Kapitel 16

In Zehn Vorne hatte die Situation sich ebenso dramatisch dargestellt wie auf dem restlichen Schiff.

Als Data, Worf, Geordi und Fähnrich Crusher bewusst wurde, dass sie in höchster Gefahr schwebten, wollten sich die Führungsoffiziere eilig auf ihre Posten begeben.

Dann war jedoch alles sehr schnell gegangen. Noch bevor einer der drei den Raum verlassen hatte, bekam Wesley Crusher einen heftigen Anfall.

Er wurde von einer starken Energiewelle getroffen und schrie aus Leibeskräften. Sein Körper zuckte wild und Geordi, der versucht hatte ihn zu stützen, wurde ebenfalls zur Seite geschleudert.

Worf stand da und versuchte offensichtlich zu begreifen was mit dem jungen Mann geschah. Der Klingone wäre bereit gewesen gegen jeden Feind zu kämpfen – aber es gab keinen Feind. Jedenfalls keinen den man sehen konnte.

Der Energiestoß hielt an und Data stellte Berechnungen an wie lange ein Mensch in der Lage wäre diese Tortur zu überleben.

Die Ergebnisse dieser Berechnungen waren, gelinde gesagt, äußerst schlecht.

Aber es war verwirrend. Der Androide wusste, dass Wesley eigentlich längst tot sein müsste. Der Körper des jungen Mannes zuckte jedoch nach wie vor, und Blut lief nun aus seiner Nase.

Data hatte ebenfalls Berechnungen darüber angestellt, wie lange seine positronische Matrix solch einer Energieentladung Stand halten könnte.

Auch dieses Ergebnis gefiel ihm nicht sonderlich, wenn er es in menschliche Worte fassen sollte.

Er beschloss es zu ignorieren.

Seine bleiche Hand fasste nach Wesleys Schulter und sein künstlicher Körper wurde augenblicklich durchgeschüttelt, während er wahrnahm, dass einige elektronische Elemente in seinem Körper einfach schmolzen.

Diese Verbindung würde ihn wahrscheinlich seine Existenz kosten.

Er versuchte Blickkontakt mit Wesley herzustellen, aber seine visuellen Systeme schienen jeden Moment durchzubrennen.

Er konnte gerade noch erkennen, dass dem jungen Mann nun auch Blut aus den Augen lief, bevor mit einem Male die Verbindung unterbrochen war.

Wesley fiel zu Boden und Data stand da, mit einem grotesk ausgestreckten Arm.

Die anwesenden Gäste in Zehn Vorne waren wie erstarrt.

Sie blickten auf die befremdliche Szene und Data fragte sich einen Moment, warum sie die Hände vor Mund und Nase gelegt hatten.

Als er an sich herunter sah konnte er, trotzt der Bildstörungen seiner visuellen Übertragung erkennen, dass Rauch von ihm aufstieg. Jetzt nahm er auch den Geruch von verbranntem Kunststoff und durchgebrannter Elektronik wahr.

Geordi rappelte sich auf und suchte Datas Blick.

„Data. Was zum Teufel war das? Sind Sie o.k?"

Data versuchte seinen Freund anzulächeln. „Ja, Geordi. Ein paar Reparaturen und ich bin wie neu."

Sie sahen beide betreten zu Wesley.

Der junge Mann sah aus als wäre er tot.

Geordi wollte ihn berühren, um ihn herumzudrehen, schien jedoch nicht völlig sicher ob die Gefahr tatsächlich vorbei war. Der junge Crusher begann sich aufzurappeln, während Geordi ihn stützte. Die anderen beobachteten die Szene völlig entgeistert.

Wie konnte er diese Qual überlebt haben?

Erst als Wesley sich gänzlich entkräftet auf einen Stuhl sinken ließ, wurde den anderen wieder bewusst, in welcher Gefahr sich die Enterprise befand.

Ihre Blicke wanderten zum Aussichtsfenster. Noch bevor einer von ihnen begriff, dass beide Schiffe die sie bedroht hatten nun hilflos im All trieben, erklang Worfs Kommunikator.

„Picard an Lieutanant Worf. Richten Sie in Frachtraum Vier Arrestzellen ein."

Worf versuchte immer noch die Situation zu begreifen, aber er machte sich sofort auf den Weg um seinen Auftrag auszuführen.

Wesley saß auf dem Stuhl und starrte vor sich hin. Das Blut, das über sein Gesicht gelaufen war begann langsam zu trocknen.

Data wollte gerade auf seinen Kommunikator klopfen, um Dr. Crusher zu rufen, als Wesley mit ernster Stimme sagte: „Nein, Data. Sie wird jetzt sicher in Frachtraum Vier benötigt. Ich bin in Ordnung. Sie kann sich später um mich kümmern."

