenn mich nur bei Traditionen und so Sachen besser aus.", beruhigte ihn Ron.
"Es wäre trotzdem gut, wenn wir uns vorbereiten würden.", meinte Harry. "Es wäre ein besseres Gefühl."
"Jap. Darum hab ich auch alle Bücher auswendig gelernt."
"Was?" Ron und Harry starrten das Mädchen ungläubig an.
"Dachte, es wäre nützlich..", meinte Hermione. "Abgesehen davon lerne ich gerne."
Harrys Gesicht verzog sich langsam zu einem Grinsen.
"Hey, ich hab eine Idee. Ron hat Ahnung von der Zaubererwelt, Traditionen und so. Und er ist ziemlich gut in Schach, also wahrscheinlich auch in Strategie. Hermione scheint gut im Lernen zu sein. Und ich habe Geld, und einen Namen. Was, wenn wir unsere Talente teilen? Ron erklärt uns, was wir von der Zauberwelt zu halten lassen, Hermione hilft uns in der Schule und bei der Recherche und ich kaufe uns anständige Materialien, und benutze meinen Namen, um uns Einfluss zu verschaffen. Abgesehen davon habe ich ziemlich viel Ahnung von der Muggelwelt, und kann verdammt gut kochen. Deal?"
"Wow- das klingt nach einer Win-Win- Situation.", blickte Hermione ihn an.
"Ich weiß zwar nicht, was eine Win - Win-Situation ist, aber das klang richtig Slytherin. Ich bin dabei.", antwortete Ron.
"Gut, dann würde ich vorschlagen, wir beginnen noch heute. Falls wir Jungs von dir separiert werden, Hermione, wir treffen uns morgen eine Stunde vor Frühstücksbeginn, wann auch immer das ist, in der Bücherei. Auf jeden Fall müssen wir etwas für unser Image tun. Du, Ron, brauchst einen außerdem einen Zauberstab, der nur auf dich reagiert, die arbeiten besser. Wir brauchen Klamotten, und einen gewissen einheitlichen Stil."
"Schwarz.", sagte Hermione.
"Was?"
"Schwarz. Die eleganteste Farbe, sie würde zu allen von uns passen. Wir kaufen schwarze Klamotten, schwarze Notizbücher, schwarze Umhängetaschen, Bucheinbände,.."
"Nur schwarz?", fragte Ron.
"Nein. Als Schnallen und Metallfarbe nehmen wir Silber. Und als zweite Farbe variieren wir. Die Augenfarbe, also grün bei dir, Harry, blau bei Ron und hellbraun bei mir. Die Farbe nehmen wir für Schmuck, Schals, und andere Accessoires. Also nur als kleiner Akzent. Schwarz dominiert. Immer."
"Brillant.", flüsterte Ron.
"Ja. Schlicht. Edel. Stilvoll.", meinte Harry. "Wir sollten Bestellkataloge rausnehmen. Bis halb elf suchen wir Klamotten, und Utensilien raus, dann wählen wir eine halbe Stunde Bücher, und dann stimmen wir uns ab. Um zwölf sind wir fertig, Ron hat gesagt, die Zugfahrt dauert bis zum Abendessen, also können wir noch kurz durchgehen, was man als Zauberer unbedingt wissen soll, und dann gibt uns Hermione eine kurze Einführung in die wichtigsten Fächer."
Hermione verteilte Bestellkataloge.
"Mum und Dad meinten, ich solle entscheiden, was wichtig ist und nachbestellen. Die Sachen kommen sofort an, wenn man den Gringotts-Schlüssel auf das Formular legt."
"Wie viel Geld kannst du aufbringen?", fragte Ron an Harry gewandt.
"Ich habe ein riesiges Verlies. Aber ich denke nicht einmal, dass es alles ist, weil es Trust Fond heißt. Also keine Grenzen. Für heute."
"Cool. Das wollte ich schon immer mal."
"Irgendwann musst du dich mit deinen Finanzen auseinandersetzen, Harry. Wer weiß, vielleicht unterstützt du versehentlich irgendein korruptes Ministerium.", meinte Hermione.
"Wir gehen das Ganze später mal durch, und organisieren ein Verlies nur für unsere Gruppe. Aber um so tägliche Einkäufe müssen wir uns keine Sorgen machen.", stimmte Harry zu.
"Bist du sicher, dass deine Eltern das unterstützt hätten? Ich meine, das Geld haben sie verdient, und deine Vorfahren.", fragte Ron, der Probleme hatte, sich vorzustellen, dass Geld kein Thema war.
"Wenn meine Verwandten wüssten, dass ich Geld habe, würden sie es nehmen. Und ich bin sicher, Mum und Dad würden ihr Geld lieber für die Gerechtigkeit geben, als für Verwandte, die mich verprügeln."
Die Kinder schwiegen.

"Wir dürfen nicht von der Gerechtigkeit sprechen.", meinte Ron plötzlich. "Wir brauchen einen cooleren Namen."
"Die Sache. Wir sprechen von der Sache", murmelte Hermione.
"Und jemand sagt, ich habe zu viele Bücher über Revolutionen gelesen."
Die drei stürzten sich in die Kataloge.
"Sollen wir schwarze Tinte statt der üblichen blauen nehmen?"
"Das hat etwas, ja. Aber Muggelfüller für die Zeit, wo niemand zusieht. Die schreiben schöner. Sonst schwarze Adlerfedern. Und Schnell-Schreib-Federn."

"Unsere Haustiere sind nicht angemessen."
Krätze quiekte entsetzt auf, Ron hielt ihn am Schwanz.
"Aber wir sollten sie behalten. Versuchsratte für irgendwelche Zaubertränke.", meinte Hermione.
Krätze versuchte, zu fliehen, aber Harry war schneller, und packte ihn.
"Ich fürchte, er muss ab jetzt in Hedwigs Käfig residieren. Du hängst nicht sonderlich an ihm, oder?"

