2145 ZULU
Stützpunkt des USMCBagdad, Irak
Nicht gerade leise polterte Harm durch die Tür des Schlafzimmers. Dann fiel ihm ein, dass er momentan eine Bettgenossin hatte und er bemühte sich, leiser zu sein. Was gar nicht so einfach war. Bis auf ein blaues Leuchten vom Bett her war es stockfinster in dem Raum, und er hatte keine Ahnung, wo der Lichtschalter war.
Er hatte fünf Bier mit dieser langweiligen Frau trinken müssen, nur um herauszufinden, dass der Kerl wirklich von der CIA gewesen war. Nach dem sechsten Bier war sie nicht mehr zu verstehen gewesen. Schlauer als vorher war er nicht wirklich. Vielleicht konnte Webb irgendwas mit den Aufnahmen anfangen. Allerdings fühlte er sich nicht mehr in der Lage, das jetzt noch wegzuschicken. Diese Frau hatte ihn geistig ausgelaugt, so angenehm der Abend auch angefangen hatte. Bis sie angefangen hatte, über irgendwelche Spielcasinos zu reden, und welche Klamotten sie sich kaufen würde, sollte sie mal den großen Gewinn machen. Gott sei Dank hatte sie nach dem siebten Bier vergessen, dass er noch da war, und sich einem Marine an den Hals geworfen.
Harm zog das Hemd aus der Hose und öffnete die obersten Knöpfe. Sollte sie jemals etwas gewinnen, würde ohnehin alles für ihre Spielschulden draufgehen. Seufzend ließ er sich auf das Bett fallen, um sich die Schuhe aufzubinden, nur um festzustellen, dass unter ihm Papier knisterte.
„Hu?" Erstaunt griff er nach dem Blatt. In dem diffusen Licht sah es nach einer Landkarte aus. Als er endlich den Lichtschalter seines Nachttischlämpchens gefunden hatte, sah er, dass es tatsächlich eine Landkarte war. Mit roten Kreuzen. Als er sich umdrehte, bemerkte er, dass über dem ganzen Bett Zettel verteilt waren, während seine Partnerin augenscheinlich mitten in der Arbeit hinter ihrem Notebook eingeschlafen war.
Auf den Blättern standen die Namen der Beteiligten, und was sie ausgesagt hatten. Mit Querverweisen, wie es aussah.
Er begann mit einem schlechten Gewissen die Notizen einzusammeln und zu stapeln. Das wäre auch seine Aufgabe gewesen. Als das Bett darunter wieder zu erkennen war, wandte er sich seiner Partnerin zu und hob das Notebook von ihrem Schoß, fuhr es herunter und klappte es zusammen. Als er ihr den Kugelschreiber abnehmen wollte, den sie immer noch in der Hand hielt, begann sie sich zu bewegen."
„Uäh... sie riechen wie ein Aschenbecher..." beschwerte sich Cara schlaftrunken und rutschte tiefer. Harm lächelte nur. Er hörte selbst schon die Dusche seinen Namen rufen.
„Tut mir leid..."
„Uh, und wie ein Bierfass... wo zur Hölle waren sie überhaupt?" Als er gegangen war, war sie zu sehr mit sich selbst beschäftigt gewesen, um sich darüber Gedanken zu machen. Zwei smaragdgrüne Augen sahen ihn auf einmal hellwach an.
„Äh… in einer Bar hier in der Nähe, ich hab ein paar Bekannte unter den Marines hier", meinte er leichthin. Das war noch nicht einmal gelogen. Wenn er nur lange genug suchte fand er hier sicher jemanden, den er kannte. Wenn sie ihm nicht glaubte, konnte er immer noch sagen, dass er beschwipst war...
„Ich hoffe, sie haben denen auch ein paar der Frauen übriggelassen", stichelte seine Partnerin mit einem Lächeln im Gesicht und kletterte aus dem Bett. In der Felduniform zu schlafen war eine blöde Idee. Der Gürtel schnitt ein. Ohne an den Mann zu denken, der beim Zusehen rote Ohren bekam, begann sie die Knöpfe ihrer Bluse zu öffnen und den Gürtel abzulegen.
„Ich... ich geh dann mal ins Bad!" stotterte Harm und riss sich von dem Bild los, bevor er etwas sah, das eine kalte Dusche rechtfertigte. Zwei Sekunden später war er im Badezimmer verschwunden.
Als er wieder zum Vorschein kam, war es wieder dunkel im Zimmer. Zumindest fühlte er sich jetzt wieder wie ein normaler Mensch... und roch auch so.
