A/N: Viel Spaß :)


KAPITEL IX

Der Mann, der Mythos, die Legende


Als sie noch ein kleines Mädchen war, hatte sie einmal beim Spielen auf einer Eisscholle ihr Gleichgewicht verloren und war in das eisige Meer des südlichen Wasserstamms gefallen. Sie konnte sich nicht erinnern was davor oder danach passiert war, einzig das Gefühl der Kälte hatte sich in ihre Erinnerung gebrannt. Wie ein Hammerschlag gegen die Brust hatte es sich angefühlt und die Luft aus ihren Lungen gefegt. Sie war nicht einmal in der Lage gewesen mit den Armen zu fuchteln, wie ein Stein wäre sie hinabgesunken in die dunklen Tiefen des Ozeans, hätte ihr Vater sie nicht aus dem Wasser gezogen.

So festgefroren und betäubt stand Korra nun im Eingang des Kellers.

Hinter sich hörte sie wie Benjiro ebenfalls den Keller betrat, aber ihre Aufmerksamkeit galt einem anderen. Am Fuße der Treppe, angestrahlt von der alten Deckenlampe stand das Monster ihrer Albträume persönlich. Das Licht warf einen tiefen Schatten auf die weiße Maske, und hob das gespenstische aufgemalte Lächeln hervor, was seine Erscheinung noch unmenschlicher wirken ließ. Er hatte die Arme geschäftsmäßig hinter seinem Rücken verschränkt und seine Haltung wirkte beinahe teilnahmslos. Seine Maske war jedoch in ihre Richtung gedreht und Korra überkam die unheimliche Gewissheit, dass er bereits auf sie gewartet hatte.

Auch wenn sie durch die dunklen Höhlen der Maske seine Augen nicht ausmachen konnte spürte sie die Intensität seines Blicks auf sich ruhen.

Einen langen Moment war Korra nicht in der Lage einen sinnvollen Gedanken zu fassen. Zu laut dröhnte das Orchester der Alarmglocken in ihrem Kopf. Wäre sie nicht unter seinem Blick auf der Stelle festgefroren so hätten ihre Füße sie sicher wieder aus der Tür hinausgetragen.

Er schien sie abzuwägen und neigte -beinahe nachdenklich- den Kopf unmerklich zur Seite.

Korra schluckte und versuchte die aufkommende Panik zu unterdrücken, plötzlich unendlich froh, dass sie sich das Halstuch bereits vor dem Betreten des Kellers um ihr Gesicht gebunden hatte. Und doch hatte sie das miese Gefühl, dass er geradewegs durch die Tarnung hindurchblicken konnte...

„Konna!"

Tomos schneidender Ton ließ Korra zusammenzucken. Ihr Blick flackerte von Amon zu ihrem Ausbilder, der sich genervt eine Hand durch die dunklen Haare fuhr bevor er die Arme vor seiner Brust verschränkte und sie kritisch anfunkelte.

Erleichterung durchströmte Korra. Tomo hatte ihren Decknamen verwendet.

Er ist nicht wegen mir hier.

„Wie oft soll ich es dir noch sagen? Sei in Zukunft pünktlich!"

Sie traute ihrer Stimme nicht und nickte stattdessen, den Blick auf den Boden gesenkt.

Ein leichter Stups gegen ihre Schulter erinnerte sie an Benjiro und Wärme schoss in ihre Wangen als ihr klar wurde wie lange sie nun schon auf dem oberen Absatz der Treppe verharrt hatte.

Verhalte dich normal, verhalte dich normal, verhalte dich normal…

Mit dem Mantra im Kopf zwang sie sich mit wildklopfendem Herzen einen Fuß nach dem anderen zu setzen und die kurze Treppe hinabzusteigen. Mit jedem Schritt mit dem sie sich von der Tür nach Draußen entfernte und Amon und den Rekruten näherte schien sich ihr Schicksal zu besiegeln.

Ihre Finger juckte es nach dem Halstuch zu greifen, dass sie um ihr Gesicht gebunden hatte um sicher zu gehen, dass es auch ja nicht verrutschen würde. Stattdessen schob sie ihre zitternden Hände in die Taschen ihrer ramponierten Jacke und hielt den Blick weiterhin auf den Boden gesenkt.

