Zusätzliche Warnings: Hinweise auf Essstörung
XII.
Versprechungen zu machen war immer leichter als sie einzuhalten. Shouyo hatte jedes Wort ernst gemeint, dass er zu Tobio gesagt hatte, aber er war sich nicht sicher, ob er auch wirklich in der Lage wäre all seine Versprechungen einzuhalten. Er wünschte sich so sehr, dass sie es schaffen könnten zusammen zu bleiben und beide wieder glücklich zu werden. Aber ihm war auch klar, dass es nicht einfach sein würde dieses Ziel zu erreichen.
Trotzdem begann er damit daran zu arbeiten. Als Erstes teilte er seinem Team mit, dass er nicht nach Brasilien zurückkehren würde. Dem Nationalteam kündigte er hingegen noch nicht, und er begann sich ein wenig danach umzuhören welche japanischen Teams Interesse an ihm haben könnte, er hatte aber auch nicht vergessen, dass Tobio ihm gesagt hatte, dass er nicht wusste, ob er es ertragen könnte, wenn Shouyou weiterhin spielen würde. Aber Tobio hatte auch gesagt, dass er wollte, dass Shouyou weiter flog. Sie mussten also einen Kompromiss finden, mit dem sie beide leben konnten. Es war nur noch nicht klar wie dieser aussehen würde.
Oikawa hatte sich ein Hotelzimmer genommen (offenbar gab es immer Platz für einen berühmten internationalen Volleyball-Star, wie er betonte) und schien vor zu haben noch ein paar Tage in Tokyo zu bleiben um Iwaizumi zu treffen. Er behauptete, dass er sich nicht aufdrängen wollte, aber jeder, der Oikawa Tooru kannte, der wusste, was von so einer Aussage zu halten war.
Shouyou hatte gemischte Gefühle was Toorus weiteren Aufenthalt anbelangte. Er wusste, dass er die Tatsache, dass die Tatsache, dass er und Tobio endlich kommunizierten, dem anderen Mann zu verdanken hatte, aber zugleich wollte er ihn eigentlich momentan nicht hier haben, nicht jetzt, wo er Zeit für sich und Tobio haben wollte. Aber da er derjenige war, der Tooru hergeholt hatte, wäre es auch unhöflich ihn vollkommen zu ignorieren, und vielleicht wollte Tobio ihn noch öfter sehen. Also betonte er, dass der andere Mann immer willkommen in seiner (na ja eigentlich ja Kenmas) Wohnung wäre.
Aber wie sich herausstellte war Tooru kein besonders großer Freund von Kenmas Wohnung. Stattdessen lud er Shouyou zum Essen in der Stadt ein, was diesen sofort misstrauisch werden ließ. Er hatte die Befürchtung, dass der andere Mann irgendetwas mit ihm besprechen wollte, und fragte sich daher automatisch was er jetzt schon wieder falsch gemacht hatte.
Tobio hatte sich nicht beschwert und ihre Aussprache war erst einen Tag her, aber alles war möglich.
Allerdings schien Tobio bessere Laune zu haben als für gewöhnlich. Er hatte sogar endlich das Geschenk ausgepackt, das Suga-san ihm von Daichi-san mitgebracht hatte. Scheinbar hatte er das zuvor nicht über sich gebracht. An diesem Morgen entdeckte Shouyou jedenfalls ein neues gerahmtes Bild, das auf dem beweglichen Krankenhaustisch neben Tobios Bett stand.
Es war ein Foto vom Karasuno Volleyball Club aus ihrem ersten Jahr an der Oberschule. Shouyou erinnerte sich dunkel, dass das Foto direkt vor dem Frühlingstournier aufgenommen worden war. Der Kageyama auf diesem Foto blickte seiner Zukunft selbstsicher und unerschütterlich entgegen, und der Shouyou, der neben ihm stand (und dabei übrigens erschreckend klein wirkte; Shouyou war sehr dankbar dafür, dass er während dem Rest seiner Oberschulzeit zumindest noch ein bisschen gewachsen war und heute nicht mehr ganz so winzig durchs Leben gehen musste), strahlte nicht weniger Vertrauen in ihre Zukunft aus.