Müde kletterte der Anwalt unter die Decke und drehte sich auf die linke Seite. Ein paar Augenblicke später fiel im die peinliche Situation morgens wieder ein und er drehte sich um, an den Rand.
Neben ihm kicherte es.
„Wenn sie noch weiter an den Rand rutschen, fallen sie gleich wieder aus dem Bett, Harm", meinte die schläfrige Stimme seiner Partnerin.
0230 ZULU
Samstag, 06.03.2004Stützpunkt des USMC
Bagdad, Irak
Cara saß im Bett und versuchte, einige Gesprächsfetzen von draußen im Vorraum mitzukriegen. Der Admiral war scheinbar immer noch ein Frühaufsteher. Entweder das, oder Bud schnarchte und hatte ihren CO aus dem Schlafzimmer vertrieben. Zumindest war A.J. es gewesen, der auf das Klopfen eines Marines geantwortet hatte, das Cara geweckte hatte.
Und jetzt saß sie da, und versuchte nicht darüber nachzudenken, warum der Mann neben ihr im Bett kein T-Shirt anhatte. Sie versuchte nicht darüber nachzudenken, wie niedlich er aussah, wie er auf dem Bauch lag, und sein Kopfkissen im Schlaf umarmte.
Sie versuchte, nicht darüber nachzudenken, dass sie schon fast vergessen hatte, wie es ich anfühlte, nicht alleine aufzuwachen.
Das laute Pochen an ihrer Tür riss sie aus ihren Versuchen, nicht nachzudenken.
„RABB! MCLACHLAN! Aus den Federn, es gibt Probleme!" rief Chegwidden zwei Sekunden später, bevor er sich ohne Zweifel seiner Aufgabe widmete, Roberts ähnlich unsanft aus dem Bett zu werfen.
Zu ihrer Verwunderung hörte sie den Mann neben sich nur etwas Undefinierbares grunzen. Er öffnete nicht einmal die Augen oder zog sich die Decke über den Kopf.
„Harm."
Alles, was sie als Antwort bekam war sein gleichmäßiger Atem. Sie sah eine Minute dabei zu, wie sich sein Körper unter den Atemzügen hob und senkte, dann versuchte sie es noch einmal. Die Haut seines Rückens war angenehm glatt und warm, als sie ihre Hand darauf legt und ihn leicht schüttelte.
„Harm, wachen sie auf."
„Es ist mitten in der Nacht. Weshalb sollte ich das tun wollen?" brummelte es neben ihr aus dem Kissen und sie musste sich ein Lachen verkneifen.
„Weil der Admiral ihr verschlafenes Heck sonst von hier bis zurück nach D.C. treten wird. Im Ernst, Harm, er meinte, es gäbe Probleme..." In Gedanken dachte sie schon einmal nach, wie lange das Bett wohl trocknen müsste, sollte sie ihn mit einem Eimer kaltem Wasser aus den Federn holen müssen. Zu ihrer Verwunderung erhob sich der Anwalt neben ihr jedoch aus dem Bett, sah sich mit seinem halboffenen Augen einmal kurz im Zimmer um und verschwand dann im Badezimmer.
Als in dem Raum die Dusche zu hören war, folgte sie ihm. Auch sie musste fertig werden, und so, wie sich der Admiral angehört hatte, besser gestern als heute.
Mit einem Lächeln im Gesicht bemerkte sie, dass ihr Partner sein Kopfkissen im Waschbecken deponiert hatte, während er duschte.
Harm Rabb stand währenddessen mehr schlafend als wach unter dem warmen Wasserstrahl und bereitete sich schon einmal seelisch darauf vor, in einigen Sekunden das Wasser auf kalt zu stellen, als ihn die Geräusche einer Zahnbürste weckten. Und zwar wirklich weckten. Sein Kopf schoss hinter dem Duschvorhang hervor und er musste wirklich seine Partnerin sehen, die sich die Zähne putzte...
„Äh... Cara... Commander McLachlan... Cara!" stotterte er hinter seiner dünnen Barriere und erhielt einen amüsiert-fragenden Blick von seiner Partnerin.
„Keine Panik, Harm, ich habe meinen Röntgenblick zu Hause gelassen. Bis sie zu Ende geduscht haben, bin ich hier fertig, und werde draußen auf meine Dusche warten... und jetzt beeilen sie sich bitte mit dem Planschen, der Admiral schien es nämlich eilig zu haben!"
