Ich danke ganz herzlich Charybdis77, Abhaya und Maja für ihre Reviews! Es geht hier etwas langsam voran - aber es werden auch weiterhin Updates folgen.

Eure Kira

Kapitel 22

Der Raum war nur schwach beleuchtet. Picard saß in seinem Sessel und starrte aus dem Fenster. Er nahm die Sterne dort draußen jedoch gar nicht wahr. Wären sie alle auf einmal verschwunden, hätte sein Weltbild dadurch nicht stärker ins Wanken geraten können, als dies ohnehin schon der Fall war.

Ein dumpfer Schmerz saß in seinem Kopf, aber er beabsichtigte nicht, sich dagegen behandeln zu lassen. Irgendwie war dieser Schmerz fast tröstlich. Er zeigte ihm, dass er überhaupt noch in der Lage war etwas zu fühlen. Er fragte sich selbst, warum ihn diese Sache plötzlich so sehr mitnahm. Es war schließlich nicht das erste mal, dass er von der Vorgehensweise von Starfleet enttäuscht war. Dennoch war es diesmal schlimmer. Er fühlte sich verwundbarer. Vielleicht hing es damit zusammen, dass er älter wurde und ihm plötzlich bewusst wurde, auf was er seiner Karriere zuliebe

alles verzichtet hatte. Picard dachte an seine Familie. Er selbst hatte keinen Beitrag dazu geleistet, dass der Name Picard weitergetragen wurde. Er hatte die Verantwortung für so viele Menschen an Bord seines Schiffes, doch die Verantwortung für ein eigenes Kind hatte er nie zu spüren bekommen. Ein selbstironisches Lächeln glitt über sein Gesicht. Er hatte es trotz all seiner Fähigkeiten nicht einmal fertig gebracht eine dauerhafte Partnerin zu finden. Doch seine Position als Captain ließ eine solche Beziehung ohnehin kaum zu.

Trotz dieses Wissens machte es ihn wehmütig, dass er nicht ein einziges mal in seinem Leben vor der Entscheidung gestanden hatte, seine Karriere zugunsten seines persönlichen Glückes aufgeben zu müssen. Seine Gedanken wanderten zu Will und Deanna. Will hatte damals seine Entscheidung getroffen - und es war wohl eindeutig die falsche gewesen. Sein erster Offizier hatte scheinbar eine neue Chance bekommen. Picard wünschte ihm, dass er es diesmal richtig machte.

Dem Captain wurde klar, dass seine Gedanken sich in Richtungen bewegten, die der aktuellen Situation nicht angemessen waren.

In wenigen Stunden sollten die Siedler von Taylos eintreffen. Auf Adnirim Vier war die Lage hoffnungslos chaotisch. Offenbar hielt man die Enterprise und ihre Besatzung für fähig, die Aufgaben eines ganzen Wissenschaftsteams zu übernehmen.

Picard hatte mit dem Gedanken gespielt, noch einmal Kontakt zu Admiral Miller aufzunehmen. Er wusste jedoch, dass Miller weder den Besiedelungsplan verschieben würde, noch vor einem Captain reuig seine Schuld eingestehen würde. Picard musste sich wieder einmal in Geduld üben. Nun galt es Befehle zu befolgen. Aber alles in ihm sträubte sich dagegen. Er musste diese Gefühle in den Griff bekommen. Er tat seiner Crew keinen Gefallen, wenn er auf bloße Aussagen eines romulanischen Diplomaten und seinem eigenen unguten Gefühl hin, einen Aufstand provozierte.

Er wusste, dass er sich von diesen Emotionen lösen musste. Nur einen Moment wollte er jedoch noch hier sitzen und hinausblicken. Er fühlte sich unendlich müde.

Picard hatte einige Minuten so dagesessen, als sein Türsummer erklang. Er zuckte bei dem leisen Geräusch zusammen. Zu weit waren seine Gedanken entfernt gewesen. Die nervliche Anspannung drohte sich in eine völlige körperliche Erschöpfung zu verwandeln. Das alltägliche Geräusch des Türsummers holte ihn nun jedoch fast schon gewaltsam in die Realität zurück.

Dr. Crusher, die auf seinen Ruf hin eintrat, war weder das Zögern des Captains, noch sein überraschtes "Herein" entgangen. Sie kannte ihn gut genug, um auch ohne die Fähigkeiten einer Counselor daraus zu erkennen, dass er emotional verwirrt war.

Picard rang um Selbstdisziplin. "Ah, Beverly. Was kann ich für Sie tun?"

Sie lächelte leicht.

"Eigentlich wollte ich Ihnen kurz meinen Bericht bringen. Die medizinischen Daten wurden den Romulanern übergeben. Ich habe natürlich Kopien behalten, um eigene Forschungen fortführen zu können."

Sie zögerte als sie sah, dass er in keinster Weise auf ihren Bericht reagierte. "Und außerdem", fuhr sie fort, "habe ich einen Nusskuchen auf die Krankenstation beamen lassen, da er in der Kantine Verbrennungen dritten Grades erlitten hatte."

