Festliche Vorbereitungen
„Da bist du doch recht glimpflich davongekommen", sagte Colin, während er seinen Haferschleim löffelte.
Lily hatte das Frühstück genutzt, um ihren Freunden zu erzählen, was gestern Abend geschehen war.
„Glimpflich?", fragte Eric nach und schüttelte nur den Kopf.
Natürlich war sämtlichen Gryffindors auf dem Weg in die Große Halle direkt aufgefallen, dass sie plötzlich über Nacht 50 Punkte weniger hatten und Lily konnte von Glück reden, dass niemand wusste, dass sie allein daran Schuld war.
Nach dem Frühstück hatten Lily, Colin und Eric eine Freistunde, während Emma sich auf zu Kräuterkunde machte und nach der Freistunde trafen sie sich zusammen mit den Slytherins im zweiten Stock für Verteidigung gegen die Dunklen Künste ein.
„Guten Morgen", begrüßte Professor Thomas sie, als er schwungvoll ins Klassenzimmer kam, „Ich hoffe, Sie sind alle ausgeschlafen."
Einige Schüler nickten.
„Gut, dann üben wir heute noch einmal das Duellieren. Holen Sie bitte alle ihren Zauberstab heraus und finden sie sich mit folgenden Partnern zusammen!"
Er tippte einmal mit seinem Zauberstab gegen die Tafel, wo sofort Namenspaare erschienen und Lily fiel auf, dass wieder einmal je ein Gryffindor mit einem Slytherin zusammenarbeiten musste. Zu ihrer Verwunderung musste sie feststellen, dass sie es gar nicht so schlimm getroffen hatte, wie sie es bisher kannte. Sie hatte bereits mit Nott oder Flint gerechnet, doch neben ihrem Namen Lily Potter stand Eileen Zeller.
Normalerweise verspürte Lily bei allen Slytherins eine gewisse Abneigung, die durch ihre Begegnungen mit Ruben Nott, Scorpius Malfoy und John Walker im letzten Jahr nur noch verstärkt worden waren, doch bei Eileen empfand sie anders. Lily mochte sie sogar ein wenig. Im letzten Jahr hatte sie Eileen einmal dabei geholfen, den Expelliarmus zu üben und am Ende der Stunde hatte diese sich bei ihr dafür bedankt, wofür die Arme schließlich von Nott und Flint ziemlich heruntergeputzt worden war und das hatte Lily sehr leid getan. Sie fragte sich überhaupt, wie jemand, der so nett war, nur in Slytherin landen konnte.
Tische und Stühle wurden zur Seite geschoben und sie stellten sich gegenüber ihres Partners auf.
Nun ließ Professor Thomas noch einige Zauber an der Tafel erscheinen, mit denen sie sich gegenseitig beschießen sollten. Er würde währenddessen herumgehen und sie sich ansehen.
„Auf die Plätze, fertig, los!", zählte Professor Thomas herunter und Lily schoss sofort den ersten Zauber auf Eileen ab, die um ein Haar noch auswich, jedoch gleich einen blauen Lichtstrahl zurückfeuerte.
So ging das eine ganze Zeit lang hin und her und Eileen war eine wirklich gute Partnerin, weil sie wendig war. Deshalb schaffte Lily es nur selten, sie zu treffen, und selber musste Lily die ganze Zeit herum hechten, um ja all ihren Flüchen zu entgehen.
„So, kurze Pause!", rief Professor Thomas nach einiger Zeit und viele Schüler setzten sich zum Verschnaufen auf die herumstehenden Tische.
„Nott ist schlecht", grinste Max Fry, als er sich in eine Ecke mit Lily, Colin und Eric setzte.
Lily warf einen Blick hinüber zu Ruben Nott, auf dessen Gesicht sich seltsam Pusteln gebildet hatten. Sie grinste breit.
„Das hat er verdient", lächelte Colin hämisch, „Ich musste mich mit David Spinks duellieren, der ist auch nicht gerade besser, aber er hat irgendetwas Wahnsinniges an sich."
Lily sah hinüber zu dem Slytherin, in dessen Richtung Colin mit dem Kopf genickt hatte.
