A/N: Viel Spaß!
KAPITEL X
Die ich rief die Geister, werd ich nun nicht los
Angespannt rollte Korra das Paar durchlöcherter Handschuhe in den kratzigen Umhang ein, der ihr als Bettdecke gedient hatte. Ein prüfender Blick gen Himmel sagte ihr, dass die Sonne nun bald untergehen würde. Es war Zeit.
Nichts auf dem Flachdach der alten Lagerhalle verriet, dass sie die letzten Wochen hier gelebt hatte und Korra überkam unerwartet der Wunsch ein Zeichen zu hinterlassen, eine Kerbe im Blech vielleicht ...
Sie bückte sich und griff nach einem kleinen Kieselstein, den es auf das Dach verirrt hatte. Sorgfältig kratzte sie ein kleines 'K' in das Blech, bevor sie sich wieder aufrichtete um ihr Werk zu begutachten.
Es war fraglich ob sie jemals an diesen Ort zurückkehren würde.
Wahrscheinlicher schien es, dass sie von nun an das Innere einer Zelle ihr Zuhause nennen durfte. Im Rückblick schien die gesamte Idee sich den Equalisten anzuschließen absolut wahnsinnig. Es waren jedoch die Geschehnisse der vorherigen Nacht, die den letzten Nagel in ihren Sarg gehämmert hatten. Amon, höchstpersönlich würde ihr Training fortsetzen.
Von allen Equalisten war sie nur ihm und dem Leutnant von Angesicht zu Angesicht begegnet.
Wenn einer sie durchschauen würde, dann war es Amon, das wusste sie und nun sollte sie drei Tage auf engstem Raum mit dem maskierten Mann verbringen.
Die ganze Nacht lang hatte sie wach gelegen und sich in tiefster Untergangsstimmung gefragt, ob es nicht doch klüger wäre Republica zu verlassen, der Stadt den Rücken zu kehren und ihre eigene Haut zu retten. Die Selbstzweifel hatten sie beinahe aufgefressen.
Bei Morgengrauen hatte die Welt allerdings wieder anders ausgesehen und zutiefst beschämt hatte sie den feigen Gedanken verworfen.
Sie hatte an Tenzin und ihre Eltern denken müssen, an Mako, Bolin und Naga und nicht zuletzt auch an ihr persönliches Schicksal, die glorreiche Bestimmung, welche sie seit ihrer Geburt wie ein Koloss überschattet hatte.
Nicht, dass es sie früher gestört hatte der Avatar zu sein, damals als sie sich noch für unverwundbar gehalten hatte und glaubte jeden Feind mit ihrem Bändigen zu bezwingen.
Seufzend blickte Korra hinab auf ihre Hände.
Nein, sie würde nicht Rennen. Sich Amon zu stellen und so viel, wie möglich von ihrem Feind zu lernen war die einzige Möglichkeit zu zeigen, dass sie noch immer die Fähigkeit eines Avatars besaß, für ein Gleichgewicht in der Welt zu sorgen.
Aang hatte mit zwölf Jahren den Feuerlord Ozai besiegt.
Der Schatten ihres Vorgängers hatte sich selten so schwer angefühlt wie in den letzten Wochen.
Was würdest du an meiner Stelle tun, Aang?
Sie erhielt keine Antwort. Sie hatte auch keine erwartet.
Mit einem tiefen Atemzug kletterte Korra geschickt an der Fassade des Gebäudes hinab, bevor sie auf der dunkelasphaltierten Straße landete. Um zum Treffpunkt der Equalisten zu gelangen, schlug sie an diesem Abend einen Umweg ein um größere Straßen und offene Plätze zu vermeiden. Sie entdeckte zwar keine Wachen, aber das musste nichts heißen.
Als sie schließlich den Buchladen mit der roten Eingangstür erreichte, stand bereits, wie Amon versprochen hatte, ein dunkler Transporter in der Einfahrt geparkt. Von dem maskierten Equalisten fehlte allerdings jede Spur.
Im kleinen Fahrerhaus saß ein alter Mann mit struppigem Bart. Als Korra auf den Wagen zusteuerte, öffnete er die Tür und stieg aus.
"N'Abend", brummte er nicht unfreundlich. Er hatte eine Pfeife im Mund stecken, die bei jedem Wort hin und herwackelte. Korra erwiderte die Begrüßung.
Der Alte war etwas beleibt, mit einem ingwerfarbenen Backenbart. Korra schätzte ihn auf Mitte fünfzig. Ohne mehr Zeit mit Plaudern zu verlieren, nahm er ihr das kleine Kleiderbündel aus der Hand und lief um den Transporter zur Tür des Frachtraums. Korra folgte ihm neugierig um einen Blick in den Wagen zu erhaschen. Am hinteren Ende des Stauraums war eine große metallene Box mit Seilen an die Zwischenwand des Transporters gezurrt.
"Was ist in der Kiste?", hörte sie sich neugierig fragen.
Der Alte ignorierte sie jedoch und trat wieder aus dem Frachtraum heraus als hätte er ihre Frage gar nicht gehört.
Mit dem Daumen wies er zur Tür des Wagens, die Aufforderung unmissverständlich.
Einsteigen bitte.
Korra tat wie geheißen und zog die Tür hinter dem Fahrerhaus auf. Im Innern saßen bereits in zwei Reihen die fünf Rekruten, die von der ehemaligen Neunergruppe übrig geblieben waren.
Korra begrüßte sie und kletterte dann umständlich zum letzten freien Platz auf der Rückbank neben dem bulligen Chan, der mit seinem breiten Kreuz beinahe zwei Sitze in Anspruch nahm, bis sie schließlich alle wie die Sardinen in der Büchse saßen.
Kurz darauf zog der Fahrer die Tür zu, stieg ins Fahrerhaus ein und mit quietschenden Reifen rollte der Transporter los.
