Location unknown

Sie waren im Freien nur ein paar Schritte weit gekommen, als schon wieder Schüsse neben ihnen einschlugen. Sie rannten zurück in die Deckung des Einganges.

Harm sah sich in der Gegend um und entdeckte den Hubschrauber, mit dem die Waffenkisten scheinbar transportiert worden waren, und der nun verlassen ein paar hundert Meter weiter entfernt stand.

Mit ein bisschen Glück kriegte er ihn vom Boden hoch und sie konnten fliehen... auch wenn er das noch nie gemacht hatte. Es konnte doch nicht so schwer sein, immerhin war er eine F-14 gewohnt, und die Dinger waren alles andere als leicht zu fliegen.

Auch Cara hatte den Helikopter entdeckt und schnell einige Entscheidungen getroffen. Harm packte seine Waffe fester, als sie ihm einen Blick zuwarf. Auch der CIA-Agent machte sich bereit, auf die Schützen, die sich auf dem Dach versteckten zu feuern.

Die Schüsse um sie herum hörten kurzzeitig auf.

Die Saiyajin sprang auf und schubste Harm vor sich her ins Freie.

„Bewegung!"

Die drei sprinteten in Richtung Hubschrauber, während sie gleichzeitig in Richtung Dach feuerten. Harm ging neben dem Hubschrauber in Deckung. Kugeln bohrten sich vor ihnen in den Boden und Sand spritzte hoch.

Erst jetzt bemerkten die beiden Anwälte, das Clay fehlte.

Er musste gestolpert sein, oder eine Kugel hatte ihn getroffen. Jedenfalls humpelte er so schnell es ging zurück zum Eingang.

„Na großartig." Cara knirschte mit den Zähnen und streckte wieder einen Arm gerade vor sich aus, die Handfläche auf das Haus gerichtet. Die Erde um sie herum begann zu beben, ihre Füße in den schweren Stiefeln sanken einige Zentimeter in den nachgebenden Untergrund. Ein Donnern erschütterte die Luft.

Das einzige, was Harm aus seiner Position zu sehen bekam war ein weiterer gleißend heller Strahl, der knapp über das Dach hinwegfegte.

Die Schützen hörten augenblicklich auf zu feuern.

Clay hingegen dachte, ein Zug würde ihn überrollen, als Rabb's Partnerin gegen ihn krachte und ihn unter den Armen packte, sich von der Steinmauer abstieß und mit sich in Richtung Hubschrauber riss. Unsanft beförderte sie den CIA-Agenten hinter die Pilotensitze auf die Ladefläche und stöhnte leise, als sie sich wieder aufrichtete. Der Kevlaranzug mochte kugelsicher sein. Das hieß aber noch lange nicht, dass es nicht weh tat, wenn man getroffen wurde.

Wieder schlugen Kugeln um sie herum ein. Harm drückte sich noch enger an den Helikopter, Clay ging im Innenraum in Deckung, und versuchte gleichzeitig, wieder zu Atem zu kommen.

„Mir reicht's jetzt!"

Cara stand vor dem Fluggerät, ungeachtet der Kugeln, die um sie herum den Sand aufwirbelten. Eine Patrone zischte an ihrem Ohr vorbei und hinterließ ein feines Spinnwebenmuster in der Frontscheibe des Hubschraubers.

Ein Erdstoß brachte Rabb ins Wanken. Wieder grollte Donner direkt über ihnen. Die Luft begann sich wieder statisch aufzuladen, kleine gelbe Blitze zuckten um den Körper seiner Partnerin.

Diese stemmte gerade in Schrittstellung ihre Beine in den Boden, beide Arme vor sich gestreckt. Die Handgelenke berührten sich mit einem elektrischen Knistern, als sie ihre Handflächen erneut auf das Haus richtete.

Eine Kugel prallte von ihrer Schulterpanzerung ab und bohrte sich neben ihr in den Sand.

„Cara!" Harm sah kurz aus seiner Deckung hervor und versuchte, nach ihr zu greifen. Sie würde noch erschossen, wenn sie weiter Freiheitsstatue spielte.

Eine Druckwelle schob ihn nach hinten. Ein weiteres Mal bebte unter ihren Füßen die Erde, donnerte es über ihnen.

Der Anwalt musste sich am Hubschrauber festhalten, wollte er nicht umgeworfen werden. Sein Gewehr hatte er fallen lassen. Aber so, wie gerade eben sein ganzer Körper zitterte, hätte er ohnehin nichts getroffen.

