Kapitel 17
Picard saß im Konferenzraum und wartete ungeduldig.
Vor ein paar Minuten hatte er die Führungsoffiziere darüber informiert, dass sie sich zu einer Besprechung dort einfinden sollten. Data und Geordi hatten sich entschuldigt, dass sie erst verspätet eintreffen könnten. Lediglich Worf, Crusher und Riker kamen der Aufforderung sofort nach, was Picards Laune nicht gerade besserte.
Ungewöhnlich ernst und in sich gekehrt hatten die beiden letzteren Offiziere den Raum betreten und sich auf ihren üblichen Plätzen niedergelassen.
Picard hatte keine Zeit sich darüber Gedanken zu machen, warum die Beiden so niedergeschlagen aussahen. Zum Wohle des Schiffes musste das Befinden des Einzelnen zurückstehen. Er forderte mit einer Geste zur Berichterstattung auf und hörte mit versteinertem Gesicht zu.
Dr. Crusher und Riker gaben einen kurzen Bericht über ihre Inszenierung im Frachtraum ab, und Picard hatte erneut den Eindruck, dass sie nicht sonderlich glücklich über diesen Einsatz waren, obwohl ihre Vorgehensweise zu dem erhofften Erfolg geführt hatte.
„Gab es irgendein Problem?" fragte er gerade, als sich die Tür öffnete und Counselor Troi, eine Entschuldigung murmelnd, den Raum betrat. Anklagend sah sie, während sie sich setzte, zu den beiden Kollegen, über die sie mehr als verärgert schien.
Riker schaute plötzlich auf die Tischplatte hinunter und auch Crusher schien nicht bereit, von sich aus etwas zu erklären.
Troi war einen Moment unschlüssig, aber schließlich rang sie sich durch, ihrem Unmut Luft zu machen.
„Sir, ich war über die Pläne, die Romulaner betreffend, nicht eingeweiht."
An der Reaktion von Riker konnte der Captain in etwa ablesen was sich zugetragen hatte.
Er atmete tief durch.
„Counselor, Sie dienen auf einem Kriegsschiff. Ihre Aufgabengebiete sind klar vorgegeben. Ihr Job war es, herauszufinden ob der Romulaner die Wahrheit sagte. - Sagte er Ihrer Meinung nach die Wahrheit als er zugab, sie hätten nicht auf Befehl der romulanischen Regierung gehandelt, sondern gehören einer Rebellengruppe an, die von Tillian geleitet wurde?"
„Ja Sir", war das einzige was sie erwiderte.
Der Captain nickte, dann senkte er die Lautstärke seiner Stimme als er sagte: „Ich kann mir vorstellen, dass diese Situation für Sie ein Schock gewesen sein muss. Aber Sie dürfen nicht vergessen, dass die Romulaner beinahe unser aller Leben ausgelöscht hätten. Und es steht noch mehr auf dem Spiel! Wir hatten die Pflicht so schnell als möglich zu klären, ob uns ein Krieg bevorsteht. Dies war in so kurzer Zeit nur zu bewerkstelligen, indem wir unsere Gegner unter massiven Druck setzen. Und wie Sie inzwischen wissen, war es tatsächlich nichts weiter als eine Show. Das nächste Mal können wir vielleicht nicht auf einen Trick zurückgreifen, um die Wahrheit zu ergründen. Wenn ich meinem ersten Offizier den Befehl gebe einen Feind zu töten, erwarte ich von ihm, dass er den Befehl ausführt ohne zu zögern. Auch Sie, Counselor, gehören zur Sternenflotte und unterstehen meinem Befehl. Ich würde auch von Ihnen solchen Gehorsam verlangen!"
Riker fühlte sich sehr unbehaglich. Er rechnete es dem Captain hoch an, dass er ihm den Rücken in dieser Sache stärkte, jedoch war es ihm unangenehm, dass Deanna seinetwegen eine solche Standpauke gehalten bekam.
Counselor Troi jedoch straffte ihre Gestalt, nickte kurz und sagte: „Natürlich, Sir."
Picard nickte ebenfalls und bedeutete nun Worf zu sprechen.
Der Klingone trug, wie stets, eine finstere Miene zur Schau.
„Die Romulaner sind friedlich jetzt, Sir."
„Gut", sagte Picard, dann fügte er an: „Das wird sich wohl ändern sobald sie erfahren, dass ihre Kommandanten noch leben. Aber bis dahin unterstehen sie bereits wieder der Romulanischen Regierung. Wir werden sie sobald als möglich ihren Leuten übergeben."
Worf knurrte leise.
Ein Zeichen dafür, was er von einer solchen Taktik hielt.
Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte man die Feinde auf der Stelle getötet. Für die Maßstäbe der Sternenflotte war diese Vorgehensweise vielleicht zu drastisch, jedoch hätte es seiner Meinung nach völlig ausgereicht, sie auf einem einsamen Planeten zurück zu lassen, statt davon auszugehen, dass ihre eigene Regierung sie zur Verantwortung ziehen würde.
Doch genauso wie Picard von seiner Mannschaft verlangte im Ernstfall zu töten, genauso verlangte er ebenfalls Akzeptanz für die Gesetze der Sternenflotte von einem Offizier wie Worf – auch dieser musste in der Lage sein über seinen eigenen Schatten zu springen, und Gefühle wie Hass und Rache aus seinem Handeln zu verdrängen.
Endlich trafen auch Geordi und Data ein.
Sie boten einen erschreckenden Anblick.
Geordis Uniform war schmutzig und zerrissen. Seine Haare standen wirr ab und sogar sein Visor schien verbogen zu sein.
