Grosse Jäger, grosse Sorgen, kleine Jäger...noch mehr Sorgen
Gegen die Zeit
7?
Sofort erkannte dieser, das der Kleine viel zu heiß war. "Gabe? Kleiner? Du wirst doch
nicht..."
"Hmm...Mama...", nuschelte der Junge und schnaufte schwerfällig.
Carl legte ihn ins Bett und seufzte dann, bevor er zur Signora ging und sie darüber
informierte.
Aber sie schaffte es nicht einmal die Treppe hoch, als Gabriel ihr schon entgegen gewankt
kam. "..ist doch Abendessenszeit, nicht?", wollte er unsicher wissen.
"Ach Engelchen..", seufzte sie und hob ihn auf den Arm. "Du siehst ganz blass aus, wie fühlst
du dich?"
"Müde...muss ich was essen? Hab keinen Hunger..."
"Wie wär's mit einer Suppe, sonst wirst du mir noch zu schwach. Und am besten gehst du
zurück ins Bett, du hast Fieber."
"Hmm? Mag keine Suppe..."
"Ach Engelchen, aber du musst etwas essen."
Van Helsing vergrub nur das Gesicht in Marias Halsbeuge.
"Na komm, leg dich erst einmal wieder hin. Soll Carl zu dir kommen?"
"Hat doch sicher Hunger...der muss immer essen..."
"Nein, er hat bis jetzt nichts angerührt, braut dir irgendein Mittelchen zusammen."
Gabriel schnaufte und nickte nur leicht, während er sich weiter an seiner Mutter festhielt.
"Na komm, erst mal hinlegen."
"Schlafen", plädierte Gabriel und begann leise durch den Mund zu atmen.
Maria trug ihn in sein Zimmer und legte ihn vorsichtig aufs Bett, dann legte sie einen kühlen
Lappen auf seine Stirn.
Der gefiel ihm aber nicht und rutschte auch schnell wieder hinunter.
"Engel, du musst das lassen... sonst steigt dein Fieber."
"Was? Fieber? Wieso...?"
"Na fühl doch mal deine Stirn, du bist glühend heiß."
"Ist doch auch heiss...", quengelte Gabriel und strampelte die Decke weg.
"Ach Schatz, du musst die Decke da lassen."
"Neiiiin...", jammerte der Kleine und warf sich so hin, dass er die Decke zwischen die Beine
geklemmt hatte.
"Gabriel!", kam nun Carls Stimme von der Tür.
Der Kleine flatterte nur mit den Augenlidern.
Schon war der Ältere bei ihm. "Ach Kleiner, was machst du nur für Sachen."
"Hab nichts gemacht", wimmerte Gabriel.
"Du bist krank, und das ist leider gar nicht gut..."
"...tschuldigung...", hustete der Kleine.
"Komm, trink das, das wird hoffentlich helfen."
Mühsam setzte der Kleine sich wieder auf, hatte aber Mühe, wegen dem zu langen
Hemdärmel.
Carl half ihm und reichte ihm dann den Becher.
"Brrr...eklig", kommentierte der Zwerg nach dem ersten Schlückchen.
"Medizin muss widerlich schmecken."
Doch so eklig? Van Helsing hatte Mühe auch nur die Hälfte runter zu bekommen, bevor er zu
würgen begann.
Da nahm Carl ihm den Becher wieder weg. "Hey, ganz ruhig."
Hecktisch schnappte Gabriel nach Luft und kleine Tränen stiegen dem kranken Kind in die
Augen.
"Shht, du solltest etwas schlafen, das tut dir gut."
Gabriel hielt Carls Hand mit beiden Händen umschlossen, als er sich hinlegte.
"Ach Kleiner, soll ich bei dir bleiben?"
"Hmm...", gab Gabriel nur noch von sich, auch wenn sein Griff schwächer wurde.
Carl legte sich neben ihn, hielt aber Abstand, damit Gabriels Fieber nicht noch weiter stieg.
Santos hatte derweilen nach einem Kinderarzt rufen lassen und versuchte nun Maria zu
beruhigen.
Diese jedoch wollte nicht ruhig werden, ihre Sorgen waren viel zu groß. "Wieso muss man
mir ein Kind schenken und es dann krank werden lassen? Was wenn...wenn er..."
