A/N Ich entschuldige die lange Wartezeit, viel Spaß beim Lesen :)
KAPITEL VI
"Jeder hat mal einen schlechten Tag, doch morgen wirst du wieder drüber lachen, mein Freund" - T.P.
Korra war bereits erschöpft bevor die Abenddämmerung hereinbrach. Sie hatte den Tag damit verbracht die dritte Lieferung an den Teeladen zu führen. Als sie zum letzten Mal mit ihrem Karren zum Laden fuhr hing die Sonne bereits tief am Horizont. Die Strahlen wärmten Korras Gesicht und sie überkam ein intensives Hochgefühl bei dem Gedanken nie wieder das Gesicht der mürrischen alten Frau sehen zu müssen, die Straßen Republicas wirkten auf sie plötzlich heller und die Gesichter der Menschen, an denen sie den Karren vorbeischob freundlicher. Nicht einmal das Industrieviertel mit seinen qualmenden Fabriken und schmucklosen Straßen wirkte an jenem Abend im Licht der untergehenden Sonne hässlich, sondern besaß in Korras Augen eine raue Schönheit. Für eine kurze Zeit vergaß sie ihre Sorgen und ihre weiteren Pläne für den Abend, ein zufriedenes Lächeln auf dem Gesicht.
Leider bemerkte sie den Mann viel zu spät, der just in dem Moment aus dem Teeladen heraustrat, als sie eintreten wollte. Mit voller Wucht knallte der Karren gegen die Schienbeine des Mannes. Nicht wenige Säcke gefüllt mit hochwertigem Jasmin-Tee kullerten bei dem Ruck auf den Boden.
Hastig bückte sich Korra um sie aufzulesen und sie zurück auf den Karren zu legen. Dann richtete sie sich mit leicht geröteten Wangen auf um sich bei dem Kunden zu entschuldigen, innerlich hoffte sie inständig, dass die alte Yuma den Zusammenstoß nicht mitbekommen hatte.
"Das tut mir leid, Sir, ich habe sie nicht-"
Korras Stimme stockte, als sie ihren Blick auf das Gesicht ihres Gegenübers hob.
Der Mann war hochgewachsen, mindestens einen Kopf größer als sie selbst, mit einem Schopf dunkelbraunes Haar. Trotz seiner untypisch hellen Haut sah er aus als käme er vom Wasserstamm. Sein Gesicht war glatt rasiert bis auf einen schmalen Streifen zwischen Wange und Ohren. Es war kein unattraktives Gesicht, im Gegenteil, hohe Wangenknochen, eine gerade Nase und eine starke Kieferpartie verliehen ihm einen erhabenen, stolzen Ausdruck. Es waren aber seine Augen die Korra auf der Stelle festfrierten. Sie waren von einem hellen Grau und es lag etwas in ihnen, dass Korra nicht deuten konnte, ihr jedoch unweigerlich ein Schauder über den Rücken laufen ließ. Unbewusst nahm sie einen Schritt zurück um Distanz zwischen sich und den Fremden zu bringen.
Dann flackerte etwas in seinem Blick und seine Miene wurde weicher. Wie unter einem Bann fielen Korras Augen auf seine Lippen die sich zu einem kleinen Lächeln verzogen hatten. Er öffnete den Mund und-
Unter dem Klirren des Glockenspiels wurde die Ladentür erneut aufgezogen. Vor Schreck zuckte Korra zusammen. Yuma war erschienen, ihre weißen Brauen sorgenvoll zusammengezogen, lag ihre Stirn in noch mehr Falten als sonst. Sie warf dem Mann einen entschuldigenden Blick zu. Dann flackerten ihre Augen zu Korra und ihre Mundwinkel zuckten nach unten.
"Naoki, wie oft soll ich dir noch sagen, du sollst den Leuten nicht ihre Zeit stehlen."
Sie wandte sich an den Mann.
"Ich entschuldige, falls meine Mitarbeiterin ihnen Ärger bereitet hat, ich versichere ihnen, ich-"
Beschwichtigend hob der Mann eine Hand und die alte Frau verstummte in ihrem Redefluss.
"Es ist nichts passiert."
Seine Stimme war tief und für einen kurzen Moment dachte Korra sie kam ihr bekannt vor. Aber das war Unsinn, sie war sich sicher, dass sie diesen Mann noch nie in ihrem Leben gesehen hatte.
Mit einem kurzen Nicken zu Yuma und einem letzten flüchtigen Blick auf Korra wandte er sich ab und ging.
Korra sah ihm mit einem komischen Gefühl im Magen nach, bis er um die nächste Straßenecke verschwunden war.