Die Anspannung und Aufregung im Wagen war beinahe greifbar. Nervös knäulte Benjiro den Stoff seiner Jacke zusammen nur um daraufhin die Falten wieder glatt zu streichen. Azok trommelte mit den Fingern und Sona kaute sich ihre Lippe kaputt.
Währendessen versuchte Korra aus dem kleinen Fenster des Wagens zu schauen, doch die Scheiben waren so dunkel getönt, dass sie nur grobe Umrisse der Umgebung ausmachen konnte.
Irgendwann krammte Chan ein kleines Radio aus seinem Rucksack hervor und spielte solange an der Antenne bis schließlich leise Musik daraus ertönte. Dankbar schloss Korra die Augen und versuchte sich auf nichts Weiteres als die Melodie zu konzentrieren.
Die Fahrt dauerte länger als erwartet.
Nach einer guten Stunde merkten sie, dass sie die Stadt bereits verlassen hatten. Über die asphaltierten Straßen Republicas war der Wagen reibungslos geglitten, doch nun hatte sich der Grund offenbar verändert und der Transporter fuhr über sichtlich wilderes Terrain.
Dies sorgte zunächst für wilde Spekulationen unter den Rekruten, als der Wagen sich schließlich neigte und sich von da an nur noch bergauf schleppte war ihnen jedoch allen klar, wohin die Reise führen musste.
Nachdem eine weitere Stunde verstrichen war, kam der Wagen schließlich zum Stehen und die Tür wurde aufgerissen. Eine kühle Brise wehte durch den Transporter und schärfte Korras Sinne.
"Wir sind da", meinte der alte Mann unnötigerweise.
Korra konnte es gar nicht erwarten den stickigen Innenraum zu verlassen und ins Freie zu treten. Die Nacht war längst hereingebrochen und in der Dunkelheit stolperte sie über ihre eingeschlafenen Füße bei dem Versuch aus dem Wagen zu steigen.
Weiches Gras polsterte jedoch ihren Sturz und als sie sich aufrappelte und die Augen zusammenkniff, erkannte sie, dass sie geradewegs an einem dunklen Waldrand angehalten hatten. Über den Kronen der Bäume ragten die umliegenden Berge, deren zackige Spitzen von einer weißen Schneedecke umhüllt waren, die in der Nacht zu Leuchten schien. Dann wandte sie ihren Blick zur Seite und sie erkannte am Horizont einen gelben Lichtfleck, bei dem es sich nur um Republica handeln konnte.
"Man ist das kalt", beschwerte sich jemand mit schlotternden Zähnen.
Korra war anderer Meinung. Hier inmitten der Natur fühlte sich die Kälte geradezu belebend an und sie nahm einen tiefen Atemzug von der klaren Luft. Für einen Moment musste sie nostalgisch an ihre alte Heimat zurückdenken.
Der Fahrer entzündete eine Lampe.
"Folgt mir."
Er führte die Rekruten um den Wagen herum und erst jetzt erkannte Korra die Umrisse einer zweistöckigen Hütte, obwohl Hütte vermutlich das falsche Wort war, es sah eher aus wie ein kleines Häuschen. Im schwachen Licht konnte sie nicht viel von der Fassade erkennen und der Alte blieb schließlich vor einer dunklen Eichentür stehen. Er kramte kurz in einer seiner vielen Jackentaschen, bis er den passenden Schlüssel fand und sie in das Haus bugsierte.
Nach kurzem Herumtasten und Fluchen fand er den Lichtschalter und flackernd erwachte eine Deckenlampe zum Leben.
Korras Augen brauchten einen Moment um sich an das plötzliche Licht zu gewöhnen, bevor sie ihre Umgebung in Betracht nehmen konnte.
Es handelte sich um eine spärlich, jedoch geschmackvoll eingerichtete Stube, die von einem gemütlichen Kamin dominiert wurde. Auf der anderen Seite des Raumes wand sich eine elegante Wendeltreppe nach oben in den zweiten Stock.
"Hier im Erdgeschoss könnt ihr euch ausbreiten, ich habe noch Schlafmatten im Wagen, schätze' der Boden könnte sonst ein wenig hart sein."
Als sich Azok erkundigte wann Amon eintreffen würde zupfte der Alte sich an seinem Bart.
"Er wird morgen früh hier sein", antwortete er nach kurzem Zögern.
"Könnt euch glücklich schätzen", fügte er dann hinzu, "Normalerweise lässt er den Leutnant antanzen, um euch Frischlingen das Chi-Blocken beizubringen. Weiß Yue, der Mann ist beschäftigt genug ..."
Mit den Worten trat er aus dem Haus, um zurück zum Transporter zu laufen und das Gepäck auszuladen. Korra und die anderen Rekruten folgten ihm und als sie ihr Kleiderbündel mitsamt einer Schlafmatte und einer Essensration entgegennahm, fiel ihr Blick erneut auf die Metallbox im Innern des Stauraums.
Korra hoffte plötzlich inständig, dass die Kiste nicht dafür gedacht war, ihre Leiche im Wald zu verscharren.
Groß genug wäre sie dafür, dachte sie trocken.
Der Alte wuchtete die Box auf einen Karren und steuerte zu einer Kellerluke, bevor er einige Zeit verschwand bis er wieder zurückkehrte.
"Ich habe heute Abend noch einen Auftrag zu erledigen", meinte er dann kryptisch und verabschiedete sich von den Rekruten.
"Morgen früh werde ich wieder hier durchkommen."
Als der Wagen davonrollte, blickte Korra ihm nach. Anstatt den gleichen Weg zurückzunehmen, schien er stattdessen weiter hinaus in das Bergland zu steuern und sie fragte sich, was wohl sein Ziel war. Nach kurzer Zeit verschwand der Transporter jedoch vollständig in der Dunkelheit und lies sie allein in ihrem Grübeln.
Nun, nicht wirklich allein.