Er lachte gerade mit einem seiner Freunde über etwas.
„Ich weiß auch gar nicht, warum man das Haus nicht einfach abschafft", sagte Colin missgelaunt.
„Jetzt klingst du aber wie Walker", entgegnete Lily, „Eileen zum Beispiel ist ganz in Ordnung."
„Das weißt du nicht. Sie ist immerhin in Slytherin! Sie wird schon ihre Gründe haben, warum sie so freundlich zu dir ist", murrte Colin nur.
Lily schnaufte und war froh, dass Professor Thomas ihnen in diesem Moment befahl, weiterzumachen.
Den Rest der Stunde ärgerte sich Lily so dermaßen über Colins Sturheit, dass Eileens Zauber sie andauernd trafen und Nott sich dumm und dämlich lachte, als Lily Hasenohren wuchsen, ihre Beine wild herum zappelten oder ihre Nase sich smaragdgrün färbte.
Zum ersten Mal konnte sie sagen, dass sie heilfroh war, als eine Verteidigung gegen die dunklen Künste Stunde zu Ende war und Lily, Colin und Eric sich auf zu Geschichte der Zauberei machten, in der sie vor dem Mittagessen vom absolut langweiligen Professor Binns gequält wurden.
Nach einer weiteren Stunde Verwandlung, fiel Lily schließlich in ihr Bett. Sie musste dringend den Schlaf nachholen, den sie in der vergangenen Nacht verpasst hatte und donnerstags hatten die Zweitklässler auch noch Astronomie.
Erst gegen Abend stand Lily wieder auf, weil ihr auch noch Quidditchtraining bevorstand, und gerade wollte sie gemeinsam mit den anderen Spielern des Gryffindor-Teams nach draußen zum Quidditchfeld gehen, als ihnen Professor Cauldwell entgegen kam.
„Mr Potter!", rief Professor Cauldwell aufgeregt und wandte sich offenbar an Lilys Bruder James.
„Ja?", fragte dieser.
„Auf Grund der jüngsten Ereignisse haben wir Hauslehrer beschlossen, dass das Quidditchtraining von nun an erst einmal ausfallen muss. Sie dürfen jedenfalls das Schloss um diese Uhrzeit nicht mehr verlassen", erklärte Professor Cauldwell.
„Aber...", setzte James an, „Aber wir müssen trainieren."
„Tut mir leid, Mr Potter, das sind die neuen Regeln."
„Was für jüngste Ereignisse überhaupt?", fragte Fred.
„Haben Sie es noch nicht gehört? Ein weiterer Schüler meines Hauses wurde angegriffen", erzählte Professor Cauldwell.
„Es gab einen weiteren Anschlag?", fragte Roxanne verwundert.
„Gestern Nacht", brachte Professor Cauldwell sie ins Bild, „Hat Ihnen Miss Potter nichts erzählt? Sie hat den Schüler doch gefunden."
Lily spürte, wie ihr das Blut ins Gesicht schoss, als das gesamte Team sich zu ihr umdrehte und ihr einen fragenden Blick zuwarf.
„Schön", sagte James, doch man erkannte an seiner Stimmlage, dass er die Lage alles andere als schön fand.
„Schön", wiederholte er abermals und machte auf dem Absatz kehrt.
„Mitkommen!", rief er seiner Mannschaft zu und Fred, Leslie, Roxanne, Albus, Cody und Lily ließen sich das nicht zweimal sagen.
Nach kurzem Gehen wurde Lily auch klar, wo James sie alle hinführte, als sie wenig später vor Professor Longbottoms Büro standen und James seine Wut beim Anklopfen kaum zurückhalten konnte.
„Mr Potter", sagte Professor Longbottom freundlich, als er die Tür öffnete.
„Quidditch wurde abgeschafft?", fragte James und Lily bemerkte, dass er diesen Satz offenbar nicht einmal richtig aussprechen konnte.
„Nicht abgeschafft", erklärte Professor Longbottom ruhig, „Aber ja, leider muss ihr dir sagen, dass die neuen Regeln vorsehen, dass niemand mehr nach Anbruch der Dunkelheit das Schloss verlassen darf."