"Wenn du fertig bist mit gaffen, könntest du vielleicht so freundlich sein und mir die Ware reinbringen," sagte die alte Frau trocken.
"Ich bin siebenundsiebzig und werde nicht jünger."
Korras Augenbrauen fuhren in die Höhe.
"Ich gaffe nicht!" verteidigte sie sich empört.
Mit glühenden Wangen schob sie den Karren zum Lagerraum des Teegeschäfts und fing an die Säcke zu Verräumen. In dem kleinen Stauraum hing der Duft der verschiedenen Teesorten schwer in der Luft. Mit einem kurzen Blick aus einem kleinen Fenster stellte sie nervös fest, dass sie Sonne schon so gut wie verschwunden war.
Sie vergaß den fremden Mann und dachte stattdessen mit einer seltsamen Mischung aus düsterer Vorahnung und freudigem Tatendrang über ihr bevorstehendes Treffen nach. Sie machte sich keine Sorgen darüber, ob sie die Kampftechniken der Equalisten meistern würde. Seit dem Alter von vier Jahren hatte sich ihr Leben darum gedreht Bändigen und die für die jeweiligen Elemente üblichen Kampftechniken zu erlernen, auch wenn sie sicherlich kein Meister im einfachen Nahkampf war, wusste sie sich dennoch zu verteidigen. Dadurch ergab sich jedoch auch folgendes Problem: Kein Straßenkind von Republica könnte über ihre Fähigkeiten verfügen. Sie musste vorsichtig sein, ansonsten würden die Equalisten Fragen stellen die ihr Kartenhaus schnell zum Einsturz brächten.
Schon bald war sie fertig mit dem Einräumen und kehrte zurück in den Hauptraum des Ladens. Dort wartete die alte Frau bereits bei der Theke auf sie. Neben einer grünen, hässlichen Teekanne lag dort ein kleines, sorgfältig gestapeltes Bündel Geldscheine.
Mit dem Gefühl größer Genugtuung nahm Korra das Geld entgegen und verstaute es in ihrer Tasche.
Auf nie mehr wiedersehen.
Sie wollte sich gerade zum Gehen wenden da räusperte sich Yuma.
"Es war nicht alles schlecht, was du gemacht hast Kind... Wie es kommt, suche ich tatsächlich noch jemanden zum Servieren. Wenn du dich dabei nicht extrem blöd anstellst kannst du meinetwegen die Stelle haben."
Überrascht hielt Korra für einen Moment inne, schüttelte aber dann nach kurzem Zögern den Kopf. Mit einer Handbewegung Richtung des Gelds in ihrer Tasche sagte sie: "Ich denke das wird mir vorerst reichen."
In Wahrheit hätte sie ein wenig mehr Yuan sicher gut gebrauchen können, aber sie hatte sich entschlossen sich vorerst besonders auf ihre neue Ausbildung zu konzentrieren. Wenn das Geld knappen werden würde, könnte sie sich immer noch einen neuen Job suchen. Vorzugsweise mit einer netteren Chefin.
Das Glockenspiel klirrte, als sie die Tür hinter sich zuzog.
Sobald die Sonne verschwunden war wurde es deutlich kühler. Ein leichter Wind wehte durch die Straßen und spielte mit Korras Haaren. Fröstelnd verschränkte sie die Arme vor der Brust und beschleunigte ihre Schritte. Der Weg kam ihr länger vor als er tatsächlich war, nach einer gefühlten kleinen Ewigkeit stand sie vor dem Buchladen mit der roten Eingangstür.
Es brannte kein Licht mehr im Fenster, das Geschäft im Erdgeschoss hatte bereits geschlossen. Nichts ließ von draußen darauf vermuten, dass es sich bei dem unscheinbaren Gebäude um einen Trainingsort der Equalisten handelte.
Wie in der Nacht zuvor schlüpfte Korra durch den schmalen Spalt neben dem Haus um zum Hinterhof zu gelangen. Als sie schließlich die graue Kellertür erreichte zögerten ihre Hände für einen Moment bevor sie sich um den Türgriff legten. Es brachte nichts, das Unvermeidliche noch länger hinauszuzögern. Mit einem Ruck zog sie die Tür auf und trat in den Keller ein.
Es war ein großer, fensterloser Raum der von einer altmodischen Deckenlampe mit einem verstaubten rotgrünem Lampenschirm erhellt wurde. Auch das alte Backsteingemäuer sah aus, als hätte es bereits bessere Tage gesehen.
