Rabb kämpfte noch einige Minuten mit sich selbst, ob er ihr wirklich schon gegenübertreten konnte. Andererseits schuldete er ihr ein ‚Danke'. Und der Teufel sollte ihn holen, wenn er so etwas wie Mac in Paraguay abzog. Er war ihr dankbar, dass sie sein Heck gerettet hatte. Nur die Art und Weise gefiel ihm ganz und gar nicht.

Schließlich nahm er all seinen noch vorhandenen Mut zusammen und drückte die Klinke nach unten.

Cara trat gerade aus dem Badezimmer und hielt augenblicklich inne, als sie ihren Partner erblickte.

„Hey", meinte sie leise und schenkte ihm ein unsicheres Lächeln. Harms Blick verweilte an ihrem Unterkiefer, wo sich langsam eine blau-violette Färbung einstellte. Cara bemerkte seinen Blick und fuhr sich selbst mit der Hand über ihre Wange.

„Hey", machte auch er nun leise. Er trat ganz in den Raum und schloss vorsichtig die Tür hinter sich. Eine unangenehme Stille entstand zwischen den beiden. Harm ließ seinen Blick weiter wandern. Sie hatte wieder das übergroße Shirt mit der Aufschrift der Nimitz an, dieses Mal jedoch ohne Boxershorts. Auf ihrem rechten Oberschenkel, nicht weit von der kreisrunden Narbe, die er früher schon bemerkt hatte breitete sich ein runder blauer Fleck aus.

„Besser, als durchlöchert zu werden", meinte sie, als sie bemerkte, worauf er sah. Sie hatte einen ähnlichen Fleck auf der Hüfte, weswegen sie ihre Shorts nicht anziehen konnte. Der Bund drückte darauf. Aber Blutergüsse verschwanden wieder.

Harm nickte.

„Cara..." Er wusste nicht, wie er überhaupt anfangen sollte, mit ihr darüber zu reden...

„Cara... Ich..."

Sie machte einen Schritt auf ihn zu und bemerkte bestürzt, dass er vor ihr zurückwich.

„Wollen sie nicht erst einmal die Klamotten loswerden und duschen? Hinterher können wir reden."

Er hat doch keine Angst vor mir...?

Harm nickte erneut, bewegte jedoch keinen einzigen Muskel, um ihren Vorschlag in die Tat umzusetzen.

„Cara... Danke!"

Sie legte ihren Kopf schief und sah ihn beinahe überrascht an. Es war dieser Gesichtsausdruck, der ihn sonst immer zum Schmunzeln brachte, doch gerade war er noch viel zu sehr damit beschäftig, alles, was er in den letzten Stunden erlebt hatte aufzuarbeiten, als dass er großartig darauf reagierte.

„Das war doch selbstverständlich, Harm."

Wieder machte sie einen Schritt auf ihn zu. Harm wich ihr wieder aus, dieses Mal in Richtung Badezimmer.

„Ich... bis gleich!" Mit einem kurzen, verlegenen Lächeln schloss er die Tür hinter sich.

Cara sah ihm verzweifelt hinterher.

Er hat Angst vor mir...

Als Harm wieder aus dem Badezimmer trat, in seine weißen Boxershorts und sein weißes T-Shirt gekleidet, fand er den Raum dunkel vor.

Cara stand am Fenster und sah in den erleuchteten Hof hinaus.

„Wie viel hat ihnen der Admiral erzählt?" fragte sie, ohne sich zu ihm umzudrehen. Harm setzte sich auf seine Seite des Bettes, froh, ein weiches Kissen unter seinem Kopf zu haben und endlich die Beine hochlegen zu können.

„Eigentlich gar nichts. Er sagte, sie wären eine Saijin, hat aber nicht erklärt, was das ist" stellte er fest und warf einen erwartungsvollen Blick auf die Figur, die immer noch bewegungslos im Dunklen vor dem Fenster stand.

„Saiyajin", korrigierte sie ihn lächelnd.

„Saiyajin", wiederholte Harm folgsam, aber kein bisschen klüger.

Dann herrschte wieder Stille zwischen ihnen. Harm wusste nicht, was er fragen sollte, und Cara hatte keine Ahnung, wie sie beginnen sollte.

„Mein Vater, meine Mutter und mein Onkel waren die letzten Überlebenden unserer Rasse. Vor vielen Jahren hat ein wirklich irrer Typ namens Freezer ihren Planeten in die Luft gejagt..."

Cara stützte sich auf dem Fensterbrett auf und starrte auf die Flutlichter, die die Nacht erhellten. Harm hinter ihr rutschte tiefer in die Kissen, schien ihr jedoch aufmerksam zuzuhören.

