Grosse Jäger, grosse Sorgen, kleine Jäger...noch mehr Sorgen
In letzter Sekunde
Teil 8
Die Sonne sank bereits, als endlich am Horizont ein Reiter auftauchte, der in höllischem Tempo auf die Villa zu hielt. Sofort rief Santos nach seiner Frau.
Maria kam angestürmt und blickte hinaus, all ihre Hoffnung war nun darauf gerichtete, das
dieser Reiter Carl war, der endlich ein Mittel gefunden hatte.
"Er ist es...", flüsterte Santos und rief nach unten zu den Bediensteten, sie sollen sofort die
Tore öffnen, damit Carl durchkam.
Dieser stürmte kaum das er angekommen war sofort nach oben und in das Zimmer des Junge.
Ohne auch nur einen Blick auf Maria und Santos zu werfen eilte er zu Gabriel und gab ihm eine Injektion.
Besorgt und doch auch hoffnungsvoll waren ihm die Eltern gefolgt und warteten nun ab, was
passieren würde.
Carl seufzte leise und setzte sich auf den Boden neben dem Bett. "Es wirkt, es muss wirken...
jetzt können wir nur noch abwarten."
Noch rührte sich das Kleinkind nicht, sondern schlief immer noch unruhig und schien zu träumen.
Carl sah man die Anstrengung der letzten Stunden nur zu deutlich an. Er war leichenblass, im
Kontrast dazu standen die dunklen Ringe unter seinen Augen, ausserdem schien er am ganzen Körper zu zittern.
Santos legte ihm schliesslich eine Decke über die Schulter und zog ihn vom Kinderbett weg.
"Komm jetzt. Du kannst nichts mehr für ihn tun...ruh dich aus, damit du dich nachher um ihn
kümmern kannst, ja?"
"Ich, nein ich kann nicht weg... muss hier bleiben und abwarten...es muss wirken... es
MUSS..."
"Das wird es schon...selbst wenn nicht...kannst du jetzt nichts mehr dran ändern."
"Aber ich kann nicht hier weg, bitte... lass mich hier bleiben."
Schliesslich nickte Santos, ließ Carl aber erst einen Tee und dann eine stärkende Suppe
bringen.
Die dieser aber nicht einmal anrührte, er saß einfach da und beobachtete den Jungen im Bett.
Stunden vergingen, ohne das Gabriel sich mehr veränderte und schliesslich griffen
irgendwann kleine Finger nach Carls Haaren.
Sofort schreckte dieser auf und blickte hoch. "Gabe?"
Der Kleine lächelte müde und rutschte etwas zu Carl, um sich anzukuscheln.
"Oh Gott...", murmelte Carl und zog ihn in die Arme.
Etwas überrascht blinzelte Gabriel und kitzelte dabei mit seinen langen Wimpern über Carls
Hals.
Dieser strahlt nur noch und schaukelte das Kind leicht hin und her.
Gabriel verstand zwar die Welt nicht mehr, drückte sich aber fest an Carl und sah immer
wieder zu diesem hoch.
"Na mein Kleiner, wie fühlst du dich?"
"Müde...", gähnte Gabriel. "Und du?"
"Auch müde... ziemlich müde sogar."
"Schlafen?", wisperte Gabriel.
"Ich glaub wir sollten zuerst deiner Mama und deinem Papa bescheid sagen, das es dir wieder
gut geht."
Gabriel dachte nicht dran aufzustehen sondern klammerte sich an Carls Hals fest.
"Sol ich dich hintragen?"
Begeistertes nicken des kleinen Jungen.
Also stand Carl auf und trug den Jungen aus dem Zimmer zu seinen Eltern.
"Mamaaaa! Papaaaa!", trötete Gabriel schon vom Gang her, als sie sich dem Salon näherten.
Sofort eilten seine Eltern herbei und Maria hielt vor Schreck den Atem an, stürmte dann
aber los und riss Gabriel an sich.
Etwas erschrocken japste van Helsing auf, ließ sich aber knuddeln.
Carl lächelte vor sich her und beobachtete die Szene vor sich. Maria hielt Gabriel einfach fest
und gab ihm dann einen dicken Kuss.
Was den Kleinen ganz typisch für sein Alter das Gesichtchen verziehen ließ.