Als sie den Fuß der Treppe erreicht hatte starrte sie auf ein Paar stahlkappenversehener Stiefel. Erst jetzt fiel ihr auf wie still der Raum war und sie fragte sich was man nun von ihr erwarten würde.

Die Höflichkeit gebietet, Autoritätspersonen ihrem Rang gemäß zu begrüßen.

Das zufällige Stück Etikette schwirrte plötzlich in ihrem Kopf umher. In der südlichen Tundra hatte Katara versucht Korra in die Bräuche und Sitten der vier Nationen einzuweihen. Mit mehr oder weniger Erfolg.

Wie hatte es Großmeister Uroq einmal formuliert? Um einen Krieg anzuzetteln würde es reichen sie als Diplomatin zu entsenden.

…Einen Monarchen des Erdkönigreichs begrüßt man mit einem kleinen Knicks...

Die Vorstellung vor Amon zu knicksen war allerdings mehr als nur lächerlich. Ihre Bändigungslehrmeister hatte sie stets mit dem Agni-Gruß begrüßt, aber auch das schien für einen Nichtbändiger und Equalisten unpassend.

Stattdessen verneigte sie sich.

Einen kurzen Moment war es ruhig, dann hörte sie ein leises Hüsteln aus der hinteren Ecke des Raums, das sich verdächtig nach einem unterdrückten Glucksen anhörte. Korra fühlte sich wie die Zielscheibe des Spotts und spürte wie ihre Wangen brannten.

Ihre Augen weiteten sich vor Schreck als plötzlich eine behandschuhte Hand nach ihrem Kinn griff und sie zwang aufzublicken. Ein Gefühl von Déjà-vu überkam sie.

Amon war ein guter Kopf größer und blickte auf sie herab. Sie standen sich nah genug, dass Korra nun seine Augen hinter der Maske ausmachen konnte. Sie waren sehr hell. Ein Grün oder Blauton vielleicht. In dem Licht war es unmöglich zu sagen.

"Du stammst nicht aus der Stadt."

Der von der Maske gedämpfte Klang seiner Stimme jagte ein Schaudern über ihren Rücken. Für den Bruchteil einer Sekunde schien ihre Umgebung zu flackern und sie sah sich selbst auf dem Boden von Avatar Aangs Tempel knien, umzingelt von einem Dutzend Equalisten. Amons ausgestreckte Hand, kurz bevor er ihre Stirn berührte…

Korra blinzelte und das Bild verschwand. Benommen flackerte ihr Blick hinab auf das abgewetzte Leder ihrer Stiefel.

Wenn sie sich nun in die Abgründe ihrer Albträume begeben würde so wäre sie verloren. Stattdessen sammelte sie all die Wut die sich in den letzten Wochen und Monaten in ihr angestaut hatte, auf die Equalisten, auf Republica, auf den Weißen Lotus und nicht zuletzt auf sich selbst, bis ein ungezähmtes Feuer in ihrer Brust loderte. Beinahe hätte sie ihre Hände zu Fäusten geballt, so intensiv rollte die Emotion über sie hinweg. Sie ließ den Hass durch ihre Adern strömen und schöpfte daraus die Kraft mit gestrafften Schultern erneut in die weiße Porzellanmaske ihres Feindes aufzublicken. Das Symbol der List und Unterdrückung.

"Republica ist nicht der einzige Ort der Welt an dem Nichtbändiger verfolgt werden."

Ihre Stimme klang ruhig und gesammelt wenngleich ein wenig matt und verriet nichts von dem Chaos das sie empfand.

Einen langen Moment studierte Amon sie schweigend. Was auch immer er in ihrem Gesicht suchte, ein Zeichen von Falschheit oder Täuschung vielleicht, schien er nicht zu finden. Er nickte kaum merklich und entließ Korra aus dem Gespräch.

Erleichtert jedoch noch immer angespannt durchquerte sie den Raum und reihte sich den restlichen Rekruten hinzu. Als sie zufällig Azoks Blick traf zuckten seine Mundwinkel so als müsste er das breiteste Grinsen unterdrücken. Fragend runzelte Korra die Stirn, dann huschte ihr Blick wieder auf Amon zurück.

Nun da die Gruppe vollzählig war wendete dieser sich an die Rekruten.

"Ihr fragt euch sicherlich bereits was der Grund für meine Anwesenheit hier ist."

