Illusion der Perfektion


Es gibt etwas, das schlimmer ist, als jede Schuld, schlimmer als jeder Schmerz. Das Wissen, dass sich jemand für dich geopfert hat. Dass du lebst, und sie tot ist. Sie trug rote Ohrringe, als man sie begrub, erinnerte sich Severus nun. Es waren Rubine, und sie hatten im Sonnenlicht gefunkelt. Für ihn sahen sie aus wie Blutstropfen. Er wünschte sich, es hätte an jenem Tag wenigstens geregnet.

Aus: Fragil. Eine wahre Liebesgeschichte, von Amanda le Ray, 3. Auflage, London, im Jahr 2183


Die Tagen zogen vorüber. Sie hatten ihre erste Verwandlungsstunde, und stellten fest, dass Professor McGonnagal sie zwar misstrauisch beobachtete, aber trotzdem fair blieb. Sie merkten, dass oft ein Lehrer in ihrer Nähe war, aber eigentlich war es ihnen egal.
"Wir wollten in Gringotts einbrechen, oder?", fragte Harry eines Morgens.
"Ja, warum?", fragte Ron.
"Damals wurde etwas geklaut. Ich erinnere mich, als Hagrid mich holte, ging er mit, um Du-weißt-schon-was aus einem Verlies zu holen. Und er hatte einen Brief von Dumbledore, den er vorlegen musste."
"Könnte es- ?", fragte Hermione.
"Zu früh, um etwas zu verdächtigen. Stimmt das Datum?"
Ron kramte sein Notizbuch mit den Zeitungsartikeln hervor.
"Lass mich mal schauen.. Einbruch in Gringotts, ja das Datum stimmt. Am 31. Juli wurde in die Zaubererbank Gringotts eingebrochen, die bis dato als das sicherste Gebäude Englands galt,.."
"Das sicherste – das sagte Hagrid damals über Hogwarts!", flüsterte Harry. "Ich glaube, das hier ist unsere erste große Mission. Was ist so wichtig, dass es in Hogwarts versteckt werden muss? Es passt in ein Paket, nicht größer als meine Hand? Wenn es Dumbledore gehört hätte, wäre es die ganze Zeit hier gewesen. Also muss einer seiner Partner oder Freunde es besessen haben. Es muss unsagbar wertvoll sein. Nein, nicht wertvoll, dann hätte der Einbrecher Gold geklaut. Sondern gefährlich. Mächtig."
"Halt –halt, Harry, lass mich mitschreiben – ein Freund oder Partner von Dumbledore besitzt etwas Mächtiges, das nicht in die Hände von Falschen gelangen darf. Es ist eventuell hier in Hogwarts versteckt.", unterbrach Hermione.
"Der dritte Stock ist verboten, für alle die nicht einen sehr schmerzhaften Tod sterben wollen..", murmelte Ron.
"Du hast bei der Rede aufgepasst?", blickte Hermione ihn erstaunt an.
"Heiß ich Harry?"
"Hey!", rief Harry, aber dachte dann nach. " Ist das nicht ein bisschen offensichtlich?"
"Niemand weiß, dass es Du-weißt-schon-was gibt, außer uns.", meinte Ron.
Hermione nickte. "Und was machen wir nun?"
Harry übernahm wieder einmal unbewusst die Führungsrolle der Gruppe. "Recherche. Wir finden raus, was für Freunde Dumbledore hat, wie oft sie gemeinsam gesehen werden, und aus welchen Gründen, ob die zufällig ein Artefakt besitzen, und was diese Artefakte für Gefahren bedeuten. Dann recherchieren wir nach allen möglichen und unmöglichen Schutzmaßnahmen und Beobachtungszaubern. An Halloween ist ein Fest, da versuchen wir, vorzudringen, alle sind abgelenkt. Je nachdem wie weit wir kommen, versuchen wir, das Artefakt besser zu schützen. Wenn wir es sehen, informieren wir Snape, dass die Aufgabe zu leicht war."
"Bis Halloween. Okay. Aber das ist unser letztes großes Projekt. Unser Stundenplan wird langsam eng."

Zwei Nächte später erhielt Albus Dumbledore eine seltsame Nachricht.
Wie viele Jahre deiner Vergangenheit würdest du verleugnen, wenn die Welt dafür Frieden bekäme?
Wie viele Jahre deiner Zukunft würdest du verschenken?
Diese Nachricht würde die erste von vielen sein, die die Mitglieder des Ordens des Phoenix an die Wand ihres Versammlungsraumes pinnen würden.