"Also, Hasenente oder Kumquat-Suppe?", fragte Chan in die Runde und hob zwei Essenspackungen in die Höhe um seine Worte zu unterstreichen.
Nach einer kurzen Erkundungstour kamen Azok und ein weiterer Rekrut mit Armen voller Feuerholz zurück und berichteten der Gruppe von einem See, der sich anscheinend unweit der Hütte befand. Währenddessen hatte Benjiro ein Lagerfeuer entfacht und eine Suppe zubereitet. Wie ein Pack ausgehungerter Wölfe hatten sie sich auf das Essen gestürzt.
Trotz der allgemeinen Erschöpfung saßen sie noch eine ganze Weile um das Feuer. Korra lehnte sich zurück ins Gras und betrachtete den Sternenhimmel, der sich abseits der Stadt hell am Firmament abzeichnete.
Chan versuchte erneut sein Radio einzustellen, doch nur Statik entwich den Lautsprechern. Irgendwann gab er es auf und pfefferte das Gerät in eine Ecke.
Als gefühlte Stunden später schließlich jemand aufstand, um sich schlafen zu legen folgte der Rest seinem Beispiel und trottete wie eine kleine Herde ins Innere des Hauses.
Es dauerte nicht lange und leises Schnarchen erfüllte den Raum.
Korra aber lag noch einige Zeit wach und dachte mit einem Knoten in der Brust über den kommenden Tag nach. Sie streckte eine Hand aus, um über den Schrägbalken zu streichen, der über ihrem Kopf verlief. Eine Kerbung war darin eingraviert und gedankenverloren fuhren ihre Finger über die Linien im Holz.
Im Geist spielte sie ein kleines Spiel.
Heute bin ich zusammen mit einer Gruppe angehender Equalisten zu einer einsamen Hütte in den Bergen gefahren, um unter Amons Nase Chi-Blocken zu lernen.
Sie versuchte sich vorzustellen, was wohl ihre Freunde dazu zu sagen hätten.
"Du hast was- Korra?!", sagte Tenzin.
"Ich hoffe, du kommst sicher zurück", sagte Bolin.
"Wird auch Zeit, dass es jemand diesen Idioten zeigt", sagte Lin.
Schließlich übermannte die Müdigkeit Korra und sie fiel in einen tiefen Schlaf.
Der Morgen kam zu früh für ihren Geschmack.
Aufgeweckt von den ungedämpften Stimmen der anderen Rekruten rieb sie sich mürrisch den Schlaf aus den Augen. Der frühe Morgen war für einen Wasserbändiger eine äußerst böse Zeit zum Aufstehen.
Das Licht, das durch die Fensterscheibe drang verkündete den Sonnenaufgang und ein plötzlicher Gedanke machte sie hellwach.
Amon.
Er könnte jeden Moment eintreffen, vielleicht war er sogar schon da.
Wie unter Strom entwirrte sie ihren Umhang hastig, der sich um ihre Beine verwickelt hatte, um von ihrem Schlafplatz aufzustehen. Fast wäre ihr Kopf dabei gegen den schrägen Holzbalken gedonnert. Ihr Blick fiel erneut auf die gravierten Linien, die sie in der Nacht zuvor ertastet hatte. Das Zeichen im Holz sah aus wie die Hälfte eines Zahnrads, darunter waren Buchstaben geschrieben, die jedoch nicht mehr entzifferbar waren, obwohl es so aussah als könnte das Wort einmal mit einem 'F' anfangen haben ...
Es war aber vermutlich nicht von großer Bedeutung, was in irgendeinem Balken eingraviert war. Sie verwarf den Gedanken daran und dachte stattdessen über ihre dringlicheren Probleme nach.
Amon, hauptsächlich.
Just in dem Moment, in dem sie an ihn dachte, hörte sie das unmissverständliche Quietschen von Satoreifen vor dem Haus.
Ihre Nackenhaare stellten sich und sie musste an eine Geschichte denken, die Katara ihr einst erzählt hatte.
Die Geister, die ich rief.
Es schien die Stunde war gekommen. Im klaren Licht der Morgensonne würde sich zeigen, ob er ihr Gesicht wiedererkennen würde. Ihre Finger bebten, als sie sich ihren Schal fest um den Hals wickelte und ihr Kinn im Stoff vergrub.
Dann folgte sie den anderen Rekruten, die sich bereits zur Tür gemacht hatten.
Korra trat ins Freie und wurde begrüßt von einem atemberaubenden Ausblick. Es war ein glasklarer Morgen und die Sonne war gerade dabei über die schneebedeckten Bergspitzen zu wandern. Frost überzog die Nadeln der umliegenden Tannen und lies jeden Grashalm glänzen. In der kalten Luft bildete ihr Atem feine Wölkchen vor ihrem Gesicht.
Ihr Blick wanderte über das Areal. Dort, keine zwanzig Meter von dem Haus entfernt stand Amon am Rande eines Abhangs, den Rücken Korra zugewandt, schien er die Stadt, die sich aus der Entfernung nur als dunkler Fleck am Horizont abzeichnete zu beobachten. Die Arme, wie so oft hinter seinem Rücken verschränkt.
Ein sanfter Wind zupfte an seinen Kleidern und spielte mit dem Stoff seiner Kapuze doch er stand so unbewegt da wie eine Statue. Korra wusste in dem Moment nicht ob sie ihn für die Standhaftigkeit, die er aus jeder Pore ausstrahlte, beneidete oder verabscheute.
Ein Schups würde vielleicht trotzdem reichen, um ihn den Abhang hinabzustoßen.
Abrupt drehte er sich um, so als hätte er ihren Gedanken gehört und wandte sich den entgegenkommenden Rekruten zu.
Es kostete Korra Überwindung, nicht auf dem Absatz kehrt zu machen.