James schnaufte wütend.
„Aber alle Anschläge sind im Schloss passiert!", beschwerte sich Albus, „Was soll das also bitte bringen?"
Professor Longbottom nickte und warf Albus einen entschuldigenden Blick zu.
„Da magst du Recht haben, Al", sagte er und Lily fiel auf, dass er Albus gerade bei seinem Vornamen angesprochen hatte, etwas, das er innerhalb Hogwarts normalerweise vermied, „aber die Entscheidung kam eigentlich vom Schulleiter. Mir sind die Hände gebunden und ich kann, was das betrifft, nichts tun."
Über den Schock, dass Quidditch nun erst einmal auf unbestimmte Zeit pausierte, war James so bestürzt, dass er die kommenden Abende vor Beginn der Weihnachtsferien nur noch im Gemeinschaftsraum verbrachte und überraschend fleißig an seinen Hausaufgaben arbeitete. So zog der Dezember dahin und schließlich standen die Weihnachtsferien vor der Tür.
Nicht nur Lily, sondern auch Eric und Emma sollten in diesem Jahr nach Hause fahren. Lediglich Colin würde allein in Hogwarts zurückbleiben.
„Was machen deine Eltern denn dieses Jahr?", fragte Eric ihn.
„Sie fahren nach Schweden", murrte Colin missmutig.
Schon im letzten Jahr hatte Lily sich dazu etwas überlegt und ihr war klar, dass ihre Eltern nichts dagegen haben würden, vor allem nicht nach dem, was ihr Vater ihr über seine eigene Schulzeit erzählt hatte.
„Komm doch mit zu uns!", schlug Lily ihm daher vor, „Meine Eltern würden sich freuen!"
Einen Moment lang sah Colin sie an und lächelte dann.
„Das wäre total cool! Danke, Lily!", rief er begeistert, bevor er gleich seine Feder herausnahm und sich in letzter Sekunde auf die Liste setzen konnte, ehe Professor Longbottom sie vom Schwarzen Brett nahm.
Schließlich war es soweit. Am Mittwoch, den 23. Dezember, war der erste Ferientag und Lily würde den Hogwartsexpress Richtung London nehmen. In diesem Jahr würde sie Weihnachten nicht im Fuchsbau bei ihren Großeltern verbringen, sondern bei sich zu Hause in Melisande's Hill, da ihre Großeltern nach Rumänien verreist waren. Sie besuchten ihren Onkel Charlie, der sich dort um Drachen kümmerte.
James' Laune hatte sich in den letzten drei Wochen nicht wirklich gebessert und so verbrachte er die Zeit im Zug damit aus dem Fenster zu starren, während Lily sich ein Abteil mit ihren Freunden und ihrem Cousin Hugo und dessen bestem Freund Andrew Coote teilte. So verbrachten sie eine recht angenehme Zugfahrt, die sie damit verbrachten Zauberschnippschnapp zu spielen, solange bis sie plötzlich von zwei Gryffindor-Drittklässlern unterbrochen wurden. Es waren Oliver McKinnon und Steven Thomson, die dort in der Abteiltür standen.
„Hey, ihr habt nicht zufällig irgendwelche Slytherins gesehen, denen wir noch ein nettes Weihnachtsgeschenk mitgeben können?", fragte Oliver gelassen und lehnte sich in den Türrahmen.
Lily warf Colin einen Blick zu, der genervt aus dem Fenster sah.
„Oh, hey, Colin. Was machst du denn hier? Ich dachte, du bleibst über Weihnachten in Hogwarts", fiel Oliver plötzlich auf.
„Ich fahre mit zu Lily", erklärte Colin und versuchte beiläufig zu klingen.
Oliver warf einen Blick zwischen Lily und Colin hin und her.
„Oh", sagte er plötzlich, „ach so, na dann, schöne Ferien! Dir natürlich auch, Lily!"
„Danke", sagte Lily und nickte ihm freundlich zu.
„Gleichfalls", erwiderte Colin nur genervt und blickte erneut aus dem Fenster.
„Aber falls ihr einen guten Slytherin seht, dann ruft uns!", sagte Steven Thomson noch und grinste ein wenig gehässig.