„Ich hatte ganz vergessen, dass Tadashi seine Haare damals so lange getragen hat", stellte Shouyou fest, als Tobio bemerkte wie er das Bild musterte.
„Das war Sawamura-sans Geschenk", erwiderte Tobio auf die unausgesprochene Frage, „Ich hatte es bisher nicht ausgepackt."
Auf dem Bild waren sie alle in ihren Volleyballtrikots zu sehen (der schwarzen Version, nicht der orangen, abgesehen von Nishinoya, der als Libero eine andere Uniform trug, in diesem Fall die orangene).
Shouyou war sich nicht sicher was er von so einer Erinnerung an die verlorene Vergangenheit neben Tobios Bett halten sollte. „Ist es … okay für dich, wenn es da steht?", wollte er deswegen vorsichtig wissen.
Tobio betrachtete das Bild einen Moment lang nachdenklich. „Mir ist aufgefallen, dass ich keine … Bilder besitze von dem, was wir mir wichtig ist", erwiderte er dann, „Ja, es tut weh dieses Bild anzusehen, aber zugleich … habe ich dadurch wenigstens eines."
Shouyou legte seine Stirn in Falten. „Ich hab irgendwo Bilder, glaube ich. Ich kann nachsehen und welche raussuchen, wenn du willst", bot er dann an, „Ich wusste nicht, dass du keine hast." (Eigentlich hatte er auch immer angenommen, dass Kageyama keinen Wert auf Fotos legte, aber er nahm an, dass sich die Dinge in mehr als nur einer Hinsicht geändert hatten). „Ich hab ganze Festplatten voll, glaube ich. Wir können ein paar ausdrucken."
Tobio nickte. „Das wäre vielleicht eine gute Idee", meinte er dann langsam.
Nun gut, das war ein Anfang, nahm Shouyou an, sie könnten gemeinsam alte Fotos durchsehen, und welche aussuchen, die ihnen gefielen. Bisher hatten Kageyama die Erinnerung an die Vergangenheit weh getan, aber nun schien er bereit zu sein sich ihr langsam zu öffnen. Ich darf's aber nicht übertreiben. Babyschritte, mahnte sich Shouyou selbst, Sein Tempo, ich darf ihn nicht erschlagen.
Doch wie sollte er merken, wann es Tobio zu viel wurde? Und würde wenigstens Tobio selbst das überhaupt rechtzeitig bemerken? Shouyou wurde klar, dass er nichts gegen einen Coach einzuwenden hätte, der ihnen beiden bei diesen und allen anderen damit verbundenen Themen unter die Arme greifen würde. Doch so jemanden gab es nicht wirklich in ihren Leben. Und Tooru zwar zwar hilfreich gewesen, aber er könnte nicht immer alles für sie beide regeln.
Natürlich gibt es da immer noch Kuroos Vorschlag….
Aber den hatte Shouyou bis jetzt nicht zur Sprache gebracht, und gerade jetzt, wo sie dabei waren Fortschritte zu machen, wollte er das auch eigentlich gar nicht. Wer wusste schon, was Tobio dazu sagen würde? Und wenn es schon gerade darum ging was Tobio zu gewissen Dingen zu sagen hätte…
„Übrigens hat Tooru mich zum Essen eingeladen", informierte er seinen Mann dann, „Er will irgendwas mit mir besprechen. Ich hab keine Ahnung was. … Ich kann natürlich absagen, wenn du mich brauchst."
Tobio schüttelte den Kopf. „Nein, geh nur", meinte er, „Du musst nicht … Ich muss nur wissen, dass du wiederkommst."
„Ich komme wieder. Ich komme immer wieder zurück, okay? Egal wie wütend ich bin, oder wie lange ich weg bleibe, wenn ich irgendwie dazu in der Lage bin, dann komme ich wieder zurück", versprach ihm Shouyou ernst, „So einfach wirst du mich nicht mehr los."
Tobio lächelte beinahe, als er das hörte, zumindest kam es Shouyou so vor. Er lächelte seinerseits und meinte: „Komm, lass uns frühstücken gehen."