Harm's Kopf verschwand ohne weiteren Kommentar wieder hinter dem Vorhang. Ohne weiter zu zögern drehte er das kalte Wasser auf.
Hatte sie nicht gestern dieses T-Shirt von der Nimitz angehabt?
Wann war sie dazu übergegangen, in diesem Bustier zu schlafen!
0330 ZULU
Stützpunkt des USMCBagdad, Irak
„Das ist inakzeptabel!"
Seit gut einer halben Stunde mussten sie nun schon dem örtlichen Polizeichef zuhören, wie er vor sich hin wütete. Dem älteren Mann passte es gar nicht, dass die Straße, auf der die Schießerei stattgefunden hatte seit mittlerweile fünf Tagen gesperrt war, und es auch noch so lange bleiben würde, bis sich die JAG-Anwälte den Tatort angesehen hatten.
„Sie werden damit leben müssen!" knurrte Admiral Chegwidden und versuchte, nicht auf die verkrüppelte linke Hand seines Gegenübers zu starren.
„Die Tatortbesichtigung steht erst morgen an! Wir werden sicher nicht ohne Begleitschutz da raus gehen!"
Harm beobachtete die Szene nun schon, seit Mustafa Moira in den Vorraum des Poolhauses gestürmt war, irgendetwas auf arabisch vor sich hin schimpfend.
„Sie sperren eine unserer Hauptverkehrsstraßen für fünf Tage, weil ihre Leute nicht auf sich aufpassen können!" tobte der Polizeichef weiter.
„Wir sperren eine unbedeutende Nebenstraße, weil ihre Landleute einen meiner Landsleute erschossen haben!" A.J. begann langsam, seine Geduld zu verlieren.
Wieder fluchte der ältere Mann etwas auf arabisch.
Cara, die neben Harm am Küchentresen stand verzog das Gesicht.
„Was hat er gerade gesagt?" wisperte ihr ihr Partner ins Ohr. Er hatte die Begegnung mit den beiden Marines, die ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen scheinbar etwas ähnliches gesagt haben mussten, schon fast vergessen und erinnerte sich erst jetzt daran, dass sie diese Sprache beherrschte.
„Nichts, was ich in der Öffentlichkeit wiederholen würde. Es sei denn, ich wäre mies gelaunt" flüsterte seine Partnerin lächelnd zurück.
Moira warf den beiden Anwälten am Küchentresen einen bösen Blick zu.
„Und was gedenken sie, dort zu finden?" Für einen Iraker war Moira der englischen Sprache wirklich gut mächtig.
„Ich wüsste nicht, was sie das angeht!" Chegwidden ließ sich auf ein Starr-Duell mit dem Mann ein. Er würde sich sicher nicht von einem besseren Heckenschützen herumkommandieren lassen.
Moira senkte schließlich als erster den Blick.
„Morgen nachmittag wird die Straße wieder geöffnet!" fauchte er und verließ ohne sich zu verabschieden das Poolhaus.
Die vier Anwälte warfen sich verwunderte Blicke zu.
Das war ohnehin vorgesehen gewesen. Warum machte der Kerl so einen Aufstand?
Harm straffte sich schließlich und meinte: „ Jetzt, da wir schon mal wach sind, können wir auch frühstücken, und dann nochmal Sergeant Auberon befragen..."
Der Sergeant schien nicht gerade davon begeistert zu sein, dass man ihn schon wieder in den Konferenzraum bat, wo dieses Mal nicht nur hochgewachsene Commander, sondern vier Anwälte Fragen stellten und er Antworten gab, die er nun schon zum mindestens vierten Mal wiederholte.
„Warum sind sie eigentlich diese Route gefahren, Sergeant?" Cara sah sich zum wiederholten Mal die Straßenkarte an und konnte nicht anders, als denjenigen, der die Route geplant hatte für einen Vollidioten zu halten. Wer zur Hölle fuhr durch diese unüberschaubaren, engen, verwinkelten Gassen eine Patrouille?
„Das steht alles in dem Bericht, Ma'am!" kam die gelangweilte Antwort.
„Ich würde die Antwort aber gerne von ihnen hören."
Die drei Männer hielten sich aus der Befragung heraus. Harm, weil er wusste, dass seine Partnerin manchmal Eingebungen hatte wie damals, als sie ohne zu Zögern die sieben Frauen, die an dem Wicca-Fall beteiligt waren aufgerufen hatte.
