Kapitel 2

Auf der Brücke herrschte eine angespannte Stimmung.

Picard wusste nicht was auf sie zukam und er überlegte für den Bruchteil einer Sekunde ob er einfach wieder Kurs auf Betazed nehmen lassen sollte.

Dieses Phänomen stellte keine direkte Gefahr dar. Aber schon im nächsten Moment verwarf er diesen Gedanken wieder. Sie waren Forscher und er wusste, dass die gesamte Crew hinter ihm stand wenn er der Sache auf den Grund gehen wollte.

Neben ihm saß Counselor Troi. Sie hatte mit Worf noch kein Wort gewechselt. Picard wäre gerne selbst ein Telepath gewesen, um ihre momentanen Emotionen zu ergründen. Sie würde ihm fehlen, soviel stand fest. Ihr Rat und ihr Beistand in schwierigen Zeiten waren immer eine große Hilfe für ihn gewesen.

Und Worf? Auch er war unersetzbar. Seine gezügelte klingonische Wesensart machte ihn zu einem hervorragenden Kämpfer und zu einem noch besseren Starfleetoffizier.

Aber die Dinge nahmen nun einmal ihren Lauf.

In nächster Zeit würden ihm noch mehr schmerzliche Trennungen bevorstehen. Es zeichnete sich immer mehr ab, dass Starfleet Riker bald ein Kommando übergeben würde, dem er unmöglich widerstehen konnte. Und nun, da Deanna dieses Schiff verließ, würde ihm der Weggang mit Sicherheit leichter fallen.

Picard graute bei dem Gedanken sich an einen neuen ersten Offizier gewöhnen zu müssen.

Er hatte sich dafür stark gemacht, dass Data diesen Posten bekam. Aber Starfleet sperrte sich dagegen einen Androiden zur Nummer Eins zu machen. Sie kannten ihn nicht so gut wie er ihn kannte. Picard wusste, dass Data niemals seine Fähigkeiten gegen das Wohl der Föderation einsetzen würde.

„Wir sind soweit Captain,"ertönte die Stimme des Androiden über das Comsystem.

„Gut, auf den Schirm."

Das Objekt erschien jetzt wesentlich größer auf dem Bildschirm. Aber es war seltsam verzerrt.

Alle auf der Brücke bemühten sich Details zu erkennen.

„Data, die Übertragung ist gestört."

„Ja Sir, das hängt mit der enormen Geschwindigkeit innerhalb der Singularität zusammen. Es findet immer wieder eine Verschiebung statt, zwischen den Übertragungen der Sensoren zum Visor und von dort zum Bildschirm. Leider sehe ich zur Zeit keine Möglichkeit dies weiter anzugleichen."

„Moment,"rief Geordi plötzlich.

„Ich kann etwas erkennen. Oh mein Gott! Sir, es ist ein Körper! Ich bin mir ganz sicher einen humanoiden Körper zu erkennen."

Picard sprang von seinem Sessel auf. Er starrte auf das Objekt dort draußen im All.

Dies sollte ein Mensch sein? Unmöglich! Und selbst wenn dies ein Körper war, nichts erklärte diese Werte, die ihn umgaben.

„Geordi, Data, kommen Sie bitte auf die Brücke."

Picard wusste nicht wie er auf die Eröffnung, ein Mensch schwebe dort durchs All, reagieren sollte.

Er blickte zu Counselor Troi. Diese sah erschüttert aus. Als sie den Blick des Captains bemerkte zuckte sie kurz mit den Schultern, offensichtlich war auch sie völlig ratlos.

„Sir, ist es nicht möglich das Geordi sich irrt?"fragte Riker in die Stille hinein.

„Das müssen wir herausfinden. Wir müssen eine Möglichkeit finden, den Leichnahm mit dem Traktorstrahl zu erfassen und..."

„Verzeihen Sie Captain," unterbrach ihn LaForge, der gerade von Data gefolgt aus dem Turbolift trat.

„Es handelt sich nicht um einen Leichnahm. Dieser Mensch dort im All lebt!"

Als Geordi sah dass ihn alle nur anstarrten, fiel ihm selbst auf wie unwahrscheinlich seine Aussage klang.

'Ich muss es ihnen erklären', dachte er. Er verspürte Unbehagen dabei, normal sehenden Menschen erklären zu müssen, auf welche Weise er die Dinge wahrnahm.