Kenma schien wie immer keine Probleme damit zu haben Tobio zu betreuen, während Shouyou ausging. Offenbar kam Kuroo heute vorbei, also hätte Tobio sogar mehr Gesellschaft als gedacht. Hoffentlich wäre es nicht zu viel Gesellschaft für ihn, doch Tobio schien nichts gegen Kuroo zu haben, neben Kenma und Shouyou war er einer der wenigen, an dessen Gesellschaft er sich offenbar gewöhnt hatte, und die er als normal betrachtete und nicht als Mitleidsbesuch oder dergleichen. Vielleicht bot Kuroo ihm ja noch einen Job an. Und vielleicht hätte Tobio da gar nichts dagegen.
Obwohl er sich also Sorgen machte, wusste Shouyou, dass er seinen Mann in guten Händen zurückließ, und machte sich auf zu seinem Treffen mit Tooru.
Als er bei diesem ankam, hatte der schon für Zwei bestellt und aß als wäre er am Verhungern.
„Hast du bald ein Match, von dem ich nichts weiß?", wunderte sich Shouyou bei diesem Anblick.
„Ich konnte am Flug nichts essen, und danach hat mich der Jetlag fertig gemacht", erwiderte Tooru, „Oder mein Magen hat gestreikt weil ich mir Sorgen um meinen Kouhai gemacht hab … auf jeden Fall, geht es jetzt wieder. Ich muss drei Tage nachholen. Lang nur zu."
Shouyou hatte eigentlich keinen Hunger und begnügte sich damit an einem Stück Brot zu knabbern. Dabei berichtete er über die neuesten Entwicklungen.
„Seid ihr jetzt eigentlich wieder zusammen oder nicht? Ich glaube nicht, dass ich das ganz verstanden habe", warf Tooru schließlich ein.
„Na ja, so genau weiß ich das selber nicht", gab Shouyou zu, „Ich meine, wir haben uns ausgesprochen und versprochen alles zu tun, was wir können, damit es funktioniert, aber ich glaube, wir sind im Moment weder zusammen noch nicht zusammen."
„Oh, dieses Niemandsland. Ja, das kenn ich, da habe ich jahrelang gelebt", meinte Tooru reuevoll, „Aber ich nehme an in eurem Fall ist es ganz gut dort anzufangen. Immerhin ist Tobio immer noch mit seiner Rekonvaleszenz beschäftigt. Ihr solltet euch lieber vorsichtig wieder annähern." Tooru schüttelte den Kopf. „Und dabei musst du seine Grenzen berücksichtigen."
Shouyou verschluckte sich fast an seinem Stück Brot, als er das hörte. Hustend rang er nach Luft. „Soweit, dass wir über Grenzen reden, sind wir noch lange nicht", beteuerte er, „Das steht noch nicht mal nicht zur Diskussion."
„Für dich vielleicht nicht. Glaub aber nicht, dass er das genauso sieht. Wenn etwas nicht mehr möglich ist, dann denkt man dauernd daran, egal welche Rolle es zuvor in seinem Leben einnahm", warnte ihn Tooru, „Aber das habe ich nicht gemeint, ich habe von seinen emotionalen Grenzen gesprochen."
Shouyou warf ihm einen wütenden Blick zu. „Die versuche ich zu achten, das kannst du mir glauben", erklärte er spitz, „Ich achte auf nichts anderes."
„Denkst du Hochzeiten gehören zu diesen emotionalen Grenzen?", wollte Tooru dann unvermittelt wissen.
Der Themenwechsel erwischte Shouyou zunächst kalt. Dann wurde ihm klar, dass Tooru ihn vermutlich wegen der Hochzeit hatte sprechen wollen. „Ich weiß nicht, ob er fliegen kann oder will", gab er dann offen zu, „Du weißt, dass ihr nicht in Japan heiraten könnt. Oder hast du das vergessen?"
„Wie könnte ich das." Tooru zog eine Grimasse. „Ich will dich auf meiner Hochzeit, Shouyou", gab er dann zu, „Es ist erst in ein paar Monaten so weit, aber … na ja, wenn wir das planen wollen, dann müssen wir Tobio-chans neue Umstände miteinplanen." Er wirkte nicht glücklich. „Ich wünschte, wir könnten hier heiraten. Ich hasse es, dass alle irgendwo hin fliegen müssen."
„Mit Irgendwo meinst du Argentinien, nehme ich an", vermutete Shouyou.