Mit klopfendem Herzen stellte sie sich zu den anderen Rekruten, die in einem respektvollen Abstand zu Amon eine kleine Reihe gebildet hatten. Dann warteten sie gemeinsam darauf, dass der maskierte Mann das Wort ergriff. Er lies sich jedoch Zeit und studierte seine neuen Schüler aufmerksam, bevor sein Blick zu den entfernten Bergspitzen wanderte.
"Ihr müsst euch fragen, weshalb ich einen so isolierten Ort hierfür gewählt habe, aber ich verspreche, dass es alles noch seinen Sinn ergeben wird."
Amon schwieg eine Weile und als er erneut anfing zu sprechen, schwang ein seltsamer Unterton in seiner Stimme mit. Für einen Moment hatte es den Anschein, als wäre er in Gedanken weit entfernt.
"Nachdem ein Bändiger meine Familie zerstört hatte, verbrachte ich Jahre damit die vier Nationen zu durchstreifen. Doch egal wie weit ich reiste, sah ich in jedem Dorf und in jeder Stadt immer nur das Gleiche. Bändiger, die ihre Macht missbrauchten um Unschuldige zu unterdrücken. Das Bändigen war seit Jahrhunderten der entscheidende Faktor eines Menschen Glück oder Unglück. Es hat Kriege entfacht und Familie nach Familie auseinandergerissen."
Es war schwer sich einen jungen Amon vorzustellen. Korra versuchte und scheiterte daran sich auszumalen, wie er vielleicht als Kind ausgesehen haben mochte und sie fragte sich, nicht zum ersten Mal, wie wohl sein Gesicht unter der Maske aussah.
"Die Ära des Bändigens ist jedoch vorbei. Was ich euch beibringen kann, wird dafür sorgen, dass eure zukünftigen Kämpfe ein wenig mehr ... ausgeglichen sein werden.
"Um tatsächlich die Kunst des Chi-Blockens zu meistern, braucht es Monate, gewöhnlich Jahre. Bedauerlicherweise werden wir uns jedoch mit weitaus weniger Zeit begnügen müssen. Was ich euch aber auf den Weg geben kann, wird es euch ermöglichen effektiv gegen jede Art von Bändiger zu bestehen. Es gibt eine Vielzahl an Chi Pfaden und Druckpunkten am menschlichen Körper. Um das Bändigen zu blockieren, muss man nur wissen, welche für das bestimmte Element benutzt werden.
"Wasserbändiger lassen sich am einfachsten ausschalten. Im Gegensatz zu den anderen Bändigungsformen verlassen sie sich beinahe ausschließlich auf ihre Arme. Es reicht daher drei verschiedene Punkte zu treffen, um ihr Bändigen kurzzeitig zu neutralisieren.
"Die Punkte zu beschreiben ist schwierig und es wird mehr Sinn machen es euch direkt an einem Praxisbeispiel zu erklären."
Amons Blick glitt über die Rekruten vorbei an Chan, der offensichtlich begeistert wäre, als Versuchsobjekt zu dienen und blieb an Korra hängen.
"Dein Name war ... Konna, richtig?"
Korra erstarrte unter seinem Blick. Es war das erste Mal, dass Amon sie mit ihrem Decknamen direkt angesprochen hatte und sie mochte nicht, wie der Name von seiner Zunge rollte.
Sie nickte mechanisch.
Amon streckte eine Hand mit der Handinnenfläche nach oben geneigt zu ihr aus, als würde er sie zu einem Tanz auffordern wollen. Korra erinnerte es jedoch eher an ein Raubtier, das versuchte seine Beute zu ködern.
Mit dem unguten Gefühl, dass seine Falle jeden Moment zuschnappen würde, folgte sie der stillen Aufforderung und trat näher an ihn heran.
Sie konnte es bereits vor sich sehen. Im nächsten Augenblick würde Amon ihre Arme auf den Rücken drehen und sie vor den restlichen Rekruten als vermisster Avatar vorstellen und verhöhnen und dann würde er sie in die metallene Box sperren und sie in einer Senke im Wald entsorgen, wo niemand sie jemals wiederfinden würde...
Korra schluckte schwer und blieb schließlich direkt vor dem maskierten Equalisten stehen. Wenn er sie in der Tat durchschaut hatte, wollte sie wenigstens mit einem letzten Rest an Würde untergehen, also hob sie den Kopf, reckte das Kinn und blickte geradewegs in die dunklen Höhlen der Maske.
Na mach schon, dachte sie bitter.
Für einen langen Moment starrten sie einander an und sie versuchte angestrengt nicht zu blinzeln. Eine Schweißperle formte sich an ihrer Schläfe, bevor sie ihr Gesicht herunterrann und in ihren Haaren verschwand.
Wie durch ein Wunder machte er nichts von all dem, was sie sich eben vorgestellt hatte. Tatsächlich wandte er seine Aufmerksamkeit bald wieder von ihr ab und richtete das Wort erneut an die gesamte Gruppe. Der Ton seiner dunklen Stimme war ruhig und geschäftsmäßig.
"Der erste Punkt", sagte er, "befindet sich ein Fingerbreit oberhalb des Handgelenks ..."
Verdutzt sah Korra zu wie Amon um sie herumtrat, um den Rekruten die Chi-Punkte an ihrem Arm zu zeigen.
Sie war sich fast sicher gewesen, dass er die Charade durchschaut hatte. Die Erkenntnis, dass nicht einmal einer ihrer größten Feinde sie wiedererkannte erfüllte sie mit großer Erleichterung und sie spürte ganz deutlich, wie ein Steinbrocken von ihrem Herzen fiel. Absurderweise war ein kleiner, irrationaler Teil von ihr auch gleichzeitig ein wenig niedergeschlagen. Das musste wohl heißen, dass nichts mehr von dem ehemaligen Avatar in ihr übrig war.
Etwas abgelenkt hörte sie Amons Erklärungen zu.
Die Berührungen seiner Finger auf ihrem Arm waren so flüchtig und leicht, dass sie sich hinterher fragte, ob sie sie sich nur eingebildet hatte.