In der Mitte des Raumes saßen die Rekruten in einem Kreis. Der Equalist, Tomo, stand in ihrer Mitte. Allem Anschein nach hielt er gerade eine Ankündigung.
Mit einem leisen Klicken fiel die Tür hinter Korra ins Schloss und augenblicklich wandten sich neun Augenpaare zu ihr um. Sie strich sich die vom Wind zerzausten Strähnen hinters Ohr und lief die Stufen einer kurzen Treppe hinab. Die Dielen des dunklen Holzfußbodens knarzten bei jedem Schritt. Wortlos setzte sich zu dem Kreis dazu.
Tomo bedachte sie mit einem äußerst kritischen Blick.
"Versuch in Zukunft pünktlich zu sein, ja?"
Korra nickte knapp, eher würde sie sich die Zunge abbeißen als sich bei dem unfreundlichen Mann, der eine so offensichtliche Abneigung gegen sie hegte zu entschuldigen.
"Wie ich bereits sagte... werden wir uns bei dieser ersten Trainingseinheit mit den Grundlagen des Nahkampfs beschäftigen, ich werde mir ansehen auf welchem Level ihr jeweils seid. Dann werden wir nach und nach die unterschiedlichen Angriffstypen der verschiedenen Bändiger durchnehmen. Die Stärken, auf die man achten muss, die Schwächen die wir versuchen werden auszunutzen. Das sind die Grundlagen die wir brauchen werden um überhaupt mit dem Chi Blocken anzufangen. Natürlich gehört noch eine Menge mehr dazu ein Equalist zu sein, Kämpfen allein reicht nicht aus. Viele weitere Tricks und Fähigkeiten werden über euren Erfolg oder Versagen entscheiden. Aber damit werden wir uns später widmen."
Tomos Augen huschten einmal über alle Gesichter der Rekruten.
"Noch Fragen?"
Es schien als wäre es mehr eine rhetorische Frage, ohne auf eine Antwort zu warten klatschte der Equalist einmal in die Hände.
"Nein? Gut, dann wollen wir anfangen."
Er bedeutete den Rekruten aufzustehen.
"Geht jetzt mit den Partnern zusammen die wir zu Beginn eingeteilt haben." Missmutig sah Korra zu wie sich vier zweier Gruppen bildeten. Da die Anzahl der Rekruten ungerade war, stand sie als einzige alleine da.
"Du kannst zu uns in die Gruppe." Überrascht wandte Korra ihren Blick zu dem Jungen, der sie angesprochen hatte. Es war der, der in den Katakomben auf der Plattform neben ihr gestanden hatte.
"Benjiro, richtig?" fragte sie.
Er nickte, offensichtlich erfreut, dass sie sich den Namen gemerkt hatte.
"Und du bist?"
"Konna." sagte sie schlicht.
Benjiro öffnete den Mund um etwas zu erwidern, da forderte Tomo Ruhe und Korras Aufmerksamkeit richtete sich wieder auf den Equalisten. Neben ihm standen bereits zwei Rekruten.
"Eure Aufgabe ist es den anderen auf den Boden zu werfen, mehr nicht. Es ist alles erlaubt außer gezielte Verletzungen im Gesicht."
Die beiden Angesprochenen jungen Männer beäugten einander nervös. Der Rest trat mehrere Schritte zurück um den beiden Platz zu machen.
"Drei, zwei eins, los!"
Es war offensichtlich, dass die Beiden keinerlei Übung ihm Nahkampf hatten. Sie versuchten nur blind mit den Fäusten aufeinander einzudreschen und den anderen mit bloßer Kraft auf den Boden zu zerren. Der Kampf war schnell vorbei, seufzend half Tomo dem auf dem Boden liegenden Jungen auf die Beine bevor er die nächste Gruppe in den Kampf schickte.
Die nächste Gruppe war jedoch auch nicht wirklich besser als sie erste und Tomo schickte mit einer sehr ernüchternden Miene die Dritte los.
Es war der Junge, der Korra entfernt an Bolin erinnerte, seine Muskeln waren deutlich ausgeprägter als die der Rest der Rekruten und er wandte sich selbstbewusst an seinen Gegner. Der schien jedoch ebenso entspannt zu sein. Ein Funkeln lag in seinen dunkelblauen Augen. Sie umkreisten sich wie zwei Bergpumas vor dem Sprung.
Dann, blitzschnell machte der eine einen Satz nach vorne und der Kampf brach los. Der Schlagabtausch war sehr schnell. Der massigere der Beiden besaß offensichtlich deutlich mehr Kraft, jedoch wusste der Andere präzise seine Schläge zu setzten. Für eine kurze Zeit war es schwer zu sagen, wer gerade die Oberhand besaß. Schlussendlich lag jedoch der Junge mit den grünen Augen auf dem Boden und rieb sich die schmerzende Seite.
