A/N Hier ist das zweite Kapitel. Es ist ein relativ kurzes, teasert aber ein wenig darauf, was mit Korra passiert ist. Ich hoffe es gefällt Euch, viel Spaß beim Lesen.
KAPITEL II
"Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt" -Ghandi
-.-
Eine Hand legt sich um ihren Pferdeschwanz und reißt ihren Kopf nach hinten. Ein sanfter Druck gegen ihre Stirn und sie spürt, wie sie alle Kräfte verlassen. Ihr Körper sackt zu Boden, als hätte man die Fäden einer Marionette mit einer Schere durchtrennt. Ihr Körper liegt ruhig auf der Erde, aber in ihrem Kopf herrscht ein Chaos. Bevor sie das Bewusstsein verliert, sieht sie noch einmal die weiße Maske vor sich schweben. Das spöttische, aufgemalte Lächeln.
"Ich werde dich zerstören, Avatar."
Sie steht im Tempel der Luftbändiger. Die Garde des Weißen Lotus ist still. Stiller als sonst und auch Tenzin schweigt. Keiner weiß was er ihr sagen soll. Sie erträgt es nicht und sie rennt, rennt, rennt.
Mako findet sie in der Probändiger Arena. Er hält sie während sie weint.
Sie erinnert sich kaum an ihren Flug zum südlichen Wasserstamm, mit leeren Augen starrt sie ins Nichts. Sie weiß bereits, was sich später herausstellen wird; Katara kann sie nicht heilen. Sie verweigert das Essen, als sie versuchen sie zu zwingen wirft sie die Schüssel durch den Raum.
Geflüster verfolgt sie. Aber es kümmert sie nicht, nichts kümmert sie mehr. Ohne ihr Bändigen ist sie nichts, ohne Bändigen ist sie kein richtiger Avatar mehr. Sie hat versagt.
Sie ist nicht die einzige, die zu dieser Schlussfolgerung kommt. Geflüster verfolgt sie überall. Die Revolution der Equalisten ist eine Gefahr für alle Bändiger der Welt und die Welt braucht nun seinen Avatar, um das Gleichgewicht wiederherzustellen. Die Welt braucht einen starken Avatar.
Sie braucht einen neuen Avatar.
Eine Hand presst sich auf ihren Mund und erstickt ihren Schrei.
Schweißgebadet fuhr Korra aus dem Schlaf hoch. Mit wildklopfendem Herzen schaute sie sich um und versuchte die aufkommende Panik herunter zu schlucken, es brauchte einige Sekunden bis sie sich erinnerte, wo sie war.
Korra schaute herab auf ihre zitternden Hände, die sich um den alten Umhang gekrallt hatten, der ihr als Bett diente, dann zwang sie sich einige tiefe, kontrollierte Atemzüge zu nehmen und sich zu beruhigen.
Die Morgendämmerung war gerade erst hereingebrochen, eine ungewöhnlich frühe Zeit für einen Wässerbändiger aufzustehen, aber an Schlaf war nicht mehr zu denken, also kletterte sie aus ihrem Bett und streckte ihre steifen Glieder.
Sie schloss die Augen und genoss das Gefühl, als die ersten Sonnenstrahlen des Tages auf ihr Gesicht fielen und ihre geschlossenen Lieder rot färbten. Es war als spürte sie die Macht der Sonne in ihren Adern und es juckte sie in den Fingern Feuer zu bändigen, sie hätte in dem Moment alles dafür gegeben. Ohne die Augen zu öffnen, beugte sie die Knie leicht, streckte einen Arm nach vorne und hielt den anderen angewinkelt am Körper; die Ausgangshaltung des Feuerbändigens. Vor ihrem inneren Auge sah sie den Mann mit der weiß-roten Maske und einer Schar seiner Gefolgsleute mit ihren glühenden grünen Käferaugen vor sich stehen. Mit dem Bild im Kopf kickte, drehte und schlug sie nach ihren imaginären Feinden in dem vertrauten Tanz bis ihr der Schweiß auf der Stirn stand.
Dann änderte sie ihre Haltung und glitt als Wasserbändiger über das Dach. Flüssige und ruhige Bewegungen, die auch ohne das Bändigen selbst ihren Geist entspannten und die letzten, düsteren Fetzten ihres Traums wegwehten.
Als sie ihr Training beendet hatte, stand sie gefasst am Rande des Dachs und blickte ruhig über die anderen Häuser hinweg. Es waren noch Stunden, bevor sie zum Teeladen musste.