Sollte sie ihm auch die unschönen Tatsachen erzählen? Dass sich die überlebenden Saiyajins bis aufs Blut bekämpft hatten, bevor eine größere Aufgabe von ihnen verlangte, zusammen zu arbeiten? Sie hatte ihm heute schon zur Genüge gezeigt, welch unliebsame Gesellschaft sie sein konnte.

„Meine Mutter und mein Onkel landeten als Säuglinge hier auf der Erde. Mein Vater musste für Freezer arbeiten. Das hat er gemacht, bis der Tag der Rache kam, und Freezer getötet wurde..."

Es war alles viel zu kompliziert... allein schon die Tatsache, dass es ihren Vater in zwei Ausführungen gab. Wieder beschloss sie, das meiste einfach auszulassen.

„Wir Saiyajins sind ein Kriegervolk. Wir leben, um zu kämpfen... auch, wenn wir uns offensichtlich ziemlich gut an euch Erdlinge angepasst haben... ihr habt uns weich gemacht", meinte sie mit einem leichten Lächeln.

Harm sagte immer noch nichts. Hätte er nicht gesehen, was sie vor gar nicht allzu langer Zeit getan hatte, hätte er sie aufgrund dieser Geschichte wohl für eine psychologische Untersuchung vorgeschlagen.

„Es ist tausendmal komplizierter als das, was ich ihnen gerade erzählt habe, aber es fasst es ganz gut zusammen..."

Ja. Wenn man Dende und den Palast Gottes, dieses vermaledeite Portal und die andere Welt außer Acht ließ.

„Wie... wie unterscheiden sich Saiyajins und Menschen?"

Seine Stimme hörte sich rauh an. Aber er wäre nie im Leben auf die Idee gekommen, sie wäre etwas anderes als ein Mensch, selbst, wenn sie sich manchmal sehr seltsam verhielt...

„Stärkerer Knochenbau, mehr Muskelsubstanz. Und wir können absolut nicht verlieren", kicherte die Frau am Fenster leise vor sich hin.

„Und diese Energie-Geschichte? Die... die blonden Haare?"

„Oh, einen Ki-Blast kriegt auch ein Mensch hin, mit jahrelanger Übung... was die blonden Haare betrifft: Seien sie froh, dass ich meinen Schwanz nicht mehr habe, und kein Vollmond war..." Wieder kicherte sie leise, während Harm versuchte, abzuwägen, ob sie ihn gerade veräppelte.

Wahrscheinlich... ob nun Alien oder Wehrwolf...

„Das mit den blonden Haaren hat mit einer höheren Energiestufe zu tun", meinte sie schließlich erklärend, drehte sich jedoch immer noch nicht um.

„Fragen sie mich, was sie wirklich wissen wollen", sagte sie statt dessen zu ihrem Spiegelbild in der Fensterscheibe.

Harm warf ihr einen verwunderten Blick zu. Was er wirklich wissen wollte?

„Ich bin keine gefühllose Killermaschine", führte Cara inzwischen leise aus.

Harm sah sie immer noch erstaunt an und erhob sich schließlich von seinem warmen Plätzchen auf dem Bett. Er wollte ihr in die Augen sehen, wenn sie ihm erklärte, weshalb sie dann all diese Menschen ohne zu zögern umgebracht hatte, wenn es auch andere Möglichkeiten gab.

Als er neben ihr stand, setzte sie wieder zum Sprechen an, bevor er seine Frage überhaupt stellen konnte.

„Sie haben mich doch nach der Schusswunde an meinem Bein gefragt."

Trotzdem stand er noch einige Minuten neben ihr, bevor sie überhaupt irgendetwas sagte. Harm starrte ebenfalls aus dem Fenster und wartete.

„Ich weiß nicht, wie ich anfangen soll..." Cara drehte sich zu ihrem Partner herum und sah ihm ernst in die Augen.

„Eigentlich war meine Dienstzeit auf der Enterprise gar nicht so schlimm... wenn man vom Ende absieht. Wir lagen in Norfolk vor Anker, weil mal wieder irgendwas kaputt war, das man nicht so einfach auf hoher See reparieren konnte. Gleichzeitig musste ich die Anschuldigungen einiger Frauen gegen einen Midshipman wegen sexueller Belästigung einiger weiblicher Crewmitglieder untersuchen. Ich hatte nichts gegen ihn in der Hand, eigentlich war er sogar ziemlich sympathisch. Bis ich mich eines Abends mit der neuen Cryptographin an Bord unterhalten habe... sie hat mir nicht gesagt, dass er sie auch angemacht hatte, aber er dachte, nun hätte ich wirklich was gegen ihn in der Hand... er war wohl dieses Mal nicht so vage wie sonst geblieben. Jedenfalls stand er auf einmal mit einer Waffe bei mir im Quartier, droht mir, er würde nicht wegen so einer Lappalie aus der Navy geschmissen werden, dass wir Weiber doch alle unter einer Decke stecken würden."

