Kapitel 19
Die Counselor war den Flur entlang geeilt und gerade um eine Ecke gebogen, als sie deutlich das Gefühl hatte, verfolgt zu werden.
Auch ohne sich umzudrehen wusste sie, wer ihr da auf den Fersen war. Das schlechte Gewissen, das von ihm ausstrahlte, war bestimmt noch für Emphaten im nächsten Quadranten zu empfangen.
Er tat ihr leid, jetzt, da ihre Wut verraucht war und sie seine Reue so deutlich empfing.
Dennoch wollte sie es ihm nicht zu leicht machen. Sie reagierte erst auf ihn, als sie an ihrer Kabinentür stand und er sich mit einem Räuspern bemerkbar machte. Ihr Blick heftete sich fragend auf Riker. Dieser atmete tief durch und fragte dann: "Darf ich dich in dein Quartier begleiten? Ich würde gerne mit dir reden", beeilte er sich dann anzufügen.
Sie widerstand der Versuchung zu lächeln und blickte ihn kühl an. Dann sagte sie mit einer kurzen Geste, die einer Einladung glich: "Von mir aus - lass uns reden."
Als sie das Quartier betreten hatten, wies die Counselor auf einen Sessel, sie selbst setzte sich auf die Couch gegenüber.
Der erste Offizier schien nach Worten zu suchen. Schließlich sagte er: "Es tut mir leid, Deanna."
Sie hob fragend die Augenbrauen: "Ich weiß nicht was du meinst."
Riker wand sich sichtlich, dann stieß er regelrecht hervor: "Doch, ich denke Du weißt sehr gut was ich meine - und ich möchte mich bei dir entschuldigen - für alles. Mein Verhalten im Frachtraum...jedenfalls, dass ich dich nicht vorgewarnt habe. Ich weiß, ich habe ein Spiel mit dir gespielt - es muss dir so vorgekommen sein, das weiß ich jetzt. Und es tut mir auch leid, dass Picard dir deswegen auch noch die Hölle heiß gemacht hat."
Die Counselor dachte kurz über seine Worte nach. Schließlich sagte sie: "Der Captain hatte ja Recht. Ich habe mich unprofessionell verhalten. Wie konnte ich mich erdreisten, die Geheimdienstmethoden meines vorgesetzten Offiziers zu kritisieren? Noch dazu wo dieser mit seiner Vorgehensweise so vollkommen selbstzufrieden war."
Rikers Mundwinkel sanken noch ein Stück nach unten ob der bissigen Erwiderung.
"Okay", sagte er dann mit erhobenen Händen, um seine Ergebenheit zu demonstrieren. Dann sah er Deanna ernst an. "Willst du wissen, warum ich diese Show dir gegenüber genossen habe?"
Troi beugte sich vor: "Genau das, Will! Nicht nur dass du es getan hast bereitet mir Probleme, sondern vor allem weil es dir offensichtlich Genugtuung bereitet hat."
Er rang die Hände ineinander: "Ich wollte dir beweisen, dass ich genau so ein harter Bursche wie Worf sein kann. So, nun ist es raus! Ich wollte dich beeindrucken."
Deanna war für einen Moment sprachlos. So einfach war die Lösung also.
Eifersucht konnte einen Menschen völlig verändern. Deanna war jetzt in der Lage seine Gedankengänge durchaus nachzuvollziehen. Sie hatte sich in einen Klingonen verliebt. Will musste davon ausgehen, dass ihr Interesse an Männern sich, seit sie zusammengewesen waren, stark verändert hatte.
Dennoch fragte sie eindringlich: "Warum wolltest du mich beeindrucken, Will?"
"Das weißt du, Deanna. Ich meine, sieh dir Worf an - sieh dir die Klingonen an. Ihr ganzer Lebensinhalt basiert auf Kampf und Ehre. Ich dachte es könne nicht schaden, wenn ich mich etwas von der...bissigeren Seite zeige." "Will..." unterbrach sie ihn, doch er hob die Hand, damit sie ihn aussprechen ließ. "Ich weiß, dass ich den falschen Weg gewählt habe. Ich hätte es besser wissen müssen. Ich hätte dich besser kennen müssen" und nach einer kurzen Pause fügte er an: "Ich liebe dich, Imzadi."
Mit diesen Worten beugte er sich zu ihr und seine Lippen berührten die ihren fast fragend.
Deanna musste über seine plötzliche Unsicherheit schmunzeln. Sie wich zurück und sah ihn kopfschüttelnd an. "Es tut mir wirklich leid", wiederholte er und wollte sich schon enttäuscht zum Gehen wenden.
"Imzadi", sagte sie tadelnd, "du wolltest mich gerade küssen, oder habe ich das falsch verstanden?"
Er kam zurück und beugte sich erneut zu ihr. "Nein, das hast du ganz richtig verstanden", raunte er, bevor er sie diesmal nachdrücklicher küsste. Dieses Mal erwiderte sie seine Zärtlichkeit bereitwillig.
Als sie einige Zeit später, nachdem sie sich stürmisch geliebt hatten, nebeneinander in Deannas Bett lagen, sagte Riker: "Ich möchte ganz neu anfangen. Diesmal sollen alle wissen, dass wir zusammen gehören. Keine Heimlichkeiten mehr. Wenn meine Karriere unter unserer Beziehung leidet, werde ich es eben in Kauf nehmen. Lass uns keine kostbare Zeit mehr verschwenden - einverstanden?"
