Disclaimer: Wie gehabt, alles der J.K. Rowling ihrs. außer Angie, Raven und Elisabeth. Und ich habe mir erlaubt, im St. Mungo Hospital eine Kinderstation einzurichten.
A/N: Wie gesagt, dieses Kapitel spielt ein Stückchen weiter in der Vergangenheit ;) Viel Spaß.
02. Raven
And I was drifting away
Like a drop in the ocean
And now I've realized that
Nothing has been as beautiful
As when I saw heaven's skies
In your eyes
Michelle Branch – Drop in the Ocean
23.11.1981, Angela Potters Dachwohnung, London
Über uns funkeln die Sterne in einem klaren, samtigen Nachthimmel, auf dem Geländer des Balkons der Dachterrasse glitzert eine dünne Schneeschicht.
Angie und ich spüren die Kälte dank eines Heizzaubers, einem Haufen Wolldecken, unseren dicken Mänteln und unserer Körperwärme nicht, wir genießen einfach nur die traute Zweisamkeit, die uns in den letzten neun Monaten so oft verwehrt geblieben ist. Und jetzt, wo ich in ihre warmen braunen Augen schaue, in denen sich die Sterne spiegeln, spüre ich wieder einmal, wie sehr ich sie vermisst habe.
Es grenzt an ein kleines Wunder, dass wir es nach so langer Zeit tatsächlich geschafft haben, noch einmal einen schönen Abend miteinander zu verbringen.
Mehr als ein Jahr lang müssen wir unsere Beziehung nun schon geheim halten. Um das Risiko für uns beide – besser gesagt, für uns drei – und unsere Familien nicht noch mehr zu vergrößern…
Ich erinnere mich noch genau, als ich sie, die sie für mich damals die heimlich verehrte, aber unerreichbare Jahrgangskameradin war, letzten September in der Winkelgasse beinahe umrannte. Erst als ich mich entschuldigte, fielen mir ihre roten, verweinten Augen auf… und mein erster Gedanke war, ob Rabastan Lestrange, damals mein bester und ihr fester Freund, Schuld an ihren Tränen hatte. Richtig gedacht, wie sich wenig später herausstellte. So klischeehaft es klingt – ich wäre in diesem Moment bereit gewesen, meinen besten Freund wegen einer Frau zu schlagen. Angela Potter gehört zu den stolzesten Menschen, die ich kenne – natürlich hatte sie es sich nicht gefallen lassen, von ihrem Freund mit einer Kollegin betrogen zu werden – es war für sie kein Vertrauensbruch sondern eine persönliche Beleidigung.
Hatte sie jedoch vor Rabastan noch ihr Gesicht gewahrt, als sie ihm dies erklärte, so verlor sie es vor mir. Und während sie sich an meiner Schulter ausweinte, ich mich fragte, ob es wirklich wegen ihrer Trennung war und ich mit dem Gedanken spielte, ihr endlich zu sagen, was ich wirklich für sie empfand, nahm sie mir diese Aufgabe ab. Man kann sich meinen nicht gerade intelligenten Gesichtsausdruck vorstellen, als ich begriff, dass ich nicht der einzige war, der sich, auf der Flucht vor den eigenen Gefühlen für jemanden, den die Familie niemals akzeptieren würde, immer wieder in Affären gestürzt hatte, und mein Bedauern – ohne unseren verdammten Stolz hätten wir diesen Schritt schon vor Jahren gehen können…
Beides wurde jedoch noch in jener Nacht durch so viele Worte, Küsse und Empfindungen gutgemacht, dass wir das Gefühl hatten, zusammen bis zum Ende jeder Ewigkeit gehen zu können.
Es waren zwar keine Ewigkeiten sondern nur fünf Monate, und diese in aller Heimlichkeit in Angies Dachwohnung in Muggellondon, aber es war eine wunderbare Zeit. Zu meiner grenzenlosen Erleichterung sagte sie kein Wort zu dem Dunklen Mal auf meinem Unterarm. Es war wohl keine Überraschung für sie, wusste sie doch um die gleiche Kennzeichnung bei Rabastan – und um meine Zweifel gegen die Ideale des Dunklen Lords.