Seine Partnerin war von einer goldenen Aura eingehüllt, blonde Haare flogen um ihren Kopf. Zwischen ihren beiden Händen bildete sich eine dieser Energiekugeln.

Er konnte hören, wie sie mit den Zähnen knirschte und sich dagegen stemmte. Trotzdem rutschten ihre Beine ein paar Zentimeter nach hinten.

Schließlich schoss sie das Gebilde mit einem Schrei ab.

Harm und Clay sahen beide mit offenem Mund zu, wie das Geschoss unaufhaltsam auf das Gebäude zuraste.

Für Cara hingegen war der Fall erledigt. Als das Haus explodierte und die beiden Männer wieder in Deckung gingen, hatte sie sich umgedreht und marschierte seelenruhig auf eine der Türen des Hubschraubers zu.

Rabb beobachtete geschockt, wie sich die blonden Haare wieder schwarz färbten, bevor sie sich die Schweißperlen von der Stirn wischte und den Helm, den sie zur Kommunikation in dem Fluggerät brauchen würde aufsetzte.

Als sie ihm den zweiten reichte, merkte Harm erneut, wie sehr seine sonst so ruhigen Hände zitterten.

„Ich kann ihn jetzt auf keinen Fall fliegen", rief er gegen den Lärm, den die Explosion verursacht hatte an und erhielt einen der seltsamen Blicke seiner Partnerin.

„Ich habe ihnen schon damals in ihrem Schlafzimmer gesagt, dass ich nicht zu den Fußtruppen gehöre, Harm", rief sie mit einem ernsten Gesichtsausdruck zurück.

Was immer das auch bedeuten mochte, Harm war froh, dass er sich auf den Copilotensessel fallen lassen konnte. Cara neben ihm brachte den Hubschrauber mit geübt aussehenden Bewegungen auf Touren und hob schließlich butterweich ab.

„Das stand nicht in ihrer Akte", meinte er mehr zu sich selbst als zu den anderen. Clay hinter ihnen schien sich trotzdem angesprochen zu fühlen.

„Ich glaube, in der Akte steht eine Menge nicht drin..."

Cara sagte nichts, sondern konzentrierte sich darauf, den Hubschrauber zurück zum Stützpunkt zu bringen. Es war ohnehin nicht weit, und trotzdem wünschte sie sich mit einem Mal, der Weg würde länger dauern als 10 bis 15 Minuten.

Sie hatte eine Menge zu erklären... und keine Ahnung, wie sie das anstellen sollte.

1935 ZULU

Stützpunkt des USMC

Bagdad, Irak

Mustafa Moira sah erstaunt auf, als er den Hubschrauber hörte. Er war nah, würde vielleicht sogar direkt vor dem Poolhaus heruntergehen.

„Aufstehen!" Mit einem Wink seiner Waffe bedeutete er Chegwidden, sich von dem Sofa zu erheben. Dann schob der Polizeichef den Admiral vor sich her durch die Eingangstür. Tatsächlich landete gerade ein Helikopter innerhalb der Befestigung des Stützpunktes, nicht weit von dem ehemaligen Poolhaus entfernt. Moira legte den Kopf schief. Der Hubschrauber sah fast so aus wie der, den sie für ihre Waffentransporte benutzten. Noch erstaunter blickte er drein, als er Harmon Rabb im Cockpit erkannte, ein unbekannter Mann saß hinten auf der Ladefläche.

Als der Helikopter aufsetzte, kamen vom Haupthaus Marines gelaufen, ein Arzt darunter.

Mustafa Moira hob seine Pistole an den Kopf seiner Geisel.

„Wie verdammt noch mal haben sie herausgefunden, wo er ist?"

A.J. biss sich auf die Lippen und warf einen hilfesuchenden Blick auf das Cockpit. Harm hatte bemerkt, was los war und stieg langsam aus. Auch Webb ließ sich langsam aus dem Hubschrauber gleiten und verzog das Gesicht, als er auf seinem verletzten Bein landete.

Die Marines waren noch ein gutes Stück entfernt, kamen aber beständig näher.

Moira stieß seine Geisel vorwärts und fragte noch einmal: „Wie verflucht haben sie es rausgefunden!"