„Nun," begann er,"mein Visor erfasst im wesentlichen Formen und Farben. Er wandelt Wärme in rote Schatten um. Diese roten Schatten habe ich auch bei dem Körper im All gesehen. Sie dürfen mich nicht fragen wie das möglich ist, aber dieser Mensch im All lebt."

„Captain, wenn Geordi Recht hat," Data sah kurz zu Geordi hinüber, „müsste es eigentlich möglich sein, den Transporter zu modifizieren um die lebende Materie an Bord zu beamen."

Data sah wie seine Kollegen entsetzt zu ihm schauten. Anscheinend hatte seine Wortwahl das nötige Taktgefühl vermissen lassen.

Er speicherte den Vorfall in seinem Gedächtnisspeicher, um ihn später ausreichend zu untersuchen.

Geordi fasste sich am schnellsten. Er war Datas analytische Überlegungen am ehesten gewohnt.

„Data hat Recht. Nun, da wir wissen dass der Transporter Lebenszeichen erfassen kann, wird die Bergung einfacher. Wir müssen jedoch einen Weg finden das Kraftfeld zu umgehen."

Riker schüttelte den Kopf.

„Nein, selbst wenn uns dies gelingt, stellt es eine zu große Gefahr dar den Körper an Bord der Enterprise zu beamen. Wir wissen immer noch nichts über diese Energie, die er ausstrahlt."

Picard wandte sich an LaForge: " Geordi, könnten wir vielleicht ein Kraftfeld, mit den gleichen Parametern des im All existierenden, künstlich erzeugen? Wir könnten dann in der Krankenstation so ein Kraftfeld als Eindämmung benutzen um den Körper wenigsten an Bord beamen zu können."

„Ja Sir, ich denke es wird möglich sein. Wenn wir das Feld genauer untersuchen. Allerdings wird von uns niemand dieses künstlich erzeugte Kraftfeld betreten können."

„Ja, wir müssen so schnell wie möglich eine andere Lösung finden."

Picard wusste das sie Zeit brauchten, aber er wusste ebenso, dass diese Crew eine Lösung finden würde.

Nun, da das weitere Vorgehen besprochen war, ging jeder an seine Arbeit.

Picard hatte sich in seinen Bereitschaftsraum zurückgezogen. Er saß an seinem Schreibtisch, eine dampfende Tasse Earl Grey Tee vor sich und betrachtete sein Aquarium. Seine Gedanken waren jedoch bei diesem Lebewesen das dort durchs All trieb.

Plötzlich ertönte sein Türsummer. Er setzte sich aufrecht und strich die Uniform glatt, dann rief er : "Herein."

Beverly Crusher betrat den Raum. „Sie haben mich rufen lassen."

Picard wies auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch.

Als sie bemerkte dass er sie beobachtete ohne etwas zu sagen, begann sie mit ihrem Bericht.

„Es gab nur Leichtverletzte. Bis auf drei Crewmen konnten alle wieder auf ihren Posten zurückkehren."

„Hm, gut,"brummte Picard. Er hatte sie nicht aus diesem Grund hergerufen und nun überlegte er, wie er ihr die Lage am effektivsten schilderte.

„Wir versuchen einen Weg zu finden das Kraftfeld zu umgehen. In seinem Inneren befindet sich ein menschlicher Körper. Er lebt."

Die Ärztin riss vor Überraschung die Augen auf.

„Da dieser Körper aber von einem physikalischen Paradoxon umgeben ist, müssen wir Vorkehrungen treffen. Geordi und Data befinden sich gerade auf dem Maschinendeck, um entsprechende Tests durchzuführen. Wenn dies gelingt, werden wir um eines der Biobetten ein Kraftfeld, mit den gleichen Eigenschaften des natürlichen Kraftfeldes, errichten. Ihre Aufgabe wird es sein, den Körper weitestgehend zu untersuchen. Leider werden Sie ihn nicht berühren können. Vielleicht besteht eine Möglichkeit die medizinschen Tricorder so zu modifizieren, dass sie trotz dieser Einschränkung brauchbare Daten liefern?"

„Ja Captain, ich werde mit den Technikern eine Lösung finden."

Als Dr. Crusher merkte, dass der Captain nichts mehr zu sagen hatte, stand sie auf und wollte den Raum verlassen.