Wie ein Geist, dachte sie trocken und nur halb im Scherz.
"Entschuldige", murmelte Benjiro.
"Mach dir keinen Kopf," beschwichtigte ihn Korra und rieb sich das Handgelenk. Wie sich herausgestellt, hatte sah Chi Blocken deutlich leichter aus, als es tatsächlich war. Seit einer Stunde versuchten sie bereits vergeblich einen der beschriebenen Druckpunkte zu treffen, so dass sich inzwischen rote Stellen auf ihrer Haut gebildet hatten, die sich sicherlich in kurzer Zeit zu blauen Flecken verfärben würden.
"Ich bin wieder an der Reihe", entschied Korra und Benjiro nickte knapp in Zustimmung.
Zum gefühlt hundertsten Mal konzentrierte sie sich auf die Stelle neben seinem knochigen Handgelenk, bevor sie mit ihrem Arm nach vorne schnellte.
"Spürst du was?", fragte sie ihren Übungspartner verdrossen.
"Nein… naja mein kleiner Finger fühlt sich anders an."
Korra schnaubte, sie bezweifelte, dass er es ernst meinte.
Ein triumphierender Aufschrei lies sie herumfahren.
Einige Meter entfernt standen Azok und Chan. Während Azok eine triumphierende Faust in die Luft warf, rieb sich Chan einen, dem Anschein nach tauben Arm, auf seinem Gesicht spiegelte sich jedoch Azoks Grinsen.
"Es war ja klar, dass ausgerechnet mein Partner es als Erster hinbekommt", hörte sie Chans Beschwerde.
Amon, der zuvor dem Mädchen Sona und ihrem Übungspartner Anweisungen erteilt hatte, wandte sich zu den beiden um, doch er stand zu weit entfernt, als das Korra seine Worte vernommen hätte. Seit der Ansprache, hatte der Equalist sich zum größten Teil im Hintergrund gehalten, während er die Fortschritte seiner Rekruten beobachtete.
Es fiel beinahe leicht seine Präsenz während des Trainings auszublenden, auch wenn das Korra nie so richtig gelingen wollte. Immer wieder flackerte ihr Blick zu der weißen Maske und jedes Mal brach der Anblick aufs Neue ihre Konzentration.
Sie war jedoch entschlossen das Chi-Blocken zu lernen. Das Gefühl der völligen Hilflosigkeit im Kampf war etwas, dass sie nie wieder erleben wollte. Wenn sie ihr Dasein schon als Nichtbändiger fristen musste, dann wenigstens als ein Brauchbarer.
Unerwartet spürte sie einen Stich. Es wurmte sie mehr als sie zugeben würde, dass Azok vor ihr den Dreh herausbekommen hatte.
Mit frischem Ehrgeiz wandte sie sich erneut Benjiro zu und kniff konzentriert die Augen zu einem schmalen Spalt zusammen und leckte sich über die Lippen.
Das kann doch nicht unmöglich sein.
Sie holte aus und-
"Autsch", stieß Benjiro zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
Korras Augen weiteten sich, sie hatte stärker zugeschlagen als beabsichtigt.
"Tut mir leid, ehrlich …"
Doch Benjiro antwortete ihr nicht. Stattdessen hob er ungläubig seinen Arm in die Höhe. So schlaff, als gehörte sie zu einer Marionette, baumelte seine Hand an seinem Handgelenk.
"Du hast es geschafft!"
Ein breites Lächeln breitete sich auf Korras Gesicht aus.
"Nicht schlecht."
Diese Stimme.
Beinahe hätte sie einen Satz in die Luft gemacht, so sehr erschrak sie. Sie hatte ihn nicht kommen hören. Gezwungen langsam drehte sie sich um und blickte auf in die lächelnde weiße Maske, die auf sie herabblickte.
"Es scheint mir, wir sollten die Gruppen ein wenig ändern."
Er bedeutete mit einer Handbewegung Azok und Chan herüberzukommen.
"Konna, du wirst mit Azok weiter üben."
Es waren die ersten Worte seit der Ansprache, die er an Korra adressierte.
Wie geheißen trat Korra Azok gegenüber. Für einen Moment musterten sie sich gegenseitig. Seine Arme waren breiter gebaut als Benjiros und Korra vermutete, dass es ein paar Versuche dauern könnte, bis sie erneut den gleichen Chi-Punkt treffen würde. Sie und Azok hatten schon des Öfteren im Keller gegeneinander angetreten. Da sie sich beide ziemlich ebenbürtig waren, zog Tomo es meistens vor sie in eine Gruppe zu stecken. An solchen Abenden trug sie stets die meisten blauen Flecken mit nach Hause.
"Du zuerst?"
Korra zuckte mit den Schultern.
Warum auch nicht.
Es war ermüdend, wirklich. Nach kurzer Zeit hatten sowohl sie als auch Azok Fortschritte gemacht. Abwechselnd hatten sie sich unzählige Male das Chi geblockt. Hin und wieder mussten sie einige Minuten warten, bis das Gefühl erneut in die malträtierten Gliedmaßen zurückströmte. Als sie den Punkt erreichten, an dem fast jeder gezielte Hieb sein Ziel fand, war Amon erneut erschienen und hatte ihnen die Aufgabe erteilt den Attacken von nun an auszuweichen.
Ein sich bewegendes Ziel zu treffen schien anfangs beinahe unmöglich.
Die Sonne kroch allmählich über den Himmel und als sie zur Mittagszeit eine kurze Pause einlegten, stand vor Anstrengung der Schweiß auf ihrer Stirn.
Den restlichen Rekruten erging es nicht besser. Chan runzelte die Stirn, während er seinen linken Arm hielt und Benjiro massierte sich mit zusammengepressten Lippen sein Handgelenk.