Korra rieb sich den Schweiß von der Stirn und schnitt eine Grimasse. Sie war kein besonders penibles Mädchen, aber ihr letztes Bad lag eindeutig schon viel zu lange her. Ihre Klamotten klebten unangenehm an ihrer Haut und ihre Haare waren verknotet und schmutzig.
Für öffentliche Bäder hatte sie kein Geld, womit sie nur zwei Optionen offen hatte. Sie konnte entweder im Stadtpark sich waschen oder in ein Haus einbrechen und dort die Dusche verwenden. Allerdings hatte sie keine Erfahrung damit, Schlösser zu knacken und ihr war bei dem Gedanken daran sowieso mulmig zu mute. Der Stadtpark würde also ausreichen müssen.
Wenig begeistert, zog sie ihren Hut und Schal an, kletterte geschickt vom Dach und machte sich auf den Weg.
Im Drachenviertel traf sie zu der frühen Stunde bereits auf einige Passanten, die sich wohl auf den Weg zur Arbeit machten. Sie vermied stets den Blick und hielt den Kopf gesenkt.
Als sie an einer Bäckerei vorbeikam, lief ihr das Wasser im Mund zusammen ab dem unwiderstehlichem Duft nach frisch gebackenem Brot. Mit knurrendem Magen presste sie ihr Gesicht an die Scheibe und starrte sehnsüchtig auf die Backwaren, zwang sich aber weiterzulaufen.
In der nächsten Gasse, in die Korra einbog stieß sie auf eine Marderkatze, mit braun-weißem Fell und bösen schwarzen Augen, die damit beschäftigt war mit ihren Pfoten durch die Inhalte einer umgestoßenen Mülltonne zu wühlen. Sie beäugte Korra misstrauisch und fauchte warnend.
Ein paar Häuser weiter stand ein Junge an einer Hauswand und klebte Plakate auf.
Als sie an ihm vorbei lief glitt ihr Blick flüchtig über die Plakate. Sie erstarrte und blieb, wie angewurzelt stehen.
DER AVATAR VERMISST!
Avatar Korra gilt nun bereits seit drei Wochen als vermisst. Alle Hinweise auf den möglichen Aufenthaltsort des Avatars müssen unverzüglich beim Stadtrat, dem Weißen Lotus oder der Polizei gemeldet werden. Bei Fragen wenden sie sich bitte unverzüglich an Saikhan, Chef der Polizei Republicas. Für eindeutige Hinweise steht die Belohnung von 20 000 Yuan.
Darunter war ein Foto von ihr abgebildet. Mit lachenden Augen schaute sie in die Kamera, ihre Miene voller Zuversicht und Tatendrang. Es war ein älteres Foto.
Bitter blickte Korra auf das abgebildete Gesicht, das gleich und doch so anders war, wie ihr jetziges. Sie fühlte sich plötzlich alt. Zwischen der Aufnahme und dem Jetzt lagen nur wenige Monate, doch Korra hatte das Gefühl es waren seitdem ganze Jahre vergangen.
"Ziemlich cool was?" meinte der Junge, als er ihrem Blick folgte.
"Zwanzigtausend Yuan! Ich wüsste gar nicht, was ich mit dem Geld anfangen würde - nein warte, dass stimmt nicht, ich würde einen fetten Kuchen kaufen und den ganz alleine essen! Jeden Tag!"
Korra zog sich ihren Hut noch tiefer ins Gesicht und drehte den Kopf zur Seite.
"Was, wenn dem Avatar etwas Schlimmes passiert ist?" fragte sie leise.
Der Junge zuckte die Schultern.
"Ich weiß nicht, aber mein Papa meint, der Avatar hat uns im Stich gelassen."
Er bemerkte nicht wie Korra zusammenzuckte und fuhr mit abschätzige Stimme fort, "Es hat sich hier in der Gegend nichts geändert, seit der Avatar in die Stadt gekommen ist und mein Papa meint, Amon hat ihm so viel Angst eingejagt, dass er einfach wieder abgehauen ist."
Korra spürte Wut in sich aufkochen und noch etwas anderes, dass sich verdächtig nach Schmerz anfühlte.
"Du meinst also, die Stadt braucht den Avatar nicht? Immerhin war es Avatar Aang, der sie gegründet hat."
"Mein Papa meint-"
"Ich will nicht wissen was dein Vater meint!" Unterbrach Korra ihn barsch, dann seufzte sie und fragte in einem freundlicheren Ton:
"Was denkst du über den Avatar?"
Korra merkte wie absurd wichtig ihr seine Antwort war. Der Junge zögerte und kratzte sich den Kopf.
"Keine Ahnung..."
Er zuckte erneut mit den Achseln, dann klemmte er sich die restlichen Plakate unter den Arm und lief weiter zum nächsten Haus.