Chegwidden wusste ohnehin, dass Cara gerade auf einer Spur war und würde es nicht wagen, sie zu unterbrechen. Bud hingegen fand es faszinierend, die Anwältin arbeiten zu sehen. Bisher hatte er noch nicht viel mit ihr zu tun gehabt, aber der Bericht, den er am Morgen über sämtliche Aussagen von ihr bekommen hatte, hatte ihn mehr als neugierig auf die Fähigkeiten seiner Kollegin gemacht.
„Auf der Route, die wir sonst immer nehmen, hat es einen Unfall gegeben. Sie war nicht passierbar."
„Und sie fahren eine Ausweichroute durch ein unkontrollierbares Gebiet?"
Der Sergeant warf ihr einen abschätzigen Blick zu. Was bildete sich diese Frau eigentlich ein? Sie saß zu Hause, in D.C. in einem schönen Büro mit bewaffneten Marines, die jeden Huster von ihr fernhielten, während er sich hier mit lauter Irren und Wahnsinnigen herumschlagen musste, die ihn nicht in ihrem Land haben wollten.
„Wir sind einem Polizeiwagen gefolgt, der uns um die Unfallstelle lotsen sollte. Rein taktisch gesehen..."
Die Anwältin fuhr mit einem wütenden Blick aus ihrem Stuhl hoch. Die drei anderen Anwälte hielten den Atem an.
„Wagen sie es nicht, mir mit Taktik zu kommen, Sergeant! Darin können sie mir nicht das Wasser reichen!"
Während Auberon mit den Augen rollte, pinnte die Anwältin die Straßenkarte an die Magnetwand und schnappte sich einen roten Filzstift. A.J. lehnte sich in seinem Stuhl zurück und verschränkte die Arme. Sie war scheinbar wirklich auf etwas gestoßen, das sie bisher übersehen hatten.
„Hier war der Unfall." Sie malte ein rotes Kreuz auf die breite Hauptverkehrsstraße.
„Hier sind sie angegriffen worden." Ohne lange zu suchen, malte sie ein zweites Kreuz zehn Zentimeter weiter links.
„Das ist eine Quadratmeile unübersichtlicher Straßen, verwinkelter Gassen und Sackgassen. Hier kann jeder verschwinden, der es nur will. Verdammt noch mal, Sergeant, sie hatten eine Straßenkarte!"
Sie malte einen knallroten Strich auf eine Straße, die parallel zur Hauptstraße verlief, und mit ihr über einige Querstraßen verbunden war.
„Rein taktisch gesehen? Das ist taktischer Bullshit, Sergeant! Sie sind ein Marine, verdammt noch mal. Hat man ihnen nicht beigebracht, einen Hinterhalt zu erkennen, wenn einer vor ihnen ist!"
Der Sergeant starrte mit offenem Mund auf die Magnettafel. Die drei Anwälte saßen mit dem gleichen Gesichtsausdruck daneben.
Ihre Kollegin hatte gerade eben die irakische Polizei beschuldigt, etwas mit dem Mord an Benjamin Franklin zu tun zu haben!
„Ich hoffe, sie können auch beweisen, was sie da drinnen gerade behauptet haben, Commander!" forderte A.J. Chegwidden von seiner Anwältin, nachdem sie einen absolut desillusionierten Sergeant Auberon wieder zurück in seinen Dienst entlassen hatten.
„Was gibt es da viel zu beweisen? Es ist doch offensichtlich, dass sie in eine Falle geraten sind. Und meiner Meinung nach steckt da auch mehr dahinter, als einen Mann von der CIA... Verzeihung, vom Verteidigungsministerium loszuwerden." Cara starrte immer noch auf die Straßenkarte. Wie konnte man sich nur so in die Irre führen lassen?
Harm schluckte, und erinnerte sich gleichzeitig, dass er die Aufnahme seines Gesprächs mit dieser Natasha noch an Webb schicken musste.
Natürlich hatte in der Spion mal wieder in eine Situation wie diese bringen müssen. Aber dieses Mal konnte er die Suppe selber auslöffeln und herausfinden, warum Franklin umgebracht worden war. Mit der Aufzeichnung würde Webb dieses Mal auch eine Email erhalten, in der ihm sein Freund Harm erklärte, dass er sich von nun an aus diesem Fall heraushalten würde.
1900 ZULU
Stützpunkt des USMCBagdad, Irak
Als Cara aus dem Badezimmer kam, hatte er gerade eben seine Mail abgeschickt und Webb die Aufnahme gesendet. Hoffentlich artete dieses Mal nicht wieder alles in ein tödliches Abenteuer aus. Das war er Cara schuldig. Er würde es sicher nicht nochmal drauf ankommen lassen. Und diese Partnerin wollte er behalten!