„Ihre Leute plaudern sehr gerne, vor allem, wenn man ihnen die Finger bricht...", ertönte eine sanfte Frauenstimme hinter ihm.

Erschrocken fuhr der Iraker herum, sah aber niemanden hinter sich stehen.

Wurde er jetzt auch noch verrückt?

Eine Sekunde später war er seine Waffe los, sah aber wieder niemanden dort stehen, wo er angenommen hatte, dass sich die Person befand.

„Aber der Fahrer ist tot! Verdammt noch mal, ich habe dafür gesorgt, dass er nicht reden KANN!" brüllte er und drehte sich wieder um die eigene Achse.

„Ich habe ihr kleines Waffenschiebergeschäft trotzdem beendet", ertönte es wieder leise von der Seite, auf die er gerade nicht aufpasste. Als er dieses Mal herumfuhr stand dort die junge Anwältin.

Moira vergaß den Admiral, der immer noch neben ihm stand und ging auf die junge Frau los. Er mochte zwar keine Waffe mehr haben, aber einer Frau war er allemal noch überlegen. Er würde hier lebend herauskommen.

Sie entging seinem Griff durch einen einfachen Schritt auf die Seite. Der alte Mann wusste anschließend nicht, was ihn getroffen hatte, als er sich auf dem Rücken liegend auf dem Boden wiederfand.

Alles, was er sah, war die wütende Frau, die nun auf ihn losging.

Die Marines, die mittlerweile in der Szene angelangt waren trauten jedoch ihren Augen auch nicht. Der Admiral höchstpersönlich rettete den Iraker vor dem Zorn der Frau, brutaler als nötig, wie die meisten fanden. Seine rechte Faust krachte schmerzhaft in die nicht von Panzerplatten geschützte Seite der Saiyajin, bevor seine linke ihr Kinn traf.

Cara stand schließlich vornüber gebeugt da und hielt sich die Rippen, während sie ihrem CO einen erstaunten Blick zuwarf. Eine Zeit lang starrten die beiden einander still in die Augen.

Dann richtete sich die Anwältin auf und ging ohne ein Wort in das Poolhaus.

A.J. warf einen Blick auf den immer noch am Boden liegenden Iraker.

„Festnehmen!" meinte er schließlich zu den Marines, die immer noch etwas unschlüssig herumstanden.

Der Arzt kümmerte sich um Webb, der wie es schien einen Streifschuss abgekriegt hatte.

Harm ging langsam auf seinen Vorgesetzten zu.

A.J. empfing ihn mit einem Lächeln, das schnell erstarb, als er den Gesichtsausdruck seines Senioranwaltes sah. Von seinem derangierten Äußeren mal abgesehen schien ihm nicht viel zu fehlen, wenn man nach seinen Bewegungen urteilte.

Harm war leichenblass im Gesicht und hatte die Hände neben seinem Körper zu Fäusten geballt.

„Ist alles in Ordnung, Harm?"

Der sonst so toughe Jet-Jockey schüttelte nur langsam mit dem Kopf und ging an seinem CO vorbei hinein ins Poolhaus.

A.J. folgte ihm seufzend. Es bestand offensichtlich jede Menge Erklärungsbedarf. Cara hatte sich wohl nicht gerade von ihrer besten Seite gezeigt, als sie ihren Partner befreit hatte.

Als A.J. das Poolhaus betrat und über einen der Stiefel von Cara stolperte, stand sein Anwalt stocksteif vor der Tür zu dem Zimmer, in dem er die letzten paar Tage geschlafen hatte. Im Inneren war die Dusche zu hören. Als Harm in die Knie ging, dachte der Admiral erst, ihm würde doch etwas fehlen. Dann jedoch sah er, dass der jüngere Mann etwas schwarzes vom Boden hochhob.

Harm ließ seine Finger über Einschläge und Kratzer auf der Panzerung gleiten. Warum war ihm nicht gleich am Anfang aufgefallen, wie benutzt dieser Anzug aussah?

Mit dem Kampfanzug in der Hand drehte er sich zu seinem CO um.

„Sie haben es gewusst."

A.J. lief die restliche Strecke auf seinen Senioranwalt zu und manövrierte ihn auf das Sofa. Ohne einen Widerstand ließ sich Harm auf die Couch drücken. Auf dem Tisch standen immer noch die beiden Teetassen, aus denen der Admiral und der nun ehemalige Polizeichef getrunken hatten.