Enttäuscht blickte Korra ihm nach. Ihr war bewusst, dass sie in ihrer kurzen Zeit als Avatar nicht unbedingt bei allen Bürgern der Stadt beliebt gewesen war. Die Kundgebung der Equalisten, die sie mit Mako besucht hatte um Bolin zu befreien, hatte das mehr als deutlich gemacht.
Sie war geschockt gewesen, als sie die Masse an Menschen gesehen hatte, die bei der bloßen Erwähnung ihres Namens laut Gebuht hatten.
Trotzdem störte sie die Gleichgültigkeit, mit der der Junge über die Rolle des Avatars gesprochen hatte. Wieso konnte hier niemand verstehen, dass der Avatar eine Kraft für das Gute war? Die Geschichte des Avatars ging weit zurück, sein Ziel, Gleichgewicht in die Welt zu bringen, war äußerst edel und die Taten all ihrer Reinkarnationen geradezu heldenhaft; Und doch hatten so viele Menschen in dieser Stadt Korra den Rücken zugekehrt.
Wütend kickte sie eine auf dem Boden liegende Flasche.
Sie war der schlechteste und unbeliebteste Avatar, denn es je gegeben hatte, da war sie sich sicher. Sie hatte über Aang gehört, dass es ihm als Kind schon leicht gefallen war die Menschen mit seinem lockeren Charme zu begeistern und selbst Meisterin Katara hatte Korra einst erzählt, wie sie als Teenagerin eine Rede an eine Gruppe gefangener Erdbändiger gehalten hatte und sie erfolgreich anstiftete gegen die Feuernation zu rebellieren.
Korra fühlte sich hingegen meistens sehr unwohl, wenn sie vor Menschenmassen reden sollte und stammelte und verhaspelte sich nach jedem zweiten Wort. Ihr war es nicht gelungen Hoffnung in den Herzen der Bürger zu erwecken und den Konflikt zwischen den Nichtbändigern und den Bändigern zu schlichten.
Und nun war sie in den Augen der Stadt völlig von der Bildfläche verschwunden.
In hilfloser Wut ballte sie die Hände zu Fäusten. Sie hatte die Stadt nicht im Stich gelassen, sie war nicht vor Angst weggelaufen. Sie hatte schlichtweg keine andere Wahl gehabt, als unterzutauchen.
Wenn sie ihre Bändigungskräfte noch besitzen würde, wäre das alles nicht geschehen, dachte sie bitter. Trotzdem war sie weiterhin der Avatar und es war immer noch ihre Aufgabe für das Gleichgewicht in der Welt zu sorgen.
Sie blickte erneut auf das Vermisstenplakat, riss es von der Wand und zerknüllte es kurzerhand in einer Faust.
Die Plakate waren ein Problem, welches es schnell zu lösen galt.
Tief in Gedanken versunken machte sie sich wieder auf den Weg und erreichte schließlich den Stadtpark.
Der Park war an dem Morgen bis auf wenige Spaziergänger noch recht verlassen, was Korra ganz recht war. Sie kniete sich am Flussufer ins nasse, taubedeckte Gras und schälte sich aus ihrer Jacke. Darunter trug sie ein ärmelloses, dunkles Oberteil.
Das Wasser war kalt, als sie ihre Arme eintauchte und ein seeliger Seufzer entfuhr ihr, als sie sich Wasser in den Nacken spritzte. Dann beugte Korra sich über das Wasser um ihren ganzen Kopf einzutauchen ... und zögerte. Stattdessen legte sie ihren Kopf schief um nur ihre Haare in den Fluss zu hängen, sie auszuwaschen und zu entknoten. Sie hatte keine Seife und musste sich begnügen nur mit den Händen den gröbsten Schmutz zu entfernen. Am liebsten hätte sie sich all ihrer Kleider entledigt, um sich richtig waschen zu können, aber das war im Park kaum möglich. Als sie sich einigermaßen erfrischt fühlte, wringte sie ihre dunklen Haare aus und warf sie über eine Schulter, dann wusch sie ihre Jacke und hängte sie über einen tiefen Ast einer Ahorn-Eiche. Neben einer dicken Wurzel ließ sie sich auf den Boden plumpsen und lehnte sich gegen den Stamm.
Mit geschlossenen Augen lauschte sie den Geräuschen des Parks. Die Blätter der Bäume raschelten leise im Wind und eine Familie Schildkrötenenten schwamm über den Fluss und quakte auf der Suche nach Futter.