Amon schien sie der Reihe nach zu mustern. Es war seltsam seine Gestalt in dem Raum zu sehen. In den letzten Tagen und Wochen war der Keller ein halbwegs vertrauter Ort geworden, so dass sich die Präsenz des Equalisten anfühlte wie ein Fremdkörper. Seine leichte Rüstung bestand aus einer unscheinbaren braunen Tunika mit Kapuze, darüber waren zwei Schulterplatten befestigt aus einem Material das aussah wie rötlich gefärbtes Leder. Dazu passende Arm und Beinschienen dienten der zusätzlichen Polsterung vor Schlägen und Tritten. Es war eine Rüstung, die wenig Schutz vor den Elementen bot, dafür diesen Nachteil in Schnelligkeit und Beweglichkeit wettmachte. Korra vermutete allerdings insgeheim, dass er sie lediglich für das Erscheinungsbild trug. Sie hatte noch nicht einmal gesehen wie eine Attacke Amon auch nur streifte.

Unwohl trat Korra von einem Fuß auf den anderen und tauschte einen flüchtigen Seitenblick mit Benjiro, der sich neben sie gestellt hatte. Auf seinem Gesicht spiegelte sich unverhohlene Bewunderung und Ehrfurcht vor dem maskierten Equalisten.

"Nichts ist von mehr Bedeutung als der Kampf um die Seele Republicas. Die Unterstützung die wir von der Bevölkerung erhalten wächst, unser Zeichen prägt jede Ecke und jeden Winkel dieser Stadt,"

Widerwillig musste Korra ihm rechtgeben. Es war wirklich keine Seltenheit das Symbol der Revolution an diversen Hauswänden und auch auf unzähligen Plakaten geschmiert zu sehen.

"-doch anstatt ihre Niederlage einzugestehen versucht der Stadtrat noch immer unsere rechtmäßige Revolution zu stoppen," sagte Amon und seine Stimme triefte vor Spott.

"Nicht, dass ihnen das gelingen wird, allerdings waren ihre letzten Bemühungen überaus lästig und wir befinden uns nun in einem Krieg an mehreren Fronten dieser Stadt. Was wir brauchen um die kommenden Kämpfe zu unseren Gunsten zu entscheiden sind mutige Rekruten wie euch.

Euer Ausbilder hat mir von euren Fortschritten berichtet und bald wird jeder von euch die Grundausbildung meistern. Die Revolution braucht jedoch nicht nur Kämpfer, sondern auch Heiler und Strategen. Ich bin hier um jenen von euch, die sich nicht zum Nahkampf berufen fühlen die Chance zu bieten, ihre Ausbildung an einem anderen Trainingscenter weiterzuführen."

Korra hob überrascht die Brauen. Für einen Moment zog sie die Vorstellung in Betracht, wenn sie es schaffen würde die Planung der Revolution mitzugestalten würde sie vermutlich an wichtige Informationen gelangen, allerdings verwarf sie den Gedanken schnell wieder. Niemand zurechnungsfähiges würde sie in die Verwaltung stecken. Korra blickte hinab auf ihre Hände, sie waren gebräunt und überzogen von kleinen weißen Narben die sich über die Jahre hinweg angesammelt hatten. Es waren nicht die Hände von jemandem der seine Zeit mit Papierkram verbrachte.

"Tretet jetzt vor, falls ihr Interesse an dem Angebot habt."

Drei der neun Rekruten folgten dem Aufruf. Besonders einer von ihnen, ein Junge mit einem Mopp von schwarzem Haar und einer quadratischen Brille wirkte erleichtert. Korra konnte sich zwar nicht an seinen Namen erinnern allerdings hatte sie ihn bereits kämpfen sehen und es war wohl wirklich besser, wenn er es bleiben ließe.

"Was den Rest von euch angeht," Korra spürte Amons Blick auf sich ruhen und ein Knoten formte sich in ihrer Magengegend.

"Normalerweise würden wir euch noch Zeit lassen hier zu trainieren aber Zeit ist genau das wovon es uns mangelt… Deshalb haben wir uns entschieden den nächsten Schritt eurer Ausbildung zu beginnen. Die paar Stunden am Tag die ihr hier abends verbringt werden nicht ausreichen um euch auf das vorzubereiten was euch später erwarten wird. Morgen Abend wird ein Transporter hier auf euch warten. Steigt ihr ein werdet ihr die nächsten drei Tage an einem speziell für die Übung ausgewählten Ort trainieren."

