Kapitel 12

„Brücke an Maschinenraum. Mr. LaForge, ist der Warpantrieb nun wieder einsatzbereit?"

Picard saß auf seinem Kommandosessel und wurde langsam unruhig. Er hatte soeben ihren neuen Auftrag von Admiral Ramsay erhalten und war angewiesen worden Bericht zu erstatten, sobald die Enterprise bereit war in den Saturnsektor zu fliegen um Hilfsgüter für einen Einsatz nahe der Romulanischen Grenze an Bord zu nehmen.

Ein Außenposten der Föderation war von den Romulanern angegriffen worden. Es konnte sich um einen Einzelfall von Piraterie handeln. Man wollte keinen diplomatischen Zwischenfall riskieren, indem man mit drastischen Mitteln zurückschlug. Der Admiral sagte jedoch es wäre wichtig die richtigen Zeichen zu setzen um den Romulanern ihre Grenzen aufzuzeigen.

Ein Flaggschiff der Föderation würde sicher dazu beitragen die Romulaner von weiteren Angriffen abzuhalten.

Sie sollten sehen, dass die Föderation ihre Aktionen im Blick hatte, auch wenn die romulanische Regierung versichert hatte, dass keine militärische Operation hinter diesem Überfall steckte.

„Der Warpantrieb dürfte in etwa einer Stunde wieder verfügbar sein, Captain," erklang die Stimme von Chefingenieur LaForge.

Picard brummte zustimmend. Noch eine Stunde Wartezeit. Er hasste es untätig zu sein. Wenigstens hatten sie nun wieder einen Auftrag. Starfleet wusste um die besondere Situation der Enterprise.

Sie hatten die Anwesenheit von Wesley Crusher und dem Reisenden jedoch als nicht als primär Wichtig eingestuft, worüber Picard sehr glücklich war, denn so hatte er mehr Handlungsspielraum.

Er würde zwar seine Berichte verfassen, musste jedoch seine Vorgehensweise nicht extra mit seinen Vorgesetzten absprechen.

Dieser neue Einsatz jedenfalls würde der Crew gut tun.

„Mr. Data. Was können Sie uns sagen über den Außenposten nahe der Romulanischen Grenze?"

Data drehte sich mit seinem Stuhl in Richtung des Captains.

„Der Außenposten Adnirim Vier hatte die Aufgabe Grenzüberschreitungen der Romulaner zu melden und die Ansiedlung von Terranern auf dem Nachbarplaneten Taylos zu unterstützen. Mit der Besiedelung war noch nicht begonnen worden, sie war für nächsten Monat vorgesehen.

Die Einsatzgruppe auf Adnirim Vier hat im vergangenen Jahr eine Umweltkontrolle auf dem Planeten installiert und sollte beim Aufbau der Infrastruktur behilflich sein. Auf dem Außenposten befanden sich 153 Personen. Bei dem Angriff kamen 37 Personen ums Leben. Unter ihnen die führenden Projektleiter. Etwa 50 Personen wurden verletzt."

„Danke Mr. Data."

Picard wusste, dass die Romulaner verhindern wollten, dass sich Siedler der Föderation so nah an der neutralen Zone niederließen. Er musste sich eingestehen, dass er nicht verstand, was die Föderation sich dabei dachte, Zivilisten in diese Gefahr zu bringen.

Es war ein Zeichen von Überlegenheit, die auf dem Rücken von Familien ausgetragen werden würde.

Er hoffte, dass die Anwesenheit der Enterprise etwas Ruhe in dieses aufgewühlte Gebiet bringen konnte.

Picard hatte jedoch schon daran gedacht, einen eigenen Bericht zu verfassen, in dem er dringend abriet dort eine Kolonie aufzubauen.

Er hing diesen Gedanken nach, als Dr. Crusher ihn über den Kommunikator rief.

„Crusher an Picard. Die Biowerte von Wesley weisen darauf hin, dass er in Kürze erwachen wird. Ich dachte, dass Sie vielleicht darüber informiert werden möchten."

