Kapitel 18

Picard schaute in die Runde und verharrte einen Moment, ehe er sein Wort an die versammelten Crewmitglieder richtete: "Ich denke jedem einzelnen von Ihnen dürfte klar sein, wie knapp wir heute mit dem Leben davon gekommen sind. Was uns letztendlich vor dem sicheren Tod bewahrte, steht bis jetzt noch nicht fest - aber wir werden nicht eher ruhen können, bis wir wissen, was genau geschehen ist."

Der Türsummer erklang und Picard rief: "Herein!"

Wesley Crusher blickte sich unsicher um, schließlich betrat er zögernd den Raum.

Picard winkte ihm ungeduldig und bedeutete ihm sich zu setzten.

"Mr. Crusher", sagte der Captain, als dieser sich auf einem Platz neben ihn gesetzt hatte.

"Wir unterhalten uns gerade darüber, welches Wunder uns wohl das Leben gerettet hat. Haben Sie eine Idee, Fähnrich?"

Wesley schien die Situation unangenehm und er schüttelte schüchtern den Kopf.

Picards Augen waren weiterhin auf den jungen Mann gerichtet, als er jetzt tief durchatmete und seine Uniform glattstrich. "Nun, ich möchte nicht falsch verstanden werden. Natürlich bin ich äußerst dankbar, dass wir - und dieses Schiff - noch existieren, aber ich muss wissen wem, oder was wir diesen Umstand zu verdanken haben. Geordi, was genau ist auf den romulanischen Schiffen passiert?"

Geordi räusperte sich: "Nun, Captain - darüber wissen wir nicht viel, außer dass sämtliche Energie abgezogen wurde. Wohin und wodurch konnten wir jedoch bislang nicht herausfinden."

Picard nickte und alle Augen wanderten wieder zu Wesley Crusher.

Der Captain sprach nun zu dem jungen Mann wie ein Vater zu einem uneinsichtigen Kind: "Mr. Crusher, ich halte es für einen merkwürdigen Zufall, dass Sie zur gleichen Zeit von Energiewellen getroffen wurden. Würden Sie uns das bitte erklären!"

Wesley schluckte und sah dann auf die Tischplatte vor ihm, als er sagte: "Sie haben recht, Sir. Es war kein Zufall. Ich habe die Energie der Schiffe abgezogen. Ich wusste, dass es unsere einzige Chance war."

Alle sahen erstaunt den jungen Fähnrich an, aber niemand war in der Lage zu sprechen.

Beverly hatte sich als erste wieder gefangen.

"Wesley, wie ist das möglich?"
"Ich weiß es nicht, Mom. Ich kann es nicht erklären. Es geschieht einfach durch meine Gedanken. Ich kann Dinge beeinflussen."

Ein leises Murmeln entstand am Tisch. Alle spekulierten plötzlich, was man mit solch erstaunlichen Fähigkeiten alles bewirken könnte.

Der Captain und Dr. Crusher blieben auffällig still, während die anderen immer neue Möglichkeiten fanden, wie man diese Gabe einsetzen könne.

Schließlich platzte Beverly der Kragen: "Schluss damit!" rief sie, "Wesley, sag ihnen was mit dir passiert!"

Der Junge schien immer kleiner zu werden: "Was denn, Mom? Es gibt nichts zu erzählen."

In Beverlys Augen blitzte es verräterisch.

"Ach nein?" brauste sie auf, "gut, dann werde ich es tun. Wesley wird sterben! Er wird für jede Reise, die er erlebt hat, mit Schmerzen und Wahnsinn bezahlen. Ich bin ebenfalls froh, Wesley, dass du uns gerettet hast, aber es hat dich eine Menge der Zeit gekostet, die dir noch bleibt. Und darum", sie schaute jetzt wütend zu den übrigen Kollegen, "hoffe ich, dass du so vernünftig bist und deine Kräfte nicht weiter auf die Probe stellst."

Nun liefen der Ärztin gegen ihren Willen Tränen über das Gesicht.

Hastig wischte sie sie mit dem Ärmel ihres Medizinerkittels fort.

Sie hatte sich immer noch nicht wirklich gefasst, als sie zu Picard sagte: "Ich bitte wegtreten zu dürfen."

Picard nickte kurz, "Erlaubnis erteilt", sagte er mitfühlend.

Als Beverly den Raum verlassen hatte, blickten alle gleichermaßen betreten. Jedem schien es leid zu tun, die Handlungsweise von Wesley als Heldentat gerühmt zu haben.

Der junge Fähnrich befand nun, dass es Zeit wurde einige Dinge zu erklären und er bat Picard um das Wort.