Das Essen war eine schweigende Angelegenheit, da sich keiner in Amons Gegenwart traute über seine Leiden zu klagen.
Sie übten den gesamten darauffolgenden Nachmittag bis hinein in den Abend.
Als die Sonne unterging und die Nacht hereinbrach, erklärte Amon schließlich den Tag für beendet und lobte die Gruppe kurz für ihre Fortschritte, bevor er in den oberen Stock des Hauses verschwand.
Trotz der allgemeinen Erschöpfung saßen sie daraufhin noch eine Weile am Lagerfeuer und aßen ausgehungert von den Rationen die sie im Transporter, der nun wieder am Waldrand geparkt war, gefunden hatten.
Chan versuchte erneut sein Radio einzustellen. Alle paar Sekunden erklang ein Fetzen Jazz Musik, bevor das Radio wieder auf Statik wechselte.
Müde schleppte sich Korra in das Haus und lies sich bäuchlings auf ihre Matte plumpsen. Sie hatte noch nicht einmal ihre Stiefel ausgezogen, als sie augenblicklich einschlief.
Der nächste Tag begann genauso früh wie der Vorherige, mit dem Unterschied das ihr Arm sich mittlerweile anfühlte, als würde er bald abfallen. Nach einem kurzen Frühstück, das aus einem Brotstück und einer kalten Suppe bestand, trainierten sie weiter. Die gleiche Übung. Stundenlang.
Nach dem Mittagessen spürte Korra, wie ihre Laune allmählich kippte. Sie und Azok hatten die Übung bereits vor Stunden gemeistert und sie war sich sicher, dass sie die drei verdammten Chi-Punkte selbst mit geschlossenen Augen treffen könnte. Amon zeigte jedoch keinerlei Anstalten ihnen eine neue Aufgabe zuzuteilen. Ab und zu verschwand er für einige Zeit, bevor er zurückkehrte, um sie aus der Ferne zu beobachten.
Also trainierte sie weiter und weiter und weiter ...
Bis am späten Nachmittag schließlich Korras Geduldfaden riss. Sie wischte sich unwirsch den Schweiß von der Stirn, während sie darauf wartete, dass das Taubheitsgefühl aus ihrem Arm verschwand. Drei identische purpurne Flecken zierten diesen und pochten schmerzhaft bei jeder Berührung.
"Ich glaube, wir haben es verstanden", knurrte sie laut und frustriert.
"Ich glaube, wir sind bereit für die nächste Übung!"
Die restlichen Rekruten blickten überrascht bei ihrem Tonfall auf, bevor sie ihre Aufmerksamkeit auf Amon richteten, um seine Reaktion zu erhaschen.
Statt sie für ihren Tonfall zurecht zu weisen, wie Korra es erwartet hatte, überraschte er sie mit einem zustimmenden kleinen Nicken. Die weiße, lächelnde Maske gab nichts von seinen Gedanken preis, aber sie hätte schwören können, dass er bereits auf ihren Einwand gewartet hatte.
"Wie du willst", der dunkle Ton seiner Stimme verfehlte nicht ein Schaudern über ihren Rücken zu jagen und Korra blickte dem Equalisten nach, der sich umgewandt hatte, um zur Kellerluke zu schreiten.
Angespannt warteten die Rekruten auf seine Rückkehr.
Und als er schließlich zurückkehrte, war er nicht alleine.
Es schien, als hätte Korra endlich eine Antwort darauf bekommen, was in der metallenen Kiste versteckt gewesen war.
Korra konnte nur mit Mühe den Horror von ihrem Gesicht verbannen. Der Mann, der neben Amon vor die Rekruten geführt wurde, trug schwere Handschellen. Die überwiegend blau gefärbten Stoffe seiner Kleider ließen auf eine Wasserstammherkunft schließen. Obwohl er einigermaßen gepflegt aussah und sein Gesicht dem Anschein nach frei von Zeichen einer Misshandlung, besaß seine Haut eine unnatürliche Blässe, die auf eine wochenlange - wenn nicht sogar monatelange - Gefangenschaft hindeutete. Sein spitzes Gesicht war zum Boden geneigt während er neben Amon herstolperte. Neben den sicheren und zielstrebigen Schritten des Equalisten wirkte der Gefangene mit seinen hängenden Schultern geradezu armselig schwach, geradeso als könne die nächste Windböe in mit sich reißen.
Mit wachsendem Unbehagen verfolgte Korra die Szene. Sie wusste noch nicht genau, was Amon vorhatte, aber sie hatte da so eine gewisse Vorahnung...
"Dieser Mann war bis vor kurzem Mitglied der Roten Monsun Triade."
Amons Stimme war das emotionslose Ebenbild seiner Maske. Es schien, er bräuchte die Situation nicht zu erklären, denn seine Worte hatten einen augenblicklichen Effekt auf die Rekruten.
Chan zog durch zusammengebissene Zähne scharf die Luft ein, Azoks Hände ballten sich an seinen Seiten zu Fäusten und Sona, das einzige Mädchen neben Korra erblasste besorgniserregend. Die Roten Monsun Triade war eine der gefürchtetsten der ganzen Stadt.
"Er ist ein Wasserbändiger, der jahrelang die Straßen Republicas terrorisierte, bis die Equalisten ihn unschädlich machen konnten. Unter normalen Umständen hätte ich seine Kräfte bereits vor Wochen genommen ... in diesem Fall ist er uns allerdings in seinem jetzigen Zustand nützlicher. Sein Bändigen dient nun einer weitaus besseren Sache."
Mit diesen Worten wandte Amon sich um und stapfte mit dem gefangenen Mann im Schlepptau in Richtung des Waldes los. Es brauchte keine Worte der Ermutigung, dass ihm die Rekruten wie gebannt folgten. Einzig und allein Korra war auf der Stelle festgefroren. Sie öffnete und schloss den Mund in stillem Protest. Während sie der Gruppe hinterher blickte, erkannte sie mit erschreckender Klarheit das niemand einschreiten würde. Widerwillig eilte sie den anderen hinterher.