"Guter Kampf, Azok," grummelte er, "aber du weißt, dass ich dich fast gehabt hätte."
"Red' dir das ruhig ein, Chan," meinte der Andere grinsend.
"Die nächste Gruppe," sagte Tomo. Korra, Benjiro und ein weiteres Mädchen traten vor. Tomo runzelte die Stirn.
"Habe ich nicht deutlich gesagt, ihr sollt Zweiergruppen bilden? Ihr könnt ja auf zwei zählen, oder?"
Azok und Chan lachten leise. Korra öffnete den Mund um etwas zu erwidern, da schnitt ihr der Equalist bereits das Wort ab.
"Du trittst zurück und ihr Beide-" Sein Blick fiel auf Benjiro und das Mädchen, das neben ihm stand. "-tretet vor!"
Mit verschränkten Armen und fest zusammengepressten Lippen tat Korra wie geheißen und nahm ein paar Schritte zurück. Sie wusste nicht, weshalb der Equalist sie so überhaupt nicht leiden konnte, aber spürte wie ihre eigene Abneigung ihm gegenüber von Sekunde zu Sekunde anwuchs.
Nachdenklich beobachtete sie Benjiro und das Mädchen, dass ihm gegenüberstand.
Sie musste feststellen, dass er nicht nur dünn war, sondern geradezu mager. Seine an mehreren Stellen geflickte Kleidung schien einige Nummern zu groß für ihn zu sein. Die Hosenbeine waren mehrfach umgeschlagen und nervös rollte er seine Ärmel hoch.
Die Kleider des Mädchens, sahen im Gegensatz zu dem Jungen deutlich besser aus. Im Vergleich zum Rest der Rekruten schien sie insgesamt um einiges reinlicher und gepflegter zu sein. Ihre Haut besaß jedoch eine unnatürliche Blässe und in ihrem Blick lag eine knochentiefe Niedergeschlagenheit. Sie warf ihre Zöpfe über ihre Schulter, wandte sich Benjiro zu und der Kampf ging los.
Überraschenderweise war sie diejenige die aggressiver zuschlug, während Benjiro um ihre Hiebe und Tritte herumtänzelte. Keiner der Beiden schien es zu schaffen die Oberhand in dem Kampf zu gewinnen. Als klar wurde, dass keiner den anderen zu Boden ringen würde, beendete Tomo schließlich den Kampf.
Sein Blick wanderte nun zu Korra.
"Jetzt bist du dran, Konna."
Korra hob eine Augenbraue.
"Und gegen wen werde ich kämpfen?"
"Gegen mich."
Überrascht weiteten sich Korras Augen, dann biss sie entschlossen die Zähne zusammen und schlüpfte aus ihrer einengenden Jacke und lies sie zu Boden fallen. In ihrem einfach geschnittenen dunklen Oberteil besaß sie eine deutlich bessere Armfreiheit.
Sie stellte sich Tomo gegenüber und nahm eine defensive Haltung ein. Sie überlegte noch wieviel von ihren Fähigkeiten sie preisgeben könnte ohne, dass Tomo Verdacht schöpfen würde, da schnellte der Equalist bereits nach vorne. So schnell wie eine Kobra schlug er gezielt gegen ihre Seite. Im letzten Moment versuchte Korra auszuweichen, aber der Hieb verfehlte nicht sein Ziel und ihre Rippen pochten schmerzhaft.
Sie wich einen Schritt zurück um sich erneut zu sammeln aber Tomo lies ihr nicht viel Zeit. Er machte einen Satz auf sie zu, duckte sich unter ihrem Hieb hindurch, blockte einen heransausenden Tritt und rammte ihr dann mit voller Wucht seine Faust gegen ihre Schulter. Die Schulter, die von Pings Feuerball gestreift worden war und ihr noch immer Probleme bereitete.
Ihre Welt explodierte in weißglühendem Schmerz.
Eine Mischung aus einem erstickten Aufschrei und einem Fluch entfuhr Korra. Im nächsten Moment lag sie auf dem Boden und der Equalist stand über ihr und blickte mit einer unbewegten Miene auf sie herab.
"Du kämpfst zu offensiv. Hättest du den Schlägen ausgewichen, statt mich direkt anzugreifen wärst du nicht so schnell auf dem Boden gelandet." kommentierte Tomo trocken.
