Die Hölle auf Erden


"Die Spiele unserer Kinder spiegeln das, was sie von unserer Gesellschaft mitbekommen. Was sind wir für eine Gesellschaft, wenn wir nur lächeln, wenn sie ihre kleinen Privatkriege gegen die führen, die später einmal an der anderen Front stehen werden? Was sind wir für eine Gesellschaft, wenn wir uns nicht wundern, dass sie "Aktienmarkt", "Kapitalismus", "Verschwörung" spielen? Und warum zum Teufel mussten diese Spiele Realität werden?"
Albus Dumbledore in einem Interview für den Tagespropheten, Ausgabe 3251, 3. Nachdruck
Das alte Jahr ging, das neue Jahr kam. Harry hatte den Trank bereits vollständig gebraut (einige Zutaten hatte er zwar bestellen müssen, aber.. wo lag das Problem, wenn man sich so einfach volljährige, falsche Identitäten bei Gringotts besorgen konnte?) und wartete auf Hermione und Ron.
"Wie lange sollen wir warten, ob Krätze stirbt?", fragte Ron.
"Ich würde sagen, wir beobachten ihn zehn Stunden. Bis dahin soll sich zeigen, ob das Zeug hochgiftig ist. Nicht, dass ich mir bewusst wäre, Fehler beim Brauen gemacht zu haben...", meinte Harry.
"Und wie bringen wir ihn dazu, das Zeug zu trinken?", fragte Ron.
"Ich hab ihm seit einigen Stunden nichts trinken lassen."
"Das ist Tierquälerei, Harry.", erklärte Hermione.
"Es ist mir lieber, er stirbt, als wir."
"Mir auch.", meinte Ron. Hermione sah davon ab, eine Strafpredigt zu halten. Krätze quiekte.

Eine halbe Stunde später ergab er sich seinem Schicksal.
Sein Fell färbte sich nach Sekunden in ein leuchtendes Orange.
"Das sollte nicht passieren – oder?", fragte Hermione.
"Wartet- halt", rief Harry, "Petrificus Totalus!"
Die Ratte erstarrte.
"Wozu war das gut?", fragte Ron.
"Selten wird dieser Trank auch verwendet, um illegale Animagi aufzudecken. Wenn einem, der die Transformation bereits mehrmals geschafft hat, dieser Trank verabreicht wird, so färben sich dessen Haare irreversibel in ein leuchtendes Orange.", zitierte Harry.
"Krätze ist ein Animagus.", erfasste es Hermione.
"Und wir haben ihn die ganze Zeit eingesperrt? Gott!", rief Ron.
"Halt – wer sagt, dass er gut ist? Warum hat er sich sonst einsperren lassen? Warum hat er sich überhaupt nicht verwandelt, als er Gelegenheit hatte?", fragte Harry.
"Gute Frage. Die nur er uns beantworten kann.", meinte Hermione.
"Wir müssen ihn fesseln. Und dazu zwingen, die Wahrheit zu sagen.", sagte Ron.
"Veritaserum." , sagte Hermione.
"Veritaserum?"
"Die stärkste Wahrheitsdroge, die es auf dem Markt gibt. Leider gilt das Zeug als ziemlich schwer zu brauen. Und ist illegal."
"Nun, da Projekt Klunker erfolgreich abgeschlossen ist, brauchen wir ohnehin etwas Neues.", sagte Harry. "Projekt Rattenfänger. Hermione- du arbeitest an dem Rezept für Veritaserum. Das muss auftreibbar sein. Ron denkt sich passende Fragen aus und sucht möglichst schnell nach einem Spruch, wie wir ihn in eine Art künstlichem Koma halten können, sodass er uns nicht angreifen kann, bis ich genug Fesselzauber gefunden habe."
Hermione und Ron nickten.
"Und nun schlage ich vor, versuchen wir einen Schluck von diesem wunderbaren Trank. Prost! - Ein Panther?"
"Prost! - Eine Eule?"
"Prost! - Eine Riesenspinne?"
Harry und Hermione brachen in herzliches Gelächter aus. Ron seufzte. Nichtsdestotrotz beschlossen die Drei, mit dem Training zu beginnen. Die Beschreibung davon hörte sich an wie Okklumentik. Konnte also nicht so schwer sein.