"Nicht Maria...Kinder werden nun mal krank...wir müssen nun nur gut zu ihm sehen, dann
wird es ihm bald wieder gut gehen."
"Er darf nicht von uns gehen, nicht jetzt..."
"Schhht...komm jetzt erst mal wieder hoch zu ihm und dann kühlen wir ihn etwas ab, dann
geht es ihm sicher schon besser, bis der Dotore kommt."
Maria nickte und nahm die Hand ihres Mannes.
Der lächelte sie aufmunternd an und trat mit ihr ins Kinderzimmer.
Dort lag Carl und wachte über den unruhigen Schlaf des kleinen Jungen.
"Wie geht es ihm?", wollte Santos wissen, während er seine Frau los ließ, damit sie zu ihrem
Kind konnte.
"Nicht gut, das Fieber steigt immer weiter."
Er konnte einem leid tun. Ganz gekrümmt lag Gabriel in seinem Bett und auch Carls
streichelnde Hände brachten kaum Linderung.
"Wo bleibt der Arzt?", fragte Maria Nervös und ging zum Fenster.
Die Kutsche des Dotore war in einiger Entfernung bereits auszumachen.
"Wieso beeilt er sich nicht?"
"Schhhht...", versuchte Santos sie zu beruhigend und reichte zeitgleich Carl einen neuen
Lappen.
Diese tupfte sanft über Gabriels Stirn und legte ihn dann darauf.
Inzwischen wehrte sich dieser nicht einmal mehr gegen die Fürsorge.
Und Carl fühlte sich furchtbar.
Langsam wurde auch Santos ungehalten über die Verzögerung der Ankunft des Arztes und er musste sich zusammenreissen, als dieser endlich im Zimmer erschien. "Wurde auch langsam Zeit...", murrte er nur.
Der Arzt jedoch ignorierte das und ging sofort zum Bett. "Ich möchte, das alle das Zimmer
verlassen."
Santos versuchte Maria zu erhaschen und sah Carl auffordernd an.
Dieser jedoch schüttelte den Kopf. "Ich will nicht gehen."
"Komm bitte...mach den Dotore seine Arbeit machen..."
Carl stand nur widerwillig auf. "Aber..."
Santos fasste ihn sanft um den Oberarm und zog ihn mit sich.
Schließlich blieb de Arzt mit dem Kind allein und behandelte es.
Doch Gabriel spürte die fremde Präsenz und versuchte sich dagegen zu wehren.
Der Arzt aber wusste was er tat und ließ sich darauf gar nicht ein.
Gabriel konnte quengeln wie er wollte, er verpuffte lediglich das was ihm noch an Kraft geblieben war.
Und schließlich war der Arzt fertig und Gabe schlief ruhig.
Kaum das der Dotore draussen war, blickten ihn drei Menschen erwartungsvoll und besorgt
an.
"Es sieht schlimm aus, aber er wird wieder gesund...hoffe ich."
"Wie...schlimm? Sie hoffen...?"
"Es ist eine Lungenentzündung... er braucht Ruhe, frische Luft und Antibiotika."
"Oh...", machte Santos nur und hielt Maria stützend fest,
Diese war wirklich kurz davor zusammenzubrechen.
Endlich durften die besorgten Eltern und Carl wieder van Helsing, der erstaunlich ruhig in
dem viel zu grossen Bett schlief.
Carl setzte sich sofort wieder an seine Seite und nahm die blasse, heiße Hand des Jungen.
Es war wahrlich schwer zu sagen, wer von den Anwesenden sich die meisten Sorgen machte.
Nur van Helsing selbst, bekam von alle dem nichts mit.
Und so ging es die ganze Nacht hindurch, während die Eltern ab und an einschliefen, wachte
Carl die ganze Nacht an seiner Seite.
Irgendwann fiel Carl mit Schrecken auf, dass Gabriels Pyjama scheinbar zu gross wurde.
Und sofort kontrollierte er die Maße. Mit Schrecken wurde ihm klar, was vor sich ging.
Gabriels kleine Hand griff an seiner nach, um ihn fest zu halten.
"Gabe... verdammt, das kann nicht sein..."
"Maaa...", gab der Kleine von sich.
"Gabe... verstehst du mich noch?"
"Carl?" Mühsam öffnete Gabriel die Augen.