Cara saß mittlerweile im Schneidersitz auf dem Bett und sah ihm dabei zu, wie er sein Notebook herunterfuhr und es zusammenklappte.
„Harm."
Der Anwalt drehte sich auf dem Stuhl, auf dem er saß herum, und fand sich in einem ernsten Blick gefangen.
„Ja?"
„Was haben sie gestern abend wirklich gemacht?" Cara schob es wieder einmal auf ihre saiyajin'sche Paranoia, dass ihr dieser Bar-Besuch spanisch vorkam. Harm erhob sich von seinem Stuhl und fuhr sich mit der Hand durch die Haare.
Wenigstens zupfte er nicht an seinem Ohrläppchen, wie er es sonst immer machte, wenn er versuchte, sie anzulügen oder er sich in einer Situation nicht wohl fühlte. Dass er gerade eben seine Geschichte in Windeseile verharmloste, und das wichtigste wegließ konnte sie nicht wissen.
„Ich war in der Bar ‚Flying Carpet' hier in der Nähe. Ich hab ein paar Bier getrunken und mich mit einer Frau unterhalten, die oberflächlicher war als meine letzte Freundin..."
Weshalb er jetzt Renee ins Spiel brachte, war ihm allerdings nicht ganz klar. Zumal Cara die Frau und ihre Spleens ja gar nicht kennen konnte.
Von seiner Partnerin erhielt er nur ein nicht ganz überzeugtes „Hm..."
„Machen sie sich keine Sorgen um mich, Cara. Ich bin schon ein großer Sailor", meinte er mit einem breiten Lächeln und kletterte ebenfalls ins Bett. Wo sie schon einmal beim sich Sorgen machen waren, konnte er sie genauso gut auf gestern und den Telefonanruf, den sie bekommen hatte ansprechen. Und wenn er damit nur das Thema wechselte. Und genau das machte er auch.
„Wo wir schon beim uns Sorgen machen sind: Ich wollte sie gestern noch fragen, was es mit dem Telefonanruf auf sich hatte. Sie sahen nicht gerade glücklich aus hinterher. Ich wollte sie nachher darauf ansprechen, aber wir hatten noch so viel zu tun und dann musste ich weg..."
Cara legte wie so oft, wenn sie nicht ganz verstand, worauf er hinauswollte den Kopf schief.
„Sie waren so still hinterher, und dafür, dass sie vorher einen Bärenhunger hatten, haben sie nicht sonderlich viel gegessen. Also…", fuhr Harm fort. Warum hatte sie wieder dieses Bustier an? Das Ding bracht ihn irgendwie aus der Fassung.
„Also, wenn sie reden wollen..."
Cara schlüpfte ebenfalls unter ihre Decke und löschte das Deckenlicht.
Mit den Nachttischlampen als einzige Lichtquelle sah Harm seiner Partnerin dabei zu, wie sie ihre Arme hinter ihrem Kopf verschränkte und an die Zimmerdecke sah.
„Wenn ich es ihnen erzähle, werden sie mich für ein herzloses Monster halten. Außerdem hat es der Admiral schon geschafft, mich wieder aufzumuntern." Ein Lächeln spielte um ihre Lippen, als sie an den Vorschlag ihres Onkels Harm betreffend dachte.
„Der Admiral?" Sie hatte mit A.J. gesprochen? Niemand ging mit seinen persönlichen Problemen zu A.J. Chegwidden!
Cara drehte sich zu ihm herum und sah ihn lachend an.
„Sie sind nicht der einzige halbwegs sensible Mann, Harmon Rabb!"
„Das schmerzt", beschwerte er sich lachend und drehte sich ebenfalls auf die Seite.
„Was, das halbwegs, das sensibel, oder dass sie nicht der Einzige sind?"
„Sie wissen, dass sie mit allem zu mir kommen können, ja? Auch wenn ich gestern nicht da war", meinte er nun ernst.
Cara drehte sich wieder auf den Rücken. Wie hätte er wohl darauf reagiert? A.J. kannte ihre Vorgeschichte immerhin. Harmon Rabb wusste so wenig über sie.
„Außerdem: Es gibt sicher nichts, das mich dazu veranlassen könnte, in ihnen ein herzloses Monster zu sehen" fuhr Harm leise fort.
„Meine Schwester ist wieder schwanger und ich bin neidisch. Ich beneide meine eigene große Schwester darum, dass sie vier kleine Kinder hat, und einen Mann und dass sie in ein paar Monaten aussieht wie ein Walross, und frage mich: warum sie und nicht ich! Und jetzt sagen sie mir noch mal, dass ich kein selbstsüchtiges Monster bin!" platzte es aus ihr heraus.