„Ich hab die Staatsbürgerschaft, und gleichgeschlechtliche Ehen sind dort möglich, also ja, natürlich. Iwa-chan würde lieber in den USA heiraten, aber dort bringen mich keine zehn Pferde hin. Man weiß nie woran man ist. Einmal so, ein paar Städte weiter so. Und dann gehen sie hin und nehmen Rechte zurück, die es bereits gab. Hier ignoriert man uns wenigstens, wenn wir ihnen nicht passen. Die Hälfte der Leute dort würde uns am Liebsten aufhängen. Nein, es wird wohl Argentinien werden. Die sind überaus fortschrittlich was LGBTQ-Rechte angeht", erwiderte Tooru, „Aber es ist so verdammt weit weg von Japan. Ich will meine Schwester und meinen Neffen auch meiner Hochzeit. Und meine Freunde. Nicht, dass meine Eltern kommen würden, das erwarte ich gar nicht, aber alle anderen schon. Aber wie kann ich so einen langen Flug verlangen? Und dann noch dazu von jemandem … mit eingeschränkter Bewegungsfreiheit…" Er seufzte. „Ihr wusstet wohl warum ihr es klein und heimlich gemacht habt."
Shouyou dachte an seine Hochzeit zurück. „Eigentlich war es eher eine Sache von so schnell wie möglich, denke ich", gab er dann zu, „Ich hatte Angst Tobio könnte es sich anders überlegen, und er … ich glaube er wollte einfach nur wirklich dringend heiraten."
Bis zum Trocknen der Unterschriften hatte Shouyou befürchtet, dass Tobio wegen ihren Karrieren doch noch kalte Füße bekommen könnte, aber jetzt wurde ihm klar, dass in Wahrheit wohl eher er derjenige gewesen war, der wegen seiner Karriere beinahe kalte Füße bekommen hätte, und das auf seinen Partner projiziert hatte.
„Hast du es je bereut dich geoutet zu haben?", wollte er dann von Tooru wissen.
Tooru schüttelte den Kopf. „Aber ich hab für Argentinien gespielt, deswegen war es anderes. Aber wie du weißt, habe ich auch hier nie hinter dem Berg gehalten mit dem wer ich bin", erwiderte er, „Alle haben immer gewusst, dass ich bi bin. Aber ich bin ja auch gleich nach dem Schulabschluss nach Argentinien gegangen. Was richtig für dich ist … das musst du selbst wissen."
Aber Shouyou wusste es nicht, nicht wirklich. Jeder, den es betraf, wusste wer die anderen queeren Spieler in der Liga waren, aber die Öffentlichkeit, nun das war ein anderes Thema. Es half auch, dass die meisten von ihnen sich praktisch seit sie Kinder gewesen waren gekannt hatten. Aber nicht einmal Bokuto war öffentlich geoutet, was ihn nicht davon abhielt mit Akaashi umzugehen wie andere mit einer Ehefrau umgehen würden, aber geoutet im eigentlichen Sinne hatte er sich nie. Und alle anderen hatten ihre Beziehungen immer sehr diskret geführt. Selbst Atsumus berüchtigte Umtriebigkeit war immer unter dem Radar geblieben.
Aber wenn ich aufhöre, oder auch nur kürzer trete, dann würde die Öffentlichkeit den Grund dafür erfahren, und niemand ist naiv genug wirklich zu denken, dass ich jemanden, der nur ein guter Freund von mir ist, wichtiger nehmen würde als meine Karriere. Aber wenn er sowieso nicht weiterspielen würde oder nicht mehr in der 1. Liga bleiben würde, spielte es dann überhaupt eine Rolle, ob alle wussten was Sache war?
Aber letztlich war das wohl eine dieser Frage, auf die es keine einfache schnelle Antwort geben würde, und bei der Tobio wohl ebenfalls etwas mitzureden hatte. Vielleicht wollte er ja nicht, dass die Welt den Eindruck bekam, dass Shouyou seinetwegen seine Karriere aufgab, und deswegen nach wie vor alles privat und geheim halten. (Auch wenn Shouyou nicht daran glaubte, dass das möglich sein würde).