"Hey Kleiner...", murmelte dieser und streichelte die nassgeschwitzte Hand. "Du musst gesund werden, hörst du?"
"Hmm...mach ich...ver...sprochen..."
"Ja, aber du musst dich beeilen, du hast nicht viel Zeit Kleiner..."
"Z-zeit...?"
"Ja, du wirst jünger... merkst du es nicht? Du musst gesund werden, sonst..."
Gabriel keuchte auf und hustete, um dann wieder völlig ermattet in die Kissen zu sinken.
Carl gab ihm etwas zu trinken und seufzte leise. "Verdammt, ich werd irgendwas suchen,
etwas das es aufhält."
Als Carl wenig später aus dem Zimmer stürmte, sahen ihn Santos und Maria di Samira
erschrocken an.
"Er wird wieder jünger... ich...ich muss es aufhalten, irgendwie..."
"Was?" Santos sah Carl entsetzt an. "Aber wenn er..."
"Genau, bleibt ihr bei ihm, ich muss etwas besorgen."
Ein leiser Schrei und ein Schluchzen aus Gabriels Zimmer ließ die Erwachsenen herumfahren.
Sofort eilten sie hinein und zum bett des Kindes.
Gabriel sass panisch atmend im Bett und blickte scheinbar auf einen unsichtbaren Punkt im
Zimmer. Im Fiebertraum hatten sich dunkel gekleidete Figuren über ihn her gemacht und in
Angst und Schrecken versetzt.
Maria eilte zu ihm und zog ihn in die Arme. "Schatz? Alles gut, wir sind bei dir."
"Da...da...das sind Männer...", japste Gabriel. "Die wollen mich...wollen...euch..."
"Shhhht, es ist niemand hier, nur Papa und ich."
"Aber...aber...hab sie gesehen...", schluchzte der Kleine nur noch und dann flossen die
Tränen endgültig.
"Shhht.." Maria schaukelte ihn leicht hin und her. "Niemand wird dir etwas tun, nie wieder, du bist jetzt bei uns und bei Carl, wir passen auf dich auf."
Durch die Tränen verschluckte Gabriel sich immer häufiger und hustete und keuchte, dass es
nicht mehr schön war.
Maria blickte ängstlich zu ihren Mann und verzweifelte fast.
Der sah auch unsicher zu ihr hoch, rief dann aber nach einem Diener, der die Medikamente
bringen sollte, die ihnen der Dotore da gelassen hatte.
"Engelchen, die musst du nun nehmen...," sagte Maria zu Gabriel, als sie die Medizin
bekommen hatte.
Nur mühsam bekam Gabriel die Beruhigungstropfen herunter, welche ihm auch beim Atmen
helfen sollte, schliesslich lag er klatschnass vom Schwitzen in Marias Armen und atmete nur
noch leicht.
Dieser schaukelte ihn noch immer vorsichtig und betete still vor sich her.
Die Zeit verstrich unaufhaltsam. Carl war verschwunden und Gabriels Zustand blieb konstant,
wenn auch nicht besonders gut. Und Carl hatte recht gehabt: van Helsings Körper wurde
wieder jünger.
Maria hielt ihn die ganze Zeit über apathisch im Arm und betet leise, sie konnte es nicht ertragen, den Jungen, den sie gerade erst gewonnen hatte so leiden zu sehen.
Santos stand ihr bei so gut es ging und brachte immer wieder frisches Wasser für neue
Wickel, um das Fieber zu senken, denn je mehr es stieg, um so schneller wurde Gabriel
jünger.
Maria handelte nur noch rein mechanisch, konnte sich nicht mehr auf das Kind in ihren
Armen, das inzwischen nur noch ungefähr 6 Jahre alt war.
Dort herrschte endlich erst einmal ein Stillstand und erlaubte den erschöpften Eltern auch sich einen Moment hinzulegen.
Doch Maria konnte kein Auge zu tun, die Sorgen hielte sie wach und innerlich brodelte sie, als sie daran dachte, das Carl sie damit allein gelassen hatte.
"Liebling, komm und schlaf etwas...", versuchte Santos sie vom Kindbett weg zu bekommen.
"Ich kann auch eine Weile auf ihn acht geben."
"Nein, nein ich...ich muss bei ihm bleiben, sieh ihn dir doch an, er ist so klein...so jung."