Korra spürte einen Schub Adrenalin durch ihre Adern pumpen und gleichermaßen nervös wie aufgeregt fragte sie sich was es wohl mit dem nächsten Trainingsschritt auf sich hatte.

"Ich freue mich auf Euer Kommen."

Die feinen Härchen auf ihren Armen stellten sich auf. Bildete sie es sich nur ein oder ruhte Amons Blick immer noch auf ihr?

"Alles Weitere wird euch Tomo hier erklären."

Bei der Erwähnung seines Namens straffte Tomo stolz die Schultern.

Die beiden Equalisten tauschten einen kurzen Blick, dann nickte Amon knapp, wandte sich um und verließ lautlos den Keller. Die alten Holzdielen, die unter Korras Stiefeln stets ächzten als würde sie das Gewicht eines fliegenden Bisons mit sich herumschleppen blieben gespenstisch stumm.

Vielleicht, so schoss es Korra in den Kopf, waren sie ebenfalls eingeschüchtert von dem seltsamen, maskierten Mann oder die Gerüchte, dass sich unter der Maske ein Geist versteckte waren tatsächlich wahr.

Erst als die Tür hinter dem Equalisten ins Schloss fiel merkte Korra, dass sie den Atem angehalten hatte.

Plötzlich fühlte der Raum sich wieder um einiges größer an.

"Wow!", entfuhr es einem der Rekruten neben ihr, Chan. Dem ehrfürchtigen Klang seiner Stimme nach zu urteilen könnte man meinen er hätte soeben einen legendären Helden getroffen.

'Wow' war nicht gerade das Wort, dass sie benutzen würde, dachte sich Korra und wischte sich unauffällig ihre Hände an ihrer Jacke ab. Wann hatte sie angefangen zu schwitzen?

Ein Gewirr aus Stimmen erfüllte urplötzlich den Raum.

"…Ich kann nicht glauben, dass wir ihn hier getroffen haben…"

"…das glaubt mir Keiner!"

"…wo fahren hin?"

"…meint ihr Amon wird dabei sein?"

Korra hörte ihnen nur mit halben Ohr zu. Nun da Amon nicht mehr im Raum war spürte sie eine enorme Anspannung von sich abfallen und ihre Schultern sackten kraftlos ein Stück nach unten. Leicht benommen zählte sie im Geist bis zehn um sich zu beruhigen. Ihr Herz klopfte noch immer so schnell, als wäre sie gerade eine ganze Meile gerannt.

Es war Tomos Stimme, die sie schließlich aus ihrem Tranceähnlichen Zustand herausriss.

"…wird den Teil der Ausbildung übernehmen."

"Was?", fragte Korra unvermittelt.

Tomos dunklen Augen glänzten irritiert als er seinen Blick auf Korra richtete. Ganz so als sähe er an ihrer statt einen fetten, ekligen Käfer.

"Was?", wiederholte Tomo gedehnt.

"Den letzten Satz…habe ich nicht verstanden."

"Ich sagte,-"

Tomo wiederholte den Satz.

Und Korra spürte wie sich der Boden unter ihren Füßen schwindelerregend neigte.


"Chi-Blocken!", schwärmte Chan.

Nach der Ansprache die Tomo ihnen gegeben hatte und der darauffolgenden Trainingseinheit standen die Rekruten nun im Hinterhof des Buchladens und diskutierten aufgeregt die jüngsten Ereignisse. Korra stand lediglich neben ihnen, zu geschockt um mehr als ein falsches, müdes Lächeln auf ihr Gesicht zu zwingen. Sie hoffte, dass es nicht allzu sehr aussah wie die Grimasse, nach der es sich anfühlte.

Chan streckte entzückt seinen Arm aus und betrachtete seine leere Hand als besäße sie übernatürliche Kräfte, bevor er sie zu einer Faust schloss und seine Muskeln anspannte.

"Ich kann es kaum erwarten es den Bändigern zu zeigen."

"HA!" Mit geballter Faust schlug er einen Haken gegen imaginäre Feinde in die Luft.

Unbeeindruckt hob Korra eine Braue.

"So sieht Chi-Blocken nicht aus."

Für eine Sekunde schien das Lächeln von Chans Gesicht zu schwinden, dann musterte er Korra und das Grinsen kam zurück.

"Entschuldige, meine Hochwohlgeborene."