Damit zogen die beiden ab.
Der Rest der Zugfahrt verlief ohne größere Zwischenfälle und so kamen sie gegen Abend am Bahnsteig King's Cross an, wo Lilys Eltern sie in die Arme zogen. Ginny umarmte auch Colin, der ein wenig überfordert ein „Danke für die Einladung" murmelte. Nachdem sich alle begrüßt hatten, durchquerten alle die Barriere und stiegen in das Auto ein, das Harry am Bahnhof geparkt hatte. Es war jedoch nicht ihr Auto, mit dem sie gewöhnlich fuhren.
„Ich konnte es mir vom Ministerium leihen", erklärte Harry, der alle Koffer in den Kofferraum hievte, während die Familie und Colin platz nahmen.
„Cool", staunte Colin, „Ich bin noch nie Auto gefahren."
„Sei froh", nörgelte Albus, „Es ist langweilig."
„Wenigstens musst du nicht immer eingequetscht zwischen deinen Brüdern sitzen", entgegnete Lily, die froh war um den neuen Freiraum, den sie mit dem Ministeriumswagen gewonnen hatte, in dem hinten zwei Sitzreihen waren.
Erst spät in der Nacht kamen die Potters und Colin in der Eastcorn Alley Nummer drei an, sodass lediglich Zeit blieb, dass jeder auf sein Zimmer ging und müde ins Bett fiel. Colin hatte das Gästezimmer zugeteilt bekommen, in dem entweder Ted oder Lilys Großeltern früher gelegentlich übernachtet hatten.
Gleich am nächsten Morgen nutzten James, Albus und Lily ihre Chance, auf ihre Besen zu steigen und im Garten Quidditch zu spielen. Colin hatte seinen Feuerblitz 3 mitgebracht.
„Wenigstens hatten wir so etwas Training", murrte James nur missgelaunt, als ihre Mutter sie schließlich zum Essen rief.
„Und?", fragte Ginny beim Essen neugierig, „Was gibt es denn Neues?"
„Molly geht jetzt mit Alan Gamp, der Vertrauensschüler aus meinem Jahrgang", erzählte James, während er sich über das Essen hermachte, „Ich habe die beiden letztens draußen beim Knutschen erwischt."
Ginny und Harry tauschten einen Blick, doch Lily hätte nicht sagen können, was der zu bedeuten hatte.
„Filch hat sie allerdings auch erwischt und es war schon nach der Sperrstunde, also gab es für die beiden Nachsitzen."
James ließ ein Grunzen ertönen bei der Erinnerung.
„Und wie kommt es, dass du die beiden nach der Sperrstunde gesehen hast?", fragte Harry mit hochgezogenen Augenbrauen.
„Na, ich war auch draußen", sagte James frei heraus.
„Ich lasse mich aber eben nicht erwischen", setzte er stolz nach und grinste seine Eltern breit an.
Wieder tauschten Harry und Ginny einen Blick.
„Und sonst irgendetwas?", fragte Ginny weiter.
„Sie haben Quidditch verboten", erzählte Al.
„Was?", fragte Harry, „Wieso das denn?"
„Es sind ein paar komische Dinge passiert. Angriffe auf Schüler im Schloss und Wennell meinte nun, es sei zu gefährlich draußen zu trainieren."
„Angriffe auf Schüler?", fragte Harry nun, legte Messer und Gabel beiseite und sah seine drei Kinder forschend an.
Colin warf Lily einen Blick zu und Lily wusste genau, dass er sie fragen wollte, ob sie nun Lilys Eltern alles erzählen würden, was sie wussten, oder es lieber bleiben ließen. Lily warf Colin wiederum einen Blick zu, der ihm erklären sollte, dass sie es lieber ließen. Sie hatte ihren Eltern nämlich im letzten Jahr versprochen, keine derartigen Abenteuer wie mit Walker mehr zu machen, ein Versprechen, das sie spätestens da gebrochen hatte, als sie zusammen mit ihren Freunden in den Hufflepuff-Gemeinschaftsraum eingedrungen war.