Das Trommeln der Schritte auf dem feuchten Waldboden dröhnte laut in Korras Ohren und das Zwitschern der Vögel hörte sich nicht länger harmonisch an, sondern klang hohl und schrill und jagte ein Schauer über ihren Rücken.
Einige Hundert Meter entfernt lichtete sich der Wald erneut und die Prozession endete am Ufer eines Bergsees.
Das Gewässer, welches sich vor Korras Augen erstreckte, war ruhig und still, ein schwarzer Spiegel der umliegenden Gebirgskette. Hier und da sorgte ein sanfter Windstoß für leise Wellen im Wasser und das Abbild kräuselte sich.
Es wäre ein friedlicher Anblick, wenn Amon nicht neben dem gefangenen Wasserbändiger am kiesbedeckten Ufer gestanden hätte.
"Keine Lektion ist so erfolgsversprechend wie die Übung an einem echten Bändiger. Erinnert euch an das, was ihr gelernt habt und ihr werdet sehen, es wird euch nicht schwerfallen diesen Wasserbändiger zu besiegen. Ihr braucht keine Angst zu haben, denn ich werde einschreiten im Fall, dass etwas schieflaufen sollte."
Amons Maske lächelte diabolisch in die Runde.
"Haben wir einen Freiwilligen?"
Als Korra noch im südlichen Wasserstamm an ihrem Bändigen gefeilt hatte, wäre sie nie jemals vor einer Herausforderung im Kampf zurückgewichen, doch diese Situation war anders. Ihr Verlangen Chi-Bocken zu lernen verblasste im Angesicht ihres Mitgefühls für den gefangenen Bändiger. Er war ein gefürchtetes Bandemitglied, schön und gut, aber ...
Ich möchte bei dieser Schikane nicht mitmachen.
Es wäre eine Sache gegen einen ebenbürtigen Gegner im fairen Kampf anzutreten und eine ganz andere diesen offensichtlich gebrochenen Mann zu schlagen.
"Ich mache es."
Kies knirschte unter Azoks Stiefeln, als dieser vortrat um sich dem ehemaligen Bandenmitglied zu stellen.
Amon nickte anerkennend.
"Sobald ich die Handschellen entferne, zielst du auf die Arme."
Azok nickte und kreiste einmal mit einem Knacken eine Schulter, bevor er seine Ausgangsposition einnahm. Mit einem Klicken fielen die Handschellen auf das kiesbedeckte Ufer.
Im selben Augenblick beschwor der Wasserbändiger eine Peitsche aus dem See und lies sie auf den Rekruten zuschnellen.
"Equalistendreck!", krächzte er dem Rekruten aus heiserer Stimme entgegen.
Es war allerdings ein unbeholfener Versuch, denn das Element schien dem Mann nicht so recht zu gehorchen, ob es an mangelndem Talent oder fehlender Übung lag, vermochte Korra nicht zu sagen. Mit Leichtigkeit manövrierte Azok sich jedoch um die heranschnellende Attacke und überbrückte die Distanz zu seinem Gegner mit einem geschickten Satz.
Korra hob dem Blick von der Szene vor sich zum Himmel und blinzelte gegen die Sonne. Sie hatte nicht das geringste Verlangen den ungleichen Kampf, der sich am Ufer austrug zu beobachten.
Es dauerte nicht lange, da war das Spektakel bereits vorbei.
Der Wasserbändiger kniete stöhnend auf dem Kies und hob sich einen Arm, der allem Anschein nach nun vorübergehend gelähmt war. Korra senkte betreten den Blick und als sie hörte, wie Amon Azok lobte biss sie die Zähne so fest zusammen bis sie knirschten.
"Konna."
Ihr Kopf schoss in die Höhe.
Sie war es noch immer nicht gewohnt von Amon so direkt adressiert zu werden. Die weiße Maske war ihr zugewandt und der Equalist hatte die Arme hinter seinem Rücken verschränkt.
"Du bist an der Reihe."
Ungläubig flackerte ihr Blick von dem Equalisten zu dem auf dem Boden knienden Mann und wieder zurück.
"Aber ..."
... er ist bereits besiegt.
Es wäre unehrenhaft gegen ihn anzutreten. Es verstieß gegen den unausgesprochenen Kodex des Kämpfens.
Die Worte des Protests starben jedoch auf ihrer Zunge, als sie Amons Blick hielt. Es lag eine stille Herausforderung darin und sie wusste, dass sie keine Wahl hatte. Wenn sie dieses Spiel mitspielen wollte, musste sie sich an seine Regeln halten.
Also trat sie vor und hob ihre Arme in eine defensive Stellung. Die restlichen Rekruten nahmen mehrere Schritte zurück, um ihr Platz zu schaffen. Unglücklich beobachtete Korra den Wasserbändiger, der sich vom Boden aufstemmte und sie nun aus unbewegten Augen fixierte.
Sie nahm einen Schritt nach vorne und der Mann wich einen Schritt zurück.
Korra musste sich auf die Lippe beißen, als sie erneute Skrupel aufkommen spürte. Wie von selbst sanken ihre Arme wieder ein Stück herab.
Sie fühlte sich elend.
Etwas flackerte in den kleinen, blauen Augen ihres Kontrahenten auf, er schien ihre Schwäche zu spüren und es war dieser Moment, in dem Korra klar wurde, dass sie einen Fehler begangen hatte.
Ob aus Trotz oder Verzweiflung angespornt wusste sie nicht, aber selbst mit nur einem Arm zum Bändigen gelang es dem ehemaligen Bandenmitglied eine Peitsche aus Wasser zu formen, die wie eine Schlange aus dem See schoss und sich um Korras Knöchel wickelte, so schnell, dass sie nicht einmal blinzeln konnte, bevor ihr der Boden unter den Füßen weggezogen wurde.