"Meine Mutter hatte nicht das Recht, Ihnen dies ohne mein Einverständnis mitzuteilen. Aber ich kann ihre Reaktion verstehen und in einem Punkt hat sie leider auch vollkommen recht. Ich werde sterben, und es wird alles andere als leicht für mich werden. Ich hätte nicht an Bord der Enterprise kommen dürfen. Langsam verstehe ich, warum es diese strikte Regel unter den Reisenden gibt. Wir können einfach nicht mehr in der Welt von früher leben. Ein Gedanke, ein einziger kleiner Wunsch, kann in dieser Welt alles ins Wanken bringen. Diesmal konnte ich helfen, aber es stimmt, ich bin sehr geschwächt. Meine Anfälle kommen nun immer häufiger und dann kann ich nichts mehr kontrollieren. Außerdem habe ich Leid über meinen Mentor gebracht. Der Reisende, der mich ausgebildet hat, wird wegen meines Ungehorsams hingerichtet werden. Und ich bin nicht in der Lage, dies irgendwie abzuwenden. Es ist ein schreckliches Gefühl, und kann nur noch dadurch übertroffen werden, dass ich meiner Mutter und meinen Freunden zumute, mich langsam und qualvoll sterben zu sehen - es tut mir alles unendlich leid..." mit diesen Worten sprang er auf - er bat nicht um die Erlaubnis den Raum verlassen zu dürfen - kopfüber stürzte er einfach hinaus.

Troi saß da und schnappte hörbar nach Luft. Die geballte Ladung an Emotionen hatte ihr wie eine Faust in den Magen geschlagen.

Riker hatte eine Hand an die Stirn gelegt, ganz so, als habe er mörderische Kopfschmerzen.

Worf schaute grimmig, aber seine Kiefer mahlten, was darauf schließen ließ, dass er seine Gefühle schwer zu zerbeißen hatte, damit er sich ihnen nicht letztendlich doch noch ausliefern musste. Geordi und Data schauten betroffen. Picard ging der Gedanke durch den Kopf, dass Data die Reaktion von Geordi imitierte, um nicht unangemessen zu erscheinen. Picard räusperte sich.

"Nun - das lag nicht in meiner Absicht", er schien zu grübeln was er noch sagen könnte, brauchte jedoch geraume Zeit. Schließlich fuhr er in völlig anderem Tonfall fort: "Ich habe die romulanische Regierung über die Gefangennahme der Abtrünnigen informiert. Sie schicken einen Abgesandten um die Splittergruppe zu inhaftieren. Hoffen wir, dass damit das Thema vom Tisch ist. Wir werden uns auf jeden Fall noch mindestens fünf weitere Tage hier aufhalten. Die Hilfsmission ist eben angelaufen und wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Ich habe mit Admiral Miller die Lage besprochen. Es wird kein weiteres Kriegsschiff der Föderation in diesen Sektor kommen. Man bedauert zwar die falsche Einschätzung des Risikos, ist sich jedoch sicher, dass nun keine weitere Gefahr droht."

Ungläubiges Gemurmel machte sich breit. Picard fuhr mit erhobener Stimme fort: "Ganz im Gegenteil zu meinen Vermutungen, wurde ich sogar davon in Kenntnis gesetzt, dass die Besiedelung von Taylos schon früher von statten gehen wird als geplant. Wir sollen die Ankunft der ersten Siedler in bereits drei Tagen erwarten."

Einige schüttelten die Köpfe. Riker meldete sich zu Wort: "Sir, kann es sein, dass die Föderation die Sicherheitslage nach wie vor völlig falsch einschätzt?"

Picard blickte ihn mit ernster Miene an.

"Wissen Sie was, Nummer Eins - ich habe dem Admiral genau die gleiche Frage gestellt. Ich antworte Ihnen nun, was er mir geantwortet hat: Sie haben Ihre Befehle!"

Riker nickte betreten und ein erneutes Gemurmel entstand.

"Mr. Worf", sagte der Captain nun laut: "Sie sorgen dafür, dass die Romulaner angemessen behandelt werden, solange sie sich an Bord unseres Schiffes befinden. Die beiden Captains werden für die Dauer ihres Aufenthaltes in getrennten Arrestzellen verbleiben. Die Crew der Romulaner wird davon nicht in Kenntnis gesetzt, dass ihre Kommandanten noch leben. Sollte einer unserer Gefangenen das Bedürfnis haben eine Aussage zu machen, so möchte ich umgehend informiert werden. Ansonsten sind sie wie Feinde zu behandeln - ein gehöriger Respekt vor der Föderation kann nicht schaden." Bei seinen letzten Worten schaute er kurz zur Counselor. "Den haben die Romulaner, Sir", erwiderte sie mit steinerner Miene.

Picard registrierte, dass ihr seine Verhaltensweise alles andere als zu gefallen schien. Diese Rebellen hatten es jedoch seiner Meinung nach keineswegs besser verdient.

Offenbar hatte sie seine Verärgerung empfangen, denn sie sah ihn schweigend an. Er ignorierte ihren Blick.

"Unser Hauptaugenmerk sollte nun unserer eigentlichen Mission gelten. Auf Adnirim Vier wird Hilfe benötigt, und wir sind für die Siedler von Taylos verantwortlich. Wir werden diese Mission - ungeachtet unserer persönlichen Meinung - zu ende führen. Wegtreten!"

Allgemeiner Aufbruch folgte nun. Die Offiziere ließen einen grübelnden Picard zurück.

tbc