Picard war aufgestanden als er sagte: "Beverly!"

Sie drehte sich um. Er trat näher zu ihr.

„Dieser Mensch treibt schon einige Zeit im All. Unsere bisherigen Ergebnisse sind alle äußerst verwirrend. Es ist eigentlich unmöglich, dass er überhaupt am leben ist. Bitte Beverly, ich weiß nicht, welcher Anblick Sie dort in der Krankenstation erwarten wird..."

„Ich bin Ärztin Jean Luc. Ich werde damit klarkommen!"

Sie hatte versucht ihr ganzes Selbstvertrauen in ihre Antwort zu legen. Leider stellte sie nun fest, dass ihre Stimme bei weitem nicht so fest klang, wie sie es sich erhofft hatte.

Mit einem schiefen Lächeln entließ Picard sie.

Was hatte ihn bewogen sie zu warnen, fragte er sich nun. Mit seinen Worten hatte er ihren Stolz verletzt. Aber da war es wieder, dieses ungute Gefühl das ihn in letzter Zeit so oft beschlich. Er musste mit Counselor Troi darüber sprechen.

Als Picard die Brücke betrat stellte er fest, dass Trois Hauptbeschäftigung derzeit darin bestand, ihre dunklen Locken um die Finger zu wickeln.

Picard bat sie in seinen Bereitschaftsraum. Nachdem sie Platz genommen hatte, erzählte er ihr was mit Beverly vorgefallen war und erklärte ihr dann dieses Gefühl, das immer wieder zurückkehrte.

Troi hatte ihm aufmerksam zugehört. Sie holte tief Luft ehe sie antwortete.

„Nun, ich hätte natürlich nie von selbst etwas zu diesem Thema gesagt, aber da Sie es nun von sich aus ansprechen Sir..."

Picard wurde ungeduldig. „Heraus mit der Sprache Counselor."

„Man muss kein Telepath sein um zu bemerken, dass Ihnen Dr. Crusher sehr am Herzen liegt."

Picard fühlte sich mit einem mal unwohl. Er hatte es jedoch zur Sprache gebracht und so wechselte er seine Sitzposition und forderte Deanna auf fortzufahren.

„Sie beide verbindet nicht nur dieser Dienst an Bord der Enterprise, Sie haben auch eine gemeinsame Vergangenheit."

„Ja, das stimmt. Eine schmerzvolle Vergangenheit,"erwiderte Picard zerknirscht.

„Sie waren damals in der Position, ihr das Schlimmste antun zu müssen, das ein Mensch einem anderen antun kann. Sie mussten ihr die Nachricht vom Tod ihres geliebten Mannes überbringen. Das war umso belastender für Sie, weil er ebenfalls ihr bester Freund war. Sie mussten ihr damals so weh tun, dass Sie heute alles vermeiden möchten was sie verletzen könnte. Aber das steht nicht in Ihrer Macht und es ist auch nicht nötig, wie Dr. Crusher Ihnen selbst gezeigt hat."

„Ja,"antwortete Picard nachdenklich,"damit haben Sie wohl recht."

„Darf ich offen sprechen, Sir?"

Picard wurde misstrauisch, was erforderte eine besondere Erlaubnis, was nicht bereits ausgesprochen war?

„Erlaubnis erteilt," antwortete er fast mechanisch.

„Die Schuldgefühle ihr gegenüber sind nicht das einzige, was ich in Ihren Emotionen Dr. Crusher betreffend wahrnehme..."

Picard sog scharf den Atem ein.

„Sie dürfen Ihre Gefühle nicht immer hinter Ihren Pflichten verstecken. Ich möchte Ihnen dies nicht als Counselor sagen, sondern als Freundin." Sie zögerte einen Moment.

"Ich wage dies wahrscheinlich überhaupt nur weil ich dieses Schiff bald verlassen werde. Gehen Sie auf sie zu. Ich weiß, dass auch Beverly viel für Sie empfindet."

Mit diesen Worten stand sie auf und ließ einen erschütterten Picard allein zurück.

Er hing immer noch seinen Gedanken nach, als Datas Stimme aus dem Communikator erklang.

„Sir, wir haben es geschafft ein künstliches Kraftfeld zu erzeugen."

„Gute Arbeit Mr. Data. Ich komme zu Ihnen auf das Maschinendeck."

TBC