2000 ZULU (2300 LOCAL)

Stützpunkt des USMC

Bagdad, Irak

„Das kann unmöglich ihr Ernst sein!" Rear Admiral upper half Albert Jethro Chegwidden stand kurz davor, den Corporal, der ihnen ihre Unterkunft zeigte in klitzekleine Fetzen zu zerreißen. Nicht gerade förderlich für seine ohnehin schon schlechte Laune war auch, dass ihn der Marine mit einem blöden Grinsen im Gesicht anstarrte. Es hatte schon gereicht, dass ihre Maschine in Landstuhl einen Defekt gehabt hatte und sie warten mussten, bis der behoben war. In Italien hatte irgend ein Vollidiot die Flugpläne vollkommen verschusselt, und auf der Patrick Henry hatte ein Unwetter den Abflug ihres Helikopters verzögert. Nun stand er gemeinsam mit seinen Offizieren in den Anlagen eines von Saddam's Palästen, den das Marine Corps als Unterkunft benutzte und musste sich allen Ernstes sagen lassen, dass dieses bessere Poolhaus für die nächsten paar Tage ihr Schlafplatz sein würde. Ein Schlafplatz mit genau zwei Schlafzimmern.

„Wer verdammt noch mal ist hierfür verantwortlich!" grollte Chegwidden inzwischen weiter, während sich Harm, Cara und Bud wohlweislich im Hintergrund hielten. Es war keine gute Idee, ausgerechnet jetzt den Zorn des Admirals auf sich zu ziehen.

„Das wäre ich, Sir!" erklang eine Stimme hinter ihnen, worauf die Navy-Offiziere herumwirbelten und einem hochgewachsenen, blonden Marine-Colonel mit stechenden grauen Augen gegenüberstanden.

Der Admiral machte mit dem Colonel da weiter, wo er mit dem Corporal aufgehört hatte.

„Was zu Hölle ist hier schon wieder schiefgegangen? Man sollte meinen, das hier wäre das Militär. Aber nach dem, was ich heute erleben musste, bin ich der Meinung, dass jeder Kegelclub besser organisiert ist!"

Der muskelbepackte Marine wich unbewusst einen Schritt vor dem wütenden JAG zurück.

„Es tut mir leid, Sir, aber das ist das einzige, was hier auf dem Gelände noch frei ist. Im Palast sind alle Räume von den Soldaten belegt. Hätten wir gewusst..."

„Für was schicken wir eigentlich Reisepläne!" unterbrach ihn A.J. und seufzte schließlich.

„Wir werden uns schon was einfallen lassen. Bringen sie einfach unser Gepäck rein, und dann verschwinden sie, bevor ich es mir anders überlege."

Wie auf ein Stichwort öffnete sich die Tür zu ihrer neuen Behausung und drei weitere Marines kamen mit den Seesäcken der Anwälte herein.

Zwei von ihnen schienen sich prächtig über die Situation der Navy-Leute zu amüsieren, warfen immer wieder Blicke in Richtung der weiblichen Anwältin, die mit dem Rücken zu ihnen stand und sich mit dem großen, dunkelhaarigen Anwalt unterhielt, und flüsterten sich auf arabisch etwas zu. Weder der Colonel noch der Corporal beherrschten diese Sprache und waren ständig auf irgendwelche Dolmetscher angewiesen, was sie sicher machte, sich einiges herausnehmen zu können, solange man sie nicht verstand.

Cara hingegen horchte auf, ließ ihr Handgepäck fallen, drehte sich um und hielt auf die beiden Soldaten zu. Die Männer in dem Raum staunten nicht schlecht, als eine Standpauke auf arabisch folgte, bei der die beiden Männer sichtbar kleiner wurden.

Der Corporal neben Harm begann, zu grinsen und erhielt einen fragenden Blick.

„Ich verstehe ja nicht viel von dem Ganzen, aber die Lady kann fluchen wie ein Seemann."

Nun grinste auch der Anwalt breit.

„Die Lady ist ein Seemann, Corporal."

„Und jetzt raus mit ihnen, bevor ICH es mir anders überlegte!" beendete Cara gerade ihre kleine Ansprache, worauf die Angesprochenen hastig salutierten und dann das Weite suchten.

Auch der Colonel und der Corporal verabschiedeten sich. Schließlich waren die vier Navy-Anwälte allein mit ihrer Misere und sahen sich erneut in dem Poolhaus um.

„Okay, was machen wir jetzt?" unterbrach schließlich die junge Frau die Stille. Sie hatten zwei Schlafzimmer, eines mit zwei Betten, eines mit einem großen Bett, und vier Leute, die darin untergebracht werden wollten.

Ein langes Schweigen und nachdenkliche Blicke folgten ihrer Frage.

Rabb räusperte sich schließlich und fuhr sich mit der Hand durch die Haare.