„Rauch auf dem Flur, ein paar Flüche und so etwas", winkte Lily daher ab, „Die Lehrer vermuten, es sei nur irgendein Witzbold."
Doch Lilys Aussage überzeugte Harry nicht wirklich. Lily konnte genau sehen, dass ihr Vater sich nun sorgte und, dass er ihrer Schule vielleicht sogar einen Besuch abstatten würde.
„Fred sagt, James hat auch eine Freundin", wechselte Lily daher das Thema.
„Ach wirklich?", fragte Ginny entzückt, „Wer ist es denn?"
James warf Lily einen wütenden Blick zu.
„Fred hat da etwas falsch verstanden", verteidigte dieser sich sofort, „Aber könnt ihr nicht einmal mit Wennell reden? Euch mag er doch so gern. Wir müssen dieses Jahr den Pokal holen. Es wäre das siebte Mal infolge."
„Warum redest du nicht selbst mit ihm?", schlug Ginny vor, „Hast du das schon versucht?"
James sah sie an.
„Nein", erklärte er dann.
Lilys Eltern waren nicht die Art von Eltern, die wegen jedem kleinsten Problem in der Schule auftauchten.
„Und Dad, wie sieht es denn bei dir aus?", fragte Lily, „Gibt es bei dir auf der Arbeit etwas Neues?"
Lilys Vater war der Leiter der Aurorenzentrale des Ministeriums, ein äußerst spannender Job, wie Lily fand.
„Du weißt doch, dass ich darüber nicht reden darf", entgegnete Harry und musterte sie eindringlich.
Lily zuckte die Schultern und wandte sich wieder ihrem Mittagessen zu.
„Es gab in den letzten Monaten vermehrt Werwolfangriffe", antwortete er ihr schließlich, „Das ist so viel, wie du auch im Tagespropheten hättest lesen können."
Harry wusste zu gut, dass alles, was seine drei Kinder im Tagespropheten lasen, der Quidditchteil war. Ginny arbeitete dort als Reporterin und verfasste für ebendiesen Artikel. Die Affinität für Quidditch war den drei Potters somit in die Wiege gelegt worden und James' Missmut über das Trainingsverbot von seinen Eltern durchaus nachvollziehbar.
„Ich bin mir sicher, dass, wenn du selbst mit Wennell redest, er ein Auge für dich zudrücken wird", griff Ginny das ursprüngliche Thema wieder auf und James nickte.
Als Lily am Weihnachtsmorgen aufwachte, rannte sie hinunter ins Wohnzimmer, in dem die Potters einen kleinen Weihnachtsbaum aufgestellt hatten. Es war kein echter Baum, aber einer, den man schnell und mit einem Schlenker seines Zauberstabes aufstellen konnte und der nicht nadelte, was Harry und Ginny viel Arbeit ersparte. Eifrig legte sie die Geschenke, die sie per Eulenbestellung für ihre Familienmitglieder besorgt hatte, darunter und ging dann in die Küche, um sich mit einem Toast zu behelfen. Kurze Zeit später standen auch ihre Brüder und Colin in der Küche und alle wünschten sich frohe Weihnachten, bevor sie sich daran machten, ihre Geschenke auszupacken.
Natürlich fehlte auch in diesem Jahr die Tradition des Weasley-Pullis nicht, den Grandma Molly ihren Liebsten jedes Jahr strickte. So hatte James in diesem Jahr einen in haselnussbraun mit einem roten J vorn drauf. Albus' Pulli war scharlachrot mit einem goldenen Schnatz. Auch Lilys war haselnussbraun und hatte als Symbol allerdings einen roten Quaffel und sogar Colin hatte einen Pullover erhalten. Seiner war ebenfalls rot und hatte einen kleinen goldenen Drachen vorn aufgestickt. Dieser sah Dormy zwar nicht ähnlich, aber wie hätte Grandma Molly von ihm wissen sollen? Wahrscheinlich kannte sie nur die Geschichte, wie Colin im letzten Jahr einen Drachen gekitzelt hatte.
„Wow", staunte Colin und zog seinen Pullover gleich über den Kopf.