"Aber du kannst ihm auch nicht helfen, wenn du irgendwann umfällst...keine Sorge,
Liebes...ich lass nicht zu, dass uns irgendwer oder irgendwas unseren Sohn wegnimmt."
"Aber...aber..." Maria hatte keine Kraft mehr zu wiedersprechen und seufzte leise.
Santos lächelte schwach und rutschte an ihrer statt aufs Bett und nahm Gabriel in den Arm,
der kaum noch grösser war, als sein Arm.
Maria legte sich etwas hin, fand aber keinen Schlaf und so verging die Nacht recht langsam.
Am Morgen dann war Gabriel kaum mehr als vier Jahre alt und lag gar nicht mehr im Bett,
sondern nur noch in den Armen seines Vaters.
Maria saß daneben und hielt die Hand des Kleinkindes. Immer noch war keine Nachricht von Carl gekommen und langsam wurde die Zeit knapp.
Die Wickel brachten kaum noch etwas, doch schliesslich erreichte Gabriel die Phase mit so hohem Fieber, dass er sogar wieder bei klarem Verstand war und aufschreckte.
Sofort saß Maria bei ihm und lächelte ihn an. "Engel?", fragte sie leise.
"Mama...mir ist heiss...", meinte Gabriel leise. "Trinken...?"
Maria reichte ihm einen Becher und während ihr Mann den Kleinen hoch hielt, half sie ihm
beim Trinken.
Gabriel blickte die beiden unsicher an, griff aber selber nach dem Becher und hielt ihn
zusätzlich fest.
Maria lächelte leicht, aber als sie die Hand auf Gabriels Stirn legte seufzte sie. "Es steigt
immer mehr."
"Was?" Gabriel blickte hoch zu ihrer Hand und zog sie dann etwas runter, um damit zu
schmusen.
"Wie fühlst du dich Herzchen?"
"Heiss...", gab Gabriel leise an.
"Das wird bald besser, ganz sicher."
"Gut...hab dich lieb...", schnurrte Gabriel leise und schien sich wohl zu fühlen.
"Ich hab dich auch lieb Engelchen", murmelte Maria und streichelte ihn weiter.
Gabriel schien es schon fast zu gut zu gehen für seinen Zustand und er schien grad extrem
liebesbedürftig zu sein.
Aber Maria genoss die kurze Zeit, die der Junge wieder klar denken konnte.
Schliesslich wollte er auch noch seinen Vater bei sich haben, hatte aber schon wieder Mühe
die Äuglein offen zu halten.
"Müde mein Engel? Schlaf doch etwas, du musst ganz schnell gesund werden."
"Darf ich dann wieder schwimmen gehen?"
"Ja, das darfst du, solang du willst, zusammen mit deinem Papa oder mit mir oder Carl."
Gabriel wollte emsig nicken, schaffte aber nur zwei mal, ehe sein Köpfchen zur Seite rollte.
"Gabriel?", fragte Maria sofort besorgt und sah ihn an.
Der Kleine schien wieder zu schlafen und hatte eine von Marias losen Haarlocken erwischt,
die er nun festhielt.
Diese seufzte nun erneut. "Wo bleibt Carl nur, er lässt uns im Stich."
"Das glaub ich nicht", meinte Santos sanft und strich Gabriel ein paar Haarsträhnchen aus der
Stirn. "Er liebt den Kleinen doch genauso."
"Aber wo bleibt er dann?"
"Das weiss ich nicht, Liebes...leg ihn besser wieder hin", meinte Santos schliesslich mit
einem liebevollen Blick auf Gabriel.
Sofort legte Maria ihn hin und deckte ihn liebevoll zu.
Von nun an wachte der Kleine gar nicht mehr auf und Medikamente konnte man ihm nicht mehr einflössen. Es schien beinahe, als würde sein Körper eher schlapp machen, als dass er jünger wurde und inzwischen war er nunmehr knapp drei.
Und noch immer keine Ahnung wo Carl war. Maria konnte inzwischen nicht mehr stillsitzen und lief im Zimmer auf und ab.
Das Ticken der Uhr war überlaut zu hören und auch Santos stand draussen auf dem Balkon
um zu sehen, wo Carl blieb.
Die nächsten Stunden vergingen Alptraumhaft langsam und Maria schien es nicht mehr auszuhalten.