Und im März dann schließlich ihr vorsichtiges Herausrücken mit der Erklärung, warum sie in den letzten Wochen so seltsam und reserviert gewesen war: „Regulus, ich… ich bin schwanger." Nach dem kurzen Schock war die Freude so überwältigend, dass ich in diesem Moment sicher war, in meinem Leben nie wieder etwas zu fürchten – außer dem Gedanken, dass Angie und unserem Kind etwas zustoßen könnte.
Das einzige, was unser Glück trübte, war der immer mehr ausschreitende Krieg, die Angst die überall vorherrschte, die Unsicherheit, wem man vertrauen konnte und wem nicht.
Angie klärte ihre Familie nicht über den Vater ihres Kindes auf, ließ sie alle ihren eigenen Spekulationen nachhängen, um alle Beteiligten nicht zu gefährden und gab auch dem stetigen Drängen ihrer Mutter nicht nach. Schließlich nahmen sie es einfach hin, sorgten aber dafür, dass Angie ständig in der Obhut der Potters war, weshalb wir uns während der Schwangerschaft kaum sehen konnten.
Eigentlich ist es ein trauriger Gedanke, die Aussicht, dass die Großmutter meines Kindes wahrscheinlich jemand ganz anderen in ihrem Enkelkind sieht… andererseits ist es so typisch für Angie, das Gegenteil von dem zu tun, was ihre Familie von ihr verlangt.
Neun Monate ist es jetzt her, seit sie es mir gesagt hat. Und der Gedanke, dass es gar nicht mehr lange dauert, bis wie Eltern werden, bringt anscheinend einen verträumten Ausdruck auf mein Gesicht.
Angie lacht leise. „Woran denkst du?"
Ich schüttle bloß den Kopf und taste unter der Wolldecke nach ihrem Bauch und schaue sie versonnen an. Sie lächelt. „Was hältst du von Shila?"
„Hm?"
„Wenn es ein Mädchen wird, was hältst du von dem Namen Shila?"
Ich überlege kurz. „Ja, der Name ist wirklich schön… Und wenn es ein Junge wird?"
Sie grinst über das ganze Gesicht. „Daran zweifle ich irgendwie. Guck nicht so, ich hab nun mal das Gefühl, dass es eine kleine Lady wird", fügt sie mit Blick auf meine gehobenen Augenbrauen hinzu. „Wenn es nicht so ist, nehme ich alles zurück."
Bevor ich etwas entgegnen kann, fängt sie meine Lippen mit ihren auf. Ihre Lippen sind kühl von der frostigen Nachtluft, und trotzdem strahlt sie so viel Wärme aus…
„Raven", murmele ich, als wir uns voneinander lösen.
„Hm?"
„Als Zweitnamen, was hältst du von Raven?"
„Finde ich – oh!" Sie zuckt keuchend zusammen, ihre Stirn liegt in Falten.
„Was ist-"
„Regulus, ich glaube es geht los…"
Es ist ungesund, mit schwangeren Frauen oder kleinen Kindern zu apparieren. Das Flohnetzwerk ist nicht unbedingt angenehmer, aber zumindest gesünder. Wenige Minuten später sind wir in der Aufnahmestation des St. Mungo Hospitals, von wo wir in die Kinderstation geschickt werden.
Als ich Bellatrix bemerkte, ist es bereits zu spät – sie hat mich ebenfalls gesehen. Verdammt, muss sie ausgerechnet heute Nachtschicht haben? Mir graut es schon jetzt vor den Fragen, die sie mir früher oder später stellen wird… aber zunächst haben wichtigere Dinge Vorrang.
Als ausgebildete Hebamme und Heilerin nimmt meine Cousine die gespenstisch ruhige Angie ohne viele Worte in ihre Obhut und führt sie in einen anderen Raum – nicht ohne mir vorher einen rätselhaften Blick zuzuwerfen.