Korra strich mit einer Hand neben sich über das weiche Gras und stellte sich vor, es wäre das Fell ihrer geliebten Eisbärenhündin Naga.
In einem seltenen Moment der inneren Ruhe genoss sie die Idylle des Parks. Die Ruhe währte allerdings nicht sehr lange.
"Seid ihr nicht auch die Tyrannei der Bändiger leid? Dann schließt Euch Amon an, unserem Anführer, unserem Heilbringer, dem Bezwinger des Avatars!"
Laut fluchend drehte sich Korra und spähte um den Baum.
Und sicher, dort auf einem Podest vor einem großen roten Poster von Amons Maske stand der alte Mann in eine graue Robe gewandt mit einem Megaphon in der Hand. Korra hatte bei ihrer letzten Begegnung sein altes Megaphon zerstört, doch er hatte anscheinend - leider -schnell Ersatz gefunden.
Genervt hörte Korra zu wie er sich lauthals über alle Bändiger der Stadt beschwerte und ihnen die Schuld an allen Problemen der Welt gab. Dann fing er an von den Erfolgen Amons zu berichten, von dem Voranschreiten der Revolution.
Seine Litanei beunruhigte Korra zunehmend. Sie wusste, dass die Equalisten Fortschritte mit ihren Plänen erzielt hatten. Korras Verschwinden und die ruchlose Arbeit von Tarrloks Taskforce hatte dazu beigetragen, dass das Verhätniss zwischen Bändigern und Nichtbändigern einen neuen Tiefpunkt erreicht hatte.
Gerüchten zu Folge hatte sich Ratsmitglied Tenzin aus seiner politischen Arbeit aus gesundheitlichen Gründen zurückgezogen. Korra wusste, dass dies nicht der Wahrheit entsprach. Sicher war aber, dass seine fehlende Anwesenheit im Stadtrat Tarrlok fast unbegrenzte Macht beschert hatte.
"Werdet selbst aktiv und kämpft für die Rechte der Nichtbändiger, erzählt es euren Familien, erzählt es euren Freunden und lasst uns gemeinsam die Fesseln der Tyrannei zerstören!"
Korra hatte genug von seinem Gerede. Sie rappelte sich auf und klopfte die Erde von ihrer Hose, dann lief sie Richtung Drachenviertel los.
Nach kurzer Zeit merkte sie, dass sie ihre Jacke hatte liegen lassen und lief, vorbei an dem Redner, wieder zurück zu dem Baum.
"Du, Mädchen!" sprach er sie an und sie zuckte zusammen. Für einen Moment hatte sie befürchtet, er hatte sie wiedererkannt. Immerhin war sie schon zweimal mit ihm aneinandergeraten.
"Junge Leute wie dich können die Equalisten gut gebrauchen! Wenn du Lernen willst, wie man diese Bändiger-Tyrannen besiegt, bist du hier an der richtigen Adresse."
Sie öffnete den Mund zum Protestieren, eine Beleidigung bereits auf der Zunge, aber dann hatte er schon einen Flyer in Korras Hand gedrückt und nahm seine Rede wieder auf.
Seufzend zupfte sie ihre trockene Jacke von dem Ast und machte sich erneut auf den Weg zurück in die Stadt, als ihr plötzlich auffiel, dass sie immer noch den Flyer in der Hand hielt. Wäre sie noch im Besitz ihrer Kräfte, so hätte sie den Papierfetzen in Flammen aufgehen lassen, stattdessen steuerte sie auf einen Mülleimer zu.
Sie wollt ihn gerade wegwerfen als ihr Blick zum ersten Mal richtig auf den Flyer fiel.
Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt. Stand in schwarzer Blockschrift darauf geschrieben.
Darunter war eine Abbildung eines Equalisten in einer Pose, die Korra als Chi-Blocken erkannte.
Heute Nacht, Downtown Distrikt. Neue Rekruten werden empfangen.
Stirnrunzelnd drehte Korra das Papier in der Hand um, in Erwartung eines Rätsels, aber auf der Rückseite standen keine weiteren Informationen.
Nachdenklich biss sie auf ihre Lippe.
Ein Gedanke formte sich langsam, aber sicher in ihrem Kopf.
Es war ein äußerst verrückter Gedanke.
Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt.
Langsam ließ sie den Flyer in ihre Jackentasche gleiten.
Sie hatte den Großteil ihrer Macht verloren, aber sie war immernoch der Avatar.
Entschlossenheit packte Korra und mit dem Gefühl einer Bestimmung machte sie sich auf den Weg.
Es war an der Zeit, dass jemand Amon die Stirn bot.
A/N So, mal sehen ob Korra weiß auf was sie sich einlassen möchte.