Der Androide ließ zögerlich die Hand sinken.

Wesley schaute zu Geordi und Data, dann lächelte er beide müde an.

„Ich komme schon wieder auf die Beine. Data, wenn so etwas noch einmal passieren sollte...halten Sie sich von mir fern. Sie sehen ganz schön mitgenommen aus."

Der Androide schaute noch einmal an sich hinunter und runzelte dann die Stirn. Eine Vorgehensweise die er den Menschen abgeschaut hatte und mit besonderer Vorliebe imitierte.

„Eine Selbstdiagnose läuft bereits. Aber ich verstehe nicht was passiert ist und ...wie Sie dies überleben konnten. Ich habe mich bemüht wenigstens einen Teil der Energie von Ihnen abzuziehen, doch dies hätte niemals ausgereicht, um den menschlichen Körper vor Schaden zu bewahren."

Wesley legte den Kopf in beide Hände und murmelte: „Ich verstehe es selbst nicht. Ich bin nur müde..."

Guinan, die die ganze Zeit wortlos hinter der Theke gestanden hatte kam nun auf die kleine Gruppe zu und ging vor Wesley in die Hocke.

Sie schaute ihm direkt ins Gesicht und ein einziges Wort kam über ihre Lippen:"Danke!"

oooooooooooooooooooooooo

Counselor Troi konnte spüren wie eine enorme Wut den ersten Offizier beschlich.

Er versuchte nun schon seit geraumer Zeit Antworten auf seine Fragen von den beiden romulanischen Captains zu erhalten.

Keiner von beiden war bisher dazu zu bewegen gewesen, Auskunft über ihre Pläne zu geben.

Deanna spürte, dass Will Riker nun zu allem im Stande wäre um die nötigen Informationen zu erhalten.

Er hatte die Befürchtung, die Romulaner könnten mit ihrer Hinhaltetaktik nur Zeit schinden, um weiteren Angreifern die Chance zu bieten, zu beenden was sie selbst so gründlich vermasselt hatten.

„Ich frage Sie nun zum letzten mal - auf wessen obersten Befehl der Angriff auf Adnirim Vier und die Enterprise ausgeführt worden ist. Sollten Sie sich weiterhin weigern meine Fragen zu beantworten, wird es Ihnen leid tun jemals Romulus verlassen zu haben!"

Die beiden Captains reagierten nicht. Ihr Blick war hochmütig und strotzte vor Arroganz.

Riker schnaubte.

„Gut. Sie haben es so gewollt."

Mit einem Ruck zog er einen Phaser aus seiner Gürteltasche und schoss auf den Captain, der rechts von ihm stand.

Dieser fiel zu Boden und rührte sich nicht mehr.

Deanna traute ihren Augen nicht. Riker hatte gerade jemanden getötet und alles was an Emotionen von ihm ausging, war Genugtuung.

Er stand nur da und wartete ab, dass Dr. Crusher den Leichnahm untersuchte. Sie hatte sich neben den Romulaner gehockt und führte langsam den Tricorder über ihn.

Schließlich klappte sie das medizinische Gerät zu und sagte: „Er ist tot."

Riker lächelte zufrieden und zielte mit seinem Phaser nun auf den zweiten romulanischen Captain.

Dieser hatte die Fassade des Überheblichen nun völlig verloren. Immer wieder wanderte sein Blick auf den toten Kameraden. Seine sonst so kühlen Augen zuckten panisch hin und her.

„Wir unterstanden dem Befehl von Tillian. Nur von ihm," beeilte er sich klarzustellen.

„Wir haben eine Allianz gegründet, um gegen die Föderation zu kämpfen. Leider war unsere Regierung der Meinung, der Frieden mit Ihnen müsse gewahrt bleiben. Wir haben jedoch die Machenschaften Ihrer Regierung durchschaut und wollten nicht tatenlos zusehen, wie Sie uns hintergehen bis es zu spät ist."

Riker hielt weiter die Waffe auf ihn gerichtet.

„Deshalb haben Sie versucht einen Krieg anzuzetteln, indem Sie uns vernichten?"

Deanna nahm nun eine seltsame Mischung aus Zufriedenheit und Wut bei Riker wahr. Sie versuchte ihre empathischen Fähigkeiten wieder auf den Captain des romulanischen Schiffes zu lenken.

Er sagte die Wahrheit, sofern sie es beurteilen sollte.

Und dann geschah etwas für sie völlig unerwartetes.

Riker feuerte wieder und brachte so auch den zweiten Captain zur Strecke.