Alles, was ich jetzt tun kann, ist warten und hoffen, dass alles gut geht… Es ging so schnell… was, wenn irgendetwas nicht in Ordnung ist? Die Zeit zieht sich unerträglich in die Länge…
Irgendwann tauchen Helen und James Potter auf, Angies Mutter und Cousin. Glücklicherweise scheinen sie sich nicht zu fragen, was ich um diese Zeit bei Angie zu suchen hatte. Aber was soll's. Besser die beiden finden heraus, wer der Vater des Kindes ist, als Bellatrix. Es gibt – zumindest für mich – keinen Zweifel, dass sie eine der treuesten Diener des Dunklen Lords ist. Und der Dunkle Lord scheint mir schon seit einiger Zeit zu misstrauen – zu Recht. Wenn er herausfindet, dass ich ihn nicht mit der Hingabe unterstütze, die er von seinen Gefolgsleuten erwartet, ja sogar seine Ideale für falsch halte und insgeheim nach einem Ausweg aus diesem Teufelskreis suche, dann sind wir alle in Gefahr – Angie als Blutsverräterin, ich als untreuer Todesser und unser Kind als Ergebnis dieser Verbindung. Es gibt kein größeres Risiko für ein Kind als einen Blutsverräter als Elternteil – oder einen Todesser. Sollte Bellatrix herausfinden, dass in der Familie Potter ein Kind von einem Todesser auswächst, und sollte sich die Gesinnung des Dunklen Lords gegen mich richten, dann wird es das Todesurteil für unser Kleines sein…
Diese düsteren Gedanken lassen die Zeit nicht gerade schneller herumgehen.
Dann, gegen ein Uhr, ist es vorbei. Bellatrix kommt mit einem Lächeln auf den Gang.
„Sie sind beide gut durchgekommen", verkündet sie den Potters. „Mangels Kindsvater gratuliere ich einfach mal Ihnen, Mrs. Potter, sie sind Großmutter eines hübschen kleinen Mädchens geworden. Sie können beide zu ihr rein, wenn Sie möchten."
Natürlich möchten sie, da sind sie nicht die Einzigen... Aber ich werde mich hüten, das Misstrauen meiner Cousine auf mich zu ziehen, indem ich der nicht an mich gerichteten Aufforderung folge. Außerdem ist auf Angie Verlass: Wenig später steckt Bellatrix den Kopf durch die Tür und holt mich ‚auf Miss Potters ausdrücklichen Wunsch' dazu – wieder mit diesem seltsamen Blick…
„Darf ich vorstellen? Raven Potter", sagt sie leise, als wir das Zimmer betreten. ‚Raven', denke ich noch, ‚ich dachte, sie sollte Shila heißen…' Und dann sehe ich sie.
Für einen Moment kann ich kaum atmen. Ich bin fasziniert vom Anblick meiner Tochter. Seltsam, dieser erste klare Gedanke, den ich fassen kann: Kein Wunder, dass sie sie Raven genannt hat…
Ich habe noch nie ein neugeborenes Kind mit so vielen Haaren gesehen – und in dem Licht des Krankenzimmers wirken sie rabenschwarz. Die winzigen Finger klammern sich an die Tücher, in die die Kleine gewickelt ist.
Angie streicht ihr zärtlich über das Stupsnäschen. Sie wirkt erschöpft, aber überglücklich. Ihr dunkelbraunes zerzaustes Haar klebt an der Stirn und ihre Wangen sind gerötet.
Nur mit Mühe kann ich einen Seufzer unterdrücken. Wie kann man gleichzeitig so viel Glück und so große Angst empfinden? Ich liebe diese beiden Frauen, doch wie leicht könnte ihnen etwas zustoßen? Immerhin befindet sich eine potentielle Mörderin mit im Raum…
Angie sucht meinen Blick. Sie denkt dasselbe wie ich, das sagen ihre Augen eindeutig, doch sie verbirgt die Angst so gut, dass auf ihrem Gesicht nur das Glück übrig bleibt.
Raven schließt die Augen. Sie wirkt so friedlich. Ihre Mutter küsst sie sanft auf die Stirn.
In diesem Moment schwöre ich mir: Wer auch immer versucht, den beiden ein Haar zu krümmen, dem werde ich eigenhändig den Hals umdrehen.
A/N: Das war's auch schon wieder. Im nächsten Kapitel: Regulus trifft nach der Beerdigung auf Sirius. Eine nette kleine Unterhaltung unter Brüdern.