„Ich kann Tobio sagen, dass du uns eingeladen hast, aber ich kann nichts versprechen", meinte er dann zu Tooru, „Wir wissen ja auch nicht wie genau die Dinge in ein paar Monaten liegen werden, also…" Er zuckte die Schultern. „Ich würde gerne kommen", fügte er hinzu, „Aber …"
„Ja, schon klar, du kannst ihn nicht einfach alleine lassen", stimmte Tooru ihm zu, und spülte sein Essen mit einem Schluck Wasser hinunter und wirkte dabei frustriert, aber dann hellte sich seine Miene auf und er verkündete: „Sieh mal, da kommt Iwa-chan!" Dann sprang er auf und eilte Iwaizumi entgegen und umarmten diesen mitten auf der Straße fest, bevor er ihn zu ihrem Tisch hinüberschleppte.
„Iwaizumi-san", begrüßte Shouyou den Neuankömmling freundlich.
„Hallo, Hinata", erwiderte dieser, und dann warf er einen skeptischen Blick auf den voll beladenen Tisch. „Hatten wir nicht darüber geredet? Es ist nicht gesund so viel auf einmal zu essen, und sehe ich da Milchprodukte?", wollte er tadelnd wissen, doch Shouyou zeigte schnell auf Tooru. „Ist nicht für mich, das hat alles er bestellt!", behauptete er.
Alte Gewohnheiten waren schwer abzulegen, und mit seinen Trainer sozial zu interagieren hatte seine Nachteile, Iwaizumi-san gehörte zum Trainerteam des Nationalteams und führte ein strenges Regiment was die Ernährung der Spieler betraf. Er gehörte zu den wenigen Menschen auf dieser Welt, vor denen Atsumu Angst hatte, und die dazu in der Lage waren Bokuto die Laune zu verderben. Da er sich verpflichtet fühlte sie immer alle in Topform und bei bester Gesundheit zu halten, war er nicht nur ein Spielverderber was Fragen der Ernährung betraf, sondern auch jemand, der seinen Spieler regelmäßig den Spaß verdarb, indem er sie in Bett schickte, wenn sie ausgehen wollten, sich in ihr Sexleben einmischte (womit allerdings nur Atsumu ein Problem hatte) indem er auf regelmäßigen STD-Tests bestand, und sie dazu anhielt auf ihre psychische Gesundheit zu achten.
Das war ganz nett, wenn man jemanden zum Reden brauchte, weniger nett, wenn man Dinge für sich behalten wollte (Iwaizumi war nicht gerade erfreut darüber gewesen, dass Shouyou und Tobio hinter dem Rücken des Rests des Teams geheiratet hatten, um es vorsichtig zu formulieren).
Besonders tragisch-ironisch war die Tatsache, dass Ushijima meistens seiner Meinung war und an seinen Worte hing als wären sie eine Predigt und sein Teamkameraden daher in Iwaizumis Namen zurecht wies, wann immer ihm danach war („Dein Körper ist ein Tempel, Hinata, vergiss das nicht", pflegte er zu sagen, wann immer er Alkohol in Shouyous Hand entdeckte). Beide zusammen waren wie enttäuschte Eltern, die ihre eigentlich gleichaltrigen Freunde dazu brachten gesund und verantwortungsbewusst zu leben, indem sie ihnen ständige Schuldgefühle einredeten.
Tobio hatte das seltsamer Weise niemals gestört, aber Shouyou, dem seine Laktoseintoleranz bewusst war, der aber trotzdem nicht einsah warum er auf Milch verzichten sollte, besonders wenn sein verdammter Ehemann sie seit der Schulzeit schon ständig trank, hatte schon den einen oder anderen Kampf mit den „Japanischen National-Eltern" hinter sich, auf den er gerne verzichtet hätte.
Ihm fiel ein, dass Tooru diesen Mann ja heiraten wollte, und er fragte sich wie das Privatleben der beiden wohl aussah. Schrieb Iwaizumi Tooru auch ständig Dinge vor? Nun, so wie er Tooru kannte, gefiel dem das wahrscheinlich sogar noch.
„Ich musste ausgleichen", verteidigte sich Besagter gerade, „Ich habe Tage lang nichts gegessen, und…."