„Ich schlage vor, der Admiral und Bud nehmen das Zimmer mit den zwei Betten. Keiner von beiden sollte mit irgendjemandem im Bett schlafen müssen. Cara, sie bekommen das andere Zimmer."

Gespannt warteten die drei anderen auf eine weitere Ausführung, doch der Anwalt schwieg.

„Wo wollen sie denn schlafen, Sir?" fragte Bud schließlich.

„Auf der Couch hier im Vorraum", antwortete sein Freund und deutete auf ein kunstvoll gearbeitetes Sofa gegenüber der Eingangstür.

„Seien sie nicht albern, Harm. Dieses Ding ist ungefähr zwei Meter zu kurz für sie! Wir sind beide erwachsen und werden es doch wohl ein paar Nächte gemeinsam in einem Bett aushalten, ohne übereinander herzufallen", protestierte seine Partnerin, während sie das Ding noch nicht einmal eines Blickes würdigte, sondern lieber ihren Seesack aufhob und auf das Zimmer mit dem großen Bett zuhielt.

„Aber es wäre unangemessen!" entgegnete Harm mit hochroten Ohren. Mit diesem Kommentar hatte er wirklich nicht gerechnet.

„Wer oder was in meinem Bett unangemessen ist, entscheide immer noch ich, Commander. Von mir aus können sie sich auch gerne weiter den Rücken verbiegen nach dieser Tortur in den Flugzeugen." Cara öffnete die Tür und spähte in das Zimmer.

„Allerdings ist das wirklich nicht nötig. Vor allem, wenn man bedenkt, dass in diesem Riesenteil noch ein halbes Bataillon Marines Platz finden würde." Sie schubste die Tür ganz auf, knipste das Licht an und gab den Blick auf ein wirklich überdimensionales Queen-size-Bett frei.

„Hören sie, wir können ihnen morgen gerne eines von den Feldbetten besorgen, die sie hier sicher noch tonnenweise herumliegen haben, allerdings ist es jetzt mitten in der Nacht, wir haben einen Höllenmarathon hinter uns, und ich würde gerne schlafen gehen", meinte Cara sanft und sah ihren Partner so lange forschend an, bis er schließlich resignierte.

„Nach meiner inneren Uhr ist es jetzt etwa 3 Uhr nachmittags... ich kann bestimmt nicht schlafen." Bud sah zweifelnd dabei zu, wie der Admiral ohne irgendwelche Widerworte akzeptierte, dass sich seine beiden Senioranwälte ein Bett teilen würden, sondern statt dessen einfach sein eigenes Gepäck hochnahm und in dem zweiten Zimmer verschwand.

„Es ist dunkel draußen. Dunkel bedeutet Nacht, und Nacht bedeutet schlafen", gähnte die Partnerin seines Mentors, schulterte ihren Seesack und marschierte in den anderen Raum.

„Gute Nacht, Admiral! Bud."

Die beiden Männer im Vorraum sahen einander überrascht an, als aus dem Raum, in dem Chegwidden verschwunden war ebenfalls ein „Gute Nacht allerseits!" ertönte.

„Äh... gute Nacht!" stammelte der Lieutenant und marschierte kopfschüttelnd ebenfalls zu seinem Schlafplatz.

„Schlafen sie gut, Bud", rief ihm Harm hinterher. Das war mal wieder ein sehr seltsamer Beginn für eine Ermittlung, angefangen damit, dass sich der Admiral selbst die Hände schmutzig machte.

„Ha, wir haben sogar ein eigenes Badezimmer!" triumphierte in ihrem Zimmer mittlerweile seine Partnerin und schaffte es, wieder ein Lächeln auf sein Gesicht zu zaubern.

Was war schon so schlimm daran? Nach Weihnachten, als er sich die Hand gebrochen hatte, und sie mit einer Erkältung flachlag hatten sie auch die meiste Zeit zusammen in einem Bett verbracht, mit der Fernbedienung in der Hand und seinen Katzen auf dem Bauch. So anders war das hier auch nicht.

Als sie wieder aus dem ‚Ha, wir haben ein Badezimmer!' kam, stand Harm trotz aller seiner an sich selbst gerichteten Überredungsversuche, dass das wirklich keine große Sache war, immer noch auf dem selben Fleck neben der geschlossenen Tür, seinen Seesack neben sich auf dem Boden drapiert. Zumindest war er schon so weit gekommen, seine Krawatte zu lockern und den obersten Knopf seines Hemdes zu öffnen.

Wenigstens musste er sich hier nicht mit einem weißen Seidennachthemd und allen darauf folgenden Phantasien abgeben. Cara trat in einem royalblauen T-Shirt mit der Aufschrift USS Nimitz und einer rosa Boxershort mit dunkelroten und weißen Karos aus dem Badezimmer und warf ihm einen verwunderten Blick zu.

„Sie denken aber nicht mehr darüber nach, doch noch auf der Couch zu nächtigen, oder? Hören sie, wenn ihnen das so unangenehm ist, dann schlafe ich auf dem Sofa. Für meine Größe passt es."