„Sie haben es gewusst", wiederholte Harm, die Augen starr auf das Kleidungsstück auf seinem Schoß gerichtet.

„Was hätte ich denn sagen sollen?" A.J. ließ sich neben ihm nieder.

„Ach, ganz nebenbei, Commander, ihre Partnerin ist eine Saiyajin?"

Harm sah nun endlich hoch, und seinem Vorgesetzten fragend in die Augen.

„Saiya...?"

A.J. seufzte. Scheinbar hatte sich Cara nicht die Mühe gemacht, irgend etwas zu erklären. Harm krallte seine Finger in den Kevlarstoff und sah wieder auf seine Füße.

„Sie hat die Menschen in dem Haus umgebracht, ohne mit der Wimper zu zucken. Es schien ihr sogar Spaß zu machen...", flüsterte der jüngere Mann neben ihm.

„Harm." A.J. legte ihm eine Hand auf den Unterarm, doch sein Gegenüber reagierte gar nicht.

„Sie hat das Haus in die Luft gesprengt. Einfach die Hand ausgestreckt und Boom..."

Der Anwalt stützte seine Ellbogen auf seine Knie und legte seinen Kopf in seine Hände.

„Sie hat mir und Webb das Leben gerettet... und alles, was ich tun kann, ist an ihren Gesichtsausdruck denken, als sie auf einmal hinter dem Mann stand, der auf sie schießen wollte..."

A.J. nahm seine Hand wieder weg. Er wusste nicht, was vorgefallen war, konnte sich jedoch die Reaktionen der Saiyajin bildhaft vorstellen. Anfangs hatte sie sich wahrscheinlich zurückgehalten, um Rabb und Webb nicht zu erschrecken. Und dann hatte sie jemand wirklich sauer gemacht.

„Harm..."

„Wie soll ich jemals wieder mit ihr arbeiten können? Ein falsches Wort, und..."

„Rabb, wenn sie sie bisher nicht umgebracht hat, wird sie das auch in Zukunft nicht tun!" bellte Chegwidden und bekam so endlich eine Reaktion aus dem geschockten Mann heraus. Er starrte ihn mit seinen blauen Augen ungläubig an.

„Woher wollen sie das so genau wissen?"

Harm lehnte sich auf der Couch zurück und starrte auf die geschlossene Eingangstür. Draußen hörte man immer noch die Marines herumschreien, was immer sie auch gerade da draußen machten. A.J. nahm die selbe Haltung ein und dachte darüber nach, wie viel er seinem Anwalt erzählen sollte.

„Weil ich sie seit ihrer Geburt kenne. Cara musste immer kämpfen, von Beginn an. Ihre Eltern begannen gerade, sich in einer Welt wieder zurechtgefunden, in der sie nicht für ihre Herkunft gehasst wurden und man ihre Kinder verfolgte. Es liegt einfach in ihrer Natur, Hindernisse aus dem Weg zu räumen."

„Sie hätte trotzdem nicht das Gebäude in die Luft jagen müssen... es waren sicher nicht nur die Leute, die auf uns gefeuert haben darin", schluckte Harm.

„Vor ein paar Jahren hätte sie das vielleicht auch nicht getan", meinte A.J. eher zu sich als zu dem jüngeren Mann neben sich.

Sie konnten hören, wie die Dusche in Harm's und Cara's Badezimmer abgestellt wurde.

Harm umklammerte immer noch den Kampfanzug und starrte auf die Tür. A.J. erhob sich von dem Sofa und warf seinem Senioranwalt einen prüfenden Blick zu.

„Brauchen sie ärztliche Hilfe, oder reicht eine Nacht Schlaf?"

Harm hob langsam seinen Kopf. Der Schnitt war eigentlich nur ein Kratzer, und seine Kopfschmerzen konnten ein paar Aspirin aus seiner Reiseapotheke lindern.

Trotzdem lag sein Blick länger als nötig auf der Tür zu seinem Schlafzimmer.

„Reden sie mit ihr, Harm!"

Etwas anderes konnte ihm A.J. nicht raten. Manchmal verfluchte er seinen Job. Und Rabb's verfluchtes Pech, immer zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein.

Er ließ den jüngeren Mann auf der Couch sitzen und ging in sein Schlafzimmer. Es galt, herauszufinden, was es mit diesem Waffenschmuggel auf sich hatte, und wer nun wirklich für Benjamin Franklins Tod verantwortlich war.