Sie lachte jedoch nur und gab ihn dann an ihren Mann weiter, während sie Carl
Dankbar umarmte.
Santos unterließ es zu Gabriels Freude ihn ebenfalls zu sehr zu herzen, dennoch drückte er
den Knirps an sich und strich ihm durch die weichen Haare.
Maria lächelte alle an und blickte dann zu Gabriel. "Möchtest du was essen?"
"Durst...möchte was trinken...bitte..."
Maria lachte, hob ihn auf den Arm und trug ihn in den Salon, wo sie ihm etwas zu trinken
gab.
Gabriel schien es etwas unheimlich, dass ihn jeder beobachtete und anstrahlte, während er den
irgendwie viel zu grossen Becher versuchte beim Trinken zu halten.
Carl war noch immer völlig erledigt und schlief schon fast im stehen, als Maria mit Gabriel
zurück kam.
Santos aber ließ nun nichts mehr gelten und schickte Carl schlafen.
Dieser war ganz froh darüber und schlurfte müde zu seinem Zimmer.
Gabriel blickte ihm lange nach und dann wieder zu seiner Mutter.
"Was hast du?", fragte diese leise.
"Carl...ist furchtbar müde...wegen mir?"
"Ja, er hat die ganze Nacht nach Medizin für dich gesucht..."
"War zu lang im Wasser, hmm?", machte Gabriel scheinbar verstehend.
"Ja mein Engel...was zu lange."
Sofort senkte Gabriel den Kopf und blickte zu Boden, beschämt mit einer Haarlocke Marias
spielend.
"Hey, das konntest du doch nicht wissen, aber nun solltest du etwas raus in die Sonne, das
wird dir gut tun."
"Sonne? Wie spät ist es?" Gabriel hatte jegliches Zeitgefühl verloren und versuchte
vergeblich die Ziffernblätter der grossen Wanduhr zu lesen.
"Fast Mittag... und die Sonne scheint."
"Hab ich lang geschlafen?"
"Ja, fast zwei ganze Tage."
"Oh...so lang? Und warum bin ich dann immer...immer nochmüde?", gähnte Gabriel und
kuschelte sich wieder an seine Mutter.
"Weil du solange krank warst."
"Jetzt aber nicht mehr?"
"Nein, jetzt bist du wieder gesund."
Gabriel strahlte und umarmte seine Mutter wieder, um kurz darauf leise zu ziehen.
"Möchtest du lieber schlafen anstatt nach draußen?"
"Hmmm...hmnnm...", nuschelte Gabriel nur und genoss die Wärme.
"Also was hmm... schlafen?"
Gabriel gähnte. "Nur kurz raus...Papa auch da?"
"Ja, er wartet sicher schon auf dich."
Sofort ruckte Gabriel wieder auf und rief nach seinem Vater.
Dieser erschien kurz darauf auf der Schwelle. "Ja mein Kleiner?"
"Bin gar nicht mehr müde", quäkte der Kleine aufgedreht.
"Das ist doch schön..." Santos nahm ihn auf den Arm. "Und was möchtest du jetzt tun?"
"Mama sagt Sonne tanken..."
"Das ist eine gute Idee, aber heut erst mal kein Wasser."
"Kein Wasser...", schüttelte Gabriel brav den Kopf und drängte zu seinem Vater.
"Hmm, na komm, lass uns etwas spielen gut?"
Die Müdigkeit schien nun gänzlich verflogen und Gabriel ziemlich aufgekratzt.
"Spielen...ja...was spielen wir?"
"Hmm... was du möchtest."
"Reiten?"
"Meinst du denn, du bist schon fit genug dafür?"
"Denk schon...", brabbelte Gabriel, der kaum noch Anzeichen seiner Krankheit zeigte.
"Na gut, komm lass uns reiten gehen."
"Juhuuu..." Gabriel strahlte und plapperte munter vor sich her, auch wenn es ihm weniger
gefiel, dass sein Vater ihn vorher noch richtig anzog, wo ihm doch so warm war.
Aber er wollte eben vorsorgen, nicht das dem Kleinen noch etwas passierte. Schließlich wurde ihm auch noch ein Helm aufgesetzt.