Rabb sah sie fassungslos an. Es brauchte schon einiges, um seine Partnerin dazu zu bringen, so unüberlegt zu reden. Sie war nicht gerade der Typ, der seine Gedanken mit anderen teilte.
„Sie sind kein selbstsüchtiges Monster", sagte er schließlich leise.
„Sie sind eine hübsche, junge Frau, die nicht anders denkt als tausende andere Frauen."
Cara sah ihn überrascht an.
„Haben sie und der Admiral sich abgesprochen?"
„Was?"
„Er hat mir fast das gleiche geantwortet."
„Das beweist wohl in der Tat, dass ich nicht der einzige sensible Mann bin", lächelte Harm, wurde dann jedoch wieder ernst.
„Darf... darf ich fragen, warum es bei ihnen nicht klappt? Ich meine, ich weiß ja von der Fehlgeburt und..." plötzlich war er sich nicht mehr sicher, was er sagen sollte, und ob er überhaupt das Recht dazu hatte.
„Mein Immunsystem stößt so gut wie jedes befruchtete Ei ab." Dass es das tat, um ihren Kampfstatus aufrecht zu erhalten, musste er ja nicht wissen.
„Kann man es nicht irgendwie ablenken? Haben sie nicht irgendeine Allergie?"
Als Cara zu lachen begann, machte Harm ein verwundertes Gesicht. Was hatte er denn so Lustiges gesagt?
Cara neben ihm hatte sich mittlerweile verschluckt und hustete mehr, als sie lachte.
Harm klopfte ihr auf den Rücken und wartete, bis sich ihre Atmung wieder normalisierte.
„Okay, was war grade so lustig? Wenn ich was Blödes gesagt habe, möchte ich das wissen."
„Ich musste an etwas denken, das der Admiral zu dem Thema vorgeschlagen hat."
„Und was hat er vorgeschlagen?"
Cara sah ihn wieder mit einem schiefen Grinsen an.
„Nimm Rabb. Früher oder später reagiert jeder auf den Mann allergisch."
Harm sah sie einige Minuten ungläubig an.
„Das... das hat er wirklich gesagt? Oder nehmen sie mich nur auf den Arm?"
„Ich schwöre. Auch wenn er gesagt hat, dass er es unter Eid leugnen würde."
Mit einem Mal setzte ihr Gegenüber ein selbstgefälliges Grinsen auf.
„Sie sollten ihm sagen, dass ich meine Baby-Deals alleine machen kann."
Nun war Cara dran mit ungläubig dreinschauen. Baby-Deals? Sie kannten sich grade mal vier Monate und er redete schon von so etwas? Was meinte er mit Deals? Manchmal verstand sie die Menschen einfach nicht.
„Cara, ich scherze nur!" rief der Anwalt schließlich, als sie ihn weiterhin nur mit offenem Mund anstarrte.
„Was meinen sie mit Baby-Deal?"
Harm überlegte kurz. Aber immerhin hatte sie ihm gerade etwas sehr persönliches erzählt, warum sollte er nicht auch...
„Ich hatte einen Baby-Deal mit Mac – der Frau, die sie Weihnachten kennen gelernt haben. Als klein A.J. geboren wurde, standen wir rührselig vor dem Krankenhaus und haben abgemacht, sollten wir fünf Jahre später solo sein, würden wir uns ein Baby teilen. Ihr Aussehen, mein Verstand, oder anders rum."
Seine Partnerin sah ihn immer noch verständnislos an. Weshalb sollte man sich einfach ein Baby teilen? Es gehörte mehr dazu, als es nur zu produzieren...
Aber vielleicht lagen diese Gedanken auch an ihrem Saiyajin-Erbe. Schließlich waren sie streng monogam, und Kinder passierten eher, als man sie plante...
„Damals haben wir uns auch noch sehr gut verstanden und beide gedacht, aus uns könnte doch noch was werden", fügte Harm etwas wehmütig hinzu.
„Hmmm." Irgendwie begann sie, die Grundidee dieses Deals zu verstehen. Nur, wie IHR dieser Baby-Deal weiterhelfen sollte kapierte sie nicht ganz.
„Naja, sollte ich jemals allergisch auf sie reagieren, Squid, dann lass ich's sie wissen...", meinte sie mit einem Gähnen und schlüpfte ganz unter die Decke.
Harm machte das Licht aus.