"Nein."
"Gut. Was haltet ihr von Adlern? Oder Fledermäusen?"
"Fledermäuse? Interessant. Ich wäre dafür. Vielleicht Spinnen."
"Bloß nicht!"
"Du hast eine Phobie? Dagegen gibt es eine einfache Behandlung, das könnte dir mal das Leben retten."
Ron rutschte auf seinem Sessel herum.
"Ich werde was tun. Also Fledermäuse?"
"Bin dabei."
"Ich auch."
"Habt ihr gewusst, dass es einen Lehrer hier gibt, er heißt Snape, Slytherins Hauslehrer übrigens, den alle übergroße schleimige Fledermaus nennen? Er soll ziemlich unangenehm sein. Zaubertränke."
"Sollten wir abdecken, nicht Hermione? Kannst du uns da ein wenig einführen?"
"Wird gemacht."

"Wir nennen unsere Fledermäuse Augaue, Antiope, und Arachne."
"A- was?"
"Deine, Harry, heißt Augaue. Das bedeutet so ungefähr nobel, und kämpferisch. Deine, Ron, wir besorgen dir ein Weibchen, nennen sie Arachne. Arachne war eine Sterbliche, die ohne dass jemand damit rechnete, gegen eine Göttin gewann. Außerdem heißt Arachne Spinne auf Latein, eine nette Anspielung. Meine heißt Antiope. Bedeutet Wissen."
"Arachne- klingt nett."
"Gut. Abgesehen davon ist das eine schöne Idee. Alle den selben Anfangsbuchstaben."
"Ist ein Stilmittel. Nennt man Alliteration."
"Du musst es wissen."
"Wir könnten dieses Abteil verschließen, oder? Ich habe keine Lust auf Eindringlinge.."
"Jap. Ich hab da von so einem Spruch gelesen.. "

"Wir haben dreissig Stunden die Wochen Schule, wach sind wir allerdings mindestens 100 Stunden, wenn man grob mit 14 Stunden effektiver Wachzeit rechnet. Dann haben wir Unterricht. Bleiben 70 Stunden übrig. Zählen wir pro Tag eineinhalb Stunden für Essen, und Duschen weg. Bleiben 60 Stunden übrig. Das heißt, wir wären theoretisch am Ende dieses Jahres beim Stoff von Jahr vier. Bedenken wir, dass wir in manchen Stunden nichts lernen, und sie somit doppelt nutzen können, und, wenn wir eigenständig lernen, eine höhere Lernquote haben, sowie Erinnerungstausch nutzen, sind wir bis nächstes Jahr mindestens auf ZAG-Niveau." (A/N: Versucht nicht, nachzurechnen..)
"Das ist verrückt, Harry."
"Mag sein. Aber es erfüllt seinen Zweck. Ein Jahr deiner Jugend gegen ein Leben der ungerechten Behandlung."
"Dramaqueen."

"Das ist Ron."

Als viele Stunden später der Zug endlich ankam, waren die ersten bestellten Elemente per Magie bereits angekommen und die drei Möchtegern-Slytherins (die nun auch wussten, wo man einen Bezoar finden konnte) hüllten sich in tiefschwarze Umhänge und glätteten ihre Haare mit McLissys zauberhaftem Beautybalm. Es gibt keine zweite Chance, einen ersten Eindruck zu machen, hatte Hermione erklärt, und Ron den Dreck an der Nase weggeputzt.
Mit aufrechtem Gang schritten sie aus dem Zug (Harry meinte, sie müssten unbedingt üben, wie man ging, dass der Umhang wehte – und wusste nicht, dass vor etwa 20 Jahren ein gewisser Severus Snape an der selben Stelle genau den selben Gedanken gehabt hatte), und sahen zum ersten Mal in ihrem Leben ihr neues Zuhause für die nächsten sieben Jahre. Wortlos blickten sie sich an, fühlten die Magie des Augenblicks. Ihre Gesichter blieben ruhig, wie vereinbart, aber ihre Augen strahlten.

Ein Junge kam auf sie zu.
"Mein Name ist Malfoy. Draco Malfoy."


A/N:
Danke an meine Reviewer!
Aaalso: Versucht nicht, die Stunden nachzurechnen.. sheepishgrin err, ja, es wird mir ab und zu passieren, dass ich englische Ausdrücke verwendet, hab nämlich nur das erste Buch auf Deutsch gelesen, und die anderen auf Englisch.
Diese Geschichte wird nicht allle Dinge aufgreifen, die im canon vorkommen, da sich garantiert Dinge ändern, wenn Harry nach Slytherin kommt. (Er wird wie Riddle kreisch Ordenzusammentrommel... )
Diese Blicke in die Vergangenheit werden nicht häufig vorkommen, aber ich dachte, das passt zu dem Titel "Hätte James geahnt.. "
Gewöhnt euch nicht zu sehr an soo regelmäßige Posts - das hier poste ich nur, weil ich frustriert über einem Mathe-Beweis hänge, und nicht einmal weiß, wen ich fragen soll (die Grenzwertsätze - im Unterricht haben sie noch nicht mal die Formeln durchgenommen... was suche ich eigentlich dort?) aargh!- ich brauch Aufmunterung!
Anyway, was haltet ihr von meinen Charas? (bzw JKRs?).. Für alle Draco- Fans: Sorry, der wird nicht gut.. Draco gehört für mich zu den schwierigsten Leuten.
Wie gesagt, ich suche immer noch einen Co-Autor.
Love,
Claire