„Was soll das heißen, du hast Tage nichts gegessen! Hast du wenigstens genug getrunken? Und du weißt, dass es ungesund ist so viel ins ich hineinzustopfen, wenn man gehungert hat! Dir wird nur wieder schlecht werden! Willst du den ganzen Rückflug nach Argentinien reiern?!", beschimpfte ihn Iwaizumi sofort, „Warum musst du dich nur immer wie ein Kind benehmen, Shittykawa?!"
„Aber Iwa-chan, du weißt doch, dass ich keine Impuls-Kontrolle habe!", jammerte Tooru, „Es ist nicht meine Schuld, ich bin ein Frustesser, und Hunger frustriert mich!"
„Wolken am Himmel frustrieren dich! Du bist ein Profi-Sportler, du solltest es besser wissen!", fuhr ihn Iwaizumi an.
Shouyou blinzelte und versuchte sich diese beiden als liebendes Ehepaar vorzustellen. So richtig verstand er nicht wie das funktionieren sollte, aber andererseits wusste er, dass die meisten Menschen Probleme damit hatten sich Tobio und ihn selbst als Paar vorzustellen, also fällte er kein Urteil. Stattdessen unterbrach er den Streit, indem er sich erkundigte: „Hast du schon einen Rückflug gebucht?"
„Angesichts der Reisezeit, und weil ich nicht zu lange wegbleiben kann, ja. Ich fliege morgen. … Glaube ich." Tooru warf einen nachdenklichen Blick auf seine Uhr. „Ja, morgen. Die Saison geht noch ein paar Monate, man braucht mich."
Shouyou nickte ergeben. „Und ich bin dir auch wirklich dankbar, dass du gekommen bist, und das noch dazu so schnell. Man kann von keinem Senpai mehr verlangen", erklärte er.
Toorus Blick wurde misstrauisch. „Wenn du was willst, dann spuk es aus, Chibi-chan, ich hasse es, wenn Leute um den heißen Brei herumreden", meinte er.
„Ich wollte dich bitten noch mal mit Tobio zu reden. Es gibt da eine Sache, die er nicht tun wollen wird, und wir haben uns gerade wieder versöhnt, deswegen glaube ich, dass es besser ankommen würde, wenn es von dir kommt", erklärte er, „Es war eigentlich Kuroo-sans Vorschlag…"
„Also war es vermutlich ein guter Vorschlag. … Außer wenn es Miya involviert", meinte Tooru dazu.
„Es ist gut, dass Tobio jetzt mit uns redet, und es schien ihm heute Morgen wirklich besser zu gehen, aber vorher, na ja, ich meine, es ging ihm wirklich schlecht, so schlecht, dass sich selbst Kuroo Sorgen gemacht hat, und wir waren der Meinung, dass es vielleicht Probleme gibt, die wir nicht alleine lösen können, und die vielleicht jemand, der was davon versteht besser in Angriff nehmen kann als wir", fuhr Shouyou fort, „Aber Tobio ist so stolz und will sich nie Schwäche eingestehen. Und für ihn wäre es wie das Eingestehen einer Niederlage, wenn er zugeben würde, dass er vielleicht in mehr als nur einer Hinsicht überfordert von seiner derzeitigen Lage ist. Aber offenbar hört er auf dich, also…"
Tooru verdrehte die Augen. „Versuchst du mir auf komplizierte Art zu sagen, dass ich Tobio-chan eine Psychotherapie nahe legen soll?", wollte er dann wissen, „Sag das doch gleich! Aber ehrlich mal, warum hat er die noch nicht schon längst begonnen? Nachdem klar war, dass seine Karriere vorbei ist, hätte er dort sofort hin müssen. Ich dachte, er hat aufgehört hinzugehen, aber du sagst mir, dass er nie angefangen hat?"
„Kageyama ist auch noch nie zu den Beratungsstunden gegangen, die ich ihm während den Meisterschaften und Olympiaden empfohlen habe", meinte Iwaizumi schulterzuckend, „Er ist ein sehr privater Mensch."