Sie wusste nicht was schlimmer war – ihr eigenes Entsetzen über die Vorgehensweise des ersten Offiziers oder die Bestürzung, die die Hinrichtung der beiden Captains auf die anderen Romulaner ausübte.

Riker schien dies alles nicht zu interessieren. Er nickte lediglich als Dr. Crusher ihm auch den Tod des zweiten Mannes bestätigte.

Dann schaute kurz zu Worf und sagte: „Die romulanische Crew wird ihrer Regierung übergeben. Solange sorgen Sie dafür, dass hier alles ruhig bleibt."

Mit diesen Worten bedeutete er der Counselor ihm zu folgen.

Deanna tappte hinter ihm her. Ihre Welt stand Kopf. Wie hatte William T. Riker - ihr geliebter Imzadi - den sie glaubte so gut zu kennen, das nur tun können?

„Nun," fragte er ruhig, „wie hat sich der Tod der Captains auf die Crew der Romulaner ausgewirkt?"

Deanna musste sich räuspern, ehe sie antworten konnte.

„Sie sind äußerst verwirrt. Man könnte sagen, die meisten von ihnen sind entsetzt, planlos – hilflos."

„Gut", erwiderte Riker knapp.

Die Tür des Frachtraumes öffnete sich wieder und Dr. Crusher kam auf sie zu.

„Und?" fragte sie den ersten Offizier.

„Der Plan hat funktioniert," antwortete Riker zufrieden.

Troi war verwirrt. „Plan?" fragte sie tonlos.

Beverly schaute von Troi zu Riker. Sie erkannte Trois entsetzten Blick und legte ihr die Hand auf die Schulter.

Dann sah sie vorwurfsvoll zu Riker. „Sie haben sie nicht eingeweiht," sagte sie mit ungläubiger Stimme.

Riker grinste plötzlich. „Nein - ich wollte sie nicht beeinflussen."

In diesem Moment begriff Troi das ganze Ausmaß dieses Planes.

„Die beiden sind gar nicht tot," flüsterte sie, „das war nur eine Show für die anderen Romulaner – und für mich."

Wütend starrte sie Riker an. „Wann habt ihr das ausgemacht? Wir waren doch die ganze Zeit zusammen."

Riker versuchte nun wieder ernst zu werden. „Es gehört zu einer taktischen Übung, die wir schon zigmal trainiert haben. Beverly wusste, dass es dazu kommen kann, dass ich die Hinrichtung eines Gefangenen inszenieren muss, um die anderen unter Druck zu setzten und die Wahrheit aus ihnen herauszubekommen. Diese speziellen Trainings finden nur für den Captain, den ersten Offizier und die Sicherheitsoffiziere statt. Allerdings werden die entsprechenden Bordärzte ins Vertrauen gezogen. Sie sind es schließlich, die den angeblichen Tod bestätigen müssen. Wir können uns bei einer Terroristengruppe nicht darauf verlassen, dass die Captains die einzigen Eingeweihten sind. Es ist sogar möglich, dass sie lediglich Strohmänner sind, und die wahren Drahtzieher im Hintergrund agieren. Daher dieses Manöver."

Dr. Crusher schien die Situation sehr unangenehm zu sein.

„Sie hätten mich auf dem Weg hierher ins Vertrauen ziehen können," sagte Deanna anklagend zu Riker.

Dieser holte tief Luft, dann sagte er: „Ich habe es aus mehreren Gründen nicht getan. Erstens war nicht genug Zeit, um alles zu erklären. Zweitens war es für mich schon schwer genug ein Pokerface zu wahren, während mir Beverly und Worf in die Karten schauen und drittens...," jetzt versuchte er es wieder mit einem schelmischen Grinsen, „wollte ich sehen, ob ich eine Empathin wie Dich immer noch überraschen kann."

Troi sah ihn entsetzt an. „Überraschen?" fragte sie ungläubig. „Ja, stell Dir vor, es überrascht mich, wenn jemand so völlig teilnahmslos zwei Männer hinrichten kann!"

Die letzten Worte hatte sie ihm entgegengeschleudert und drehte sich abrupt um, um in die andere Richtung zu gehen.

Riker erkannte wohl jetzt erst das Ausmaß seines Fehlverhaltens und rief: „Es tut mir leid, Deanna. Die beiden sind nur betäubt - es geht ihnen gut."

Doch Deanna verschwand schon hinter der nächsten Biegung.

Beverly Crusher zog eine Augenbraue hoch und sagte: „Will Riker, ich glaube wir sollten uns bei Gelegenheit mal über das Thema 'falsches Imponiergehabe' unterhalten," mit diesen Worten drehte auch sie sich um und ließ einen zerknirschten Riker allein zurück.

tbc