Mit einem lauten Platsch landete sie auf allen Vieren zwischen Schilfkolben und schwimmendem Laichkraut im seichten Wasser des Sees.
Zitternd zog sie durch klappernde Zähne scharf die Luft ein. Der See war kalt.
Verdrossen blickte Korra hinab auf ihre durchnässten Kleider und spürte, wie sich ihre Sympathie für den gefangenen Wasserbändiger ein Stück weit dämpfte. Sie ignorierte das Kichern, das vom Ufer herüberwehte, und wendete nun ihre volle Aufmerksamkeit dem Bändiger zu. Sie würde ihn nicht ein zweites Mal unterschätzen.
Mit frisch gewonnenem Selbstvertrauen trat dieser ebenfalls ins Wasser und der Kampf brach erneut los.
Diesmal erwartete sie seine Attacke bereits und duckte sich geschickt darunter hinweg. Sie überbrückte die Distanz zwischen ihnen und als sie sah, wie sein Arm in eine ihr vertraute Form des Wasserbändigens glitt, blockte sie ihn ab bevor er überhaupt in der Lage war diese zu Ende zu führen.
Es war offensichtlich, dass sie dem Mann an Schnelligkeit voraus war und er schien dies ebenfalls zu spüren. Mit einer letzten verzweifelten Attacke versuchte er sie aufzuhalten, doch es war vergebens. Kurz und schmerzlos riss sie seinen Arm in eine geeignete Position und zielte mit ihrer anderen Hand gegen die drei Chi-Punkte.
Der Wasserbändiger stolperte ein paar Schritte zurück und fluchte, die Peitsche, die er im Begriff gewesen war zu bändigen, erstarrte mitten in der Luft und das Wasser ergoss sich wieder harmlos in den See.
Mit einem Anflug von Triumph wandte Korra ihre Aufmerksamkeit von dem Bändiger ab um einen Blick Richtung Ufer zu werfen.
Es war ihr zweiter Fehler.
Als sie sich wieder zu dem Wasserbändiger umwandte und dessen listiges Grinsen sah, das sein Gesicht verdüsterte, wusste sie bereits, dass es zu spät war.
Ihr Mund formte gerade noch ein überraschtes 'Oh'.
Anscheinend hatte sie die Chi-Pfade nicht so durchbrochen, wie sie es geglaubt hatte. Mit dem eben "betäubten" Arm beherrschte der Bändiger eine Welle die von hinten gegen Korra brach, und sie dann mit sich in einen tieferen Teil des Sees spülte. Sie hatte nicht einmal die Zeit sich über seinen billigen Trick aufzuregen, da sprühte bereits eine Fontäne auf ihren Kopf und drückte sie unter die Wasseroberfläche.
Korra versuchte gegen den Strudel anzukämpfen, der sie in die Tiefe riss, doch der Druck lies erst nach, als ihre Stiefel schließlich schlammigen Grund fanden. Mit ganzer Kraft stieß sie sich mit ausgestreckten Armen vom Boden des Sees ab, den Blick auf den blauen Himmel gerichtet, der sich über ihr auf der anderen Seite der Oberfläche erstreckte.
Gleich würde sie das Wasser durchbrechen, sie war nur noch Zentimeter von der Wasseroberfläche entfernt, da stießen ihre Fingerkuppen plötzlich hart gegen eine unerwartete Barriere.
Verwirrt beobachtete Korra, was sich vor ihren Augen abspielte. Es sah aus wie ein feines, glitzerndes Spinnennetz, das sich über ihr bildete und mit wachsender Geschwindigkeit ausbreitete.
Erneut hob sie ihre Hand, um es anzufassen. Was auch immer es war, das sie von der Oberfläche abschnitt, war glatt und kalt - eiskalt.
Wie Schuppen fiel es Korra von den Augen und sie erkannte mit Entsetzen, was sie da anblickte.
Eine Eisschicht.
Der Wasserbändiger hatte den See zugefroren.
Sie war gefangen im Eis.
Die Zeit schien stillzustehen.
Wie auf einen Schlag schien sich eine Tür in ihrem Geist zu öffnen, von der sie geglaubt hatte, sie hätte den Schlüssel tief genug vergraben.
Rohe, ungezähmte Panik fegte mit der Macht eines Ozeans über sie hinweg und betäubte jeden anderen Gedanken in ihrem Kopf.
Folge uns bitte Korra.
Mit rasendem Herzschlag versuchte sie auszumachen, wo oben und unten war. Der blaue Nachmittagshimmel war plötzlich verschwunden. Obwohl ihre Augen weit aufgerissen waren, sah sie nur eine tiefe Schwärze vor sich und den Vollmond, silbern über der Yue Bucht.
Wir tun, was getan werden muss, Korra.
Ein Zittern ging durch ihren Körper, dass nichts mit der Kälte zu tun hatte.
Sie konnte ihren Atem nicht länger anhalten und der rationale Teil ihres Verstandes verabschiedete sich. Von purem Instinkt geleitet öffnete sie ihren Mund wie um einen tiefen Atemzug zu nehmen.
Ungehindert strömte das Wasser in ihre Lunge und Korra musste würgen. Es fühlte sich an, als hätte sie brennendes Öl geschluckt.
Ihre Kehle stand in Flammen.
Jetzt konnte sie auch den Mond nicht mehr sehen. Da war nur noch eine tiefe Schwärze, die sich wie ein dichter Nebel um ihren Geist legte, während sie in die Tiefe des Sees -oder war es ein Meer?- hinabsank.
Kurz bevor sie das Bewusstsein verlor, dachte sie an ihren Vater, der sie dieses Mal nicht aus dem Wasser ziehen konnte und an ihre Mutter, die liebevolle und gutmütige Senna, und wie sie wohl auf den Verlust ihres einzigen Kindes reagieren würde.
Agni, sie vermisste ihre Eltern.