"Okay," fasste Hermione die Liste zusammen. "Wir haben hier drei Personen, die mit ihm befreundet sind, und Artefakte in der richtigen Größen besitzen. Ein Alastor Moody, mit einem magischen Auge, das durch alles sieht, ein Nicolas Flamel, mit einem Stein der Weisen, der das Elixier des Lebens herstellt, und eine Lia Delacour mit einem Neptunauge, das magische Kräfte verleiht."
"Was haltet ihr für am mächtigsten, schädlichsten?", fragte Ron.
"Nun, das Neptunauge kann zwar großen Schaden anrichten. Aber da ich schätze, es geht hier um Voldemort. Hagrid hat gesagt, er wäre nicht ganz weg. Warum sollte er Muggeln Kräfte verleihen, wenn er sie doch so hasst?", meinte Harry. "Ewiges Leben oder unendliches Wissen – was ist wichtiger?"
"Hagrid hat gesagt, er wäre nicht ganz weg. Das heißt, er irgendwo da draußen ein halb existierendes Wesen. Was würdet ihr als erstes tun?", fragte Hermione.
"Sicher stellen, dass ich überlebe. Du solltest übrigens aufhören, rhetorische Fragen zu stellen.", meinte Ron.
"Bäääh!"
"Müssen unsere Diskussionen immer so enden?", stöhnte Harry.
"Die Diskussion ist noch lange nicht zu Ende! Also, was machen wir jetzt?", fragte Hermione.
"Wir bereiten uns darauf vor, einen sehr schmerzhaften Tod zu sterben.", grinste Harry.
"Harry!"
"Was wolltest du wissen, Hermione?", fragte er mit einem süßlichem Lächeln.
"Aargh! Bücherei. Harry – du übernimmst seine Freunde, und die Regelmäßigkeiten ihrer Treffen. Ich glaube, da haben wir noch was zu entdecken. Ron – du suchst nach Halbexistenzen, Stein der Weisen, und was es für andere Möglichkeiten gibt. Ich übernehme den Part mit den Schutzmaßnahmen."
"Ja, Maam!"
"Wir sollten ein Codewort vereinbaren. Stein der Weisen könnte Verdacht erregen."
"Ja, Maam!"
"Hat einer der Herren Vorschläge?"
Harry lächelte. "Klunker."
"Was?"
"So offensichtlich, dass sie es nicht bemerken.", nickte Ron. "Klunker, also."

Und wieder hörte Severus Snape im Vorbeigehen Teile eines Gesprächs. Er war nur Millisekunden zu spät.
"Klunker, also. Fällt mir gerade ein, ich setze 10 Galleonen auf Rubine, und verkaufe meine Bergkristalle."
Granger blickte in ihr Notizbuch.
"Du hältst dich gut. Bis jetzt haben wir 114,45 Galleonen Gewinn."
"Übrigens Weasley, Potter, Granger, Glückspiel ist hier nicht erlaubt. Strafarbeit um acht."
Hah, er konnte es doch noch. Sie starrten ihn wütend an.
"Sir, das war kein Glückspiel.", murmelte Potter.
"Wie bitte?"
"Das war kein Glückspiel, Sir."
Er beugte sich gefährlich über den kleinen schwarzhaarigen Jungen und setzte seinen Todesblick auf.

"Du wagst es, zu behaupten, ich lüge?"
"Nein, Sir."
"Was war es?"
"Aktienhandel, Sir."
"Bitte?"
"Aktienhandel, Sir."
"Strafarbeit die ganze Woche, Potter, wegen Anlügen eines Professors."
Für einen Moment hatte er gedacht, Potters Blick wäre amüsiert gewesen. Für einen Moment hatte er gedacht, er hätte diesen 'Wenn Sie nur wüssten,.."-Blick gesehen. Aber er hatte sich getäuscht. Sicher. Ein Potter konnte seine Emotionen nicht so schnell unter den Griff bekommen.
Die drei zischten mit gesenkten Köpfen ab.
"Warum hast du das gemacht?"
"Um rauszufinden..."
Severus Snape fand nie heraus, was Harry Potter rausfinden wollte. Aber da er nichts riskieren wollte, schickte er die Kinder zu Hagrid.