Sein Mantel raschelte als er ausholte um sich tief und theatralisch vor ihr zu verneigen. Dann schnappte er ihre Hand bevor sie sie wegziehen konnte und drückte einen flüchtigen Kuss auf ihren Handrücken.

Seine grünen Augen tanzten vor Belustigung.

Mit zusammengezogenen Brauen ries Korra ihre Hand aus seinem Griff und schupste ihn von sich.

Azok gluckste amüsiert und Korras Wangen brannten als sie sich daran erinnerte wie sie Amon gegrüßt hatte. Offensichtlich war es nicht die gängige Art in Republica.

Sie murmelte ein paar Worte zum Abschied, wandte sich um und schlüpfte durch den schmalen Durchgang von dem Hinterhof zur Straße.


Der Mond stand hell am wolkenlosen Nachthimmel und tauchte Republica in einen schummrigen silbernen Glanz.

Bevor Korra sich auf den Heimweg machte lehnte sie sich einen Moment an die Hauswand des Buchladens um einen tiefen Atemzug zu nehmen. Die Luft roch wie so häufig nach Abgasen und Rauch und Korra wünschte sich nichts sehnlicher als die Stadt hinter sich zu lassen und irgendwo hinzugehen wo die Welt noch rein war.

"Hey…"

Es war Benjiro.

Seine schlaksige Gestalt war neben ihr erschienen. Aus dem Augenwinkel sah Korra wie er sich ebenfalls an die Wand lehnte.

Für eine Zeit schwiegen sie Beide. Benjiro kratzte sich am Nacken.

"Schon seltsam," begann er dann leise.

"Vor ein paar Wochen war ich ein Niemand aus der Drachen Ebene, der sein Geld damit verdient hat ahnungslosen Schnöseln das Geld aus den Taschen zu ziehen."

Korra warf ihm überrascht einen flüchtigen Seitenblick zu. Sie hatte ihn nicht als die kriminelle Sorte eingeschätzt. Dann fiel ihr ein, dass auch sie bereits gestohlen hatte und sie schwieg.

"Und jetzt", fuhr er fort, "wird Amon uns persönlich die mächtigste Kampfart von allen lehren."

Daran musste er Korra nicht erinnern. Das flaue Gefühl in ihrem Magen verstärkte sich als sie erneut darüber nachdachte. Es schien noch immer zu surreal.

"Nein," hörte sie sich leise murmeln, "Chi-Blocken ist nicht die stärkste Kampfart."

Die Stärkste war es Bändigen dauerhaft zu entfernen.

Erneut fielen sie in Schweigen.

Benjiro scharrte mit dem Fuß auf dem Boden und spielte nervös an einer dünnen Kette die um seinen Hals hing. Es war offensichtlich, dass ihm etwas auf dem Herzen lag.

"Was?", fragte Korra.

Er zögerte einen Moment.

"Kommst du zurecht mit-"

Er machte eine Handbewegung.

"Du weißt schon, ähm, diese Männer, was ich meine ist, bist du… sicher?"

Es dauerte eine Sekunde bevor Korra verstand auf was er anspielte. In seinem Gesicht spiegelte sich ehrliche Besorgnis.

"Ja", beeilte Korra sich ihm zu versichern.

Sie stieß sich von der Hauswand ab, strich sich eine Falte ihrer Jacke glatt und wiederholte:

"Ja… mach dir keine Sorgen. Ich bin vollkommen sicher."

Doch Benjiro schien nicht überzeugt zu sein.

Korra zwang ihr Gesicht in eine heitere Miene und versicherte es ihm erneut.

"Wirklich, ich bin in Sicherheit, ehrlich. Wer würde mir schon etwas Böses wollen?", fügte sie scherzhaft hinzu.

Ohne auf eine Antwort zu warten kehrte sie ihm den Rücken zu und machte sich auf den Weg durch die dunklen, leeren Straßen zu der Lagerhalle die ihr als Schlafplatz diente. Bei jedem Schatten der an ihr vorbeihuschte zuckte sie heftig zusammen und einige Male blieb sie an einer Hausecke stehen um nach Schritten von möglichen Verfolgern zu lauschen.

Sie erreichte die alte Halle ohne Zwischenfälle, wenn man die sieben Herzinfarkte nicht dazuzählte, die sie unterwegs erlitten hatte.

Ich bin vollkommen sicher.

Genau.