„Ich komme sofort zu Ihnen auf die Krankenstation", und noch bevor Crusher etwas erwidern konnte, bellte er ein schnelles „Picard ende."

Mit einem Satz sprang er aus seinem Sessel und betrat mit schnellen Schritten die Brücke. Dann begab er sich umgehend zum Turbolift, dessen Türen nahezu geräuschlos vor ihm auseinanderglitten.

Die Augen des Androiden richteten sich auf Picard.

„Mr. Data", sagte der Captain kurzangebunden, „Sie finden mich auf der Krankenstation."

„Ay, Sir," erwiderte dieser und klang für einen Androiden eine Spur zu überrascht, fand Picard.

Doch er hatte nun keine Zeit darüber nachzudenken, und erst recht nicht um irgendwelche Erklärungen abzugeben. Er betrat den Turbolift und die Tür schloss sich sofort hinter ihm.

Als er auf der Krankenstation angelangt war bemerkte er sofort, dass Dr. Crusher das andere medizinische Personal wohl fortgeschickt hatte, so dass lediglich sie und Schwester Ogawa anwesend waren. Picard nickte Crusher kurz zu und betrachtete dann den jungen ehemaligen Fähnrich.

Die Augen von Wesley waren geschlossen, aber die Augäpfel bewegten sich rasch hin und her.

„Dr. Crusher, möchten Sie, dass der Reisende zugegen ist wenn Wesley erwacht?" fragte der Captain vorsichtig.

Crusher lächelte kurz, dann schüttelte sie jedoch den Kopf.

„Ich danke Ihnen für die Erlaubnis, aber wenn ich ehrlich bin, möchte ich ihn nicht dabeihaben. Er wird ihn noch früh genug sehen. Ich bin ihm dankbar, dass er Wesley aus seinem katatonischen Zustand geholt hat – aber jetzt gehört mein Sohn erst einmal wieder mir."

„Oh, ja - natürlich. Ich verstehe", sagte Picard und wandte sich zum gehen.

Die Ärztin folgte ihm rasch und legte ihre Hand auf seinen Arm. „Nein, Jean-Luc. Bitte bleiben Sie. Ich weiß, dass Ihnen viel an Wesley liegt. Mein Sohn wird sich freuen Sie zu sehen."

Picard kam der Bitte zu Bleiben nur zu gerne nach.

Den jungen Crusher und ihn verbanden einige gemeinsame Erinnerungen. Auch wenn der Fähnrich ehrenhalber noch sehr jung war, so hatte er doch in vielen Situationen erstaunlich viel Ruhe und Mut bewiesen.

Picard schoss durch den Kopf wie verbissen Wesley damals dafür gekämpft hatte dass er, der Captain, überlebt.

Wesley war über sich selbst hinausgewachsen. Er hatte damals unter extremen Bedingungen die Berechnungen angestellt, um ihnen das Leben zu retten. Dazu hatte er den Wächter des Wassers überlisten müssen, das Picard so dringend zum Überleben benötigte.Gleichzeitig hatte Wesley sich gegen den Captain des Bergbau-Shuttles durchsetzen müssen, der sie beinahe alle ins Verderben gestürzt hatte.

„Sehen Sie", raunte Dr. Crusher ihm zu und war noch in der gleichen Sekunde an der Seite ihres Sohnes.

Der junge Mann schien nach einem langen Schlaf zurück in die Gegenwart zu kommen. Seine Muskeln zuckten leicht und die Augen bewegten sich wieder rasch hin und her, bevor er sie mit einem Mal unvermittelt öffnete.

Picard war stehengeblieben wo er war und beobachtete nun wie Beverly ihre Hände auf den Arm ihres Sohnes legte, ganz so als wolle sie sich vergewissern, dass er sich nicht plötzlich in Luft auflösen würde.

Wesley blinzelte und sein Gesicht war vor Schmerz und Schreck verzerrt.

„Wesley, ich bin es, Mom. Du bist auf der Enterprise."

Die vertraute Stimme seiner Mutter schien den jungen Mann zu beruhigen. Seine Gesichtszüge entspannten sich etwas.