Lily grinste breit. In Hogwarts hatte er die berühmten Weasley-Pullis schon ein ums andere Mal gesehen, schließlich trugen Lilys Verwandte diese gelegentlich.
„Ich hätte nicht gedacht, dass ich einmal einen eigenen Weasley-Pulli bekomme!", erklärte er begeistert, während James und Albus ihm im Hintergrund einen amüsierten Blick zuwarfen.
Den restlichen Tag verbrachte die Familie damit gut zu essen, Zauberschnippschnapp zu spielen, Weihnachtslieder zu singen und, weil James es unbedingt wollte, gemeinsam Quidditch zu spielen.
Am zweiten Weihnachtstag bekam Lilys Familie dann Besuch von ihrem Onkel Bill und ihrer Tante Fleur. Diese brachten außerdem Dominique, Louis und Fleurs jüngere Schwester Gabrielle mit, die wiederum ihre beiden Töchter Danielle und Rafaëlle dabei hatte. Als dann auch noch Ted und Victoire vorbeikamen, fühlte sich das recht kleine Haus der Potters genau so voll an wie der Fuchsbau zu Weihnachten.
„Isch bin so fro', dass isch dieses Ja' nischt Celestina Warbeck ertragen muss", sagte Fleur in ihrem Akzent heiter, bevor sie jeden im Hause der Potters einmal küsste.
Lily erkannte im Augenwinkel, wie Colin dabei puterrot anlief, die Augen jedoch nicht von Fleur abwenden konnte. Aus Hogwarts war er zwar Dominiques Veela-Charme gewohnt, jedoch war Fleur eine Viertel-Veela und ihre Kraft Männer zu bezirzen wesentlich stärker als die ihrer Töchter. Auch Gabrielle war mindestens genauso schön wie ihre ältere Schwester und hatte die silbrig blonden Haare und ihr makelloses Antlitz an ihre beiden Töchter vererbt. Danielle und Rafaëlle waren zwei Jahre jünger als Lily und begangen im nächsten Jahr ihre Ausbildung auf der Beauxbatons Akademie für Magie. Lily erinnerte sich daran, dass der Rest der Weasleys die Weihnachten außerhalb des Fuchsbaus meist dazu nutzte, Zeit mit der anderen Seite ihrer Familie zu verbringen. So verbrachten Molly und Lucy die Ferien wohl bei den Cornfoots, Fred und Roxanne besuchten vermutlich Angelinas Eltern und Rose' und Hugos Großeltern mütterlicherseits waren Muggel, die sich sicherlich freuten ihre Enkel wiederzusehen. Aus diesem Grund hatte Fleur auch ihre Familie aus Frankreich anreisen lassen. Nur Lilys Familie hatte keine andere Seite, die sie in diesen Jahren besuchen konnten. Natürlich gab es da die Dursleys, aber Lily würde sich davor hüten, ihren Eltern den Vorschlag zu unterbreiten, Harrys Vetter an Weihnachten zu sehen. In der Küche am Kühlschrank klebte jedoch seine diesjährige Weihnachtskarte.
Danielle und Rafaëlle sprachen kein Englisch, weshalb weder Lily, noch ihre Brüder oder Colin sich mit ihnen unterhalten konnten. Nur Dominique und Louis parlierten mit ihnen auf schnellem Französisch.
Soweit Lily es mitbekam, ging es bei den Erwachsenen im Wohnzimmer um Ted und Victoires bevorstehende Hochzeit.
„Wer sind eigentlich eure Trauzeugen?", fragte Ginny interessiert.
„Bei mir ist es Dominique und Ted hat seinen Freund Toby gefragt", antwortete Victoire strahlend.
Sie war immer eine Frohnatur gewesen, doch Lily hatte den Eindruck, dass die bevorstehende Hochzeit sie noch glücklicher erscheinen ließ. Sowohl Ted als auch Victoire trugen ihre Weasley-Pullis, die bei ihnen, seit sie denken konnte, in jedem Jahr kanariengelb und mit einem Dachs versehen waren.
„Toby?", fragte Dominique plötzlich und grinste breit, „Ist das nicht dein Exfreund?"
Victoire warf ihrer Schwester einen genervten Blick zu, während Lily leise kicherte.