"Seht mal her", sagte Hagrid, "seht ihr das silbrige Zeug, das da auf dem Boden glänzt. Das ist Einhornblut. Irgendwo ist da ein Einhorn, das von irgendwas schwer verletzt worden ist. Wie versuchen, das arme Tier zu finden und von seinem Leiden zu erlösen."
"Einhornblut!", starrte Ron ihn an, "mit Gewalt genommen."
"Ja", nickte Hagrid. "Ein Irrer."
Harry und Hermione blickten Ron fragend an. Sie warteten, bis Hagrid außer Hörweite war, und sie mit Fang ihren eigenen Weg einschlugen.
"Teil meiner Klunker- Recherche. Wenn jemand das Blut eines so unschuldigen Wesens trinkt, so bekommt ein halbes Leben – ein verfluchtes."
"Das heißt, jemand muss verdammt verzweifelt sein.", meinte Harry. "Und, dass wir in Aktion treten müssen. Ich würde vorschlagen, wir dringen morgen Nacht vor, und hinterlassen eine dieser Fallen, die farbige Schriften auf den Mantel spritzt. Ich bin für 'auf der Suche nach Eldorado'. Wenn jemand darauf hineinfällt, greifen wir ein, sonst sichern wir das Ding bis Halloween."
"Ja, Boss."
"Der Mars ist ungewöhnlich hell, heute Nacht.", meinte eine Stimme rechts neben ihnen.
"Warum könnt ihr Zentauren eigentlich nicht zugeben, dass ihr Krieg befürchtet, ihr tut immer so, als hättet ihr es in den Sternen gelesen," fragte Hermione, ein wenig entnervt. Sie hielt nicht recht viel von der fragwürdigen Interpretation der Sterne.
Der Zentaur kicherte nur. "Drei Füllen wie euch habe ich schon lange nicht mehr gesehen. Wenn es sicherer ist, so müssen wir einst unter dem Sternenhimmel reden. Bane wird erfreut sein, dass endlich wieder jemand wagt, uns zu kritisieren, ohne uns als unberechenbare Tiere einzuschätzen."
Harry, Hermione und Ron starrten sich an. Ohne zu wissen, hatten sie gerade einen neuen Freund gewonnen. Und ohne zu wissen dachten sie alle das selbe. "Zentauren geben keine klaren Antworten."
"Wissen Sie," fragte Harry schließlich, "wo das verletzte Einhorn ist? Wir wollen ihm helfen."
"Es ist gefährlich, allein im Wald, vor allem für dich, junger Potter."
"Aber das ist noch lange kein Grund, ein so unschuldiges Wesen verrecken zu lassen."
Der alte Zentaur starrte die Kinder lange und intensiv an. "Nein, es ist noch kein Grund. Kommt mit."
Sie gingen fast eine halbe Stunde lang tiefer und tiefer hinein, bis sich der Pfad auf dem Boden fast verlor. "Seht mal", murmelte Harry, als sie auf eine Lichtung kamen. Sie starrten auf das Einhorn, das sterbend am Boden lag, und hielten den Atem an. Nie, noch nie hatten sie so etwas Schönes und Trauriges gesehen.
"Gibt es irgendetwas, womit wir dir helfen können?", flüsterte Hermione, fast unter Tränen.
Das Einhorn blickte sie lange und intensiv an. Dann senkte es den Kopf, und hörte auf, sich zu rühren.
"Ich glaube, es lässt uns es heilen.", flüsterte Harry, und der Zentaur hinter ihnen beobachtete mit Ehrfurcht, wie diese Kinder das Unmögliche taten. Sie berührten das Einhorn, streichelten es, während sie Heilzauber sprachen.
"Sie wissen nicht, dass das nicht möglich sein sollte", meinte Ronan, der neben Bane getreten war. "Glaubst du, dass es richtig war?"
"Sich gegen die Zukunft zu stellen?", fragte Bane lächelnd, "Das haben die Fohlen auch getan."
"Du weißt, was in diesem Wald lauert?"
"Ja.", nickte Bane, "aber schau."
Ein seltsames Licht ging vom Horn des Einhorns aus und umhüllte die Kinder.
"Sie beschützt sie."
"Die Fohlen haben einen schnellen Weg, Freunde zu machen, oder?"
"Sie werden alle brauchen, die sie haben."


A/N: Kurzes Kapitel, aber ich bin relativ zufrieden damit. Wer hätte gedacht, dass hinter den Zentauren noch mehr steckt?.. Es lebe das AU!
Ideen? Fragen? Anregungen? Beschwerden?
Love, Claire