Er hob nun leicht den Kopf. „Mom", brachte er zitternd über die Lippen. „Ich – ich habe es geschafft, nicht wahr?"

Beverly zögerte keine Sekunde als sie sagte :"Ja Wesley, du hast es geschafft."

oooooooooooooooooooooooo

In Zehn Vorne war nun wesentlich weniger Betrieb als noch vor ein paar Stunden.

Die meisten Besatzungsmitglieder waren mit Aufgaben betraut die für einen reibungslosen Ablauf der Hilfsmission auf Adnirim Vier sorgen sollten. Die Enterprise befand sich nun, da der Warpantrieb wieder zur Verfügung stand, auf dem Weg zum Saturnsektor.

Guinan war stolz darauf auf einem Schiff ihren Dienst zu versehen, das für Erkundungen, Forschungen aber auch für Rettungsmissionen eingesetzt wurde. Sie wusste sehr wohl um die militärische Stellung der Enterprise und um ihre Stärke als Kriegsschiff. Dieses Schiff wurde jedoch von einem weisen Mann kommandiert, der Verhandlungen immer dem Waffeneinsatz vorzog.

Picard war einer der wenigen Menschen, die Diplomatie gegenüber dem persönlichen Ehrgeiz den höheren Stellenwert zumaßen. Dennoch war er in der Lage seine Ziele mit der angemessenen Härte zu verfolgen, wenn es keinen anderen Ausweg gab.

Guinan und der Captain kannten sich schon lange. Länger sogar als es Jean-Luc bewusst war.

Aber es gab Geheimnisse, die sie selbst vor ihm bewahren musste.

Die Zeitlinie zu durchbrechen war immer eine heikle Angelegenheit.

Sie hatte davon gehört, dass Wesley Crusher wieder an Bord der Enterprise war und sie wusste auch wie es um ihn stand.

Guinan bezweifelte, dass irgendjemand außer ihr selbst an Bord dieses Schiffes im Stande war, sich vorzustellen wie verheerend sich Zeitreisen auf das Gehirn eines Menschen auswirkte.

Sie selbst war ein paarmal gereist und es war verwirrend für sie gewesen, sich auf die neuen Gegebenheiten einzustellen. Aber im Vergleich zu Wesleys Reisen waren die ihren unbedeutend gewesen.

Er hatte praktisch nichts anderes getan seit seinem Abschied damals.

Sie überlegte gerade ob sie etwas für den Jungen tun könnte, als die Tür sich öffnete und Counselor Troi die Bar betrat.

Mit einem kurzen Blick hatte sie erfasst, dass außer ihr nur drei andere Crewmitglieder anwesend waren. Diese nahmen ihr Mittagessen ein und jeder von ihnen starrte auf ein Display um sich mit zukünftigen Aufgaben vertraut zu machen.

Also ging sie zur Theke und setzte sich auf einen der Barhocker. „Hallo Guinan. Ich wollte mir ein extra großes Schokoladeneis gönnen und suche gleichzeitig etwas Gesellschaft."

„Tja, wie Sie sehen ist hier nicht allzuviel los. Es ist immer dasselbe – für mich wird es erst spannend, wenn allen anderen langweilig ist und sie deshalb hierher kommen."

Deanna lachte auf. „Ich hatte bisher nicht den Eindruck, dass Ihnen Ihr Leben als zu langweilig erscheint."

„Oh nein, da haben Sie recht. Das ist es auch nicht. Möchten Sie Ihr Eis mit Schokostreuseln?"

Die Counselor grinste als sei sie auf frischer Tat ertappt worden. „Ja, danke. Sie kennen mich inzwischen viel zu gut."

Während Guinan das bestellte Eis dekorierte, sah die Counselor zu den Panoramafenstern hinüber. Die Sterne zogen in atemberaubender Geschwindigkeit an ihnen vorüber. Sie fragte sich, ob sie diesen Anblick des Universums nicht vermisst hätte, wenn sie sich dauerhaft auf der Erde niedergelassen hätte.