"Das ist nun unter meiner Würde, Papa...", quengelte Gabriel.
"Würde? Du bist ein Kind...", grinste Santos und bestand auf den Helm.
Und van Helsing versuchte ihn durch Quengeln und Gemecker wieder los zu werden, da er es
nicht schafft ihn selber abzunehmen.
"Der Helm bleibt auf oder wir gehen zurück ins Haus."
Gabriel zog eine entsetzliche Schnute und ließ sich bockig aufs Pferd setzen. Dann aber hoben sich seine Augenbrauen. "Hey, warum komm ich nicht runter zu den Steigbügeln?"
"Ich dachte mir, es wäre Sicherer wenn ich mit dir reite", sagte Santos und setzte sich hinter
seinen Sohn.
"Hmmm...okay...", machte Gabriel und hatte nun das Problem, dass er keine Zügel in Händen
halten konnte.
Santos jedoch hielt ihn selber fest und ritt dann voraus.
Nach einer Weile gab Gabriel dann auf und genoss den Ausritt.
Und auch Santos genoss die Zeit mit seinem Sohn.
Gabriel hatte sich wirklich binnen kürzester Zeit erholt und wartete nun nur noch darauf, dass
Carl auch wieder fitt war.
Das jedoch dauerte länger als erwartete, denn er schlief erst einmal zwei Tage durch.
In der Zeit schritt Gabriels Wachstum ziemlich voran und so sass ein munterer, neunjähriger
Knirps bei Carl auf dem Bett, als dieser endlich aufwachte.
Carl sah sich erst einmal verwirrt um, bevor er ihn erkannte. "Gabe?"
"Morgen...Tee? Oder Kaffee?"
"Tee...", murmelte Carl und blickte Gabriel noch immer an.
Der reichte ihm eine Tasse und strich sich den langen, widerspenstigen Pony aus der Stirn.
"Du siehst... anders aus."
"Bin gewachsen", meinte der Junge grinsend und futterte von den Plätzchen, die er eigentlich
für Carl hergeschleppt hatte.
"Ja, ziemlich."
"Nicht gut?", blinzelte van Helsing und schob Carl nebenbei ein Plätzchen in den Mund.
"Doch, dachte nur nicht, das es so schnell geht."
"Es nervt", gab Gabriel zu. "Alles ziept und tut weh und ich muss zwei mal am Tag was
anderes anziehen..." Er beugte sich zu Carl. "Keine Ahnung warum meine Eltern für jede
Grösse die passenden Klamotten haben."
"Weil sie Bescheid wissen?"
"Hmm...und du meinst es macht ihnen wirklich nichts aus? Ich dachte ja erst, sie würden es
einfach nicht glauben..."
"Nein, sie lieben dich Gabriel, das hättest du in den letzten Tagen merken sollen."
Gabriel sackte in sich zusammen. "Und wenn ich erst gross bin? Wenn ich wieder...van
Helsing bin?"
"Dann werden sie dich immer noch lieben. Ach Gabriel, wir alle haben dich lieb, merkst du
das denn nicht?"
"Na ja, nachdem man Jahre lang allein war, ist es schwer sich wieder daran zu gewöhnen."
"Du warst nie wirklich allein, du hast dich nur von allen abgeschottet."
"Ziemlich einfach, wenn man immer allein unterwegs ist..."
"Auch wen ich bei dir war hast du mich nie an dich ran gelassen."
Gabriel blickte auf die Decke hinab und wurde etwas rot. "Kenn es doch nicht anders."
"Ist doch okay..."
Doch der Junge schnuffelte leise. "Ich ändere mich...versprochen...", meinte er leise.
"Komm her..." Carl setzte sich auf und breitete die Arme aus.
Gabriel krabbelte zu ihm und schien zu überlegen. "Machst du das auch noch, wenn ich gross
bin?"
"Wen du willst..."
Zufrieden lächelte Gabriel und kuschelte sich an. "Wenn du dann wieder aufstehst, gehen wir
zusammen in die Stadt? Allein darf ich nicht, sagt Papa..."
"In die Stadt?"
"Da soll heute Abend ein Fest sein..."
"Na wenn du da gern hin willst, gehen wir."
Langsam checkte Gabriel, dass er so ziemlich alles bekam, wenn er nur lieb fragte und
Hundeblick aufsetzte.