Mit vor Wut und Scham geröteten Wangen warf sie ihm einen hasserfüllten Blick zu und rieb sich vorsichtig ihre Schulter. Sie wurde das Gefühl nicht los, dass er genau gewusst hatte, dass ihre Schulter verletzt war. Offensichtlich hatte er sie vor den Anderen demütigen wollen.
Tomo wandte sich an den Rest der Rekruten.
"Es liegt noch eine Menge Arbeit vor uns." Der Equalist rieb sich kurz die Schläfen als leidete er unter Kopfschmerzen.
"Wir werden als aller erstes an eurer Defensive arbeiten..."
Den Rest des Abends taten sie genau das. Der Equalist zeigte den Rekruten wie sie Schläge blocken oder Ausweichen sollten. Er lobte Benjiro, der aus der ganzen Gruppe anscheinend am besten um Attacken herumtanzen konnte.
Korra wurde das Muskelpaket namens Chan als Übungspartner zugeteilt. Es fiel ihr nicht gerade schwer seinen halbherzigen Schlägen auszuweichen. Als ihr klarwurde, dass er nicht mit vollem Einsatz gegen sie kämpfte, da er sie für zu schwach hielt, wurde sie fast rasend vor Wut.
Ich bin nicht schwach.
Finster blickte sie von einem Rekruten zum Nächsten bis ihre Augen auf dem verhassten Ausbilder hängen blieben.
Ich könnte es mit jedem von euch aufnehmen!
Am Ende der Übung war Korras Laune so pechschwarz wie der Nachhimmel über Republica. Sobald Tomo den Abend für beendet erklärt hatte, schlüpfte sie ohne einen Blick zurück aus dem Keller nach draußen.
Der Wind war stärker geworden. Seine unsichtbaren Finger zerrten an Korras Kleidung und Haaren während sie im fahlen Licht des Mondes zu der alten Lagerhalle lief, die ihr als Schlafplatz diente. Zu ihrem Unbehagen musste sie feststellen, dass bald erneut Vollmond sein würde. Somit stand bereits fest, welcher Albtraum sie in dieser Nacht heimsuchen würde.
Korra seufzte und dachte über das Training nach. Es war nicht im Ansatz so gelaufen wie sie es sich vorgestellt hatte. Das Bedürfnis sich zu beweisen, es diesem aufgeblasenen Equalisten zu zeigen und ihn im Kampf zu besiegen war so allmächtig, dass ihre Hände sich wie von selbst zu Fäusten ballten, gepackt von einer eisernen Entschlossenheit.
Ein Wimmern riss sie aus ihren Gedanken. Eine kleine zitternde Gestalt saß an eine Hauswand gelehnt. Alarmiert sah Korra sich um, aber ansonsten war die Straße komplett leer. "Was ist passiert, heh du, Kleiner." Langsam näherte sie sich der Gestalt. Es war ein kleiner Junge, er sah nicht älter aus als zwölf Jahre. Er hatte das Gesicht in die Hände gelegt, aber als er Korras Stimme hörte sah er auf. Von seiner Nase tropfte eine Rotzspur herunter.
Der Kleine nuschelte etwas Unverständliches.
"Was?" fragte sie nach. Der Junge schniefte aber nur.
Korra biss sich auf die Lippe.
"Hast du denn... ein Zuhause?" fragte sie vorsichtig.
Der Kleine schüttelte schwach den Kopf.
Korra seufzte.
"Naja...hier kannst du nicht bleiben, komm mit, ich kenne einen Unterschlupf hier in der Nähe."
Der Junge rappelte sich vom Boden auf und kam ins Schwanken.
Korra griff instinktiv nach seinen Armen um ihn zu stützen und er krallte sich haltsuchend in ihrer Jacke fest.
"Vorsichtig. Keine Sorge, alles wird gut," sagte sie.
Der Junge richtete sich auf und wischte sich mit dem Ärmel die Rotzspur vom Gesicht. Er warf Korra einen kalkulierenden Blick zu, dann hechtete er plötzlich in die nächste Seitengasse und verschwand in der Dunkelheit.
"Was...?"
Verdutzt blickte Korra in die Gasse in der der Junge gerannt war. Sie schüttelte den Kopf und machte sich erneut auf den Weg.
Kurz bevor sie ihren Schlafplatz errichte stellte sie fest, dass ihre Börse weg war.
Am nächsten Morgen schleppte sie sich bei Tagesanbruch zu dem Teeladen. Sie musste nicht einmal etwas sagen. Die alte Frau warf einen Blick auf Korras Gesicht und reichte ihr dann eine gelbe, verblichene Schürze.