„Das hat doch damit nichts zu tun. Therapeuten gehen nicht zur Presse oder den Angehörigen und plaudern aus was ihr Patient gerade geträumt hat. Das ist wieder nur reine Sturheit. Vermutlich hat Shouyou recht, und Tobio-chan denkt, dass würde ihn schwach erscheinen lassen", erwiderte Tooru erbost, „Nein, diesen Unsinn kann ich ihn nicht durchgehen lassen, soviel ist sicher. Von mir aus rede ich mit ihm, bevor ich zurückfliege." Er schnaubte wütend. „Und ich dachte, meine Eltern hätten mich verkorkst…"
Shouyou hütete sich darauf etwas zu antworten. Kageyamas Eltern waren ein Tabu-Thema - er hatte sie niemals kennenglernt. Aber er wusste, dass seine eigene Mutter manchmal ähnliche Kommentare wie Tooru eben in Bezug auf sie abgegeben hatte. Aber damals auf der Oberschule war Tobio noch viel schlimmer gewesen als jetzt.
Apropos Mutter, wenn ich bleibe, dann sollte ich mich bei ihr und Natsu melden…. Seit er zurück nach Japan gekommen war, hatte er beiden meistens beruhigende Textnachrichten über Tobios Status geschickt und es vermieden mit ihnen zu telefonieren, da er nicht hatte offenbaren wollen wie schlimm es um seine Ehe und seinen Partner stand. Aber jetzt gingen ihm langsam aber sicher die Ausreden dafür aus nicht mit seiner Familie zu sprechen. Aber was, wenn sie Tobio besuchen wollen? Ich bin mir ziemlich sicher, dass er das nicht will. Aber, wenn ich ihnen das sage, dann verletze ich ihre Gefühle…
„Hey", riss Tooru ihn aus seinen Gedanken, „Niemand hat je gesagt, dass es einfach werden würde. Aber du hast selbst gesagt, dass es heute Morgen besser war. Sieh es als Zeichen dafür, dass es prinzipiell besser wird."
Shouyou zuckte die Schultern. „Ich habe eher das Gefühl, dass es jetzt erst so richtig schwierig wird. Ich meine, nicht einfach ist eine Sache, aber so hart, so hart habe ich mir das auch nie vorgestellt", erwiderte er.
„Nun wie Coldplay schon wusste: Dann geh zurück zum Anfang. Du hast den Vorteil schon genug Fehler gemacht zu haben um zu wissen wie es nicht ablaufen soll", erwiderte Tooru, „Ich rede mit Kageyama, aber du bist sein Mann, derjenige, der mit ihm lebt, derjenige, der für ihn da sein muss. Du bist derjenige, der dafür sorgen muss, dass er auch wirklich zur Therapie geht. Das kannst du nicht auf mich abwälzen, vergiss das nicht."
Iwaizumi musterte seinen Verlobten erstaunt. „So weise sehe ich dich selten, Tooru", gab er zu, „Aber es gefällt mir."
„Gewöhn dich lieber nicht daran. Vor den Chibis muss ich der weise Senpai sein, zu Hause überlass ich es dir diese Rolle zu spielen", gab Tooru zurück und winkte den Kellner heran, „Die Rechnung bitte."
Er wandte sich an Shouyou. „Iwa-chan und ich müssen jetzt schnell ins Hotel, aber ich melde mich, bevor ich vorbei komme, ja?", meinte er zu diesem.
Shouyou wunderte sich über den Hotel-Kommentar, doch dann bemerkte er die Blicke, die sich Iwaizumi und Tooru gegenseitig zuwarfen. Ja, ich urteile eindeutig nicht.
Früher, fiel ihm ein, hatten sich Tobio und er auch öfter so angesehen. Er hoffte nur, dass sie sich eines Tages vielleicht wieder so ansehen würden, selbst wenn sie danach nie wieder zusammen irgendwo hin verschwinden könnten - einfach nur wieder still ihre Zuneigung miteinander zu kommunizieren wäre schon mehr als er sich für sie beide jemals erhoffen könnte.
A/N: Ich recherchiere für diese Fic Dinge, von denen ich nie gedacht hätte, dass ich sie mal recherchieren würde. Ich weiß bald mehr über Argentinien als ich jemals wissen wollte. Aber ja, laut Internet ist es ein sehr progressives Land, was LGBT-Rechte angeht (was ich nicht erwartet hätte um ehrlich zu sein).
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