"Aber zuerst muss ich mal aufstehen."
Brav machte van Helsing ihm Platz und brachte ihm saubere Kleidung ans Bett.
Woraufhin Carl langsam begann sich anzuziehen.
Die Kutte ließ Gabriel bewusst weg.
Doch Carl suchte sie sofort. "Wo...wo ist?"
"Dreckig, zerschlissen, nicht sehr modisch..."
"Aber..."
"Und die Haare..." Gabriel kam mit einem Kamm und einer seltsamen kleinen Büchse
angestapft.
"Was? Was ist damit?"
Schon war Gabriel hinter ihm und zerwuschelte seine Frisur, um sie dann mit dem Haarwachs
seiner Mutter zu festigen.
"Was machst du da?"
"Perfekt...", kommentierte van Helsing und zog Carl mit vor einen Spiegel.
Dieser blickte ziemlich skeptisch hinein. "Und nun?"
"Siehst du gut aus...gehen wir die Ladys aufreissen!" Sprach's und sprang vom Bett.
"Aber...aber...das geht doch nicht!"
"Was nicht? Wieso nicht?" Verständnislos sah Gabriel seinen Freund an und zog noch immer
leicht an seiner Hand.
"Du...du bist ein Kind!"
"Nicht wirklich?", meinte Gabriel Schulter zuckend und zerrte weiter an Carl, bis sie in der
Eingangshalle standen und warf ihm ein paar chice Lederreitstiefel zu.
Carl wusste nicht mehr was sagen und schwieg einfach.
Kurz darauf schwang van Helsing sich auf den Rücken eines andalusischen Hengstes und
strahlte Carl erwartungsvoll an, weil er dessen Meinung zu seinem Geschenk wissen wollte.
"Was...was ist das?", fragte dieser nur.
"Meins...", quietschte Gabriel und klopfte dem weissen Riesen den Hals.
"Deins? Woher?"
"Hat Papa mir geschenkt...ist er nicht schön...und so lieb..." Gabriel lenkte das Tier zu Carl.
"Du...du hast ihn um den Finger gewickelt?"
"Ich hab nicht gebettelt wenn du das meinst", schnappte van Helsing ein.
"Nein, aber solang gequengelt bis er ihn dir gekauft hat."
Wieder schüttelte Gabriel den Kopf.
"Sondern?"
"Gestern kamen hier fünf Pferde an und ich stand dabei und da hat Paps gemeint, ob mir eins
gefällt und ich...'Sicher'..."
"Ach ja?"
"Und dann durfte ich mir eins aussuchen..."
"Du wirst verwöhnt, ein verwöhnter van Helsing, das kann ja heiter werden."
"Was denn? Was ist so schlimm an einem Pferdchen...? Komm, steig endlich auf...sonst sind
die hübschesten Damen sicher schon weg..."
"Ich soll da drauf?"
"Oder du nimmst eins der anderen aus dem Stall."
Carl verschwand sofort im Stall und kam kurz darauf mit einer alten Stute zurück.
Die ebenso unglücklich über diese Wahl schien wie Gabriel. Der pfiff einem der Stallburschen und zehn Minuten später sass Carl auf dem Rücken eines edlen, dunkelbraunen Kohlfuchses, dich an Gabriels Seite und ritt mit ihm zur naheliegenden Stadt.
"Du bist verrückt, weißt du das?"
"Nein, wieso? Abgesehen davon das ich Vampire und andere Ungeheuer jage..."
"Du bist neun Jahre alt!"
"Nur technisch gesehen..."
"Hast du all deine kindlichen Züge verloren?"
"Was für Züge?" Gabriel sah sich um. "Hier gibt's keine Eisenbahn..."
Carl seufzte und schüttelte den Kopf. "Ach vergiss es."
"Hyaaaaah...", rief Gabriel fröhlich und trieb den Andalusier an, der daraufhin los in
Richtung Stadt preschte.
Carl seufzte, machte aber keine Anstalten ihm zu folgen.
Dafür bockte sein Reittier und wollte hinter her.
"Ruhig...", murrte Carl. "Lass den Jungspund doch, er will ne Frau, dann soll er sich eine
suchen."