Deanna lächelte glücklich während sie ihm mit der Fingerspitze über die Brust strich. "Einverstanden", sagte sie, "nur eines noch", fügte sie dann hinzu, "gibt es noch mehr solcher taktischen Manöver, von denen ich lieber wissen sollte?"
Riker grinste: "Keine von denen ich dir erzählen dürfte", antwortete er geheimnisvoll. Deanna verdrehte die Augen und schlug mit der Faust spielerisch auf seinen Brustkorb. "Hey", lachte Riker, "lass das, oder ich muss dem Captain berichten, dass du mich gefoltert hast um an geheime Informationen zu gelangen."
Nun lachte auch Deanna: "Ich kenne dich viel zu gut, Will Riker. Ich prophezeie dir, dass du mich nicht noch einmal hinters Licht führen wirst. Außerdem", jetzt glitt ihre Hand tiefer an seinem Körper hinab, "prophezeie ich dir, dass du noch nicht genug hast von unserem gemeinsamen Manöver von eben." Riker schloss genießerisch die Augen: "Ich sollte jetzt vermutlich dementieren, aber ich muss gestehen - du hast Recht."
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Datas Quartier war erfüllt von Bachs Vivace. Der Raum lag im Halbdunkel, was den Androiden jedoch nicht im Geringsten störte. Seine Augen waren mit Restlichtverstärkern ausgestattet, so dass er bei fast völliger Dunkelheit noch in der Lage war, einwandfrei zu sehen. Vor ihm auf dem Tisch lagen die ursprünglichen Pläne von Adnirim Vier, sowie die Berichte über die Zerstörungen. Seine Aufgabe war es nun, die Korrekturen zu erfassen und die aktuellen Pläne an den Bordcomputer weiterzugeben. Diese Arbeit bedeutete für ihn im Normalfall nur minimalen Zeitaufwand. Da er jedoch über genügend Zeit verfügte bis der Captain die Ergebnisse sehen wollte, versuchte er die Aufgabe zu lösen, indem er nicht alle Daten gleichzeitig analysierte, sondern sie nacheinander verglich. Dabei war ihm vollkommen bewusst, dass er nun die Arbeitsgeschwindigkeit eines Menschen aufwies, jedoch keinerlei Erschöpfung an den Tag legen würde, wie es bei einem Humanoiden der Fall gewesen wäre. Er wies sich selbst an, Gedanken in diese Richtung sofort einzustellen und war für einen minimalen Bruchteil einer Sekunde davon überrascht, dass er scheinbar genau wie ein Mensch in der Lage war, von seiner eigentlichen Arbeit durch Gedanken abgelenkt zu werden - auch wenn diese Ablenkung wirklich nur einen winzigen Moment gewährt hatte. Erneut betrachtete er den Plan.
Viele Gebäude auf Adnirim Vier waren zerstört worden. Die Rettungsmission lief bereits in vollem Gange. Dr. Crusher hatte die Verletzten zum Teil auf der Oberfläche des Planeten behandelt. Die meisten waren jedoch an Bord der Enterprise gebracht worden. Die Zerstörungen auf dem Planeten waren enorm, wie Data feststellte. Da viele der führenden Projektleiter getötet worden waren, wäre es logisch gewesen, das Besiedelungsprojekt für Taylos zu verschieben. Während Data die zerstörten Gebäude markierte, versuchte er zu ergründen warum die Föderation sich wohl entschieden hatte, die Besiedelung nun sogar vorzuziehen. Solange die politische Position der Rebellen nicht eindeutig geklärt war ergab es keinen Sinn, Zivilisten in ein gefährdetes Gebiet zu schicken.
Data hatte sich daran gewöhnt, dass Menschen nicht immer logisch vorgingen. Sie ließen sich von ihren Gefühlen lenken. Manchmal auch von Intuition. Sie waren sogar im Stande, manches gewollt dem Zufall zu überlassen, statt sich an vorgegebene Pläne zu halten. Er konnte sich jedoch kaum vorstellen, dass die Föderation anhand solcher Emotionen ihre Entscheidungen traf. Es war wohl eher gut überlegt und von oberster Stelle bestimmt worden, dass die Siedler nun schon auf den Planeten gebracht werden sollten. Data war alle Möglichkeiten akribisch durchgegangen und kam zu einem einzigen Schluss - wenn er der Föderation keine völlige Ignoranz oder Unfähigkeit unterstellen wollte. Die einzig logische Schlussfolgerung erschien ihm, dass sie mit dieser Maßnahme Dominanz beweisen wollte.
Während Datas Finger über die Schaltflächen des Computers huschten, sprang mit einem Miauen Spot auf seinen Schoß. Data hielt einen Moment in seiner Arbeit inne und betrachtete seinen Zimmergenossen eingehend. "Spot, du sollst mich doch nicht bei der Arbeit stören. Die Zeit für deine Streicheleinheiten beginnt erst in eineinhalb Stunden."
Die Katze ließ sich von den Worten seines Herren wenig beeindrucken und rollte sich statt dessen schnurrend auf seinem Schoß zusammen. Data befand, dass eine Hand durchaus genügte um die Daten in den Computer einzugeben. Mit der anderen Hand kraulte er vorsichtig die Katze. Die Sensordaten, die seine Finger dabei in sein positronisches Gehirn übertrugen, ließen sich als durchaus angenehm beschreiben, wenn sie einer emotionalen Umschreibung bedurft hätten.
tbc