Picard reagierte immer noch nicht merklich. Er murmelte ein leises: "Gut, gut. Sonst noch was?"

Crusher hatte es die Sprache verschlagen. Er hatte tatsächlich kein Wort von dem was sie gesagt hatte wirklich mitbekommen. Sie ging kurzerhand um seinen Schreibtisch herum und stellte sich hinter ihn. Erst jetzt, wo sie aus seinem Blickfeld verschwunden war, schien er richtig Notiz von ihr genommen zu haben. Doch bevor er etwas sagen konnte, hatte sie ihre Hände auf seine Schultern gelegt und begann diese sanft zu massieren.

Was immer er gerade zu ihr hatte sagen wollen, hatte sich in den Tiefen dieser neuen Empfindung verloren; er schob gedanklich alles beiseite und genoss die Entspannung. Schnell erkannte er jedoch, dass er nicht nur die Entspannung genoss, sondern großen Gefallen an der Berührung selbst empfand. 'Sie ist meine Ärztin - Sie sorgt sich um mein Wohlergehen - nicht mehr und nicht weniger', wies er sich im Stillen zurecht.

Beverly, die bemerkt hatte, dass er sich unter ihren Händen augenblicklich entspannte, nutzte die Gelegenheit um ihm endlich zu sagen was ihr auf der Seele brannte und was sie unmöglich noch länger für sich behalten konnte.

"Jean-Luc, Sie hatten Recht - ich war emotional aufgewühlt als ich Sie vorhin küsste." Sie atmetet tief durch und war dankbar für die Tatsache, dass sie hinter ihm stand und er ihr daher nicht ins Gesicht sehen konnte. Sie versuchte ihre Stimme unter Kontrolle zu halten als sie weitersprach: "Aber es ist vielmehr so, dass ich eigentlich immer emotional beeinträchtigt bin, wenn Sie in meiner Nähe sind. Ich habe Sie einmal zurückgewiesen, ja - aber ich tat es aus Angst und Unsicherheit - nicht etwa aus dem Grund, dass ich nichts für Sie empfinden würde."

Beverly hatte dies alles sehr leise gesagt und Picard fragte sich, ob er dies vielleicht nur geträumt habe. Doch als er ihre Hände ergriff und sich zu ihr drehte, sah er direkt in die Augen und las darin eine Wahrheit, von der er noch vor kurzem geglaubt hatte, dass sie nur in seiner Einbildung existierte.

Sie liebte ihn - so unglaublich und überraschend es ihm auch erschien.

Als sie nun sah, dass er dies erkannt hatte, nickte sie nur stumm und beugte sich zu ihm herab. Ihre Lippen trafen sanft auf die seinen und beide genossen den Augenblick, auf den sie so lang hatten warten müssen.

Schließlich erhob sich Picard und schlang seine Arme um die Ärztin. In ihren Augen konnte er nun Leidenschaft erkennen und er war sich sicher, dass er nun seine auch nicht länger verbergen konnte. Wieder trafen sich ihre Lippen; diesmal jedoch um einiges stürmischer und fordernder. Sie gewährte seiner Zunge Einlass und er konnte spüren, wie ihre Nägel sich in seinen Rücken bohrten. Das Gefühl war herrlich und er vergaß für einen Moment völlig wo sie sich befanden und was für Sorgen ihn noch vor ein paar Minuten gequält hatten.

Picard war versunken in dem Augenblick. So lange schon war es her, dass er ausschließlich seinem Körper, nicht seinem Verstand die Kontrolle überlassen hatte, so dass er nun das Gefühl hatte davongeschwemmt zu werden. Erst als Beverly sich von ihm löste und leise aber eindringlich seinen Namen nannte, bemerkte er, dass sein Türsummer erneut erklang - und dies wohl nicht zum ersten mal.

"Herein", presste er hervor. Als Riker fast augenblicklich sein Quartier betrat, entstand eine merkwürdige Stille. Riker schien sofort im Bilde zu sein, was sich gerade eben abgespielt hatte. 'Kein Wunder' , schoss es dem Captain durch den Kopf, 'Beverly und ich stehen viel zu nah beisammen'. Seine offensichtliche Verwirrung trug wohl den Rest zu der Gewissheit bei, dass er und die Ärztin sich körperlich sehr nahe gekommen waren, stellte Picard zerknirscht fest.

Riker murmelte dann auch noch ein "Entschuldigung", was der Peinlichkeit eher zuträglich war.

Beverly war inzwischen einen Schritt zurückgetreten und strich ihr rotes Haar zurück, was sie immer tat, wenn ihr eine Situation unangenehm war.

Rikers Befangenheit hatte sich jedoch schnell gelegt und ein kurzes Lächeln huschte über sein Gesicht, bevor er wieder ernst wurde.

"Sir, ein Schiff befindet sich im Anflug. Es hat sich als "Foxfire" identifiziert. Die Föderation hat es geschickt. An Bord befinden sich die ersten zweihundert Zivilisten, die Taylos bevölkern sollen."

tbc