Harm musste sich beinahe zwingen, seinen Blick von ihren kleinen, schmalen Füßen zu reißen, die barfuß zu ihm herübertappten. Sie hatte ihre Zehennägel in einem leicht schimmernden Altrosa bemalt...

Sein Blick wanderte höher und blieb an einer kreisrunden, leicht geröteten Narbe an ihrem rechten Oberschenkel, nicht weit über dem Knie hängen.

„Erde an Harm! Sind sie im Stehen eingeschlafen?" Seine Partnerin winkte mit einer Hand vor seinem Gesicht, und augenblicklich kam er sich wie der größte Idiot auf Gottes weiter Welt vor.

Nach ein paar Sekunden räusperte er sich und fand schließlich seine Sprache wieder.

„Wird das meine Gute Nacht Geschichte?" fragte er mit einem Nicken auf das Narbengewebe und einem etwas einfältigem Grinsen im Gesicht.

Cara legte wie so oft ihren Kopf schief und sah ihn mit einem unergründlichen Gesichtsausdruck an. Schließlich lächelte auch sie.

„Wenn sie sich brav die Zähne putzen und hinter den Ohren waschen."

„Ja, Mom!"

Ihr Lachen folgte ihm ins Badezimmer.

Als er nach 15 Minuten in einem weißen T-Shirt und seinen obligatorischen weißen Boxershorts wieder zum Vorschein kam, hatte es sich Cara bereits auf der linken Seite des Bettes gemütlich gemacht, wohl wissend, dass er immer auf der rechten schlief. Eigentlich mit fünf Kissen im Bett, aber darauf würde er wohl dieses Mal verzichten müssen.

„Ich dachte schon, sie wären da drin ertrunken", musste er sich von seiner Partnerin gefallen lassen.

„Wo haben sie eigentlich das T-Shirt her?" fragte Harm, als er unter die Decke kletterte und sich das Kissen unter seinem Kopf zurechstopfte.

„Meines Wissens haben sie auf der Enterprise gedient."

„Oh, da hat jemand meine Akte gelesen", meinte seine Partnerin schmunzelnd und drehte sich auf die Seite. Auch Harm drehte sich so, dass er ihr ins Gesicht sehen konnte.

„Ich weiß eben gerne, mit wem ich es zu tun habe."

„Mein Bruder James fliegt da seine Tomcats spazieren", erklärte sie schließlich, was Harms fragenden Blick jedoch nicht verscheuchte.

„Warum kein Shirt von der Enterprise? Immerhin waren sie ein halbes Jahr JAG auf dem Schiff."

Cara's Lächeln hielt sich, wenn auch mühsam.

„Erstens wollte ich nicht mit einem T-Shirt herumrennen, das mich als Trekkie outet, der ich nicht bin, schließlich denkt jeder erst mal an Captain Kirk, wenn er Enterprise liest. Und zweitens: Waren sie schon mal auf dem Kahn?"

Der hochgewachsene Anwalt zog sich seine Decke bis zu den Schultern hoch und dachte nach.

„Ich glaube nicht."

„Gut, dann werde ich sie mal aufklären. Nicht mal der Kapitän dieses Schrotthaufens mag sein Schiff. Der Kasten ist seit 1961 im Dienst, rostet einem unter den Füßen weg und ständig ist irgendetwas kaputt. Ein Tag, an dem nicht irgendwo eine Treppe zusammenkrachte oder eine Tür aus den Angeln fiel war ein Geschenk Gottes. An Flugdienst ohne Zwischenfälle war gar nicht zu denken. Zusammen mit den ganzen Geistergeschichten, die ständig kursierten und den chauvinistischen Chiefs an Bord konnte es einen in den Wahnsinn treiben."

Nachdem sie ihre Erzählung abgeschlossen hatte, musste die junge Anwältin ein Gähnen unterdrücken. Nicht nur, dass sie auf dem Flug hierher kaum geschlafen hatten, auch ihre innere Uhr stellte sich unglaublich schnell auf die neue Zeitzone ein. Und hier war es nun mal mitten in der Nacht.

„Ich halte sie mit meiner Neugier vom Schlafen ab", stellte Harm sanft fest und fasste hinter sich, um das Licht zu löschen. Cara rutschte komplett unter ihre Decke und kuschelte sich in ihr Kissen

„Meine Gute Nacht Geschichte muss dann eben bis morgen abend warten", meinte er leise in die Dunkelheit.

Er erhielt ein „Mhm... Nacht, Harm", als Antwort, dann hörte er nur noch das gleichmäßige Atmen seiner Partnerin.

„Gute Nacht, Cara."

Harm drehte sich wieder auf den Rücken und verschränkte die Arme hinter seinem Kopf.

Verdammt, es war halb vier Uhr nachmittags! Wie zur Hölle sollte er jetzt bitte schlafen!