Vier Monate, und er dachte schon wieder über diese Art von Deal mit einer Partnerin nach...
„Tun sie das. Gute Nacht, Cara."
„Nacht..." kam es leise von der anderen Bettseite.
Der Ex-Pilot tat sein Bestes, um ein Kichern zu unterdrücken. Wie man von jetzt auf Gleich einschlafen konnte, musste sie ihm noch erklären.
0015 ZULU
Sonntag, 07.03.2004Stützpunkt des USMC
Bagdad, Irak
„Iahh-hu!"
Harm stieß im Finsteren auf eine Person, und stellte fest, dass es der Admiral war, der ebenfalls mit der Waffe im Anschlag aus seinem Zimmer kam. Schließlich gesellte sich auch noch Lieutenant Bud Roberts zu ihnen.
„Haben sie das auch gehört?" flüsterte der Admiral und entsicherte seine Waffe, während sich Rabb langsam als Vorhut auf den Vorraum zubewegte, und die beiden anderen Männer ihm folgten.
„Ja... Commander McLachlan ist nicht in unserem Zimmer..." wisperte Harm zurück und kam sich offensichtlich unbehaglich vor.
„Sir, wenn ihr was passiert ist..." Bud begann sich augenblicklich ebenfalls Sorgen um die junge Anwältin zu machen.
„Bud, der Commander ist wirklich die Letzte, um die sie sich Sorgen machen müssen!" wisperte A.J. und folgte Harm. Dieser hatte eine Person in der dunklen Kochnische des Poolhauses, in dem sie während ihres Aufenthalts im Irak zusammen wohnten ausgemacht.
„Sie da! Stehen bleiben und Hände hoch!" rief er, die Person im Visier. Sie hielt tatsächlich an und hob die Hände.
„Hey, Commander! Soweit ich weiß, ist nachts auf die Toilette gehen in diesem Land erlaubt!" meinte seine Gefangene mit der Stimme seiner Partnerin. Ungläubig suchte der Anwalt nach einem Lichtschalter und knipste die Stehlampe neben sich an. Cara McLachlan stand da, in ihren rosa Boxershorts und dem grauen Bustier, und sah sich drei bewaffneten Navy-Anwälten in Boxershorts gegenüber.
Harm senkte schließlich langsam seine Pistole, während A.J. amüsiert Buds Kinnlade zusah, die beim Anblick Cara's immer weiter gen Fußboden klappte.
„Sie waren das?" Harm konnte immer noch nicht fassen, dass hier kein Attentäter mitten im Raum stand
„Ja... ich musste grade feststellen, warum es nicht so toll ist, sich die Wohnung mit drei Stehpinklern zu teilen."
Der Admiral und Bud setzten schließlich amüsiert-verständnisvolle Blicke auf, während Harm eher absolut ahnungslos dreinschaute.
„Irgend jemand von ihnen hat die Klobrille oben gelassen! Ich bin in die Schüssel gefallen!" erklärte sie schließlich.
„Oh."
„Warum zum Teufel rennen sie mitten in der Nacht im Dunklen auf die Toilette? War der Lichtschalter kaputt?" A.J. sah sehr wohl, dass die beiden jüngeren Männer gerade an alles andere dachten, als an Klobrillen.
„Glauben sie, ich habe Lust, von einem dieser Heckenschützen da draußen erschossen zu werden? Mein Kevlaranzug liegt immer noch ganz unten im Koffer, und ich hatte wirklich keine Zeit, ihn anzuziehen... Ganz zu schweigen davon, dass ich keine Lust habe, im Sabber von hundert Marines zu ertrinken!"
„Das da draußen sind Polizisten, die auf uns aufpassen sollen, Cara", meinte Harm, und fragte sich gleichzeitig insgeheim, weshalb seine Partnerin keinerlei Anzeichen zeigte, dass sie sich unwohl fühlte, jetzt, wo sie alle in ihrer Unterwäsche sehen konnten. Nicht, dass er sich über die Aussicht beschweren würde.
„Und was glauben sie, was die Hälfte von denen war, bevor die Polizei hier gegründet wurde? Osterhasen?" Cara leerte die Colaflasche, die sie sich gerade aus dem Kühlschrank genommen hatte mit einem Zug und wanderte an den verdutzen Männern vorbei zurück in ihr Schlafzimmer.
„Gute Nacht!" Männer neigten doch stets und ständig zur Übertreibung.