Sie schluckte. Harm hörte immer noch aufmerksam zu und hatte bisher nichts dazu gesagt. Cara drehte sich wieder zum Fenster und starrte auf die Flutlichter.

„Ich habe versucht, mit ihm zu reden. Verdammt, ich habe mir noch nicht einmal Sorgen gemacht. Sollte er schießen – tja, sollte er doch, er würde schon sehen, was er davon hatte. Allerdings hat er dann geschossen. Daher stammt die Narbe. Der Kerl weiß bis heute nicht, was ihn hinterher getroffen hat..." Verdammt, warum musste sich ihre Stimme so weinerlich anhören? Warum erzählte sie ihm überhaupt diese Geschichte? Nicht, dass sie sich irgendwie vor ihm rechtfertigen musste...

„Ich verstehe nicht, was das mit heute zu tun haben soll." Harm nahm einen Platz neben ihr ein.

„Als ich mich umdrehte... als... die Kugel ging gerade durch und hat die Cryptographin getroffen..."

„Sie fühlen sich schuldig, dass sie auch verletzt wurde, und wollen nicht, dass das noch einmal passiert?"

Cara drehte sich wieder zu ihm und sah ihn mit ihren großen grünen Augen an.

„Die Ärzte haben drei Tage um ihr Leben gekämpft. Am vierten Tag hat man die Maschinen ausgeschaltet und sie endlich sterben lassen. Ihrem Verlobten hat es beinahe das Herz gebrochen. Und ich habe mir geschworen, dass jeder, der eine Waffe auf mich oder einen Menschen, für den ich verantwortlich bin richtet zuerst sterben wird."

Ihr Blick wurde hart. Ihr Partner starrte sie einige Zeit lang nur still an.

„Ich verstehe diesen Krieg nicht", meinte sie schließlich leise. Der Anwalt neben ihr sah sie verwundert an. Hatte sie nicht gerade gesagt, sie würde einem Kriegervolk angehören?

„Keine von beiden Seiten ist ehrlich, und letztendlich wird um einen Rohstoff gekämpft, der in ein paar Jahren verbraucht sein wird. Man kämpft um Land, oder um wichtige Rohstoffe, die man selbst nicht hat. Nicht um etwas, das ausgeht, nicht weil irgendjemand an seltsame Dinge glaubt... Ihr Menschen gebt jede Menge Geld für Krieg aus, das besser in Forschung investiert wäre..."

Harm warf ihr erneut einen erstaunten Blick zu. Nach allem, was er an diesem Tag erlebt hatte, erwartete er ausgerechnet diese Aussage nicht von der Person, die hemmungslos Menschen tötete und Häuser in die Luft sprengte. Sie drehte sich zu ihm um und warf ihm einen fragenden Blick zu. Und wusste gleichzeitig, dass er ihr auch keine Erklärung bieten konnte. Schließlich senkte sie ihre Augen wieder.

„Oh... es blutet wieder", stellte sie leise fest und fuhr mit ihrem Finger leicht unter dem roten Streifen, der sich auf Harm's weißem T-Shirt abbildete entlang. Der Ex-Pilot fing ihre Hand und legt sie flach auf seine Brust. Eine Zeit lang standen sie nur da und fühlten seinen starken Herzschlag. Die Finger seiner anderen Hand tasteten nach dem violetten Hämatom an ihrem Kiefer und strichen leicht über die Haut.

Dann jedoch fiel Harm erneut ein, was diese flache Hand mit dem Haus angestellt hatte, mit den Menschen darin.

Ruckartig ließ er seine Partnerin wieder los.

„Ich kann das jetzt nicht, Cara..."

Sie sah ihn traurig an, nickte dann jedoch.

„Ich weiß... Ich werde mich nicht dafür entschuldigen, was ich heute getan habe, Harm. Die Aufgabe war, sie da heil rauszuholen, nicht ein paar Waffenschieber mit Samthandschuhen anzufassen." Und sie würde es jederzeit wieder machen. Jetzt, wo sie wusste, wie er darauf reagierte vielleicht weniger brutal, aber im Großen und Ganzen ging sein Leben über das dieser Leute.

„Ich verlange auch keine Entschuldigung. Ich... ich muss einfach damit fertig werden, was ich gesehen habe... ich..." Dem sonst so beredeten Anwalt fehlten auf einmal die Worte. Wie konnte er ihr erklären, wie sehr er von ihrem Verhalten abgestoßen, erschrocken und verängstigt war, ohne sie damit zu verärgern, sich selbst wie ein Trottel vorzukommen oder ihr wehzutun?

„Eins müssen sie wissen: Ich würde IHNEN nie etwas tun. Das glauben sie mir doch, oder?"

Harm sah sie mit einem leichten Lächeln an und nickte. Als er sich umdrehte und zum Bett zurück ging verschwand das Lächeln wieder.

Konnte er ihr wirklich glauben?