Ron begann, von seiner Liste abzulesen.
"Name?"
"Peter Andreas Pettigrew."
"Seit wann hast du dich als Ratte versteckt?"
"Seit zehn Jahren."
"Warum?"
"Ich wartete auf meinen Meister."
"Wer ist dein Meister?"
"Lord Voldemort."

"Lass mich, Ron.", meinte Hermione. "Warum hast du dich nicht ausgeliefert, und behauptet, du wärst unter dem Imperio gestanden?"
"Weil mich die Welt für tot hält."
"Warum?"
"Sie glauben, Sirius Black habe die Potters verraten, und mich getötet."
Harry schluckte.
"Die Potters? Aber?"
"Ich war es."
"Wie?"
"Ich war ihr Geheimniswahrer, und jeder dachte, es wäre Sirius. Nachdem Lily und James tot waren, ist er mir nachgerannt. Ich habe meinen Tod vorgetäuscht und die Straße in die Luft gesprengt."
Harry, Hermione und Ron keuchten auf.
"Was ist mit Sirius passiert?"

"Ohne Verfahren nach Azkaban."
"Was ist Azkaban?"
"Das Zauberergefängnis."
Ron fügte hinzu : "Die Hölle auf Erden."

"Wir machen eine Pause.", beschloss Hermione und zog Harry aus dem Raum.
"Ist dir klar, dass das unseren Minister stürzen könnte?"
Harry nickte. "Ich will nur wissen, was passiert ist. Und ich will etwas über meine Eltern erfahren. Und diesem Sirius helfen."
"Verstehe, Harry. Du kannst ihn befragen, solange du willst."

Harry ging zurück in das Zimmer.
"Also Pettigrew, erzähl mir etwas über meine Eltern. Was war Lily für eine Frau?"
"Sie war das netteste Mädchen, das ich kennen gelernt habe. Hübsch, schlau, und sogar ein gutes Herz für die Slytherins."
"Warum hast du sie dann verraten?"
Pettigrew schüttelte den Kopf.
"Ich habe nicht sie verraten. Ich habe James verraten."
"Warum?"
"Er hat immer alles bekommen. Er sah gut aus, er hatte Lily, er hatte ein Kind."
"Erbärmliche Ratte. Aus Eifersucht. Wart ihr Freunde?"
"Wir waren beste Freunde."
"Bist du stolz darauf, dass du sie getötet hast?"
"Ich weiß es nicht. Mein Meister hätte mich umgebracht."
"Hätten Mum und Dad ihr Leben nicht für dich gegeben?"
Pettigrew fing an, zu flennen. "Sie alle hätten es getan. Lily, James, Sirius, Remus – alle.."
"Wer ist Remus?"
"Remus Lupin."
"Lebt er noch?"
"Wenn er es nicht schon geschafft hat, sich selbst zu zerfleischen."
"Wieso sollte er das?"
"Er ist ein Werwolf."
"Ist er gefährlich?"
"Er ist der sanftmütigste und warmherzigste Mensch, den ich kannte."
Harry gab dem Mann das Gegengift zum Veritaserum.

"Sag mir einen Grund, warum ich dich nicht für den Verrat meiner Familie und ihrer Freunde versehentlich zerquetschen sollte. Niemand würde dich vermissen."
Harry hatte Probleme, die Kontrolle zu halten.
Pettigrew fing an, zu wimmern.
"Ich könnte .. dir Namen von Todessern geben.. und ich könnte – dir sagen, wo Azkaban ist, so dass du Sirius befreien kannst- und ich könnte dir Geheimgänge zeigen- und..."
Harry zwang sich, ruhig zu bleiben.
"Wir werden dich zu einem Squib machen. Wenn du kooperierst, bleibst du am Leben, und wirst irgendwann, wenn wir ein kompetenteres Ministerium haben, ausgehändigt."
"Ihr seid Erstklassler! Das könnt ihr nicht."
Harrys Züge wurden hart.
"Gerade du solltest wissen, Pettigrew, dass man die Kleinen und Schwachen nicht unterschätzen sollte..."
Als sie Pettigrew sicher in einen magischen Schlaf versetzt hatten, brach Harry weinend zusammen. Er hatte den Mörder seiner Eltern gefasst. Seine Freunde setzten sich ohne Kommentar neben ihn, und hielten ihn. Es war die erste Umarmung, an die sich Harry James Potter würde erinnern können.
"Shhh- Harry- jetzt können wir alles wieder richten.. dieser Remus oder Sirius können dich sicher aufnehmen.. und du musst nie wieder zurück.. shhh", murmelte Hermione. "Es wird alles gut."