„Woher weiß sie, dass wir alle drei Stehpinkler sind?" fragte Harm inzwischen leise die beiden anderen Männer. Bud und A.J. warfen sich einen amüsierten Blick zu. Frauenschwarm hin oder her – in machen Sachen war der Commander trotz der Erfahrung, die er mit dem anderen Geschlecht haben mochte wirklich ahnungslos.
„Frauensache, Commander", meinte Bud schließlich und wanderte ohne weitere Erklärung in sein Schlafzimmer.
„Ich dachte immer, es hängt damit zusammen, dass man ein Alpha-Männchen ist", grinste A.J. und ließ einen verwirrten Harmon Rabb im Flur zurück.
„Ich glaube eher, sie hat es gesagt, weil sie nicht weiß, wer als letzter auf der Toilette war, und so uns alle drei beschuldigen konnte", grübelte er schließlich leise vor sich hin, bevor er seine Waffe sicherte und wieder in sein Schlafzimmer zurückging.
Same time
Irgendwo in BagdadDas Klopfen an ihrer Tür riss sie aus dem Schlaf. Schlaftrunken wanderte Natasha an ihre Haustüre und sah erst einmal durch das kleine Fenster daneben, um zu sehen, wer um diese gottlose Zeit bei ihr auftauchte.
Schließlich öffnete sie die Tür und eine dunkel vermummte Gestalt kam herein.
„Du sollst doch nicht hier her kommen. Was, wenn dich jemand gesehen hat?"
Der Vermummte sagte nichts, sondern warf ein paar Fotos auf den wackeligen Tisch, der in der Mitte des Raumes stand.
„Ich dachte immer, ich hätte keinen Dummkopf aufgezogen! Aber du bist schon blöd genug, um dein gesamtes Geld auf Pferde und Hunde zu setzen, und dafür in diesem Dreckloch zu hausen!"
Natasha machte ein paar Schritte auf den Tisch zu und sah sich die Bilder an. Einer der Männer darauf kam ihr sehr bekannt vor.
„Das ist Daniel. Na und? Ich habe ihn vorgestern in einer Bar kennen gelernt."
„Dieser Mann heißt Harmon Rabb und arbeitet für die US Navy. Denkst du wirklich, ein Mann wie er würde sich für dich interessieren, zumal er scheinbar jede Nacht diese Frau in seinem Bett hat?"
Der Vermummte deutete auf eines der Bilder, auf dem der Mann der Frau etwas ins Ohr flüsterte und sie dabei lächelte.
Natasha knirschte mit den Zähnen. Die Frau war hübsch, lange pechschwarze Haare, grüne Augen, fein geschwungene Lippen, zierliche Statur. Nicht wie sie. Sie war immer eher kantig und etwas zu grob gebaut gewesen...
„Und? Vielleicht wollte er in der Bar nur seinen Spaß haben?"
„Indem er sich als Fotograph ausgibt und dich über den ‚Unfall' des CIA-Agenten ausfragt?"
„Woher weißt du das!"
„Glaubst du, ich lasse dich alleine irgendwo hin gehen, wo du dich betrinken und Blödsinn machen kannst?" Eine verkrüppelte Hand fegte alle Bilder bis auf das des Navy-Anwalts und der Frau vom Tisch.
„Wir müssen dieses Flug-Kontrollsystem verkaufen, und der Mann, der es haben will ist nicht gerade für seine Geduld und Freundlichkeit bekannt. Ich warne dich: Verpatz das ja nicht!" knurrte der vermummte Mann.
Natasha starrte weiterhin auf das Bild.
Was wollte ein Mann wie er mit ihr, wenn er so etwas wie sie haben konnte.
„Keine Sorge. Ich werde mich um ihn kümmern... er hat ohnehin nichts wichtiges erfahren." Soweit sie sich erinnern konnte. Er war gute Gesellschaft gewesen. Sie hatte mehr als sonst getrunken.
„Damit habe ich schon gerechnet. Drei Autos. Seid morgen gegen halb zehn an der Stelle, an der ihr den anderen CIA-Agenten ausschalten konntet. Und vermassle es ja nicht!" knurrte die vermummte Gestalt erneut.
Als er ihr Haus wieder verlassen hatte, wandte sich die Frau mit den schlecht gefärbten blonden Haaren erneut den Fotos zu.
Er hatte sie so nett behandelt. Er hatte sie angelächelt und sich mit ihr über alles Mögliche unterhalten. Hatte sogar etwas für Hundewetten übrig gehabt.
Das war alles gelogen!
„Das wirst du büßen, Harmon Rabb!"
Niemand sprang auf diese Weise mit Natasha Moira um.