So gern Lily auch weiter zugehört hätte, wie die konkrete Planung denn nun aussah, Albus und Louis hatten wohl ausgemacht, dass sie alle nach draußen gingen, um den frisch gefallenen Schnee für eine Schneeballschlacht zu nutzen und so gingen Lily, Colin, James, Albus, Louis, Dominique und die anderen beiden Achtel-Veelas Danielle und Rafaëlle hinaus in den Garten. Lily überlegte, warum Victoire die beiden nicht als ihre Brautjungfern ausgewählt hatte. Mit ihren silbrig blonden Haaren würde ihnen alles stehen, während Lilys dunkelrote Haare nur wenig Spielraum ließen. In Gedanken versunken traf sie ein Schneeball von Louis mitten ins Gesicht, was bei den anderen für großes Gelächter sorgte.
Als es ihnen genug wurde, gingen sie alle wieder rein und wärmten sich bei einem heißen Kakao vor dem Kamin im Wohnzimmer auf, während sie den Gesprächen der Erwachsenen lauschten und das Koboldsteinspiel spielten.
Victoire erzählte, dass es in letzter Zeit auf ihrer Arbeit viel zu tun gab. Sie war momentan in ihrem dritten und letzten Ausbildungsjahr als Heilerin im St. Mungo Hospital für magische Krankheiten und Verletzungen und sie bestätigte, was Lilys Vater vor ein paar Tagen beim Essen erzählt hatte. In letzter Zeit bekamen sie besonders nach Vollmond neue Patienten, die von Werwölfen attackiert worden waren.
„Man sollte eigentlich meinen, dass es kaum noch Werwölfe gäbe bei all den Gegenmitteln, die man heutzutage hat", seufzte sie und warf ihrem Vater einen Blick zu.
Onkel Bill war während des Krieges von einem nicht verwandelten Werwolf gebissen und zerkratzt worden, weshalb sein Gesicht eine große Narbe zierte und er nun eine Vorliebe für halbgare Steaks hatte.
„Deine Familie ist echt cool", sagte Colin am Abend zu Lily, bevor sie ins Bett gingen.
Noch immer trug er stolz seinen Weasley-Pulli.
„Sie zeigen sich aber auch von ihrer besten Seite, weil du da bist", erklärte Lily breit grinsend.
Colin lächelte leicht.
„Nein, ehrlich", sagte er, „Wir machen solche Sachen nie. Du weiß schon, Lieder singen, einfach einmal zusammensitzen, oder Spiele zusammen spielen."
Lily warf ihm einen mitleidigen Blick zu. Sie wusste nicht, was sie dazu sagen sollte. Zu gern hätte sie gewusst, ob er denn nicht früher wenigstens mit Oliver gespielt hatte, doch da hatte Colin ihr schon eine gute Nacht gewünscht und war aus ihrem Zimmer verschwunden.
Der Rest der Weihnachtsferien verging wie im Flug. Man sah Colin richtig an, wie sehr er die Zeit bei ihrer Familie genoss und jeden Tag ein wenig mehr auftaute. Am Tag vor ihrer Abreise entdeckte Lily, wie er in ein Gespräch über Drachen mit ihrem Vater vertieft war, und dabei wusste Lily, dass Drachen nicht unbedingt Harrys größte Leidenschaft waren, wenngleich er Dormy wohl ganz süß fand, der inzwischen gelernt hatte, wie man kleine Rauchwölkchen aus seinen Nüstern pustete.
Am dritten Januar brachten Lilys Eltern ihre Kinder und Colin also wieder zurück nach London zum Zug, wo sie sich voneinander verabschiedeten und Colin sich für den schönen Aufenthalt bedankte.
„Du bist bei uns jederzeit herzlich willkommen", sagte Ginny zu Colin, bevor sie auch ihn in eine Umarmung zog.
Dann scheuchte sie alle in den Zug und winkte ihnen zum Abschied, bis der Zug um eine Kurve fuhr und sie die Sicht verlor.
Frohe Weihnachten schon einmal, sollte vorher kein Kapitel mehr kommen.
LG elhelado