Irgendwo auf einer kalten, nebeligen Insel. Sirius weinte. Es tat so weh. So weh. Er hatte schlimmeren Schmerz gefühlt, als diesen, er hatte gedacht, er könnte alles durchhalten... Aber dies ging durch ihn härter als jeder Schlag könnte.. schärfer als jedes böse Wort.
Und doch, er fühlte sich so betäubt. Betäubt und voller Schmerzen. Zerbrechlich. Es hatte ihn endgültig in den Wahnsinn getrieben.
Wie konnte Peter das tun? Sah Peter ihn, Sirius? Er konnte kaum stehen, vor Erschöpfung, und seine Tränen wollten nicht stoppen. Wenn er an die guten Zeiten dachte, vermisste er sie nur noch mehr. Wenn er an danach dachte, verfluchte er sich selbst, nichts getan haben zu können. Er hätte so viel mehr gehabt, wenn er nur realisiert hätte.
Wie hatte er das passieren lassen können?
Alles und nichts tat weh... war es so, wie es für Peter einst war? Wenn sie über ihn lachten?
Die Welt schien so kalt… Oder war es er, der kalt war?
Er vermisste Lilys Augen... James Lachen.. Remus Arme.. um seine Schultern, ohne Grund.. die ihn warm hielten.. Ihm würde nie wieder warm sein...
Er fragte sich selbst, wann jemand kommen würde, ihn halten, und fragen, was das Problem war. Niemand würde kommen. Nie wieder.
Er vermisste Remus' Ich liebe dich, vor allem die, die er nie gesagt hatte. Wenn er könnte, würde er sich in den Hof stellen und schreien, Ich liebe dich. Aber er konnte sich nicht mehr bewegen, keinen einzelnen Muskel, und sein Weinen war krampfartig. Er hatte das noch nie zuvor bemerkt. Und Schreien.. Schreien war aus der Diskussion. Er hatte seit Jahren nicht gesprochen, und konnte wahrscheinlich nicht mehr.. Konnte er je sprechen?
Er fühlte sich, als würde er fallen, und der Grund war nicht sichtbar. Er fiel, so schnell, und er konnte nicht bremsen. Er war bereits gefallen, hart, und jede Sekunde tat es mehr weh, je mehr er sich erinnerte, desto tiefer fiel er, je mehr er vergaß, desto tiefer fiel er.
Wenn er mit Peter Frieden schließen würde, wenn er ihnen verzeihen würde, würde es leichter werden. Wenn er ohne Remus weiterleben würde... Aber da war kein 'ohne ihn'. Nicht mehr. Er fragte sich, wenn er lang genug fiel, würde er lernen, zu fliegen?
Die Dementoren nahmen ihm die Erinnerungen nicht. Zu schmerzhaft. Zu bitter, um süß zu sein.
Nur eine Minute wünschte er sich. Eine Minute, nicht um seine Unschuld zu beweisen. Eine Minute, um die Dinge zu sagen, die er so lange zuvor hätte sagen sollen. Ich liebe dich.
Er wünschte sich, jemand würde ihn fangen, bevor er auf dem Boden auftraf.
A/N: Lange Zeit, kein Update. Viel zu viel Stress - Ferialpraktikum. Die Story ist natürlich inzwischen schon relativ fertig. Ich müsste sie nur abtipseln..
Ein Hinweis: Mein One-Shot 'Niemandsland' könnte noch ein paar Leser brauchen...
Und noch was: Ich schreibe gerade das 27. Kapitel einer neuen Geschichte und mache gleich im Vorraus Werbung:

PIANO BOY
Ein Mann, der nicht mehr lächeln konnte. Ein Junge, der nicht mehr lächeln wollte. Sie suchten einen Ort, an dem sie allein sein konnten, aber stattdessen fanden sie eine ungewöhnliche Freundschaft, komponiert aus Leidenschaft, Verzweiflung und einem gemeinsamen Traum.