Data sah noch schlimmer aus.
Seine Uniform hatte große Brandlöcher. Seine künstliche Haut war zum Teil geschmolzen und von ihm ging ein schrecklicher Gestank aus.
Der Captain und die anderen Offiziere sahen sie entsetzt an.
Crusher holte sofort ihren Tricorder hervor und begann Geordis Zustand zu überprüfen.
Dieser wandte sich währenddessen an den Captain. "Da ist etwas mit Wesley Crusher passiert, Sir. Wir waren in Zehn Vorne als ihn plötzlich starke Energiestöße trafen. Wir haben versucht ihm zu helfen."
Beverly trafen LaForges Worte wie ein Schock. "Was ist mit Wesley? Wie geht es ihm?" fragte sie panisch.
Data antwortete ruhig und sachlich: "Ich konnte einen Teil der Energie ableiten, Doktor. Wesley geht es inzwischen relativ gut, obwohl ich nicht in der Lage bin es zu erklären. Laut meinen Berechnungen müsste er eigentlich..."
"Danke Data," fiel ihm Picard laut ins Wort. Dann fragte er: "Wo befindet sich Mr. Crusher jetzt?"
Nun war es wieder Geordi der antwortete: "Er ist noch in Zehn Vorne. Guinan kümmert sich um ihn. Er hatte, kurz bevor Sie uns riefen, erneut einen Anfall. Wir kümmerten uns um ihn so gut es uns möglich war - daher unsere Verspätung. Aber es geht ihm gut jetzt", sagte er an Beverly gewand.
Picard klopfte auf seinen Communikator.
"Picard an Wesley Crusher. Sind Sie in der Lage zum Konferenzraum zu kommen?"
Eine schwache Stimme antwortete: "Ja Captain. Ich mache mich sofort auf den Weg."
Dr. Crusher schien einigermaßen beruhigt, als sie die Stimme ihres Sohnes hörte. Sie wandte sich nun an Data und begann mit einem Scan bei dem Androiden.
Dieser blickte auf den Tricorder und zuckte andeutungsweise mit den Schultern.
"Meine Selbstreparaturen sind fast abgeschlossen. Meine visuellen Systeme sind repariert. Ich müsste wohl eine neue Uniform replizieren. Diese scheint...unbrauchbar geworden zu sein. Vielleicht könnten Sie mir mit der künstlichen Haut helfen, Doktor?"
Crusher lächelte vage.
Bei Data konnte Sie nie wirklich ihr Wissen unter Beweis stellen.
Die Technik des Androiden war ein Buch mit sieben Siegeln.
Ab und zu konnte Geordi ihm behilflich sein, aber meistens wartete der Androide sich selbst.
Die 'Haut' von der Data sprach, hatte für ihn keinerlei technische Bedeutung. Sie diente lediglich dazu, sein Erscheinungsbild menschlicher zu gestalten.
Da Beverly jedoch wusste wie wichtig dies dem Androiden war, sagte sie ihm, er solle gleich nach der Besprechung mit ihr auf die Krankenstation kommen.
Data lächelte und Crusher erkannte darin eine gewisse Dankbarkeit.
Sie musste mit einem Mal daran denken, dass der Androide so wirkte, als würde er sich schämen. Ganz so wie ein Mensch, der nackt vor anderen Menschen steht - so schien er sich zu fühlen, wenn die metallischen Komponenten und Schaltkreise in seinem Körper für seine Umwelt so offensichtlich wurden.
'Kein Wunder', dachte sie, 'man kann vergessen, dass er eine Maschine ist - jedenfalls solange bis man es derart drastisch vor Augen geführt bekommt.'
Data legte großen Wert darauf, sein Inneres nur wenigen Menschen preis zu geben.
Geordi war der Einzige an Bord, der an ihm "arbeiten" durfte.
Als damals Riker dem Gericht überzeugend darlegen musste, dass Data nur eine Maschine sei, die ein Mensch nach Belieben an- und ausschalten konnte, war seine Demonstration fast einer Vergewaltigung gleichgekommen.
Riker hatte sich für seine Vorgehensweise geschämt, aber Data hatte echte menschliche Größe bewiesen, indem er ihm vergab, dass er ihn fast um seine Existenz gebracht hätte.
Riker hatte schließlich keine andere Wahl gehabt, sonst hätte die Richterin im Schnellverfahren gegen Datas Individualität entschieden.
Maddox hätte ihn als Eigentum der Sternenflotte betrachtet und ihn auseinandergenommen um ihn genau zu studieren.
Derzeit hatte Data mit Commander Maddox eine Art Waffenstillstand geschlossen.
Der Androide war bereit, ihn bei seinen Forschungen weitgehend zu unterstützen, dafür drängte Maddox nicht mehr auf dessen Deaktivierung.
Data hatte später - nachdem das Gericht zu seinen Gunsten entschieden hatte - die Counselor gefragt, ob seine Entscheidung selbstsüchtig wäre.
Deanna hatte ihm daraufhin erklärt, dass es - wäre er ein Mensch - niemals als Selbstsucht ausgelegt worden wäre, wenn er gesagt hätte er wollen Leben, statt als Versuchskaninchen zu enden.
Da sein Status nun geklärt sei, habe er die freie Wahl zu entscheiden, und diese Entscheidung die er getroffen habe, sei für jeden Menschen nachvollziehbar.
Sie hatte seine Erleichterung über ihre Worte fast so greifbar spüren können, wie bei einem Menschen - und dies verwirrte sie bis heute.
tbc