„Es ist schön, dass Sie uns nun doch nicht verlassen werden", sagte Guinan, als hätte sie ihre Gedanken gelesen.

Deanna sah sie aufmerksam an. Die dunkelhäutige Barkeeperin wirkte stets so ausgeglichen. Die Counselor wusste, dass viele Leute sie selbst ebenfalls so sahen. Stets beherrscht und in sich ruhend. Meist traf das auch zu. Zur Zeit jedoch fühlte sie sich aus dem Gleichgewicht geworfen.

Sie murmelte ein „Danke" und wollte offensichtlich nicht näher auf dieses Thema eingehen. Guinan bemerkte den Widerstand, aber sie ließ nicht zu, dass Deanna sich verschloss.

„Viele an Bord hätten Sie vermisst. Allerdings fürchte ich, es wird nicht einfach für Sie sein nun die richtigen Entscheidungen zu treffen..."

Deanna wirkte irritiert. „Entscheidungen? Ich habe mich doch bereits entschieden. Ich werde nicht heiraten. Ich werde nicht auf die Erde übersiedeln. Ich möchte weiterhin meinen Dienst hier auf der Enterprise versehen."

„Hm", machte Guinan. „Soweit so gut. Sie haben recht. Alles andere wird sich schon finden."

Troi lächelte nun unsicher. „Guinan. Sie sprechen in Rätseln. Irgendetwas beunruhigt Sie. Ich kann es deutlich spüren. Raus mit der Sprache."

Guinan wand sich, ganz so als bedauere sie mit dem Thema angefangen zu haben. „Betazoiden sind fürchterlich", sagte sie schließlich lachend.

Troi verdrehte gespielt die Augen. „Ja. Aber Halbbetazoiden sind auch nur halb so fürchterlich. Also nun sagen Sie schon was los ist!"

„Nun ja. Da die halbe Besatzung es ohnehin mitbekommen hat, können Sie es ebensogut von mir erfahren. Lieutanant Worf und Commander Riker hatten wegen Ihnen eine Auseinandersetzung."

„Was? Was soll das heißen eine Auseinandersetzung?"

Guinan lächelte leicht: "Sie ziehen starke Männer in Ihren Bann, Deanna. Und starke Männer neigen dazu, um das was sie haben möchten, zu kämpfen."

Troi wirkte schockiert: "Wollen Sie etwa sagen, die beiden hätten sich geprügelt?"

Jetzt zuckte Guinan mit den Schultern. „Dazu kann ich nichts sagen. Hier hat es nur angefangen. Sie haben es auf dem Holodeck ausgetragen."

„Das glaub ich einfach nicht", murmelte Deanna und erhob sich.

„Counselor, darf ich Sie auf etwas hinweisen?"

Deanna blieb stehen und schaute Guinan ernst an. „Ich habe immer viel Wert auf Ihre Meinung gelegt. Was raten Sie mir?" fragte sie.

Die Barkeeperin war nun ebenfalls sehr ernst, als sie antwortete: "Lassen Sie die beiden Kampfhähne das unter sich ausmachen. Entscheiden Sie für sich selbst wie es weitergehen soll. Aber eine Frage stelle ich mir- Worf hat vor allem aus verletztem Stolz heraus reagiert. Aber was ist mit Riker? Er hat Worf gegenüber eingestanden, Sie immer noch zu lieben. Ich frage mich, ob Sie wohl genauso empfinden."

Guinan widmete sich nun wieder dem Polieren einiger langstieliger Gläser und machte den Eindruck, als hätte sie nie eine Frage gestellt. Deanna war verblüfft über diese Reaktion, aber plötzlich schien ihr alles völlig klar. Sie begriff, dass die Barkeeperin eigentlich nicht für sich selbst gefragt hatte, sondern Deannas Gedanken in die richtigen Bahnen lenken wollte.

Es stimmte. Nun war es wichtig zu einer Entscheidung zu gelangen. Sie wollte in Ruhe darüber nachdenken wem ihr Herz gehörte.

tbc